Begnadetes Multitalent
Staatsbibliothek erinnert an den vor 200 Jahren verstorbenen Komponisten, Dichter und Juristen E. T. A. Hoffmann



Über sich sagte der mit vielen Talenten begnadete Hoffmann: "Die Wochentage bin ich Jurist und höchstens etwas Musiker, sonntags, am Tage wird gezeichnet, und abends bin ich ein sehr witziger Autor bis in die späte Nacht."



Ein Bronzedenkmal erinnert in der Umgebung des Schinkelschen Schauspielhauses am Berliner Gendarmenmarktes an E. T. A. Hoffmann, das Original aus Stein fand in einem Hof der Staatsbibliothek Unter den Linden Asyl. Der Dichter, Musiker und Zeitkritiker hat sich dämonisch blickend auf der Zeichnung selbst porträtiert.





Die Akten, Siegelstempel und andere Hinterlassenschaften stammen aus der Zeit, da Hoffmann am Berliner Kammergericht tätig war. .



Ausgestellt sind in der Staatsbibliothek verschiedene Porträts, aber auch Karikaturen wie die in einem Brief, die den Dichter, Komponisten und Juristen mit dem Schauspieler Ludwig Devrient Wein trinkend zeigt



Heute würde man Hoffmann wohl einen Workaholic nennen, denn arbeitet in der Regel an mehreren Projekten gleichzeitig und verschaffte sich Ausgleich und Entspannung in ausgiebigen Saufgelagen im Weinhaus Lutter & Wegener gleich bei ihm um die Ecke am Gendarmenmarkt. Darunter Kapellmeister Kreisler als Hoffmanns Alter ego vor den Noten der Märchenoper "Undine".



Eine Tafel von 1890 am früheren Wohnhaus ehrt E. T. A. Hoffmann, lädt hier das Weinhaus Lutter & Wegener zu gemütlichen Runden ein. Der Umschlag für das Buch "Der Floh" wurde vom Autor gezeichnet.



Vorbilder für seine Texte und Karikaturen fand der Dichter bei Zechgelagen und auf der Straße, vergleichbar etwa mit Heinrich Zille, dem Zeichner des Berliner Proletariats, der dem Volk in Kneipen und auf der Straße aufs Maul schaute und ihm auf unzähligen Bildern ein Denkmal setzte.



E. T. A. Hoffmann macht sich auf der Karikatur über Leute lustig, die bei Brand des alten Schauspielhauses 1817 zusahen. Aus seinem Wohnhaus erlebte er das dramatischen Geschehen hautnah.



Die Karlsbader Beschlüsse öffneten der Unterdrückung des freien Geistes, der Zensur und der Schnüffelei Tür und Tor. Auf dem Gemälde schließen sich in mittelalterlicher Kulisse der König von Preußen, der Kaiser von Österreich und der russische Zar im Kampf gegen die Opposition zusammen. (Fotos/Repros: Caspar)

Die Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz zeigt vom 17. August bis zum 2. November 2022 Unter den Linden 8 in den Räumen ihres kürzlich erst eröffneten Kulturwerks die Ausstellung "Unheimlich fantastisch - E. T. A. Hoffmann 2022". Anlass der Dokumentation ist Hoffmanns 200. Todestag am 25. Juni 1822. Erstmals wird der Dichter, Komponist, Musikkritiker, Zeichner und Jurist in einer solchen Breite und Vielfalt geehrt, ergänzt durch Werke zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler. Es gibt ein vielfältiges Vortrags- und Kulturprogramm sowie einen umfangreichen Katalog und ein Begleitheft, das Kindern den Künstler nahebringt und sie anregt, ein wenig über ihn und sich selbst nachzudenken.

Hoffmann war ein komponierendes, dichtendes, seine Zeitgenossen scharf beobachtendes und sie karikierendes Multitalent, dessen sich die Ausstellung in vier Themenkomplexen annimmt. Sie vermittelt lebendige und für manche Besucher auch neue Einblicke in die Welt des Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, der seinen dritten Vornamen Wilhelm aus Verehrung für Wolfgang Amadeus Mozart in Amadeus verwandelte. Die Ausstellung huldigt dem aus Königsberg stammenden Wahlberliner als hellsichtigen Beobachter und mutigen Kritiker seiner Zeit und würdigt seine in Deutschland und im Ausland bis heute andauernde Wirkung in der Literatur, Musik, bildenden Kunst sowie im Film. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit der Staatsbibliothek Bamberg und dem Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt am Main und konnte auf die weltweit größten Sammlungen von Hoffmanniana in Berlin und Bamberg zurückgreifen, ergänzt durch Bestände des Freien Deutschen Hochstifts zur Deutschen Romantik. Das Berliner Studio TheGreenEyl schuf durch Raum- und Klangelemente wie Spiegelungen und Verzerrungen ein einzigartiges Besuchserlebnis.

