Harmonie von Raum und Kunstwerk
Mit dem Kaiser-Friedrich-Museum entstand 1904 eine einzigartige Schatzkammer / Neue Ausstellung würdigt Geschichte des Berliner Münzkabinetts





Das 1904 als Kaiser-Friedrich-Museum eröffnete Bode-Museum ist eine Schatzkammer der besonderen Art. Auf der Spitze der Berliner Museumsinsel erbaut, ist es Heimstatt der Skulpturengalerie, des Byzantinischen Museums und des Münzkabinetts. Die Monumentalität wilhelminischer Architektur kommt besonders gut in der Eingangshalle zum Ausdruck. Die Kopie des Schlüterschen Reiterdenkmals, dessen Original vor dem Schloss Charlottenburg steht, ehrt hier einen um die Berliner Kultur- und Kunstlandschaft verdienten Landesherrn.



Die von Wilhelm Haverkamp und Bodo Broschat geschaffenen Medaillen von 1905 sowie von 2019 erinnern in der „Klartext“-Ausstellung an die feierliche Eröffnungdes Kaiser-Friedrich-Museums am 18. Oktober 1904 und an die 1843 gegründete Numismatische Gesellschaft zu Berlin.





Im Stil der Hochrenaissance gestaltet ist die Basilika, auf dem Weg zur Ausstellung des Münzkabinetts geht man an einem barocken Spiegelkabinett vorbei, das ursprünglich ein herzogliches Schloss in Merseburg schmückte.Kunstsammlungen und die Staatsbibliothek besonders verdienten Herrscher.





Nur noch auf vergilbten Fotos zu erkennen ist die Art und Weise zu sehen, wie Wilhelm von Bode seine Themenräume mit Gemälden, Skulpturen, Möbeln und anderen Hinterlassenschaften aus vergangenen Stilepochen eingerichtet hat. Im Hintergrund ist die falsche Flora zu sehen. In der Klartext-Ausstellung gibt es ein Wiedersehen mit der berühmten Flora, die Wilhelm von Bode 1908 als Arbeit von Leonardo da Vinci für viel Geld gekauft hatte, sich aber als Produkt des 19. Jahrhunderts erwies.



Dank der großzügigen Förderung durch den preußischen Staat konnte das Berliner Münzkabinett bedeutende Sammlungen und Einzelstücke erwerben. Einer seiner Förderer war Kronprinz Friedrich, der 1888 für nur 99 Tage deutscher Kaiser und König von Preußen war. Seiner wird in der „Klartext“-Ausstellung gedacht, so wie auch prachtvolle Münzen wie im linken Bild eine Meisterleistung sizilianischer Stempelschneider vorgestellt werden.



Der Berliner Maler und Grafiker Johannes Grützke ist in der Sonderausstellung des Münzkabinetts mit einem in Bronze gegossenen Selbstporträt um 2007 vertreten, Gertrud Angelika Wetzel widmete 2008 Franz Kafka eine Medaille mit dem unverkennbaren Bildnis des in Prag lebenden Dichters.





Im Studiensaal des Münzkabinetts und im Tresor stehen Berufsnumismatikern und Laienforschern eine umfangreiche, nach 1945 neu aufgebaute Bibliothek sowie die Schätze aus dem Tresor zur wissenschaftlichen Nutzung und Beratung zur Verfügung. (Fotos: Caspar)

Als Kaiser Wilhelm II. den neobarocken Kuppelbau am 18. Oktober 1904 als Kaiser-Friedrich-Museum einweihte, bekam die Reichshauptstadt Berlin ein überaus prächtig gestaltetes „Schloss der Künste“, wie man damals sagte. Der Name erinnert an den am 15. Juni 1888 nach nur 99 Regierungstagen verstorbenen Kaiser Friedrich III., den Vater Wilhelms II. In seiner langen Kronprinzenzeit hatte Friedrich viel für die Museen getan, und da ist es nicht verwunderlich, dass sein vergoldetes Porträt neben dem anderer Hohenzollernherrscher die überkuppelte Eingangshalle des heutigen Bode-Museums mit dem Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm in der Mitte schmückt. Um die Bezüge zu ihrem Förderer zu verdeutlichen, erhielt das 2006 nach mehrjähriger Generalsanierung neu eröffnete Haus auf der Spitze der Museumsinsel den Namen „Bode-Museum vormals Kaiser-Friedrich-Museum“.

Es passiert nicht alle Tage, dass sich Museen mit ihrer eigenen Geschichte beschäftigen. In Berlin kann man das an zwei Orten beobachten – zunächst im Humboldt Forum, wo das Ethnologische Museum und das Museum für asiatische Kunst der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz ihre Historie ausbreiten und erklären, wie sie an welche Exponate kamen, was in der Zeit des Nationalsozialismus und der deutschen Teilung geschah und warum Exponate mit „kolonialer Vergangenheit“ an die Herkunftsländer zurück gegeben werden. Weniger mit fragwürdigen Machenschaften verbunden ist die Geschichte des Bode-Museums verbunden. Seine Geschichte wird unter dem Motto „Klartext“ in einer neuen Ausstellung erzählt, in der auch das Berliner Münzkabinett gewürdigt wird.

