Giganten und Tragödien der Urzeit
Berliner Naturkundemuseum zeigt, was von Sauriern aus der Trias, Jura und Kreide erhalten ist



Wer das Naturkundemuseum an der Invalidenstraße 43 in Berlin-Mitte betritt, sieht im Lichthof das riesige Skelett des Brachiosaurus brancai und weitere Fossilien. Der Pflanzenfresser namens Otto lebte vor 150 Millionen Jahren, sein Skelett wurde 1909 während der großen Tendaguru-Expedition gefunden. Geöffnet ist das Museum Dienstag bis Freitag von 9.30 bis 18 Uhr und am Wochenende und zu Feiertagen von 10 bis 18 Uhr



Museumsdirektor Prof. Dr. Johannes Vogel und seine Kollegin Dr. Gesine Steiner freuen sich, die aus Dänemark entliehene Saurierskelette zeigen zu können und hofft auf regen Besuch, denn die Urweltechsen und weitere Fossilien üben auf Jung und Alt eine große Faszination aus.



Ein Wandbild im U-Bahnhof Naturkundemuseum zeigt, wie gerade ein riesiges Saurierskelett vorsichtig entstaubt wird. In einer Museumsvitrine ist ein Saurierknochen zu sehen, wie Paläontologen 1909 in der Lagerstätte Tendaguru im damaligen Deutsch-Ostafrika, dem heutig Tansania, gefunden und nach Berlin geschickt haben. Die Präparation eines einzelnen Knochens nahm viele Stunden in Anspruch.



Der Brachiosaurus brancai wurde 1909 im heutigen Tansania gefunden und 1937 im Lichthof des Naturkundemuseums aufgestellt. Die Objekte hat man 1943 im Keller gesichert und zehn Jahre später wieder präsentiert. Auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse und Rekonstruktionstechnologien konnte das Skelett 2007 neu gezeigt werden.



Der Fleisch- und Aasfresser Tristan Otto mit gewaltigem Gebiss und winzigen Vorderfüßen und weitere von Niels Nielsen entliehene Skelette sind die Stars in der neuen Ausstellung über die Zeitalter der Riesenechsen.





Im Lichthof des Naturkundemuseums und an anderer Stelle dokumentieren Gesteine und Fossilien die wechselvolle Vergangenheit unseres Planeten.



Die Bundesrepublik Deutschland feierte 2011 mit einer Silbermünze im Wert von zehn Euro die Entdeckung des Urvogels Archaeopteryx lithographica vor 150 Jahren. Sie erinnert daran, dass unsere heutige Vogelwelt aus Nachkommen dieses kleinen Flugsauriers besteht. Das Berliner Exemplar gehört zu den wertvollsten und bekanntesten Objekten der Sammlung und avancierte zum Logo des Berliner Naturkundemuseums. (Fotos: Caspar)

Auf das Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität zu Berlin macht seit 2010 der Name einer U-Bahnstation im Bezirk Mitte aufmerksam, die bis dahin Zinnowitzer Straße hieß. Damit wird, vergleichbar mit dem U-Bahnhof Märkisches Museum, für eine weltbekannte, im 19. Jahrhundert angelegte, in Teilen aber ältere Sammlung von Tier- und Pflanzenpräparaten, Mineralien sowie von paläontologischen und vielen anderen Objekten an der Invalidenstraße geworben. Mit dem 1883 bis 1889 nach Plänen von August Tiede im Stil der Neorenaissance erbauten Komplex entstand ein wichtiger Kultur- und Wissenschaftskomplex in einem ehemaligen Industriegebiet. Büsten und Standbilder berühmter Naturforscher schmücken die reich mit Säulen und Gesimsen gegliederte Fassade. Das Museum präsentiert mit eindrucksvollen, zum Teil sehr seltenen und wertvollen Objekten die wechselvolle Geschichte unseres Globus sowie die Entwicklung des Lebens und die Vielfalt und Schönheit der Natur. Hingewiesen wird auf die permanente Gefährdung unseres Planeten und die Verluste, die er durch Eingriffe der Menschen tagtäglich hinnehmen muss.

Sanierung von Dach bis Keller

Als die Berliner Universität 1810 gegründet wurde, vereinigte das Naturkundemuseum das Geologisch-Paläontologische, das Mineralogisch-Petrografische und das Zoologische Museum. Diese Sammlungen wurden im Laufe der Zeit großzügig durch Expeditionen, Schenkungen und Ankäufe erweitert. Aktuell wird intensiv daran gearbeitet, bis 2030 mit einem vom Bund und dem Land bereit gestellten Kostenaufwand in Höhe von 600 Millionen Euro die Schäden an dem Gebäude zu beheben, die im Zweiten Weltkrieg angerichtet wurden und danach nur provisorisch beseitigt werden konnten. Ziel ist es, das Haus von Dach bis zum Keller zu sanieren und für die Aufgaben des 21. Jahrhunderts zu ertüchtigen sowie weitere Ausstellungsfläche zu gewinnen. Denn von den 30 Millionen Objekten, über die das Museum verfügt, kann bisher nur eine kleine, aber sehr sehenswerte Auswahl gezeigt werden.

