Wegbereiter der Moderne
Ausstellung im Berliner Knoblauchhaus erinnert an den früh verstorbenen Architekten Friedrich Gilly



Freunde und Verehrer widmeten dem mit nur 28 Jahren verstorbenen Architekten Friedrich Gilly eine Büste, die Johann Gottfried Schadow schuf und in der Berliner Akademie der Künste ausgestellt wurde und jetzt im Knoblauchhaus zu sehen ist.



Die tempelartige Anlage wurde niemals gebaut, lediglich zeigen ein Aquarell und Entwürfe in der Ausstellung, wie Friedrich Gilly sich die Stein gewordene Ehrung für Friedrich den Großen vorstellte.



Das Modell Denkmals Friedrichs II. waren beim Symposium in den Räumen des Versteigerungshauses Lempertz neben dem Knoblauchhaus zu sehen.



Friedrich Gilly schuf 1798 dieses Aquarell mit der Ansicht eines Landhauses "im englischen Geschmack". Es ist eines der wenigen Blätter, die auf seinen Englandaufenthalt Bezug nehmen. Bei seinem dreimonatigen Aufenthalt auf der Insel entwarf er dieses an antike Bauten erinnernde Projekt, das wie viele andere unausgeführt blieb.



In den 1790er Jahren versuchte Friedrich Gilly, eine ägyptische Knickpyramide mit einer griechischen Tempelfassade zu kombinieren. Für das Innere sah er ein komplexes Gebäudeensemble mit gotischen Spitzbögen vor. Die Originalzeichnungen im Besitz der Technischen Universität Berlin sind Kriegsverlust. Das Modell wird im Knoblauchhaus gezeigt.



Im Eingangsbereich des Knoblauchhauses steht für zwei Jahre eine Reliefplatte vom Münzfries, der auf Entwürfe von Friedrich Gilly zurück geht und um 1800 in Schadows Werkstatt ausgeführt wurde. Dieser Klassiker der klassizistischen Bildhauerkunst war der Öffentlichkeit jahrzehntelang verborgen und wird auf Initiative der Schadow Gesellschaft Berlin als Teilstück gezeigt. Bei der auf einem Stahlgestell stehenden Minerva sind Schichten alter Farbfassungen sowie Ausbrüche und Kittungen zu sehen. Nach einem geeigneten Ort für die Präsentation des ganzen Frieses wird gesucht.



Gillys Zeichnungen und Entwürfe stammen aus der Grafischen Sammlung des Stadtmuseums Berlin, der Akademie der Künste, der Schlösserstiftung Berlin-Brandenburg, der Alten Nationalgalerie, der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, der Klassikstiftung Weimar und aus Privatsammlungen.





Der im Knoblauchhaus gezeigte Dionysos-Tafelaufsatz nach einem Entwurf von Friedrich Gilly ist der einzige dieser drei Ensembles, der komplett erhalten blieb. Zu sehen sind hier auch Büsten von seinen Zeitgenossen, rechts schaut Karl Friedrich Schinkel auf die Besucher. (Fotos: Caspar)

Mit der Ausstellung "Friedrich Gilly (1772-1800). Kubus, Licht und Schatten" im Museum Knoblauchhaus im Nikolaiviertel widmet sich die Stiftung Stadtmuseum Berlin bis zum 16. Oktober 2022 dem innovativsten deutschen Architekten der Zeit um 1800. Er war nicht nur Lehrer von Karl Friedrich Schinkel, sondern mit seinen noch heute hochmodern wirkenden Architekturentwürfen auch Wegbereiter der Moderne und Vorläufer des Bauhauses. Leider ist von seinen Bauten so gut wie nichts erhalten, doch künden in der Ausstellung gezeigte und in Archiven liegende Pläne und Entwürfe von seinen Vorstellungen für Bauten jenseits barocken Prunks und hochherrschaftlichen Bombasts. Anlässlich des 250. Geburtstags von Gilly fand Anfang September 2022 im Kunsthaus Lempertz gleich neben dem der Kunst und Wohnkultur der Biedermeierzeit gewidmeten Knoblauchhaus ein wissenschaftliches Symposium mit renommierten Gästen aus dem In- und Ausland statt.