Dokumentation redet Klartext

Unter dem Motto „Klartext“ wird im Untergeschoss des Bode-Museums dessen Geschichte dokumentiert. Da seit 1904 hier auch das Münzkabinett mit dem Mobiliar der Kaiserzeit untergebracht ist, wird es in der neuen Ausstellung gebührend gewürdigt. Aus der 540000 Münzen, Medaillen, Geldscheine, Stempel und viele andere Objekte umfassenden Sammlung mit Wurzeln in kurfürstlicher Zeit wird eine kleine, aber feine Auswahl von Gold- und Silbermünzen und Medaillen gezeigt. Leitende Persönlichkeiten, allen voran Wilhelm von Bode, die sich um die Vermehrung der Sammlungen verdient gemacht haben, werden in Bild und Schrift geehrt. Zu sehen sind Plakate, die für Ausstellungen im Bode-Museum geworben haben. Die Ausstellung schildert erstmals in dieser Breite und Tiefe, wie das Museum zwei Weltkriege, den Nationalsozialismus und die deutsche Teilung überstanden hat und dokumentiert seine Rolle im Berliner Kulturleben früher und heute. Sie beleuchtet nicht nur die ruhmreichen Momente seiner Biographie, sondern auch Zerstörung, Verlust und Wiederaufbau nach 1945.

Nach der Rückgabe zahlreicher Kunstwerke, die von der Roten Armee als Kunstbeute auf Stalins Weisung in die Sowjetunion verbracht wurden, konnten im Bode-Museum und anderen Häusern auf der Museumsinsel die ersten Ausstellungen gezeigt werden. Arthur Suhle, der damalige Direktor des Münzkabinetts, baute mit seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eine sehenswerte Ausstellung auf, die in den folgenden Jahrzehnten systematisch erweitert wurde und auch Sonderausstellungen ermöglichte. Da die Bibliothek bis heute in Russland zurück gehalten wird, mussten Suhle und seine Nachfolger eine neue Schriftensammlung aufbauen, die von Numismatikern und Sammlern eifrig genutzt wird.

Sechzig Meter langer Tresor

Nach und nach etablierte sich das Münzkabinett zu einem national und international geachteten Forschungsinstitut, und manch ein Leser wird sich dankbar an die gute fachliche Betreuung durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erinnern, die nicht nur Bücher und Zeitschriften in den Studiensaal tragen, sondern auch bereitwillig Münzen und Medaillen aus dem 60 Meter langen Tresor hinter einer dicken Panzerschranktür zur Begutachtung herbei bringen. Dass das Münzkabinett auch Versammlungsort der über 150 Jahre alten Numismatischen Gesellschaft zu Berlin ist und mit ihr eng zusammenarbeitet, gehört zu den Glücksfällen in der wechselvollen Geschichte des Kunstpalastes zwischen Spree und Kupfergraben.

Das im 16. Jahrhundert begründete Münzkabinett ist eine der größten Sammlungen dieser Art weltweit. In fünf Räumen im zweiten Obergeschoss des Bode-Museums sind etwa 4000 Münzen und Medaillen ausgestellt. Sie und weitere Stücke vom siebenten vorchristlichen Jahrhundert bis zur Gegenwart findet man auch im Internet und kann sie dort unter der Adresse www.smb.museum/ikmk weltweit und rund um die Uhr betrachten. Im letzten Saal der ständigen Ausstellung des Münzkabinetts sind bis zum 8. Januar 2023 unter dem Motto „Hand Große Kunst“ Medaillen zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstlern zu sehen. Die meisten Stücke der von den Münzsammlungen in München Berlin veranstalteten Schau sind schwergewichtige Gussmedaillen, während Prägemedaillen unterrepräsentiert sind. Das Themenspektrum umfasst historische und aktuelle Fragen, vertreten sind soziale Probleme und zwischenmenschliche Beziehungen und der Kampf für Freiheit und eine gerechte Welt ohne Krieg und Raubbau an unserer Umwelt. Selbstverständlich werden der Fall der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze am 9. November 1989 sowie die am 3. Oktober 1990 erreichte deutsche Einheit mit ihren Chancen, Risiken und Verwerfungen auf Medaillen geschildert. Zu sehen sind überdies Porträts bekannter Persönlichkeiten und Selbstporträts der Medaillenschöpfer sowie Gebäude und Stadtansichten, und es gibt auch eine kleine Abteilung mit Preismedaillen für Verdienste um Kunst, Kultur, Wissenschaft und Umweltschutz und Infrastruktur. „Die Medaillenkunst der Gegenwart ist ein Spiegel unserer Zeit, sie kommentiert und interpretiert sie sehr konzentriert und haltbar auf engstem Raum und spricht alle Sinne an“, sagt Kurator Johannes Eberhard. Dass die Übergänge von der Medaille zur Kleinplastik fließend sind, zeige die Ausstellung ebenso wie das Bemühen, den Stücken durch eine ausgeklügelte Oberflächenbehandlung und Farbgebung zusätzliche Lebendigkeit zu verleihen. Zur Ausstellung erschien ein mit Essays bekannter Numismatiker versehener umfangreicher Katalog, der 2021 in der Schriftenreihe „Medaillenkunst von der Staatlichen Münzsammlung München herausgegeben wurde und die Eindrücke, die man beim Rundgang gewinnt, weiter vertieft.