Im Lichthof zieht unter einem riesigen, von Eisensäulen gestützten Glasdach das 13,7 Meter hohe Skelett des Brachiosaurus brancai bewundende Blicke auf sich. Es war 1909 bei der Tendaguru-Expedition im damaligen Deutsch-Ostafrika (heute Tansania) ausgegraben worden. 250 Tonnen versteinerte Saurierknochen kamen nach Berlin gebracht und wurden 1937 aufgestellt. Die Funde von damals legen ein beeindruckendes Zeugnis der jurassischen Vergangenheit unseres Planeten ab und sind bis heute für die internationale Paläontologie von zentraler Bedeutung. In der Nachbarschaft der Saurierskelette und weiterer Fossilien in Vitrinen wird die berühmte Berliner Steinplatte mit dem Abdruck des Urvogels Archaeopteryx lithographica gezeigt. Zu sehen ist nicht das Exemplar, das 1861 in Solnhofen gefunden wurde und ins Britische Museum nach London gelangte, sondern eine Platte, die 1876 bei Eichstätt ans Tageslicht kam und 1881 mit Unterstützung des Industriellen Werner von Siemens an das Berliner Naturkundemuseum verkauft wurde. Das Berliner Exemplar gehört zu den wertvollsten und bekanntesten Objekten der Sammlung und ist das Logo des Naturkundemuseums.

Zurück ins Zeitalter der Riesenechsen

Bis zum 30. November 2023 zeigt das Museum die Ausstellung "Dinosaurier! Zeitalter der Riesenechsen" spektakuläre Fossilien als Leihgaben eines privaten, in London lebenden Sammlers. Wer den auf einer fernen Insel im Atlantik angesiedelten US-amerikanischen Film "Jurassic Park" in der Regie von Steven Spielberg von 1993 gesehen und miterlebte, wie dort Saurier rudelweise durch die Landschaft traben und alles zertrampeln, was sich ihnen in den Weg stellt, sieht im Berliner Naturkundemuseum große und kleine Skelette solcher Fleisch-, Aas- und Pflanzenfresser. Der Tyrannosaurus rex mit dem Spitznamen Tristan Otto, der vor 66 Millionen Jahren im heutigen Bundesstaat Montana (USA) lebte und etwa 6000 Kilogramm schwer war, ist zwölf Meter lang und vier Meter hoch. Weitaus älter und kleiner ist der Pflanzenfresser Nanosaurus augilis, der im Erdzeitalter Jura vor 154 bis 150 Millionen Jahren in den Sumpflandschaften des heutigen Colorado (USA) nach Nahrung suchte. Das etwa 66 Millionen Jahre alte Exemplar wurde 2012 im US-Bundesstaat Montana gefunden. Da dort Fossilien nicht wie in Deutschland automatisch dem Staat gehören, sondern dem Finder oder dem Eigentümer des Fundgeländes, können sie verkauft werden.

Flink zu Fuß und gewaltige Beißkraft

Die Knochen gingen an den Londoner Geschäftsmann und passionierten Fossiliensammler Niels Nielsen. Als dieser dann nach einem geeigneten Ort zur Ausstellung und Erforschung des Raubsauriers suchte, rieten ihm Paläontologen aus Manchester, sich an das Berliner Naturkundemuseum zu wenden. Das führte zur Ausleihe dorthin und wurde durch eine sensationelle Ausstellung mit großem Publikumsandrang belohnt. Aufgestellt ist auch das Skelett des ähnlich alten Fleischfressers Allosaurus, der etwa 1500 Kilogramm wog. Diese und weitere Urtiere waren sehr schnell, sie konnten nach Berechnungen der Paläontologen bis 55 km/h zurücklegen und besaßen mit ihren Kiefern eine hohe Beißkraft. Tristan Otto und Casper sind nach den Söhnen des dänischen Besitzers benannt, der die Skelette für zwei Jahre nach Berlin entliehen hat. T. rex Casper ist ein Jungtier, das mit etwa sieben Jahren starb. Da solche Fossilien bisher kaum gefunden wurden, stellen sie eine Besonderheit dar, und so freuen sich Museumsdirektor Johannes Vogel, Kuratorin Linda Gallé, Uwe Moldrzy als Leiter der Abteilung Ausstellungsleiter und das ganze Team, auch ein solches Exemplar zeigen zu können. Neben den Skeletten ist auch ein Nest mit Dino-Eiern ausgestellt.

Die Ausstellung verdeutlicht, dass die Dinosaurier eine außerordentlich erfolgreiche Tiergruppe in den Erdzeitaltern Trias, Jura und Kreide war. Die Echsen jagten in Wäldern, Savannen und im Meer nach anderen Tieren oder ernährten sich von Blättern der Bäume oder von dem, was sie am Boden oder im Wasser fanden. Sie passten sich erstaunlich gut an die sich ständig verändernden Lebensbedingungen an, ihr Körperbau richtete sich nach dem Klima und der Ernährung.

