Anspruchsvolle Runderneuerung eines Baudenkmals
Gipsformerei der Staatlichen Museen in Berlin-Charlottenburg wird in den kommenden Jahren saniert und erweitert



Die Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz an der Sophie-Charlotte-Straße in Charlottenburg ist in die Jahre gekommen, weshalb ihre Runderneuerung mit einem Architekturwettbewerb eingeleitet wird.



Wer durchs Schaufenster blickt sieht drei Grazien und im Hintergrund die Kopie einer Büste der altägyptischen Königin Nofretete, deren Original im Neuen Museum auf der Museumsinsel bewundert werden kann.





Für die Aufbewahrung alter und neuer Gipsformen muss im Zuge der Sanierung und des Umbaus in der Staatlichen Gipsformerei Platz geschaffen werden. Im Depot sind zahlreiche mit kräftigen Schnüren zusammengehaltenen Formen und Abgüsse eingelagert. Da sie nummeriert sind, kann man sie schnell finden und für neue Abformungen verwenden.







Eine Auswahl aus ihrem einzigartigen, noch nie in dieser repräsentativen Form gezeigten Fundus - hier die Prinzessinnengruppe von Johann Gottfried Schadow und die 1506 in Rom entdeckte Marmorgruppe des Laokoon - sind Gipskopien aus dem 19. Jahrhundert waren 2019 und 2020 in der Sonderausstellung "Nah am Leben" anlässlich ihres zweihundertjährigen Bestehens und zur Eröffnung der James-Simon-Galerie im neuen Eingangsgebäude der Staatlichen Museen auf der Berliner Museumsinsel zu sehen.





Die Kopien, ob aus Gips strahlend weiß, farbig bemalt oder mit Patina versehen, ob aus Metall oder wetterbeständigem Kunststoff bestehend, werden von Museen, Privatleuten und anderen Bestellern gebraucht, die solche Nachbildungen ausstellen möchten. Hier die im Verlaufsraum Büste der altägyptischen Königin Nofretete und im Depot der Abguss eines von Johann Gottfried Schadow Ende des 18. Jh. geschaffenen Denkmals Friedrichs des Großen. (Fotos: Caspar)

Im Jahr 1819 von Friedrich Wilhelm III. als "Königlich Preußische Gipsgussanstalt" gegründet und in einem 1889 bis 1891 nach Plänen des Landbauinspektors Johannes Merzenich an der Sophie-Charlotten-Straße 17/18 unweit des Berliner Schlosses Charlottenburg untergebracht, verfügt die Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz über eine Formwerkstatt sowie Malerateliers und Lagerräume für die historischen Formen und Modelle. Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) hat am 25. Januar 2022 einen Wettbewerb ausgelobt, der die Grundinstandsetzung der denkmalgeschützten Gipsformerei und die Errichtung eines Erweiterungsbaus umfasst. In den ersten Jahrzehnten war das Institut noch Teil der Werkstatt des Bildhauers Christian Daniel Rauch und hatte noch keinen eigenständigen Produktionsort. Nach Umzügen in das Sockelgeschoss des Alten Museums am Berliner Lustgarten beziehungsweise in das Gießhaus in der Münzstraße wurde 1891 der Neubau in Charlottenburg bezogen. Für die Wahl des Standortes der Gipsformerei mit Verbindungen zu zahlreichen europäischen und überseeischen Ländern war zur Erbauungszeit die Nähe zur Eisenbahn wichtig. Der wenige hundert Meter entfernte Bahnhof Westend war seit 1877 in Betrieb und wurde für diesen Zweck genutzt.