Neuland mit Themenräumen

Das Bode-Museum ist ein treffliches Zeugnis für das Bemühen des langjährigen Generaldirektors der Königlichen Museen, Wilhelm von Bode (1849-1929), Räume und Kunstwerke harmonisch in Einklang und damit zu höherer Geltung zu bringen. Dieses Konzept war damals neu und diente anderen Museen als Vorbild. Bode betrat Neuland, als er so genannte Themenräume schuf, die Gemälde, Skulpturen, Möbel und Kunstgewerbe gemeinsam und jedes Stück für sich zum Strahlen brachten. Der Rundgang beginnt in der monumentalen Eingangshalle mit dem Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm in der Mitte, führt weiter durch eine florentinische Basilika mit Gemälden, Skulpturen und Möbeln aus der italienischen Renaissance und mündet in eine zweites Treppenhaus in Formen des friderizianischen Rokoko, in der marmorne Generalsfiguren der Armee Friedrichs II., des Großen, und der Preußenkönig selbst aufgestellt sind, der wie der Große Kurfürst ein bedeutender Sammler und Kunstförderer war. Im vorderen Treppenhaus werden beide Herrscher sowie Kaiser Friedrich III. und Kaiser Wilhelm II. mit großen vergoldeten Medaillons gewürdigt.

Die Collage von Raum und Kunstwerken wird in den oberen Stilsälen mit dem Wechselspiel von Skulpturen, Gemälden, Gobelins, Möbeln und anderen Gegenständen von der Romanik und Gotik bis zur Renaissance und dem Barock fortgesetzt. Ohne Bode kein Bode-Museum, und kein Bode-Museum ohne den jüdischen Kunstsammler und Menschenfreund James Simon (1851-1932). Beide Männer verbanden enge künstlerische und humanitäre Ziele, beide werden vor Ort durch Bronzebüsten geehrt. Der reiche Baumwollfabrikant Simon war „der“ Mäzen der Berliner Museen schlechthin. Ohne ihn könnte man nicht auf der Museumsinsel die Büste der ägyptischen Königin Nofretete, das Ischtartor und viele andere hochrangige Zeugnisse der Menschheitsgeschichte bewundern. Das Münzkabinett und andere Sammlungen verdanken ihm bedeutende Zuwendungen. Nach seinem Vorbild förderten auch andere Vertreter des Berliner Großbürgertums Museen und soziale Einrichtungen, denn es gehörte zum guten Ton, von seinem Reichtum etwas abzugeben. Wenn das Bode-Museum den Namen des berühmten Museumsmannes trägt, dann ist es nur recht und billig, dass die Staatlichen Museen das neue Eingangsgebäude für die fünf Häuser auf der Museumsinsel mit dem Namen James Simon Galerie auszeichnen.

Hommage an Ernst von Ihne

Die originalgetreue Wiederherstellung des im Krieg beschädigten Bode-Museums mit zwei Kuppeln und fünf Innenhöfen und seine umfassende Sanierung und Restaurierung in den späten 1990er Jahren, bei der auch das Münzkabinett eine Verjüngungskur erlebte, ist eine Hommage an den kaiserlichen Hofarchitekten Ernst Eberhard von Ihne (1848-1916), der in Berlin unter anderem die Staatsbibliothek Unter den Linden und den Marstall gebaut sowie Teile des Stadtschlosses prunkvoll umgestaltet hat. Das Werk des mit allen historischen Bauformen vertrauten Künstlers wurde über viele Jahrzehnte als unschöpferisches Stilkonglomerat abgetan. Heute räumen Kunst- und Architekturkritiker die Qualitäten der wilhelminischen Staatsarchitektur ein. Auch wenn sie Bauten und Dekorationen vor allem der Renaissance und des Barock nachahmen und die auf Machterhalt und Imagepflege abzielenden Kunstprojekte des Kaisers Wilhelm II. repräsentieren, gehören Ihnes Bauten zum Wertvollsten, was zur Zeit „Wilhelm den Letzten“ in Berlin geschaffen wurde.

1. Oktober 2022

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