Literarische Karikaturen

Der Dichter und Musiker schaute hinter die Fassaden und in Fenster seiner Mitmenschen und hielt seine Beobachtungen in zahlreichen Texten und Zeichnungen fest, von denen die Ausstellung interessante Beispiele zeigt. Zu sehen sind unter anderem seine Umschlagzeichnungen für die Bücher "Klein Zaches genannt Zinnober" von 1819, der auch in Jacques Offenbachs Oper "Hoffmanns Erzählungen" erwähnt wird, und "Meister Floh" von 1822. Beide Erzählungen können als literarische Karikaturen gelesen werden, ist in der Ausstellung zu erfahren. Hoffmanns unheimlich-fantastischen Texte dienten nach seinem Tod als Vorbilder für literarische Werke sowie als Inspiration für die Malerei und Musik und nicht zuletzt für Filme und Comics. Der vielseitige Künstler griff in seinem Werk Fragen zu technischen Entwicklungen wie der Robotik und mechanischen Wiedergabe von Musik und über die Sichtbarmachung des Unsichtbaren auf. Dass sich auch die Gegenwartskunst mit diesen Themen beschäftigt, spricht für die fortdauernde Aktualität von Hoffmanns Werk.

Hoffmanns Novelle "Das Fräulein von Scuderi" gilt als erster deutschsprachiger Kriminalroman. Die Geschichte um geheimnisvolle Morde in Paris zur Zeit des Sonnenkönigs Ludwig XIV. war für ihn ein großer Erfolg. Die Titelheldin soll den König beraten, wie man die Serie aufklären kann, bei der adlige Kavaliere mit Juwelen unterm Arm auf dem Weg zu ihren Geliebten erdolcht und bestohlen werden. Die Erzählung erschien in der Wiener Zeitschrift "Der Sammler" nur wenige Wochen nach der Erstausgabe eine unautorisierter Nachdruck und wurde auch in Hoffmanns Sammlung von 19 Erzählungen, Novellen und Märchen, die 1819 bis 1821 in vier Bänden unter dem Titel "Die Serapionsbrüder" in Berlin erschienen. In seiner Erzählung "Die Automate" von 1814 geht es um die Frage, ob Automatenmusik möglich ist und Menschen ersetzen kann.

Zauberoper, Kunstmärchen, Kriminalfall

Großen Erfolg hatte Hoffmann mit seiner Zauberoper von 1816 "Undine" nach einer Erzählung von Friedrich de la Motte Fouqué, mit der er seinen größten Erfolg hatte. Ein Jahr später ging das alte Operngebäude am Gendarmenmarkt in Flammen auf, was der Schriftsteller auf einer Karikatur mit lustigen Figuren festgehalten hat. Die Oper gilt mit ihrer schaurig-romantischen Darstellung rund um den weiblichen Wassergeist Undine und ihren Vater Kühleborn als erste romantische Oper. Zu ihrem Erfolg trugen Bühnenbilder nach Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel bei, der auch die Ausstattung von Mozarts "Zauberflöte" schuf. Ein zweiter Themenkomplex dreht sich um das Unheimliche und Fantastische in Hoffmanns Werk, weiter geht es zu den "Wissenswelten", die die zahlreichen Wissenschaften behandeln, mit denen sich Hoffmann beschäftigt hatte und in seinem Werk vorkommen. Gezeigt werden technische Geräte wie eine zeitgenössische Elektrisiermaschine oder ein Musikautomat. Wie Hoffmanns Werk auf die Kunst, Literatur, Musik, Theater und Film wirkte, wird in einem weiteren Ausstellungsteil behandelt.

Hoffmanns Novelle "Das Fräulein von Scuderi" gilt als erster deutschsprachiger Kriminalroman. Die Geschichte um geheimnisvolle Morde in Paris zur Zeit des Sonnenkönigs Ludwig XIV. war für ihn ein großer Erfolg. Die Titelheldin soll den König beraten, wie man die Serie aufklären kann, bei der adlige Männer mit Juwelen unterm Arm auf dem Weg zu ihren Geliebten erdolcht und bestohlen werden. Die Erzählung erschien in der Wiener Zeitschrift "Der Sammler" nur wenige Wochen nach der Erstausgabe eine unautorisierter Nachdruck und wurde auch in Hoffmanns Sammlung von 19 Erzählungen, Novellen und Märchen, die 1819 bis 1821 in vier Bänden unter dem Titel "Die Serapionsbrüder" in Berlin erschienen. In seiner Erzählung "Die Automate" von 1814 geht es um die Frage, ob Automatenmusik möglich ist und Menschen ersetzen kann. Das Kunstmärchen "Der goldene Topf" ist in Dresden angesiedelt, wo der Student Anselmus seltsame Abenteuer erlebt und geheimnisvolle Schlangen, Salamander und Hexen ihr Unwesen treiben. An anderer Stelle der Ausstellung erfahren wir, dass sich Hoffmann von der Malerei inspiriert fühlte.