Anspruchsvolle Bauaufgabe

Der offene, zweiphasige anonyme Planungswettbewerb hat laut BBR das Ziel, "einen nachhaltigen, funktional und architektonisch überzeugenden Vorentwurf für die Sanierung und Erweiterung der Gipsformerei sowie ein geeignetes Architektenteam zu finden, welches sich mit der Bauaufgabe identifiziert und den Anforderungen in Umfang und Komplexität gewachsen ist." Es handle sich um eine anspruchsvolle Bauaufgabe, da die einzigartige Nutzung sowie die durch äußere Rahmenbedingungen vorgegebene örtliche Situation zahlreiche Planungsspezialisten erfordert. Das BBR geht davon aus, dass die Manufaktur während der Umbauphase einen ihren Betrieb aufrecht erhält, wenn auch eingeschränkt. Ziel des Wettbewerbs ist es, einen städtebaulich, gestalterisch und funktional hervorragenden Entwurf für die Liegenschaft zu erhalten, der unter Berücksichtigung der baulichen und rechtlichen Rahmenbedingungen das geforderte Raumprogramm erfüllt und dabei insbesondere die Belange des nachhaltigen Bauens, des bewussten Verzichts auf komplizierte und teure Technik sowie des Denkmalschutzes in überzeugender Weise umsetzt. In der zweiten Phase des Wettbewerbs geht es um die architektonische Ausformulierung der Zielvorgaben.

Der mit der Kopie historischer Skulpturen befasste Betrieb auf einem Grundstück an der Ecke Spandauer Damm/Sophie-Charlotte-Straße im Berliner Bezirk Charlottenburg besteht aus einem Vorderhaus mit vier Etagen und zwei Seitenflügeln. Pro Geschoss beträgt die Brutto-Grundfläche etwa 1.045 Quadratmeter. Es gibt Werkstätten und Büros sowie einen Verkaufs- und Ausstellungsraum, ergänzt durch die Packerei und Lagerflächen. Ende der 1960er Jahre wurde im Hofbereich eine zweigeschossige Modellhalle mit einem eingeschossigen Verbindungsbau errichtet, um dem zunehmenden Lagerbedarf für die Formen und Modellen gerecht zu werden.

Altägyptische Sphingen halten Wache

Um- und Einbauten vergangener Zeiten haben in det Gipsformerei Spuren hinterlassen. Sie ist in die Jahre gekommen und bedarf einer gut vorbereiteten und realisierten Frischekur. Das Haupthaus blieb bis heute in seiner wesentlichen Gestalt und Authentizität erhalten. Gebaut wurde es als massiver Mauerwerksbau mit Ziegelgewölbedecken, den so genannten preußischen Kappendecken. Das Dach über dem dritten Obergeschoss besitzt flach geneigte Pultdächer, die Dachkonstruktion ist in Holzbauweise errichtet. Die Außenwände bestehen aus sichtbarem Ziegelmauerwerk ohne zusätzliche Dämmung. Dezente horizontale Zierbänder aus rötlichem Ziegel gliedern die Straßenfassade. Die weißen Holzsprossenfenster mit Stichbogenabschluss sind in regelmäßigem Abstand symmetrisch, die historische Toreinfahrt in den Hof ist mittig angeordnet. Ein Fries aus Mauerwerk schließt die Fassade oben ab. Links und rechts vom Eingang halten altägyptische Sphingen Wache, natürlich Kopien der Gipsformerei.

Die Gipsformerei befindet sich aktuell in einem Prozess der Neuausrichtung hinsichtlich ihrer Bedeutung als Museumssammlung und als Kunstmanufaktur. Der Vorteil einer breiten Angebotspalette hochwertiger und wertvoller Formen soll nach Möglichkeit ausgebaut werden, auch um das internationale Alleinstellungsmerkmal in diesem Bereich zu halten. Das Raumpotential in der Gipsformerei ist mehr als ausgeschöpft. Der Platzbedarf durch Abgussformen, die auf Grund nicht mehr verwendet, aber als historische Objekte aufbewahrt werdeen müssen, stellt ein Problem dar, denn es kommen neue Formen hinzu, die ebenfalls Platz beanspruchen. Große Formen müssen derzeit in den Gängen gelagert werden, doch kann das keine Dauerlösung sein. Da die Werkstattbereiche zusammenhanglos im Gebäude verteilt sind, können die Arbeitsabläufe schwierig gestaltet werden. Die Skulpturenmalerei ist als Provisorium im Depot untergebracht und auf kleine Bereiche aufgeteilt. Das Depot der Modellhalle wird als provisorische Werkstatt für Großobjekte genutzt.

