"Ohne Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit keine Freiheit"
Berliner Stadtmuseum zeigt im Knoblauchhaus, wie gehobenes Bürgertum im Biedermeier gelebt hat und wer dort ein und aus ging



Das Knoblauchhaus in der Poststraße 23 neben der Nikolaikirche ist Dienstag sowie Donnerstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei, doch wird um eine kleine Spende für den Erhalt des Hauses und die weitere Gestaltung der Ausstellung gebeten.



Gezeigt werden Kunstwerke und Möbel aus der Biedermeierzeit, als im Wohnhaus der Familie Knoblauch Künstler und Gelehrte ein- und ausgingen. Das wohl wichtigste Möbelstück im Schreibkabinett ist ein Rollbüro mit vielen Fächern sowie versteckten Hohlräumen zur sicheren Unterbringung wichtiger Dokumente.



Fürstliche Pracht hat das Knoblauchhaus nicht zu bieten, dafür aber gediegene Wohnkultur sowie Bildnisse berühmter Zeitgenossen von Carl Knoblauch und sogar ein urtümliches Fahrrad mit eisernen Rädern, das im frühen 19. Jahrhundert damals als Alternative zu den teuren Pferden die Straßen eroberte.



Großes Interesse finden im Knoblauchhaus nicht nur die über 180 Jahre alte Möbel, Bilder, Haushaltsgegenstände, sondern auch Kleidungsstücke von "Frau und Herrn Biedermeier" Kostüme aus der großen Kostümsammlung der Stiftung.



Als Universitätsgründer, Sprachwissenschaftler und Einrichter von Schinkels Altem Museum am Berliner Lustgarten kommt auch Wilhelm von Humboldt ins Spiel. Dargestellt ist er in einer Vitrine mit seinem Bruder Alexander (vorn) und Schinkel (im Hintergrund). Dass alle drei gern gesehen Gäste in dem auch mit antiken Figuren ausgestatten Knoblauchhaus, hier zu sehen im Salon, waren, hat Hausherr Carl Knoblauch in seinem Tagebuch überliefert.



In den Salons und Arbeitszimmern des Knoblauchhauses ging es alles ander als steif und bierernst zu, sondern locker und sehr gesellig, sonst hätten nicht so viele Gäste Carl Knoblauch besucht.



Das Gemälde von Johann Erdmann Hummel zeigt die Politur der monumentalen Granitschale, die heute vor dem Alten Museum steht. Die Arbeit wurde von Carl Knoblauch und anderen beaufsichtigt.



In dem Schinkel gewidmeten Raum heißt es, der Oberbaudirektor habe die Überzeugung vertreten, dass schöne Dinge idealerweise auch den Charakter der Menschen positiv beeinflussen. Es wird betont, dass Schinkel vor allem drei wichtige Technologien der preußischen Industrialisierung gefördert hat. Deshalb sind Erzeugnisse aus Gusseisen, Zink und Terrakotta in der Ausstellung zu sehen, hier ein Relief von der Fassade der Berliner Bauakademie, die in den kommenden Jahren wieder aufgebaut werden soll.



An einer Bild-Text-Wand findet sich Wilhelm von Humboldts Überzeugung, dass Freiheit die erste als erste und unerlässliche Bedingung für die Bildung und Entfaltung der menschlichen Kräfte ist. (Fotos: Caspar)

Die Stiftung Stadtmuseum Berlin hat die coronabedingte Pause der vergangenen Jahre genutzt, um ihre Ausstellung im Knoblauchhaus gleich neben der Nikolaikirche im Stadtbezirk Mitte neu zu gestalten. Das Gebäude hatte im Unterschied zur Umgebung den Zweiten Weltkrieg wie durch ein Wunder weitgehend unbeschädigt überstanden. Gezeigt wird nicht nur gehobene Wohnkultur der Biedermeierzeit, sondern auch wer von den Berliner Künstlern und Gelehrten in den edel mit Gemälden, Stichen und Möbeln aus der Zeit um 1850 gestalteten Salons und Arbeitszimmern zu Gast war, wie ein karg eingerichtetes Schlafzimmer aussieht und welche Speisen in der Küche zubereitet wurden. Das Knoblauchhaus ist nach der Neugestaltung mehr als ein bloßes Biedermeiermuseum wie früher, denn es gibt dem geistigen, künstlerischen und politischen Berlin unter den Königen Friedrich Wilhelm III. und IV. Gesicht und Stimme. Die Ausstellung zeigt die Mühen der Bewohner und Gäste des Knoblauchhauses, den Forderungen nach Freiheit und Fortschritt unter den Bedingungen der Industriellen Revolution und des Aufbruchs in die Moderne gegen den Beharrungswillen von Reaktionären und Antidemokraten zum Durchbruch zu verhelfen.