Zu sehen war bei der Gelegenheit unter anderem das Modell eines monumentalen Denkmals, das Friedrich Gilly für den 1786 verstorbenen Preußenkönig Friedrich II., genannt der Große, für den Leipziger Platz in Berlin plante. Die Ausstellung im Museum Knoblauchhaus dokumentiert in drei Themenräumen Friedrich Gillys Werk. Beim "Kubus" dreht sich alles um die architektonischen Prinzipien dieses Künstlers, im Abschnitt "Licht" gibt es eine Begegnung mit seinen klassizistischen Idealentwürfen, und bei "Schatten" um Dramatisierung, Frühromantik und Gillys persönliche Tragik. Insgesamt werden 61 Zeichnungen und Grafiken präsentiert, begleitet von Porträtbüsten, Architekturmodellen und Luxusprodukten im Gilly-Design und weiteren Hinterlassenschaften aus seiner Zeit.

Genialer Erneuerer der Architektur

Friedrich Gilly galt seiner Zeit als Trotz seiner Jugend war er der Kopf der Berliner Architekturszene um 1800 und ein großes Vorbild für seinen Schüler Karl Friedrich Schinkel und andere Künstler. Radikal wie niemand sonst zielte Gilly aufs Grund und Ganze, denn er sah in der Baukunst eine treibende Kraft für gesellschaftliche Erneuerung, die von Frankreich und der Revolution von 1789 ausging. In seinen Architekturentwürfen ging er von geometrischen Grundkörpern aus - Kubus, Würfel und Walze - und inszenierte sie mit Licht und Schatten, wie man auf seinen Bildern und Zeichnungen gut erkennen kann. Zur Tragik dieses begnadeten Künstlers gehört, dass seine Ideen kaum praktisch ausgeführt wurden, sie waren seiner Zeit wohl zu radikal und ungewohnt. Sein kurzes Leben und die Probleme seiner Zeit um 1800 schoben seinen Plänen einen Riegel vor. Doch wirkte das Werk dieses Wegbereiters der Moderne weiter und inspirierte nach 1900 die Architektur des Bauhauses bis hin zur Neuen Nationalgalerie von Mies van der Rohe.

Charakteristisch für das Schaffen des jungen Architekten ist das Spiel mit Licht und Schatten. Ihn interessierte das Dunkle, Verborgen und Rätselhafte, und er hielt die gotische Architektur der Marienburg in malerischen Ansichten fest und stand mit Vertretern der frühen Romantik in Verbindung. Er kenne keinen schöneren Effekt als von den Seiten umschlossen, gleichsam vom Weltgetümmel abgeschnitten zu sein und über sich ganz frei den Himmel zu sehen, schrieb Gilly über sich.

Monumentalbau zur Erinnerung an Friedrich den Großen

Nach seinem frühen Tod am 3. August 1800 begann eine Art Vergöttlichung des Genies, von dem Johann Gottfried Schadow im Auftrag seiner Freunde eine für die Akademie der Künste bestimmte und jetzt im Knoblauchhaus ausgestellte Marmorbüste schuf. Über ihn notierte der Bildhauer in seinem Buch "Kunstwerke und Kunstansichten" von 1850, herausgegeben und kommentiert von Götz Eckardt (Henschelverlag Kunst und Gesellschaft Berlin 1987), Gilly habe schon früh seine seltenen Naturgaben gezeigt und sei als der Vorläufer von Schinkel zu betrachten. Auf einer "papiernen Tafel", mit der das farbige Aquarell in der Ausstellung gemeint ist, seiner Fantasie freien Lauf gelassen: "ein quadrater Unterbau von kolossaler Ausdehnung enthielt viele Räume, bestimmt, Büchersammlungen und Reliquien des Großen Königs aufzubewahren. Von außen vier Treppen, um zu dem Plateau zu gelangen, auf welchem der Tempel stand, dessen äußere Säulenpracht sich zeigte, über dessen Inneres jedoch noch nichts beigegeben war."

