Heinrich Schliemanns Traum von Troja
Spektakuläre Ausstellung auf der Berliner Museumsinsel zum 200. Geburtstag des berühmten Archäologen





Mit "seinem" Homer in der Hand, machte sich Schliemann auf die Suche nach dem sagenhaften Troja und weiteren Stätten der altgriechischen Geschichte. In der James-Simon-Galerie und dem benachbarten Neuen Museum wird über den berühmten Archäologen berichtet.



"Fürchte die Geschenke der Danaer, sie könnten Unheil bringen", hieß es in der Antike mit Blick auf das Trojanische Pferd, das schon Maler der Barockzeit inspirierte und auch als fantasievoll gestaltetes Modell viel Bewunderung erhält.







Die in der Ausstellung gezeigten Schmuckstücke wie die so genannte Maske des Agamemnon und andere Preziosen können nur als Repliken gezeigt werden, denn die Originale befinden sich in Russland.



Unzählinge Keramiken, darunter auch solche mit menschlichen Gesichtern, bezeugen die hohe Kunstwertigkeit und Alltagskultur bei den Völkern, denen Heinrich Schliemann und andere Archäologen auf der Spur waren.



Nur als Nachbildung kann im Museum für Vor- und Frühgeschichte das aus dem 13. vorchristlichen Jahrhundert stammende Löwentor gezeigt werden, durch das man nach Mykene gelangte. Links und rechts verlief eine Mauer als Befestigung. Hinter dem Tor gab es in frühantiker Zeit einen Hof, von dem aus die Bewohner den Zugang zur Stadt und dem Königspalast verteidigten



Ob der filigrane Goldschmuck, die bronzezeitlichen Keramiken und all die anderen Hinterlassenschaften Trojaner ohne Schliemanns Grabungen je ans Tageslicht gekommen wären, ist doch sehr die Frage. Nachgebildete Goldgegenstände aus Schliemanns Grabungen fanden vor und nach 1900 begeisterte Käufer. Auch darüber berichtet die Ausstellung.



Heinrich und Sophia Schliemann begutachten ihre dem deutschen Volk geschenkten Fundstücke aus dem antiken Griechenland, dargestellt auf einem Holzstich von 1882. Auf dem Athener Friedhof erhebt sich Schliemanns einem antiken Tempel nachempfundenes Mausoleum. Die Zeichnung stammt vom Architekten Ernst Ziller. (Fotos/Repros: Caspar)

Kaum ein anderer Kampf in der Antike ist so von Legenden umwoben wie der Trojanische Krieg. Zahlreiche Maler, Dichter, Historiker und auch Filmemacher haben sich mit dem dramatischen Geschehen vor langer Vorzeit befasst und es da und dort auch fantastisch ausgeschmückt. Sofern die erbitterte Auseinandersetzungen überhaupt stattgefunden haben und keine Erfindung des Dichters Homer ist, dauerte die Belagerung des von starken Mauern geschützten Troja unter Führung des mykenischen Königs Agamemnon zehn Jahre. Ziel war die Befreiung der von Paris, dem Sohn des trojanischen Königs Priamos, geraubten Helena, der Gattin des Königs Menelaos von Sparta. Dieser König und sein Bruder Menelaos riefen die Griechen auf, die schöne Helena zu befreien, und so entspann sich ein langer, verlustreicher Krieg, der in der "Ilias" des Homer beschrieben ist. Dort ist auch vom Trojanischen Pferd die Rede, doch wie das unheilvolle "Danaergeschenk", benannt nach den Danaern, wie Homer die Griechen bezeichnete, ausgesehen hat, ist nicht bekannt. Heute richten die "Trojaner" in der Welt der Computer großen Schaden an.

Wie oft ist an der Geschichte vom Trojanischen Krieg ein Körnchen Wahrheit. Die Existenz der immer wieder zerstörten und neu aufgebauten Stadt ist durch archäologische Funde verbürgt. Die bis in das dritte vorchristliche Jahrtausend zurück reichenden Relikte wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert von den deutschen Archäologen Heinrich Schliemann und Wilhelm Dörpfeld und in den 1930er Jahren von dem Amerikaner Carl Blegen ausgegraben. Der am 6. Januar 1822 in mecklenburgischen Neubukow geborene Pastorensohn Heinrich Schliemann war als Kaufmann in Russland und Bankier in den USA reich geworden und erfüllte sich in der zweiten Hälfte seines Lebens mit der Suche nach dem homerischen Troja und weiteren Stätten der griechischen Mythologie einen Traum.

