"Unter Schmerzen gemalt"
Im Schloss Königs Wusterhausen werden Hinterlassenschaften aus der Zeit des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. gezeigt







Friedrich Wilhelm I. wählte das Schloss Königs Wusterhausen bei Berlin zu seiner Lieblingsresidenz. Hier lebte er mit seiner Familie eher spartanisch, von hier aus unternahmen er und seine Kumpane Jagdausflüge, und hier versammelte er vertraute Offiziere beim Tabakskollegium um sich, bei dem man kräftig dem Bier zusprach und nach holländischer Sitte an langen Pfeifen rauchte. Das Modell aus Bronze im Hof zeigt das Schloss und weitere dazu gehörige Gebäude.





Die seltsam-spartanischen, für einen Herrscher der Barockzeit untypischen Gebräuche am Hof des preußischen Soldatenkönigs kamen in dessen Familie nicht gut an, auch nicht, dass er den angesehenen Gelehrten Jacob von Gundling beim Tabakskollegium zum Hofnarren machte. Auf dem Gemälde im Schloss Königs Wusterhausen wird er ganz hinten neben einem Angsthasen und in Holz geschnitzt mit einem Bären und Bierhumpen verspottet.



Kostümfigurinen wie diese edle Kleidung eines Trägers des Schwarzen Adlerordens werden im Rahmen eines Stadtfestes gezeigt.



Der übergewichtige, schwer an Gicht leidende Monarch kopierte seine Gemälde im Schloss Kossenblatt nach hochwertigen Vorlagen und signierte sie mit F. W. P. (pinxit, hat gemalt) und einer Jahreszahl. An Landschaften und Stillleben wagte sich der königliche Dilettant nicht.



Aus dem Berliner Schloss Monbijou stammt diese Wiege, in der preußische Prinzen und Prinzessinnen lagen. Bei den Hohenzollern gab es eine ausgeprägte Liebe zu chinesischem und deutschem Porzellan. Auch Königin Sophie Dorothea sammelte diese zerbrechlichen Schätze, doch blieb von ihnen nur wenige Stücke erhalten.





Sehenswert sind Porträts der königlichen Prinzen mit Friedrich (II.) an der Spitze, links ein Selbstbildnis des Soldatenkönigs. In einem anderen Raum gibt es eine Galerie von Generalen und Offizieren des Königsregiments. Die Porträts wurden im Auftrag von Friedrich Wilhelm I. gemalt und sind mit Jahreszahlen und Namen signiert. (Fotos: Caspar)

Als der erste preußische König Friedrich I. am 25. Februar 1713 in Berlin starb, sank eine pracht- und prunkvolle Epoche dahin. Zwar richtete der Sohn und Nachfolger Friedrich Wilhelm I. dem teuren Toten ein prächtiges Staatsbegräbnis aus und ließ von Andreas Schlüter einen vergoldeten Prunksarg herstellen, der im Berliner Dom neben dem ebenfalls vom gleichen Künstler geschaffenen Sarg der ersten Königin Sophie Charlotte steht. Wer aber erhofft hatte, beim Soldatenkönig, wie man den neuen Landesherrn wegen seines Faibles fürs Militär Kerls nannte, Karriere zu machen, täuschte sich, ausgenommen tüchtige Beamte und besonders hoch gewachsene Soldaten. Friedrich Wilhelm I. jagte Hofschranzen aus ihren Ämtern und steckte Lakaien in die Armee. Die von seinem Vater gegründeten Akademien der Künste und der Wissenschaften versanken in einen Dornröschenschlaf. Da der neue Herrscher höhere Bildung für leeren Formelkram hielt, wurden Gelehrte und Künstler schlecht behandelt, sofern sie nicht Gott, der Monarchie und den Soldaten nützlich waren.

Tabakskollegium mit Bier und Hofnarren

Am liebsten hielt sich der Monarch in seinem Jagdschloss Schloss Königs Wusterhausen bei Berlin auf, in einer Art Nebenresidenz, von der aus er sein Land mit harter Hand und unzähligen Befehlen regierte. Hier versammelte er seine Offiziere und Beamten um sich, und hier wurde bei reichlich ausgeschenktem Bier über Gott und die Welt gesprochen. Wer zum Tabakskollegium geladen war, stand hoch in königlicher Gunst, von den "lustigen Räten" abgesehen, die die Herren "bespaßen" mussten, wie wir heute sagen würden. In den vergangenen Jahren wurde das Schloss umfassend saniert und restauriert, und einige Räume wurden mit Bildern, Möbeln und kunsthandwerklichen Objekten neu ausgestattet. Bei der Führung erfährt man, dass das Schloss nach der Regierungszeit des 1740 mit nur 52 Jahren verstorbenen Soldatenkönigs von den Hohenzollern gemieden wurde. Als Kronprinz verband Friedrich II. mit Königs Wusterhausen äußerst unangenehme Erinnerungen, und er hat sich hier während seiner Regierungszeit nicht blicken lassen. Was nicht niet- und nagelfest war, hat man auf andere Preußenschlösser verteilt. Erst Friedrich Wilhelm IV., genannt der Romantiker auf den Thron, holte Mitte des 19. Jahrhunderts das Schloss aus dem Dornröschenschlaf, so das es wieder von königlichen Jagdgesellschaften genutzt werden konnte.