Anforderungen des Brand- und Arbeitsschutzes

Das denkmalgeschützte Haupthaus weist einen erheblichen Instandhaltungsrückstand auf. Zwar wurden in den vergangenen Jahren Brandschutz-Sofortmaßnahmen und einige für den Betrieb zwingend erforderliche Maßnahmen ausgeführt, doch konnten sie die Grundsanierung nicht ersetzen. Es wurde festgestellt, dass die historische Nutzung und Bauweise des Hauses an vielen Stellen mit heutigen Anforderungen des Brand- und Arbeitsschutzes, der Nachhaltigkeit und dem barrierefreien Bauen kollidiert. Die Gipsformerei konzentriert sich in der Zukunft auf die Fertigung vor allem hochwertiger und großformatiger Abgüsse. Darüber hinaus will sie ein digitales Archiv der dreidimensionalen Weltkunst aufbauen und sich langfristig zu einem Kompetenzzentrum für digitale Archivierung und Reproduktion entwickeln. Diesen Zielen dienen die Grundinstandsetzung des denkmalgeschützten Altbaus und die Erweiterung durch ein neues zukunftsweisendes Fertigungs- und Depotgebäude einschließlich einer bauliche Verbindung des Neubaus an den Altbau, um die Betriebsabläufe weiterhin gewährleisten und optimieren zu können. Die Maßnahmen dienen auch dem Ziel, die öffentliche Präsenz und Wahrnehmung der Gipsformerei im Herzen von Charlottenburg verbessern.

Manche Formen sind 200 Jahre alt

Die Gründung der Gipsformerei vor gut 200 Jahren gehörte zu einer Reihe von Initiativen des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IIII. und seiner Berater, nach dem Sieg in den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 gegen das napoleonische Frankreich in Preußen Kunst, Wissenschaft, Bildung und Wirtschaft zu fördern und neue Ressourcen zu erschließen. In der Zeit des Klassizismus gab es großes Interesse an antiken Skulpturen. Da aber Gipsabgüsse damals teuer aus Italien importiert werden mussten, hoffte die preußische Regierung, mit der Herstellung von Abgüssen eine neue Einnahmequelle zu erschließen. Zum Leiter des Unternehmens wurde der bekannte Bildhauer Christian Daniel Rauch bestimmt. Das Institut wurde 1830 den Königlichen Museen angegliedert. Seine Bedeutung wuchs parallel zur rasanten Entwicklung der Berliner Museen. Neu erworbene Objekte wurden auch in den Angebotslisten der Formerei berücksichtigt. Ebenso führten die Zusammenarbeit mit der Akademie der Künste, der Berliner Universität und weiteren Institutionen sowie archäologische Forschungsprojekte zur Herstellung von Formen und Abgüssen.

Die ältesten Formen im Besitz der Gipsformerei für Nachbildungen von Reliefs, Büsten und vollplastischen Figuren sind 200 Jahre alt. Das traditionsreiche Haus ist die weltweit größte Kunstwerkstatt dieser Art und steht mit Museen und Sammlern auf allen Kontinenten in Verbindung. Die Gipsformerei bewahrt über 7000 unterschiedlich große Gussformen aus Gips, die inwendig mit Ölfarbe bestrichen sind. Nach ihnen können antike, mittelalterliche und neuzeitlicher Kunstwerke in einem komplizierten Verfahren nachgegossen werden. Wer möchte, kann auch Bronzefiguren bestellen, wobei solche Aufträge an externe Kunstgießereien weitergereicht werden.

Königin Nofretete ist der Star

Star unter den Gipskopien ist zweifelsohne die berühmte Büste der altägyptischen Königin Nofretete, deren vielbewundertes, seinerzeit von James Simon den Berliner Museen gestiftetes Original im Neuen Museum auf der Museumsinsel bewundernde Blicke auf sich zieht. In der Gipsformerei wird das Porträt der "berühmtesten Berlinerin", wie man manchmal sagt, in einem komplizierten Verfahren so genau nachgeformt und bemalt, dass man Mühe hat, das Original von der Kopie zu unterscheiden. Bei der Wiederherstellung zerstörter Skulpturen wie in den 1950er Jahren der Quadriga auf dem Brandenburger Tor in Berlin taten Gussformen und Modelle der Charlottenburger Kunstmanufaktur gute Dienste.

Siehe auch Eintrag auf dieser Internetseite vom 24. September 2019(Museen, Denkmalpflege)

8. Februar 2022

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