Künstler und Historiker der Renaissance, der Zeit der Wiedergeburt der Antike zwischen dem 14. und der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert, schauten herablassend auf die baulichen und künstlerischen Hinterlassenschaften ihrer unmittelbaren Vorfahren. Ganz auf die römische und griechische Antike ausgerichtet, hatte in ihren Augen jene Kunstepochen wenig Wert, die wir als Romanik und Gotik kennen. Da man die mit Rund- beziehungsweise Spitzbögen und ebensolchen Gewölben ausgestatteten Kirchen, Burgen, Stadttore und sonstigen Bauwerke des Hoch- und Spätmittelalters nicht abreißen konnte und wollte, nur weil sie nicht mehr dem Zeitgeist entsprachen, ließ man sie stehen und nahm, wo es sich anbot, Erweiterungen und dekorative Veränderungen vor. Ganz der Renaissance verpflichtet, ja zu einem ihrer Väter gezählt wird der Bildhauer Donatello, der um 1386 in Florenz geboren wurde und dort 1466 im hohen Alter von etwa 80 Jahren starb. Ihm verdanken wir zahlreiche vollplastische Figuren, mit denen sakrale und profane Bauwerke sowie öffentliche Plätze geschmückt wurden. Einen großer Teil seines eindrucksvolles Lebenswerks kann man auch heute in Museen und repräsentativen Gebäuden bewundern.
Tradition und neues Wissen
Die Staatlichen Museen zu Berlin und ihre Gemäldegalerie am Kulturforum erinnern bis Anfang 2023 in einer großartigen Ausstellung an Donatello und sein Zeit. Der Bildhauer war einer der bemerkenswertesten Künstler der italienischen Renaissance, in dessen Werk sich mittelalterliche Traditionen und tiefe Gläubigkeit mit einer neuen wissensorientierten Weltanschauung verbinden. Diese neue Sicht war von der Antike inspiriert, um deren Wiederbelebung sich Humanisten in Florenz und an anderen Orten bemühten. Donatello war ein vielseitiger Künstler, der für technische und künstlerische Innovationen stets offen war und unermüdlich mit Themen, Materialien und ästhetischen Ausdrucksmöglichkeiten experimentierte. Er hinterließ er monumentale und ganz kleine Skulpturen, die auch unsere Bewunderung auf sich ziehen.
Zahlreiche Meisterwerke zeugen von Donatellos außergewöhnlichen Produktivität und Vorstellungskraft und gelten als Hauptwerke der italienischen Renaissance. Die Beschwerden seines für die damalige Zeit ungewöhnlich hohen Alters hinderten den Künstler nicht an der Schöpfung neuer Werke, erfährt man beim Rundgang durch die abgedunkelten und raffiniert ausgeleuchteten Sälen gleich neben der die Zeit von der Romanik bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert umfassenden Gemäldeausstellung. Zu sehen ist, dass emotional berührende Themen wie Mutterglück und Tod den größten Raum in Donatellos Oeuvre einnehmen. Immer wieder sind es hier die Madonna mit dem Kind und dort der leblose Körper des Gekreuzigten, der von Engeln oder seiner Mutter beweint wird. Die Darstellungen waren vorbildlich für spätere Generationen.
Marmor, Bronze, Terrakotta und Gips
Donatello verstand es wie kein anderer seiner Zeit, die Gläubigen ans Herz zu greifen. Neu war zu Donatellos Zeiten der Einsatz mathematischer Perspektivkonstruktionen in Reliefs sowie die Verwendung von Terrakotta und Stuck neben Marmor und Bronze in der Bildhauerei. Dass er eine Form mit Mariendarstellung schuf, nach der man serielle Abgüsse herstellen konnte, gehört zu den Überraschungen dieser ungewöhnlichen Schau. Am 13 Dezember 1466 starb der Bildhauer in Florenz. In seinem langen Leben hatte er die Kunstgeschichte revolutioniert. Wie er das tat und was nachfolgende Generationen ihm verdanken, wäre am Schluss der Ausstellung eine Betrachtung wert gewesen. Donatello schreckte vor monumentalen Skulpturen nicht zurück. So zeigt die Ausstellung ein großes Bronzekruzifix aus der Basilika des heiligen Antonius in Padua. Harmonische Proportion und naturalistische Details bestimmen die Figur des Gekreuzigten, sein Leiden ist deutlich zu sehen.