Prunkstücke der besonderen Art sind Gemälde, die der Soldatenkönig höchst eigenhändig und unter Schmerzen, wie berichtet wird, in den späten 1730er Jahren anfertigte, wenn die Gicht den 160 Kilogramm schweren Herrscher plagte. Seine Mühen als Hobbymaler waren so etwas wie Therapie, un d er stand ihnen durchaus selbstironisch gegenüber. Einer adligen Dame übersandte er eines seiner stets mit weißer Schrift signierten Bilder mit den Worten: "Hier hat sich auch ein gewisser Kleck Mahler gefunden, von dessen Arbeit ich Euer Liebden eine Probe schicke." Der König hatte Helfer, die ihm die Farben anrührten oder ihm ein wenig zur Hand gingen. So zeichneten wirkliche Künstler Umrisse, die der König nur noch ausmalen musste. Lange Kerls aus seiner Riesengarde malte der Monarch "sehr ähnlich" nach dem Gedächtnis, und gelegentlich hat er sich malend über Untergebene lustig gemacht, etwa als er den zum Hofnarren herabgewürdigten Akademiepräsidenten Jacob von Gundling mit "Ohren eines vierfüßigen Tieres" schmückte, wobei der Hase als Symbol für Angst und Hasenfüßigkeit gemeint war.

Fürstliche Sammelleidenschaft

Wie beim Rundgang weiter zu erfahren ist, empfand die aus Hannover stammende Gemahlin des Soldatenkönigs, die an Bequemlichkeit und Luxus gewohnte Sophie Dorothea, ihre Übersiedlung nach Berlin, Potsdam und Königs Wusterhausen so etwas wie Abstieg und Opfergang, denn am preußischen Hof ging es nach dem Thronwechsel 1713 ausgesprochen spartanisch zu. Dass an der Tafel des Soldatenkönigs gehungert wurde, ist eine langlebige Legende, die auf Erzählungen der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, einer der Töchter des als sparsam geschilderten Monarchen beruht. haben. Neu eingerichteten Räume im Schloss blicken auf Sophie Dorotheas Leben, die mit Friedrich Wilhelm I. 14 Kinder hatte, von denen einige nicht älter als ein Jahr wurden. Man kann jetzt das Empfang-, das Schlafzimmer und weitere Räume der Königin und des Königs besichtigen. Außer Porträts von beiden hängen Bilder von Prinzen und Prinzesseinen sowie von fürstlichen Zeitgenossen an den Wänden. Da und dort aufgestelltes Porzellan aus China erinnert an Sophie Dorotheas spezifische, auch mit anderen Fürstlichkeiten geteilte Sammelleidenschaft. Was hier gezeigt wird, ist nicht die Originalausstattung, denn diese ging im Laufe der Jahrhunderte verloren. Das eine oder andere Stück stammt aus dem Berliner Schloss Monbijou, das die Königin bis zu ihrem Tod 1757 bewohnte und später zum Hohenzollernmuseum umgestaltet wurde.

Jagen, exerzieren, rauchen, trinken

Der Soldatenkönig hielt sich in Königs Wusterhausen bevorzugt zwischen August und November auf. Jagd und Exerzieren, Rauchen und Trinken, Aktenstudien und zwischendurch auch Malen waren seine wichtigsten Beschäftigungen. Wenn es das Wetter zuließ, tagte das Tabakskollegium im Schlosshof, sonst kam man zu den durch "Stocknarren" aufgeheiterten Gelagen in der ersten Etage zusammen. Gelegentlich musste Kronprinz Friedrich gegen seinen Willen an den als abstoßend empfundenen Saufereien teilnehmen. Als der Feingeist 1740 als Friedrich II. den Thron bestieg und in Sanssouci heiteres Rokoko entfaltete, versammelte auch er eine Tafelrunde um sich, bei der allerdings nicht mehr Trinkfestigkeit und rüdes Benehmen zählten, sondern Witz und Charme.

Der Saal, in dem der Herr zu Wusterhausen sein Tabakskollegium veranstaltete, ist, wie auch andere Wohn-, Schlaf-, Empfangs- und Wirtschaftsräume, erhalten. Bezeichnend für den eher bürgerlichen Lebensstil des Monarchen ist, dass sein Schlafzimmer nicht der zentrale Punkt des Schlosses war wie in Versailles und anderen Residenzen dieser Zeit, sondern unauffälliger Abschluss einer bescheidenen Zimmerflucht. In dem mäßig beleuchteten Raum hat der "Roi sergeant", wie man Friedrich Wilhelm I. auch nannte, manchen Rausch nach durchzechtem Tabakskollegium ausgeschlafen. Theodor Fontane sah noch das Waschbecken, dessen Standort heute durch eine Vertiefung an der Wand angedeutet wird. "Beim Anblick dieses Waschfasses glaubt man ohne weiteren Zweifel was vom Soldatenkönig berichtet wird, dass er einer der reinlichsten Menschen war und sich wohl zwanzigmal des Tages wusch'", berichtet der Dichter in den "Wanderungen durch die Mark Brandenburg".