Vom Tellerwäscher zum Millionär

Die Staatlichen Museen zeigen zu Schliemanns 200. Geburtstag eine bis 6. November 2022 laufende Sonderausstellung in zwei Häusern auf der Berliner Museumsinsel. In der James-Simon-Galerie werden das Leben und Werk des im mecklenburgischen Neubukow geborenen Unternehmers und Ausgräbers und gegenüber im Museum für Vor- und Frühgeschichte seine wissenschaftlichen Leistungen als Archäologe und Publizist dokumentiert. Beim Rundgang dringen wir in die fantastische Welt eines Mannes ein, der in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs und es mit viel Glück, unermüdlichem Fleißes zu großem Reichtum brachte. Schliemann war ein Sprachgenie, wenn er durch Europa reiste und auch den Orient, Indien, China und Japan besuchte machte er es sich zur Aufgabe, in der jeweiligen Landessprache zu sprechen und zu schreiben. In Russland besaß Schliemann unter anderem ein Monopol für Indigo, das zur Blaufärbung von Uniformstoffen benötigt wurde. Sein dort erworbenes Vermögen konnte er in den USA verdoppeln, als er eine Bank gründete und über sie das bei den legendären Goldfunden in Kalifornien geschürfte Edelmetall gewinnbringend vermarktete. In einer Vitrine lernen wir die Münzen und Geldscheine der Länder kennen, in denen er gelebt oder die er bereist hat. Ganz gewiss trifft auf den Selfmademan und Kosmopoliten das Wort vom Tellerwäscher zu, der es zum Millionär brachte.

Mit Katharina Thalbach auf Spurensuche

Wir sollten einige Zeit nehmen, um anhand eindrucksvoller Exponate und historischer Stadtansichten Schliemanns Leben zu durchdringen, seine verschiedenen Wohnorte zwischen Amsterdam, London, St. Petersburg, Paris und schließlich Athen aufzusuchen und uns in Welt dieser Ausnahmeerscheinung in der Welt der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts zu versetzen. Beim Besuch der mit zahlreichen archäologischen Objekten sowie Bildern, Büchern, Zeitungsausschnitten, Möbeln und Gegenständen aus seinem Besitz inszenierten Ausstellung wird man immer wieder von der Schauspielerin Katharina Thalbach angesprochen, die sich auf Spurensuche begeben hat. Sie trägt wie Schliemann Hut und Brille und hat unter der Nase einen angeklebten Bart. Aus ihrem Mund erfahren wir, dass Schliemann Leben nicht nur ein Aufstieg ganz nach oben, sondern auch von Enttäuschungen und Krisen geprägt war.

Schon als Junge in der mecklenburgischen Provinz hatte Heinrich Schliemann die Geschichten des Homer über den Trojanischen Krieg kennengelernt. Er hielt sie für authentisch und träumte davon, irgendwann die historischen Stätten von Homers berühmtem Epos "Ilias" zu finden. Manche Profis unter den Altertumswissenschaftlern betrachteten Schliemanns "Treiben" mit Misstrauen und Spott, denn er hatte ja weder Geschichte noch Kunstgeschichte noch irgendetwas anderes studiert. Man kreidete ihm auch eine gewisse Schlitzohrigkeit bei der Inbesitznahme der heimlich in Troja geborgenen goldenen Gefäße und nannte ihn einen Grabräuber. Erst nach Zahlung einer hohen Geldsumme gestatte ihm das Osmanische Reich, die Kostbarkeiten zu behalten.

Originale nach wie vor in Russland

In dem Berliner Mediziner und Frühgeschichtsforscher Rudolf Virchow hatte der Schliemann einen prominenten Fürsprecher und Türöffner, um seine Erkenntnisse der gelehrten Welt von damals nahebringen zu können. Virchow war es auch, der 1882 die Schenkung der vielen Gefäße aus Ton sowie der Schmuckstücke und Gesichtsmasken aus Gold und weitere Fundstücke aus der an der Ägäis gelegenen Stadt Troja beziehungsweise aus Mykene auf dem Peloponnes als Geschenk an das deutsche Volk vermittelt hatte. Kaiser Wilhelm I. nahm die Gabe dankend an, die im damaligen Kunstgewerbemuseum, dem heutigen Martin-Gropius-Bau, würdig präsentiert wurde. Schliemann wurde Berliner Ehrenbürger, seinen Namen kannte jedes Kind. Die wertvollsten Stücke aus Gold können in der Ausstellung allerdings nur als Repliken präsentiert werden, denn die Originale werden seit dem Zweiten Weltkrieg als Beutegut im Moskauer Puschkinmuseum zurückgehalten. Angesichts der gespannten Beziehungen zwischen Deutschland und Russland ist kaum damit zu rechen, dass diese Kostbarkeiten und weitere Museumsbestände je wieder nach Berlin kommen.

Heinrich Schliemann grub sich mit seinen Helfern Hisarlik durch meterdicke Siedlungsschichten und förderte Erstaunliches zutage, zerstörte dabei aber archäologisch wertvolle Hinterlassenshaften. In dem am 31. Mai 1873 in Troja entdeckten Goldschatz, den er im Überschwang seines Glücks nach dem von Homer erwähnten König "Schatz des Priamos" nannte und illegal außer Landes brachte, sah er den Beweis für die Wahrhaftigkeit der Berichte des mythischen Erzählers und die Existenz des legendären Troja. Spätere Grabungen zeigten, dass die zeitliche und sachliche Zuordnung nicht stimmt, was aber die Leistungen des berühmten Ausgräbers nicht mindert, wie in der Ausstellung ausdrücklich betont wird. Mit seinen Erfolgen in Troja gab sich Schliemann nicht zufrieden, denn er suchte weiteren Schauplätzen der Ilias und legte in Mykene die berühmten Königsgräber frei, die man auch Schatzhäuser nennt. Ihre reiche Ausstattung mit Gegenständen und Schmuck aus Gold und anderem Material setzte die Welt in Erstaunen. Schliemann glaubte, das Grab des sagenhaften Agamemnon gefunden zu haben, lag aber auch hier bei der Zuordnung der Hinterlassenschaften von Homers Helden falsch