Bogen hinüber zum Humboldtforum gespannt

Der neue Ausstellungsbereich "Berliner Salon" in der obersten Etage ist dem Hausherren Carl Knoblauch sowie dem preußischen Architekten Karl Friedrich Schinkel, den Brüdern Alexander und Wilhelm von Humboldt und anderen prominenten Zeitgenossen gewidmet und zeigt, wie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Kommunikationsnetzwerke halfen, dass aus der verschlafenen Haupt- und Residenzstadt nach und nach eine Metropole von internationalem Rang wurde. "Wir freuen uns, das Knoblauchhaus endlich wieder in neuem Glanz der Öffentlichkeit präsentieren zu können. In unmittelbarer Nähe des Humboldt Forums spannen wir den Bogen zu dessen Namensgebern. Die erweiterte Ausstellung wirft einen frischen Blick auf ihre Beiträge zum Aufstieg des bürgerlichen Berlins", sagt Museumsdirektor Paul Spies.

Im Abschnitt "Berliner Salon" werden der Seidenhändler und Politikers Carl Knoblauch und sein Freundeskreis gewürdigt, allen voran der preußische Architekt Karl Friedrich Schinkel, der Forschungsreisende Alexander von Humboldt und sein Bruder, der Bildungsreformer und Universitätsgründer Wilhelm von Humboldt. Dass Schinkel als Künstler, Produktdesigner und Stadtplaner zu Wort kommt, ist eine angenehme Überraschung, denn die ihm gewidmete Ausstellung im Skulpturenmuseum Friedrichswerdersche Kirche reicht nicht aus. Wir lernen Alexander von Humboldts "Kosmos"-Vorträge an der Berliner Singakademie kennen und sehen, wie sich Berlin unter dem Einfluss der Brüder Humboldt zu einem erstklassigen Kultur- und Wissenschaftsstandort entwickelt hat. Dass der Weltreisende Alexander von Humboldt auch ein privates Leben hatte, zeigen Teile seines schmalen Bettes aus seiner Wohnung in der Oranienburger Straße und andere Hinterlassenschaften.

Prominente Gäste mit großen Plänen

Wir erfahren einiges darüber, wie die Humboldts mit ihren Vorträgen und Publikationen sowie politischer Einflussnahme dazu beitrugen, dass Wissen, Kunst und Bildung der Allgemeinheit zugänglich wurden. Mit ihrem Plan, Spitzenwerke der Malerei und Skulptur der breiten Masse zu öffnen, betrat Wilhelm von Humboldt Neuland. Er erschloss seine Privatsammlung in Tegel der Öffentlichkeit, gründete den Preußischen Kunstverein und sorgte sich um die Einrichtung des Königlichen Museums auf dem Berliner Lustgarten, heute bekannt als Altes Museum. Sein Bruder, der Weltreisende und Naturforscher Alexander von Humboldt, verfolgte den Plan, in Berlin eine Sternwarte, eine Chemische Anstalt, einen Botanischen Garten und eine Schule für transzendente Mathematik einzurichten. Ihm gelang es auch durch gute Beziehungen zum königlichen Hof binnen weniger Jahre, Berlin in eine Metropole der Wissenschaft zu verwandeln, die in Europa weit vorn liegt, wie es auf einer Texttafel heißt. In Berliner Salons, darunter dem im Knoblauchhaus, war er ein begehrter Gast. Die Ausstellung betont, dass sich Alexander von Humboldt von institutionellen Verpflichtungen fernhielt. Das Angebot, Direktor des Königlichen (Alten) Museums zu werden, lehnte er ab, hingegen behielt er seinen Posten als Kammerherr des preußischen Königs, um seinen standesgemäßen Lebensunterhalt zu sichern.