Blitzartiges Ende vor 66 Millionen Jahren

Das Ende der Dinos und ihrer Lebenswelt kam blitzartig, als vor 66 Millionen Jahren ein glühender Asteroid mit einem Durchmesser von 15 Kilometern vor der Halbinsel Yukatan ins Meer stürzte und verdampfte. Ein Mehrfaches seiner Masse wurde in die Atmosphäre geschleudert, fiel in anderen Gegenden des Globus zu Boden und ins Wasser und richtete immense Schäden an. Es wird angenommen, dass bis zu tausend Meter hohe Tsunamis auf die Küsten zurasten und alles unter sich begruben.

Unsere Erde wird von Fachleuten des Berliner Naturkundemuseums zur Zeit dieses Impacts als Glutofen und flammende Hölle beschrieben. Eine gigantische Staubwolke habe sie eingehüllt, die die Temperaturen erheblich sinken ließ. Die Dunkelheit ließ das Plankton in den Weltmeeren absterben, und so brachen auch die Nahrungsketten zusammen und ließen die großen Meeresreptilien verhungern. In sehr kurzer Zeit starben mindestens 75 Prozent aller Arten aus, darunter auch jene, die auf Bäumen und in den Wäldern gelebt hatten, die vernichtet waren. Überlebt haben in abgelegenen Gegenden und Höhlen nur kleine Tiere, aus denen sich nach und nach eine neue Fauna entwickelte. Zu diesen Überlebenskünstlern gehörten die am Boden lebenden Nachfahren der Saurier und Vorfahren der heutigen Hühner, Enten und Sträuße. Das Leben der Säugetiere und das der Menschen ist auf der 4,6 Milliarden Jahre umfassenden Zeitenskala unserer Erde nur durch einen dickeren beziehungsweise dünnen Strich gekennzeichnet.

Gefahr kommt aus dem Weltraum

Beim Gang durch die Ausstellung kann man demütig werden, denn es kommt eine Ahnung auf, dass unser Leben nicht ewig ist und dieser Planet im unendlichen All nur ein Staubkorn ist, das von außen und innen bedroht ist. Wir nehmen beim Verlassen des Museums die Mahnung mit, dass wir alles tun müssen, die Existenz des Blauen Planeten durch kluges und weitsichtiges Handeln lange zu erhalten. Er wurde und wird immer wieder von Meteoriten und Asteroiden getroffen, aber zum Glück waren die Folgen nicht so gravierend wie der Einschlag vor 66 Millionen Jahren. Wie gewaltig ein solcher ist, hängt von der Größe des Himmelskörpers ab. Kleinere Objekte verglühen beim Eintritt in die Erdatmosphäre, erst ab einem Durchmesser von 18 Metern können sie tödlich sein, schätzten 2017 britische Forscher in einer Studie ein, die die wahrscheinlichen Folgen eines solchen Ereignisses in Computermodellen simulierten. Danach sind bei Asteroiden mit 400 Metern Durchmesser die Auswirkungen gewaltig. Es entsteht enorme Hitze, und Druckwellen breiten sich mit Überschallgeschwindigkeit aus und erzeugen so Winde, die schneller als Orkane sind. Das Ereignis würde viele Todesopfer fordern, ließe Gebäude einstürzen und ganze Landstriche versinken. Sollte ein Meteorit oder Asteroid ins Meer stürzen, würden die Menschen durch gewaltige Tsunamis sterben.

Riesige Narbe auf dem Jupiter

Wie verheerend sich ein solcher Einschlag im August 2019 auf dem Planeten Jupiter auswirkte und welch riesige Narbe er auf seiner Oberfläche hinterließ, zeigen Fotos eines amerikanischen Hobby-Astronomen. Der Brocken soll einen Durchmesser von mindestens 500 Metern gehabt haben. Es war nicht die erste Attacke dieser Art, denn im Juli 1994 tauchten Bruchstücke des Kometen Shoemaker-Levy 9 in den Planeten Jupiter mit einer Geschwindigkeit von 60 km/s ein, wobei Energie von 50 Millionen Hiroshima-Bomben oder 650 Gigatonnen TNT freigesetzt wurde. Damit wurde erstmals die Kollision zweier Körper des Sonnensystems und ihre Auswirkungen direkt beobachtet.

Am 30. Juni 1908 gab es in der russischen Tunguska in der heutigen Region Krasnodar mehrere Explosionen durch einen Asteroiden oder kleinen Kometen. Da er in einigen Kilometern Höhe auseinander krachte entstand am Boden kein Krater. In Europa und Nordamerika registrierten die meteorologischen Stationen die Erschütterung der Erdrinde. Die sich mit Schallgeschwindigkeit ausbreitende Druckwelle erreichte das 970 km entfernte Irkutsk nach einer Stunde, im 5000 Kilometer entfernten Potsdam nahm man es nach vier Stunden und in Washington D.C. nach acht Stunden wahr. Trotz dieser vielfältigen Auswirkungen fand das Ereignis unter Wissenschaftlern wenig Beachtung, was wohl auch den noch in den Anfängen befindlichen Kommunikationsmöglichkeiten des frühen 20. Jahrhunderts geschuldet ist (siehe auch Wikipedia-Eintrag zum Tunguska-Ereignis).

24. August 2022

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