In der Tat machte der junge Architekt 1797 mit dem von Schadow erwähnten Entwurf für ein Denkmal König Friedrichs II., des Großen, Furore. Seine monumentale, an der französischen Revolutionsarchitektur und Bauten der klassischen Antike orientierte Konzeption, die man im Knoblauchhaus bewundern kann, war etwas bahnbrechend Neues. Doch waren die Zeiten mitten in den französischen Revolutionskriegen für solche Projekte ungünstig. Erst 1851 konnte Unter den Linden in Berlin nach vielen Diskussionen das von Christian Daniel Rauch und anderen Künstlern gestaltete Reiterdenkmal des Preußenkönigs aus Bronze enthüllt werden. Auch andere Architekten und Bildhauer dachten über ein ihm gewidmetes Denkmal nach, doch blieben auch ihre Vorschläge auf der Strecke.

Zu Gillys Zeiten setzte sich der Klassizismus als dominierender Baustil in Preußen und Deutschland durch, erfahren die Besucher der Ausstellung. Inspiriert von der blockhaften Schwere der dorischen Architektur des antiken Griechenland und der französischen Revolutionsarchitektur habe Gilly auf der Suche nach dem Wahrhaftigen und Elementaren einfache und klaren Formen entwickelt. Mit seinen "Meisterwerken des anspruchsvollen Designs" sei er allerdings an natürliche Grenzen gestoßen, ist auf einer Tafel zu lesen. Sein Formenvokabular sei beschränkt gewesen, es habe ihm an Vielfalt gefehlt, weshalb das Publikum mit dieser Avantgarde-Architektur haderte. Nach Gillys Tod habe Karl Friedrich Schinkel die preußische Architektur in gefälligere Gefilde geführt.

Friedrich Gilly war einer der ersten Professoren an der Berliner Bauakademie, die zunächst im klassizistischen Neubau der Königlichen Münze auf dem Werderschen Markt, nicht weit vom Schloss entfernt untergebracht war und später ein eigenes Gebäude erhielt, das auf seinen Wiederaufbau wartet. Gilly und Schinkel haben die Baudenkmalpflege in Preußen begründet, als an anderen Orten noch Bau- und Kunstwerke beseitigt wurde, weil ihre Pflege zu teuer war und/oder sie dem Zeitgeschmack nicht entsprachen.

Ein besonderes Highlight im Knoblauchhaus ist der 21-teilige, höchst luxuriöse Dionysos-Tafelaufsatz, der erst unlängst aus dem Besitz der Herzöge von Württemberg im Kunsthandel auftauchte und sich nun in einer Privatsammlung befindet. Das Ensemble wurde um 1800 in Berlin wohl nach Entwürfen von Friedrich Gilly gefertigt. Die 1792 in Berlin gegründete Bronzewarenfabrik Werner & Mieth stellte Kronleuchter, Vasen und Möbelbeschläge für den Luxusbedarf, dazu um 1800 drei große Tafelaufsätze zum Thema Tod und Auferstehung. Die Vase in der Mitte zeigt den schlafenden Dionysos, um sie herum stehen Gefäße mit Darstellungen von Amor und Psyche und anderen Motiven.

Die Ausstellung unterstreicht, dass das Naziregime sein architektonisches Pathos für seine Kunstpropaganda und gigantomanischen Baumaßnahmen vereinnahmte, was der Rezeption seines Werk nach dem Ende der Hitlerherrschaft nicht gut getan hat. Es dauerte längere Zeit, bis man sich dem Oeuvre dieses Ausnahmekünstlers ohne Scheuklappen nähern konnte. Das Symposium Anfang September 2022 zeigte, wie das geht. Unter dem Titel "Teenager, Schneidermeister und Gerichtspräsident: Gottfried Schadows Portraitbüsten für das bürgerliche Berlin" zeigt das Stadtmuseum im Knoblauchhaus in seiner Dauerausstellung "Berliner Leben im Biedermeier" bis 21. Februar 2023 zehn bürgerliche Portraitbüsten von Schadow und Zeitgenossen als Ergänzung zu einer Schadow-Retrospektive in der Alten Nationalgalerie.

Über die Biedermeier-Ausstellung im Knoblauchhaus siehe Eintrag vom 2. Juni 2022 auf dieser Internetseite

13. September 2022

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