Viel Tadel und noch mehr Bewunderung

Heinrich Schliemann war ein wahrer "Selfmademann von pionier-amerikanischen Ausmaß", wie C. W. Ceram seinem mehrfach aufgelegten Buch "Götter, Gräber und Gelehrte. Roman der Archäologie" schrieb. Wie nebenbei hatte er sich die neugriechische und altgriechische Sprache angeeignet, um sich endlich den Traum einer Kindheit zu erfüllen, das sagenhafte Troja zu finden und auszugraben. Nachdem er das Terrain erkundet hatte, grub er ab 1870 in Troja und meldete drei Jahre später in deutschen und ausländischen Zeitungen, er habe dort einen sensationellen Goldschatz aus homerischer Zeit entdeckt. Mit seinen Funden an die Öffentlichkeit zu treten und sie mit den in der Ilias genannten Figuren in Verbindung zu bringen, war mutig und trug Schliemann manchen Tadel, aber auch viel Bewunderung ein. Ceram zitiert einen Museumsdirektor, der 1873 Stimmung so beschrieb: "Zur Zeit dieser Berichte herrschte bei den Gelehrten wie beim Publikum eine große Aufregung. Überall, im Hause und auch auf der Straße, im Postwagen und auf der Eisenbahn, wurde von Troja geredet. Man war voll des Staunens und des Fragens."

Mit seinen Publikationen und Vorträgen in gelehrten Gesellschaften machte sich Schliemann einen guten Namen. Da Schliemann auch schriftstellerisch tätig war, wie die aus dem nach ihm benannten Museum in Ankershagen entliehenen Bücher zeigen, und außerdem einen guten "Draht" zu renommierten Journalisten und Zeitungen hatte, sind wir über seine Gedanken, Bekenntnissen und Reisen und vor allem seine spektakulären Ausgrabungen bestens informiert. So erfahren wir, dass er Vorlesungen an der Sorbonne besucht und seinen Reisebericht über China 1869 der Universität Rostock als Dissertation eingereicht hat und den Doktortitel erhielt. Heinrich Schliemann war zweimal verheiratet, er ließ sich 1869 von seiner ersten Frau, der Russin Jekaterina Lyshina, scheiden und zog mit der Griechin Sophia Engastromenos, seiner zweiten Frau, nach einem Zwischenhalt in Paris 1871 endgültig nach Athen. Dort ließ er sich eine prachtvolle, in der Ausstellung mit eindrucksvollen Bildern dokumentierte Villa bauen, in der er auch ein Museum einrichtete und die feine Athener Gesellschaft zu Gast hatte.

Tragischer Tod in Neapel

Heinrich Schliemanns bewegtes Leben endete tragisch. Schon lange litt er an einer Ohrenentzündung, die ihm schwer zu schaffen machte. Auf seiner letzten Reise nach Neapel konnte ihm kein Arzt mehr helfen. Nachdem er dort am 26. Dezember 1890 verstorben war, hat man seinen Leichnam nach Athen überführt und in einem prächtigen Mausoleum unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit bestattet. Bei dem Staatsakt erwiesen auch gekrönte Häupter und Vertreter der Wissenschaft ihm die letzte Ehre, und auch die Presse war des Lobes voll, wie in einer Vitrine ausgelegte Nachrufe zeigen.

Es wäre zu kurz gegriffen, würde man dem immermüden, energiegeladenen und visionären Heinrich Schliemann das Etikett eines Gold- und Schatzgräbers anhängen, wie es manchmal zu seiner Zeit geschah und auch heute zu hören ist, lautet die Botschaft der Ausstellung auf der Museumsinsel. Denn in seiner zwanzigjährigen Arbeit als Archäologe hatte er sich vom Dilettanten zu einem geachteten Wissenschaftler entwickelt. Sein Ehrgeiz bestand darin, die "Irrtümer fast aller Archäologen über die einst von der homerischen Hauptstadt Ithakas eingenommenen Stelle" richtigzustellen, und das hat manchem Konkurrenten nicht gefallen. Indem das Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin ihm diese sehenswerte Ausstellung widmet, erinnert es an einen Menschen, der der Archäologie als Wissenschaft von Menschen und Zeiten wichtige Impulse gab. Überall in den heutigen Medien, vor allem auch im Fernsehen, kann man miterleben, wie "Schliemanns Erben" dabei sind, behutsam aus dem Erdreich Informationen über das Leben und Sterben, die Kultur und die Kriege unserer Vorfahren und entlegener Völker zu gewinnen.

Siehe auch Einträge auf dieser Internetseite vom 10. Oktober (Museen und Ausstellungen) sowie 11. Oktober 2021 (Münzen und Medaillen)

16. Mai 2022



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