Obrigkeitsstaat schlägt zurück

Böse Erfahrungen mit dem preußischen Obrigkeitsstaat machte der Kammergerichtsrat Hoffmann, als er in einem Verfahren gegen den Turnvater Friedrich Ludwig Jahn vorschlug, von der Anklage wegen angeblich demagogischer Umtriebe abzusehen. Seinem Frust verlieh er in der Erzählung "Meister Floh" aus dem Jahre von 1822 Ausdruck. Weil er darin aus internen Akten zitiert und sich über den Direktor des Polizeiministeriums Karl Albert von Kamps lustig gemacht hatte, konnte die Erzählung erschien 1822 nur zensiert und um zwei Kapitel gekürzt erscheinen. Das "Märchen in sieben Abenteuern zweier Freunde" konnte erst 1908 vollständig erscheinen. Darin geht es unter anderem um einen Fall, mit dem Hoffmann als Kammergerichtsrat und Mitglied der "Immediat-Kommission zur Ermittlung hochverräterischer Verbindungen und anderer gefährlicher Umtriebe" in Preußen zu tun hatte.

Vier Jahre nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 schränkten deutsche Fürsten, allen voran Kaiser Franz I. von Österreich, König Friedrich Wilhelm III. von Preußen und Zar Alexander I. von Russland, mit den Karlsbader Beschlüssen die Arbeit der Universitäten und der Presse massiv ein. Die im Ergebnis einer Konferenz im böhmischen Karlsbad vom 6. bis 31. August 1819 erlassenen Bestimmungen legten harte Maßnahmen gegen "revolutionäre Umtriebe" sowie zur Verfolgung von so genannten Demagogen fest und versetzten der Gedanken- und Pressefreiheit einen schweren Schlag. Durch strikte Anwendung der Zensur sollte alles verhindert werden, was in den Mitgliedsländern des 1815 gegründeten Deutschen Bundes gegen bestehende Ordnungen aufreizt.

Das "Märchen in sieben Abenteuern zweier Freunde" konnte erst 1908 vollständig erscheinen. Darin geht es unter anderem um einen Fall, mit dem Hoffmann als Kammergerichtsrat und Mitglied der "Immediat-Kommission zur Ermittlung hochverräterischer Verbindungen und anderer gefährlicher Umtriebe" in Preußen zu tun hatte. Vier Jahre nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 schränkten deutsche Fürsten, allen voran Kaiser Franz I. von Österreich, König Friedrich Wilhelm III. von Preußen und Zar Alexander I. von Russland, mit den Karlsbader Beschlüssen die Arbeit der Universitäten und der Presse massiv ein. Die im Ergebnis einer Konferenz im böhmischen Karlsbad vom 6. bis 31. August 1819 erlassenen Bestimmungen legten harte Maßnahmen gegen "revolutionäre Umtriebe" sowie zur Verfolgung von so genannten Demagogen fest und versetzten der Gedanken- und Pressefreiheit einen schweren Schlag. Durch strikte Anwendung der Zensur sollte alles verhindert werden, was in den Mitgliedsländern des 1815 gegründeten Deutschen Bundes "Missvergnügen" erregt und gegen bestehende Ordnungen aufreizt.

Angst vor revolutionären Unruhen

Getrieben von der Angst, in Europa könne es zum Umsturz der feudalen Ordnung und revolutionären Unruhen wie im späten 18. Jahrhundert in Frankreich kommen, nahmen die Regierungen die Ermordung des Schriftstellers und russischen Generalkonsuls August von Kotzebue am 23. März 1819 in Weimar durch den Studenten und Burschenschafter Karl Ludwig Sand zum Anlass für die drastische Knebelung des freien Geistes und die Ausschaltung oppositioneller Kräfte. Verboten war jede Kritik an der Feudalherrschaft und am fürstlichen Gottesgnadentum. In der Hoffmann-Ausstellung finden sich dazu Exponate und Untersuchungsakten. Der Jurist Hoffmann musste sich widerwillig mit den Auswirkungen der Karlsbader Beschlüsse befassen, denn in Preußen gab es Untersuchungen und Verfahren gegen so genannte Demagogen, Burschenschaften und Turner, um die antifeudale Opposition zu unterdrücken. Hoffmann widersprach dem Ministerialdirektor im Polizeiministerium, Karl Albert von Kamptz, als dieser den Turnvater Friedrich Ludwig Jahn öffentlich zu einem Staatsverbrecher erklärte, obwohl diesem keinerlei konkretes rechtwidriges Vergehen vorgeworfen werden konnten. Der Beamte glaubte, aus beschlagnahmte Schriften und Tagebüchern die Gesinnung und Absichten von Studenten und anderen Personen herauslesen und diese zur Grundlage seiner Anklage verwenden zu können. Unerschrocken, wie er war, geriet Hofmann mit seinen "spitzen Formulierungen" in den Blick der preußischen Zensurbehörden, wie es in der Ausstellung heißt. Sie führten zu Konflikten mit seinen Vorgesetzten und weiteren Autoritäten. Ein Prozess gegen ihn fand nicht statt, weil Hoffmann nach kurzer Krankheit am 25. Juni 1822 starb. Sein Grab auf dem Friedhof III der Jerusalems- und Neuen Kirche in der Nähe des U-Bahnhofs Mehringdamm wird als Ehrengrab des Landes Berlin erhalten.

18. August 2022

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