David besiegt Goliath
Nicht alle ausgestellten Objekte sind Originale. So begrüßt gleich zu Beginn ein nackter David nicht aus Bronze die Gäste, sondern als Gipsabguss aus der Zeit vor 1879, denn das Original steht im Museum Nationale del Bargello in Florenz. Die Skulptur, eine Ikone der Bildhauerei der Renaissance, war um 1435 bis 1440 von Donatello für die Florentiner Familie Medici geschaffen worden. Den Gipsabguss hat Museumsdirektor Wilhelm (von) Bode anfertigen lassen, als Donatello nach Jahrhunderten der Vergessenheit wieder ans Tageslicht gelangte. Auf Bodes Initiative kamen nicht nur Kopien des Renaissancekünstlers an die Spree, sondern auch viele Originalwerke. So besitzen die Staatlichen Museen zu Berlin neben dem Nationalmuseum in Florenz und dem Victoria & Albert Museum in London eine der weltweit größten und vielfältigsten Sammlungen von Werken dieses Ausnahmekünstlers. Sie und die Fondazione Palazzo Strozzi haben sich für die Ausstellung zusammengeschlossen.
Die Ausstellung wird gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds und den Kaiser-Friedrich-Museumsverein. Sie eröffnet die einmalige Chance, Donatellos Erfindungsreichtum und seine Ausstrahlung auf Zeitgenossen und spätere Generationen zu erleben und zugleich die Vielfalt der Berliner Sammlungen kennen zu lernen. Parallel sind im Donatello-Saal des Bode-Museums einige jüngst aufwändig restaurierte Werke der Skulpturensammlung aus dem Umfeld des Meisters zu sehen. Neben Werken der Berliner&xnbsp;Skulpturensammlung&xnbsp;sind in der Gemäldegalerie am Berliner Kulturforum Leihgaben zu sehen, von denen einige noch Italien verlassen haben. Unter ihnen befinden sich drei bedeutende Bronzen vom Hauptaltar der Basilica del Santo in Padua sowie die Marmorskulptur des David aus Florenz. Diese Werke treten in Dialog mit Gemälden von Zeitgenossen wie Masaccio, Fra Filippo Lippi und Andrea Mantegna sowie Skulpturen, Zeichnungen und Abgüssen aus den Beständen der&xnbsp;Berliner Antikensammlung, des&xnbsp;Kupferstichkabinetts&xnbsp;und der&xnbsp;Gipsformerei.
Medaillen als neues Genre
In der Renaissance wurde in Italien ein neues Genre erfunden - die Medaille. Authentische Porträts kamen auf Münzen und Medaillen seit der Renaissance im Zeichen der Rückbesinnung auf die Antike in Mode. Hatten sich antike Stempelschneider lange Zeit um wahrheitsgetreue Porträts römischer Kaiser und Kaiserinnen bemüht, so ging diese Kunst in der Spätzeit des Weströmischen Reichs und im Oströmischen Reich verloren. Anstelle fein ausgearbeiteter Bildnisse verkamen Porträts, Wappen und andere Motive in der Spätantike und im Mittelalter immer mehr zu schemenhaften Andeutungen. Karl der Große war eine Ausnahme, denn er erscheint gut erkennbar um das Jahr 800 auf Denaren ganz der Tradition der römischen Kaiser. Danach hat man Köpfe von geistlichen und weltlichen Fürsten bis zur Renaissance ohne jede Lebensnähe abgebildet.
Frühe Beispiele für glaubhafte Bildnisse auf Münzen des 15. Jahrhunderts finden wir auf edel gestalteten „Testoni“ italienischer Fürstenhäuser und der Päpste. Abgeleitet vom Wort „testa“ für Kopf, waren diese silbernen Kopfstücke auch für benachbarte Länder vorbildlich und ein willkom-mener Anlass für münzprägende Potentaten, sich lebenswahr und vorteilhaft für ewige Zeiten darzustellen. Glaubhafte Bildnisse waren wichtig für die Kommunikation, und sie finden sich auch auf Medaillen, die in der Zeit von Donatello und Pisano gegossen wurden. Bald schon lernte man, die Schaustücke auch zu prägen und mit ihnen fürstliche Propaganda zu betreiben. Die Renaissance bescherte Europa unzählige Medaillen,die sehr gut erforscht und publiziert sind. Ab und zu bietet der Handel teure Originale an, aber mehr noch Nachgüsse und Kopien. Mit dem Aufschwung in Kunst, Kultur und Wirtschaft untrennbar verbunden, waren die Medaillen auch im Römisch-deutschen Reich als so genannte Verehrpfennige beliebt. Meist bestehen sie aus Bronze und Silber, doch sollten Ausgaben aus Gold versteigert werden, sind ihnen exorbitante Preise sicher.
-->
3. November 2022
Zurück zur Themenübersicht "Ausstellungen, Museen, Denkmalpflege"