Mitglieder der Schadow Gesellschaft Berlin e. V. besuchten am 29. August die im Jüdischen Museum Berlin gemeinsam mit der Mendelssohn-Gesellschaft Berlin veranstaltete und noch bis zum 11. September 2022 gezeigte Ausstellung "Wir träumten von nichts als Aufklärung" über das Leben des jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn sowie sein Werk, seine Zeit und seine Nachwirkung bis heute. Nach coronabedingter Pause war das wieder ein großes Erlebnis, dem weiter Aktivitäten dieser Art folgen werden. Geleitet von der Historikerin Céline Meyer tauchten sie in die Lebens- und Arbeitswelt des 1729 in Dessau geborenen und 1786 in Berlin verstorbenen Gelehrten, der schon zu seinen Lebzeiten eine europäische Berühmtheit war und bis heute eine zentrale Gestalt des deutschen Judentums ist.
Anfang vom Ende einer alten Zeit
Gleich beim Erklimmen der Treppe zur ersten Etage des Jüdischen Museums werden die Besucher mit Fragen von hoher Aktualität wie diesen konfrontiert: "Kann man durch Erziehung alles erreichen? Muss man für die Gleichberechtigung seine Traditionen aufgeben? Wie kontert man Fake News? Steuern Gefühle den Verstand oder umgekehrt?" Die Antworten werden in der Ausstellung anhand von Handschriften, Büchern, Zeichnungen, Gemälden und Sachzeugnissen gegeben. Das 18 Jahrhundert sei der Anfang vom Ende einer alten Zeit gewesen. Naturkatastrophen, Religionskriege, umstürzende Erfindungen ließen Glaubenssätze wanken, rationale Argumente gegen Mystizismus, Aberglauben und Schwärmerei fanden zunehmend Beachtung im Alltagsleben und der Politik.
Die Ausstellung berichtet aus dem Leben des mit 14 Jahren vor allem zum Lernen in die preußische Hauptstadt Berlin gekommenen Moses Mendelssohn und zeigt, wie sich der kleine, etwas verwachsene Mann eine immense Bildung aneignete, zu einem erfolgreichen Seidenfabrikanten wurde und einen bedeutenden, aus Literaten und bildenden Künstlern bestehenden Freundeskreis aufbaute. In einer Zeit des Umbruchs und Aufbruchs in der zweiten Hälfte des 18 Jahrhunderts diskutierte "Herr Moses", so der Titel eines auch heute lesenswertes Buches von Heinz Knobloch aus dem Jahr 1985, mit seinen christlichen und jüdischen Freundinnen und Freunden Fragen der Philosophie und Politik. Sie besprachen treu dem von ihm formulierten Grundsatz "Nach Wahrheit forschen, Schönheit lieben Gutes wollen, das Beste tun" in geselliger Runde oft beim Verleger und Schriftsteller Friedrich Nicolai, dessen Haus in der Brüderstraße den Zweiten Weltkrieg überstanden hat, neueste Literatur und gelehrte Bücher und diskutierten über Gott und die Welt und aktuelle Ereignisse.
König verweigerte Respekt
Friedrich II. war der Meinung, nur dem Staat "nützliche" und wohlhabende Juden seien gute Juden. Er schrieb ihnen vor, wer heiraten und Kinder bekommen darf und wer nicht. Die wenig menschenfreundliche Judenpolitik des Monarchen war von dem Wunsch erfüllt, die Staatskasse zu füllen und die Wirtschaft zu fördern. In seinen Augen waren Juden Angehörige einer abergläubischen Sekte, mit denen er nichts zu tun haben wollte. Der König, der sich so gern als "Philosoph von Sanssouci" verherrlichen ließ, verweigerte Mendessohn den Respekt und verhinderte, dass der Gelehrte in die Berliner Akademie der Wissenschaften aufgenommen wurde, weil Juden da nichts zu suchen hätten. Der so behandelte, wir würden heute sagen rassistisch diskriminierte Mendelssohn tröstete sich, dass Mitglieder der 1700 gegründeten Sozietät ihn auf die Liste gesetzt hatten und er daher wohl doch einiges Ansehen besitzt. Hier sei angemerkt, dass kein Geringere als Johann Joachim Winckelmann, der Begründer der Altertumskunde, für eine Anstellung als Konservator der Altertümer vom König ein Jahresgehalt von 2000 Talern erbat, doch nur 1000 bekommen sollte, weil er "nur" Deutscher ist und kein Franzose, die am preußischen Hof allerhöchster Gunst erfreuen durften.
Der königlichen Engherzigkeit und der Abneigung gegenüber der Religion stand der von Moses Mendelssohn und anderen vertretene Geist der Aufklärung mit seiner tolerant-humanistischen Sehweise auf das Judentum mit dem Ergebnis, dass auch in Preußen die ihm angelegten Fesseln nach und nach gelockert wurden. In der Ausstellung sind zahlreiche Bücher zu religiösen und philosophischen Fragen sowie mit Texten in hebräischer Sprache ausgelegt, dazu kommen Gemälde, Grafiken und Skulpturen mit Porträts von Mendelssohn und Zeitgenossen. Eine nicht geringe Rolle spielen Erzeugnisse der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin (KPM), die Juden kaufen mussten, um deren Wirtschaftlichkeit zu verbessern, ihre Absatzprobleme zu lindern und harte Taler in die preußische Staatskasse zu spülen.
Jüdische Tradition und Aufklärung
Moses Mendelssohn verband die Tradition mit den Ideen der Aufklärung und engagierte sich für weltliche Bildung und Gleichberechtigung der "jüdischen Nation", wie man damals sagte. Seine Übersetzung der Tora machte religiöses Wissen allen zugänglich. Die Ausstellung unterstreicht die Bedeutung des späten 18 Jahrhunderts als eine Periode des Kampfes um die Menschenrechte, Meinungsfreiheit und Vielfalt individueller Lebensentwürfe. Mit den von ihm und anderen formulierten und eingeforderten Argumenten half er, dass sich Jüdinnen und Juden emanzipieren konnten und ihre Rechte, allerdings mit Abstrichen, geachtet und sich die Trennung von Staat und Religion vollzog. Damit eröffnete Mendelssohn den Weg in die Moderne.
Mit seinen Freunden wurde Moses Mendelssohn zum Motor der Berliner Aufklärung und für die Juden. Als Brückenbauer gegen engstirnige Zeitgenossen und Leugner von Fakten setzte er auf die Kraft der Vernunft. "Wir träumten von nichts als Aufklärung, und glaubten durch das Licht der Vernunft die Gegend so aufgehellt zu haben, dass die Schwärmerey sich nicht mehr zeigen werde," schrieb er 1784 in einem Brief an den Schweizer Arzt und Philosophen Johann Georg Zimmermann. "Allein wie wir sehen, steigt schon, von der andern Seite des Horizonts die Nacht mit allen Gespenstern wieder empor. Das Fürchterlichste dabey ist, dass das Übel so thätig, so wirksam ist. Die Schwärmerey thut, die Vernunft begnügt sich zu sprechen." Besser kann heute nicht die heute leider um sich greifende Unvernunft und von bösen Mächten, die Ausstellung spricht von Betonköpfen, forcierte Verwirrung in den Köpfen nicht beschrieben werden.
30. August 2022
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