Keine Zukunft ohne Vergangenheit
Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte im Potsdamer Kutschstall zeigt Münzen und Medaillen und weitere Kostbarkeiten



Das ehemalige Stadtschloss erlebte als Brandenburgischer Landtag seine Wiedergeburt, man betritt den Hof durch das nach alten Plänen und Fotografien wieder aufgebaute Fortunaportal.



Wie durch ein Wunder blieben der Kutschstall und weitere Bauten aus dem 18. und 19. Jahrhundert beim Bombenangriff verschont. Heute lädt hier das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zu Ausstellungen, Workshops und anderen Veranstaltungen ein.



Friedrich II., Preußens berühmtester König, ist mit einer Marmorbüste im Kutschstall vertreten. Das Brandenburger Domherrenkreuz ist dem 1701 vom ersten Preußenkönig Friedrich I. gestifteten Hohen Orden vom Schwarzen Adler nachempfunden.



Historische Persönlichkeiten wie hier der Reformpolitiker Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein bekamen in der Ausstellung einen würdigen Platz.



Die Analyse der Münzen im Schatzfund am Alten Markt in Potsdam ergab, dass sie um 1365/70 versteckt wurden. Die Zusammensetzung spiegelt das Mitte des 14. Jahrhunderts umlaufende Geld in der Mittelmark wider.



Die von barocken Meistern geschaffenen Medaillen von 1681, 1700 und 1707 sind Teil der "Histoire métallique", mit der die Hohenzollern und weitere Herrscherhäuser auf besonders kostbare Weise ihren Ruhm in alle Welt trugen und sich als gottesfürchtig und unbesiegbar feierten.



Aus der Klosterdruckerei in Zinna (Kloster Zinna) stammt der um 1494 gefertigte, in lateinischer Sprache abgefasste Marienpsalter mit farbig illuminierten Illustrationen, die die Marienverehrung der damaligen Zeit verdeutlichen.



Die Köpfe wohlhabender Bürger schmückten vor langer Zeit ein Wohnhaus gegenüber dem Berliner Rathaus. Solche Relikte aus dem mittelalterlichen Berlin sind selten. (Fotos: Caspar)

Potsdam, die Landeshauptstadt von Brandenburg, blickt auf eine über tausendjährige Geschichte zurück. Das Schicksal ging mit der Stadt an der Havel nicht immer gnädig um, es gab Zeiten der Blüte und solche des Verfalls und der Not. Im Unterschied zu anderen Städten in der Region ist kein Bauwerk älter als 300 Jahre. Was aus dem Mittelalter überkam, hat man in der Barockzeit rigoros beseitigt, um Platz für Prachtbauten des Hofes zu schaffen und wohlhabenden Adligen und Bürgern Wohnhäuser oft im Stil italienischer Paläste zur Verfügung zu stellen. Vieles von Potsdams Glanz und Gloria ging beim britischen Bombenangriff am 14. April 1945, drei Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs und damit auch der Naziherrschaft zugrunde. Die Stadt unternimmt seit vielen Jahren große Anstrengungen, um die Wunden des Krieges und nachfolgender Abrisse durch geschichtsvergessene Kommunisten zu schließen. Von Zerstörungen und Verlusten blieben das von Friedrich II., dem Großen und weiteren Monarchen geschaffene Schlösserparadies, aber auch das Holländische Viertel und manch andere Sehenswürdigkeiten und Touristenmagnete verschont.

Gleich am Beginn der neu gestalteten Brandenburg-Ausstellung im ehemaligen Kutschstall am Neuen Markt begrüßt ein steinerner Adler die Gäste. Edel sieht er aus und furchterregend mit seinem krummen Schnabel. Doch fehlen dem Wappenvogel der preußischen Könige, der bis zum Abriss der Schlossruine das barocke Fortunaportal bewachte, die Flügel. Beim Wiederaufbau des Palastes als Landtagsgebäude hat man diese und andere Attikafiguren neu geschaffen. Komplett erhalten sind die schwarzen Adler am Ehrenkreuz in der Ausstellung, das der frühere brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe in seiner Eigenschaft als Domherr des Doms zu Brandenburg an der Havel verliehen bekam. Auch sonst sieht man da und dort Adler und andere Hinterlassenschaften aus der langen Geschichte des Kernlandes der brandenburgisch-preußischen Monarchie.

Noch nie präsentierte Exponate

Die Ausstellung lädt ein zu einer Reise durch tausend Jahre wechselvoller Geschichte, Kunst und Kultur, und sie zeigt an vielen, selten oder noch nie präsentierten Exponaten, dass es keine Zukunft ohne Vergangenheit gibt und wie wichtig es ist, unser Woher und Wohin zu kennen. Doch eigentlich beginnt die Schau in dem abgedunkelten, raffiniert ausgeleuchteten Saal nicht bei den Slawen und anderen frühen Bewohnern der heutigen Mark Brandenburg, sondern lange davor in der Zeit, als die Region noch von Sauriern und anderen Urwelttieren bevölkert wurde. Eine im Rüdersdorfer Kalksteinbruch gefundene, 240 Millionen Jahre alte Platte, deren Original sich im Berliner Naturkundemuseum befindet, zeigt die Knochen eines Nothosaurus. Er lebte in der Zeit der Mittleren Trias in einem flachen Meer und wird in der Ausstellung "ältester Brandenburger" genannt.