Carl Knoblauch verdiente sein Geld als Seidenfabrikant, und da in Preußen, und nicht nur hier, von dem kostbaren Stoff viel gebraucht wurde, wurde er ein wohlhabender Mann. Selbstbewusst, wie er war, wurde er zu einem Vorkämpfer der Moderne, stand seinen Mann in den Befreiungskriegen gegen die napoleonische Fremdherrschaft, dazu Mitglied der von der politischen Polizei verfolgten Turnerbewegung, ferner Kirchenvorsteher und Stadtrat. Der Abgeordnete der Stadt Berlin in den Provinziallandständen der Mark Brandenburg pflegte freundschaftlichen Umgang mit dem früheren Reformminister Karl vom und zum Stein, der am preußischen Hof eine Persona non grata war, und lud ihn in sein Haus, wenn er in Berlin weilte. Die Zusammenarbeit dauerte bis zum Tode Steins im Jahre 1831. Die Ausstellung charakterisiert Knoblauch als Netzwerker und Kunstliebhaber. Er hatte einen großen Freundes- und Bekanntenkreis und nahm intensiv am Berliner Kunst- und Kulturleben Anteil. König Friedrich IV. ernannte ihn zum Geheimen Finanzrat und berief ihn in die Staatsschuldenkommission.

Treu seinem König und der Verfassung

Nach seiner Heirat 1818 übernahm er zusätzlich zu seinem eigenen Unternehmen die Seidenfabrik seines Schwiegervaters Carl Gottlieb Keibel und vereinte beide Firmen unter dem Namen Carl Knoblauch, vormals Keibel. 1822 wurde Knoblauch Mitglied im Bürger-Rettungs-Institut von Berlin und der dazugehörigen von-Kircheisen-Stiftung, deren Leitung er übernahm. Von 1824 bis 1852 war an führender Stelle im Verein der Kunstfreunde im Preußischem Staate bei, der von Wilhelm von Humboldt gegründet worden war und übte das Amt des Schatzmeisters aus. Die Arbeit in dem Verein brachte ihn mit Karl Friedrich Schinkel, dem Direktor des Gewerbeinstituts Peter Beuth, den Bildhauern Johann Gottfried Schadow, Christian Daniel Rauch und Christian Friedrich Tieck und anderen Vertretern des Kunst- und Geisteslebens zusammen , die häufig in seinem Haus zu Gast waren. Darüber hinaus war Knoblauch Mitbegründer sowie Mitglied des Kuratoriums der von Beuth geleiteten Berliner Gewerbeschule, die unter anderem Theodor Fontane zu ihren Zöglingen zählte.

Mit Karl Friedrich von Klöden und Christian Gottlieb Cantian leitete Carl Knoblauch den Transport und die Herstellung der monumentalen Granitschale vor dem Königlichen (Alten) Museum im Lustgarten, weshalb in der Ausstellung ein diesem Ereignis gewidmetes Gemälde von Johann Erdmann Hummel gezeigt wird. Der vielseitige Unternehmer und beliebte Gastgeber starb am 4. August 1859 im Alter von 65 Jahren und wurde auf dem St.-Marien- und St.-Nikolai-Friedhof I an der Prenzlauer Allee in Berlin bestattet. Sein Grabmal aus Marmor erhielt diese Inschrift: "Treu seinem Könige und der Verfassung des Landes hat er als Vertreter des selben als Mitglied der Verwaltung der Staatsschulden und des Magistrats seiner Vaterstadt als vieljähriger Vorsteher des Bürger-Rettungs-Instituts für Kirche und Schule für Kunst-Gewerbe und Handel mit den ihm von Gott verliehenen reichen Gaben unermüdlich auf das Seegensvollste gewirkt."



Wo Carl Knoblauch genannt wird, darf sein Bruder Eduard Knoblauch nicht fehlen, dessen wohl wichtigstes Bauwerk, die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße, von Weitem an der vergoldeten Kuppel zu erkennen ist. Auch seiner wird im Knoblauchhaus gedacht. Die Neue Synagoge entging dem nationalsozialistischen Pogrom vom 9. November 1938, wurde aber im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und in DDR-Zeiten nur zum Teil wieder aufgebaut. Wie die meisten preußischen Baumeister seiner Zeit studierte Knoblauch an der Berliner Bauakademie, aus der die heutige TU Berlin hervor ging. Anders als sein Freund und Kollege Friedrich August Stüler schlug er eine Karriere im Staatsdienst aus und wurde fast ausschließlich für wohlhabende Privatpersonen tätig. Zu seinem Schaffen gehören städtische Mietshäuser, bürgerliche und adelige Palais, Gesandtschaften, vorstädtische Villen, Herrensitze und Schlösser, Geschäftsbauten, Kirchen und Gebäude für die Jüdische Gemeinde. Die meisten Knoblauch-Bauten sind zerstört, so dass nur noch Baupläne und Gebäudeansichten von ihnen erzählen, von denen einige im Knoblauchhaus gezeigt werden.

2. Juni 2022

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