Barocker Garten ging verloren

Das Schloss ist umgeben von den Resten eines Grabens, der vermutlich im 16. Jahrhundert angelegt wurde. Die Mutter des Soldatenkönigs, Sophie Charlotte, war eine große Gartenliebhaberin und ließ aus Frankreich Kunstgärtner nach Charlottenburg und Königs Wusterhausen kommen, um Lustgärten im Stil des französischen Barock anzulegen. Davon ist in Königs Wusterhausen allerdings nur noch wenig zu sehen. Das Schloss wird von einem Landschaftspark umgeben, dessen Entwurf auf Peter Joseph Lenné zurückgeht. Einer Beschreibung von 1911 ist zu entnehmen, das Schloss liege in einem schönen Park und mute, unter uralten Linden und Platanen versteckt, wie ein verschwundenes Zauberschloss aus einem Märchen an. Die wenig sensible Nutzung nach dem Zweiten Weltkrieg durch die sowjetische Besatzungsmacht und später durch den Rat des Kreises Königs Wusterhausen haben weder dem Schloss noch dem Garten gut getan.

Gartenarchäologische Untersuchungen führten nach der Wiedervereinigung 1990 und der Übernahme durch die Preußische Schlösserstiftung zu einer Neubewertung der stark vernachlässigten Parkanlage. Da es sich hier neben Charlottenburg um einen der frühesten französischen Barockgärten in Brandenburg im Stil von Le Nôtre handelt, wird eine Wiederherstellung angestrebt. Da aber der barocke Zustand aufgrund der unvollständigen Quellen nicht bekannt ist, ist eine vollständige Rekonstruktion ähnlich wie in Charlottenburg nicht möglich. Lediglich wird der alte Graben rund um das Schloss durch eine Vertiefung angedeutet.

LITERATURTIPP: Das von Frank Göse und Jürgen Kloosterhuis herausgegebene Buch "Mehr als nur Soldatenkönig. Neue Schlaglichter auf Lebenswelt und Regierungswerk Friedrich Wilhelms I." (Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2020, 398 Seiten, zahlr. Abb., 89,90 Euro) geht unter anderem der Frage nach, was an den Geschichten rund um den Vater Friedrichs II., des Großen, wahr und was Verklärung beziehungsweise böswillige Unterstellung ist. Neben der Rolle von Friedrich Wilhelm I. im Konzert der europäischen Fürstenfamilie sowie Fragen der Innen-, Außen- und Kirchenpolitik enthält der Sammelband lesenswerte Informationen über die Pflege der Musik und die Rolle des Königs als Städtebauer, Waidmann und Herrscher über ein gut gedrilltes Heer. Ausführlich schildert das Buch das Leben am Hof zu Königs Wusterhausen, an dem der Monarch außer seiner Familie auch enge Wegefährten und Berater um sich versammelte, um mit ihnen bei Bier und Tabaksqualm aktuelle Ereignisse, Neuigkeiten von den Höfen in Europa und was sonst für den Preußenherrscher und sein Gefolge von Interesse war in einer Art "Tagesschau der Barockzeit" zu besprechen und Pläne zu schmieden. Die bei den Führungen durch das Schloss berichteten Details etwa über die Beschäftigung von Hofnarren, die alles andere als närrisch waren, werden in dem durchaus als Ehrenrettung verstandenen, mit vielen Dokumenten und Zeitzeugenberichten untermauerten Buch vertieft. Aufmerksamkeit verdient ein Beitrag von Jürgen Kloosterhuis, der die Prinzen ohne den Thronfolger Friedrich (II.) und weiter Personen auf dem bekannten Bild vom Tabakskollegium der Reihe nach identifiziert. Wichtig sind auch klärende Worte zu Legenden rund um die von dem gichtkranken Soldatenkönig "unter Schmerzen gemalten" Bilder. Der Medizinhistoriker Hans-Joachim Neumann schilderte in seinem Buch "Friedrich Wilhelm I. - Leben und Leiden des Soldatenkönigs" (edition q Berlin 1993) unter anderem die Gründe, warum der an Diabetes leidende, schwergewichtige und in seiner Beweglichkeit eingeschränkte Monarch zum Pinsel griff und sich ins ferne Schloss Kossenblatt zurück zog, wenn ihn die Gicht plagte, und wie ihn diese Krankheit zwang, mit der linken Hand bei den ihm vorgelegten Akten kaum leserliche Anmerkungen zu verfassen.

24. Juni 2022

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