Ungewöhnlich und begrüßenswert ist, dass die Ausstellung nicht nur wie üblich Gemälde, Grafiken und Skulpturen, Bücher und Handschriften, Gegenstände aus dem Alltagsleben sowie Zeugnisse der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung zeigt und herausragende Persönlichkeiten der brandenburgischen und preußischen Geschichte einschließlich der damaligen gekrönten und ungekrönten Eliten würdigt und auch das Alltagsleben dokumentiert, sondern auch Münzen und Medaillen zeigt. Denn üblicherweise spielen numismatische Hinterlassenschaften in Geschichtsausstellungen nur eine untergeordnete Rolle. Meist nehmen Museen, die Münzkabinette ausgenommen, von diesen für die Sicht auf das Leben und Denken unserer Vorfahren nicht unwichtigen Objekten keine Notiz.

Schatzfund aus dem Mittelalter

Im Potsdamer Kutschstall aber ist es anders. Hier wird unter anderem ein 1989 in Potsdam entdeckter Münzfund mit silbernen Groschen und Pfennigen aus dem 14. Jahrhundert gezeigt. Der Schatz kam bei Bauarbeiten für ein neues, niemals vollendetes Theater unweit des Alten Marktes ans Tageslicht. Seine Zusammensetzung ist typisch für die sich gerade entwickelnden Kleinstadt Potsdam, die Jahrhunderte später zur Residenz brandenburgischer Kurfürsten, preußischer Könige und deutscher Kaiser wurde und zahllose Soldaten, aber auch Künstler und Gelehrte beherbergte und zudem in der Barockzeit eine wichtige Waffenschmiede war.

Berühmt und berüchtigt war der "Geist von Potsdam", eine Mischung von Kadavergehorsam, Obrigkeitsgläubigkeit und militaristischem Säbelrasseln. Nicht umsonst wählte Adolf Hitler die Potsdamer Garnisonkirche mit den Särgen der preußischen Könige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. in der Gruft als denjenigen Ort aus, an dem am 21. März 1933 Reichspräsident Paul von Hindenburg ihm symbolisch die Macht übergab und damit der Nazidiktatur den Anstrich von Legitimität gab. Dass sich die 1918 entmachteten, aber weiter in ihren Potsdamer Schlössern residierenden Hohenzollern mit den neuen Herren in den braunen Hemden gemein machten, ist aktuell Gegenstand eines Prozesses, in dem geklärt wird, ob die ehemalige Herrscherfamilie Anspruch auf verschiedene in Staatsbesitz befindliche Immobilien und Kunstwerke hat oder nicht.

Die Fundstelle der Münzen am Alten Markt liegt in der Nähe einer askanischen Burg, aus der später das in den 1960er Jahren auf Befehl der SED abgerissene Potsdamer Stadtschloss entstand. Über das mittelalterliche "Potsamp" ist sehr wenig bekannt. 1304 als "stedeken", 1317 als "oppidum" und 1335 als "civitas" bezeichnet, erlebte Potsdam als brandenburgisch-preußische Residenz- und Garnisonstadt erst ab dem 17. Jahrhundert einen Höhenflug, wobei die mittelalterliche Substanz vernichtet wurde. Das unterscheidet die heutige Landeshauptstadt wesentlich von anderen märkischen Städten. Angesichts des Fehlens von Nachrichten aus mittelalterlicher Zeit sind Sachzeugen wie Münzen und andere Fundstücke wichtig.

Numismatische Ahnengalerie

Dass die Hohenzollern auf dem Klavier der Propaganda für sich und ihre Dynastie gut zu spielen wussten und dafür Schreiber, Maler, Kupferstecher, Bildhauer sowie Stempelschneider beschäftigten, unterstreichen einige in der Ausstellung gezeigte Medaillen aus der Barockzeit. Sie ganz nahe hinter Panzerglas zu sehen, macht Freude und zeigt, welch hohen Stellenwert geprägtes Metall, sei es in Form von Münzen oder auch Medaillen, zur Verbreitung von Bildnissen und Botschaften hatte. So erinnern die silbernen Prachtmedaillen von 1681, 1700 und 1707 mit Bildnissen und Allegorien an die Gründung der brandenburgischen Kolonie Großfriedrichsburg in Afrika, zeigen eine Ansicht von Berlin und Cölln und der kurfürstlichen Trabantenstädte außerhalb des Festungskranzes und feiern den Erwerb des Fürstentums Neufchâtel. Weitere feiern die Stiftung der Universität Halle an der Saale und auch die Huldigung des Kurfürsten Friedrich III. beim Regierungsantritt 1688 in Berlin durch die Stände der Kurmark. Ein numismatischer "Hingucker" ist die Ahnengalerie, die die einzelnen Herrscher in Brandenburg und Preußen samt ihren Gemahlinnen einschließlich Kaiser Wilhelms II., genannt der Letzte, mit ausgewählten Münzen vorstellt. Diese Art Wissensvermittlung durch Bilder, Münzen und biografische Notizen ist exzellent gelungen und verdient, auch anderswo aufgegriffen zu werden. Helmut Caspar

4. Mai 2022

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