Harmonie von Kunst und Raum
Das Bode-Museum auf der Spitze der Berliner Museumsinsel wurde vor 120 Jahren von Kaiser Wilhelm II. eingeweiht

 

Das nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel erbaute und 1830 eröffnete Alte Museum am Lustgarten ist die Keimzelle der Staatlichen Museen zu Berlin. Das Neue Museum und die Alte Nationalgalerie mit dem Reiterdenkmal König Friedrich Wilhelms IV. sind besondere Besuchermagneten in der Berliner Museumslandschaft.



Wilhelm von Bode (1845-1929, rechts ein Porträt von Max Liebermann aus dem Jahr 1904) wurde 1914 von Wilhelm II. in den Adelsstand erhoben und machte sich einen Namen als Mitbegründer des modernen Museumswesens. Der Kunsthistoriker und Publizist verstand es, reiche Kunstfreunde für Spenden sowie Ankäufe zugunsten der Königlichen Museen zu Berlin und auch Kaiser Wilhelm II. als Mäzen zu gewinnen. Ihm gelang der Aufbau einer weltweit einzigartigen Skulpturensammlung mit dem Schwerpunkt italienische Renaissance sowie die Erweiterung der Gemäldegalerie um Werke italienischer, spanischer, französischer, englischer und deutscher Meister.Unter ihnen sind Hauptwerke von Rembrandt, Rubens und Dürer.



Als das Kaiser-Friedrich-Museum 1904 eröffnet wurde, hat man hier Gemälde und Skulpturen ausgestellt.



In der neobarocken Eingangshalle steht auf dem originalen Marmorsockel eine Kopie des Schlüterschen Reiterdenkmals des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg als Hommage an einen bedeutenden Kunstfreund und Feldherrn. Über die Treppe gelangt man zur Skulpturensammlung und Ausstellung des Münzkabinetts, das im Souterrain über einen 50 Meter langen Tresor, eine umfangreiche Bibliothek und einen Studiensaal verfügt.



Damit niemand vergisst, wer der Bauherr ist, prangt das vergoldete Porträt Wilhelms II. mit Bildnissen weiterer Mäzene aus dem Haus Hohenzollern in der imposanten Eingangshalle.



In der Kaiserzeit war es noch möglich, bedeutende Summen für den Ankauf altgriechischer und anderer Münzen aus dem Staatshaushalt aufzubringen. Die guten Beziehungen von Wilhelm von Bode zu Kaiser Wilhelm II. machten es möglich. Seine schönsten Exemplare der Griechen-Abteilung zeigt das Münzkabinett im Bode-Museum



Das Merseburger Spiegelkabinett aus dem frühen 18. Jahrhundert, das man auf dem Weg zur Skulpturensammlung und zum Münzkabinett passiert, ist ein seltenes Beispiel fürstlicher Raumkunst aus dem 18. Jahrhundert.



Vor allem in Italien kaufte Bode Gemälde, Skulpturen und Architekturfragmente, die er in Themenräumen des damaligen Kaiser-Friedrich-Museum und heutigen Bode-Museums aufstellen ließ.


(Fotos: Caspar)

In Berlin gibt es eine verwirrende Vielfalt von großen und kleinen Museen. Als das älteste 1830 am Lustgarten eröffnet wurde, hieß es schlicht Königliches Museum, ein stolzer Säulenbau nach Karl Friedrich Schinkels Entwürfen, der den Zweiten Weltkrieg beschädigt überstanden hat und danach außen originalgetreu wiederhergestellt, im Inneren aber neuartige Ausstellungssäle erhielt. Da angesichts zahlreicher Ankäufe und Schenkungen hier der Platz nicht mehr ausreichte, kam wenige Jahre später ein weiteres Museum dazu, und schon gab es Namensprobleme. Für das Haus von 1830 bürgerte sich der Begriff Altes Museum ein, der 1855 vollendete Neubau (Architekt: Friedrich August Stüler) für die Ägyptische Sammlung hieß von nun an Neues Museum. Die 1876 eröffnete Nationalgalerie mit dem Motto DEM DEUTSCHEN VOLKE über dem Eingang (Architekt: Friedrich August Stüler, Ausführung nach dessen Tod Johann Heinrich Strack) hieß nie anders. Doch erst nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 bürgerte sich die Bezeichnung Alte Nationalgalerie ein. Denn es gab inzwischen die von 1965 bis 1968 erbaute Gemäldegalerie am Kulturforum im Bezirk Tiergarten (Architekt: Ludwig Mies van der Rohe), die zur besseren Unterscheidung als Neue Nationalgalerie allen Freunden der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts ein Begriff ist.

Der Name des Kaiser-Friedrich-Museums, erinnert an Kaiser Friedrich III., der 1888 nach nur 99 Tagen Regierungszeit einem Krebsleiden erlag. Sein Sohn und Nachfolger Wilhelm II. setzte seinem kunstbegeisterten Vater mit dem Kuppelbau an der Spitze der Berliner Museumsinsel ein eindrucksvolles Denkmal. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Erinnerung an Kaiser und Könige im deutschen Osten nicht mehr opportun, und folgerichtig erhielt das Haus den Namen Bode-Museum als Reverenz an Wilhelm von Bode (1845-1929), der sich als Kunsthistoriker und Generaldirektor der Königlichen beziehungsweise ab 1918 Staatlichen Museen große Verdienste um die Berliner Sammlungen erworben hat und selber ein bedeutender Kulturpolitiker, Buchautor und Mäzen war. Beim 1930 eingeweihten Pergamonmuseum (Architekten Alfred Messel und Ludwig Hoffmann) auf der Museumsinsel sind die Reste des Altars von Pergamon der Namensgeber. Zur Zeit ist dieses Haus eine große Baustelle, der Altar und weitere Ausstellungsstücke können noch einige Jahre nicht besichtigt werden, sondern sind vor Ort sicher verpackt oder ausgelagert.

In seinem Erinnerungsbuch „Mein Leben“, das 1997 von Thomas W. Gaethgens und Barbara Paul im Nicolai-Verlag Berlin herausgegeben wurde, schreibt Wilhelm von Bode, während der Neubau des Kaiser-Friedrich Museums rasch unter Dach gebracht war, sei der Innenausbau nur sehr langsam vorangeschritten. Da der Architekt zur Beschleunigung nicht zu bewegen war, habe er, Bode, im Herbst 1903 den Kaiser gebeten, einfach den Eröffnungstermin zu bestimmen. Er wurde kurzerhand auf den Geburtstag von Kaiser Friedrich III. am 18. Oktober 1904 festgesetzt. Jetzt sei sei alles sehr schnell gegangen. Die Eröffnung habe auf Befehl des Kaisers mit großer Festlichkeit stattgefunden. Einladungen seien nicht nur an alle höheren Beamten, sondern zugleich an alle Museumsfreunde, auch fremde Kollegen und vornehme Sammler ergangen. Die Basilika habe den günstigsten Platz für die Feiergeboten, die „sehr vornehm“ verlief. Da er, Bode, sich nur in einem Krankenstuhl bewegen durfte, habe er der Feier von einem Balkon über der Basilika beigewohnt. Bei seinem Rundgang sei der Kaiser zu ihm nach oben gekommen, um ihn zu begrüßen und ihm zu dem gelungenen Werk zu gratulieren. „Er sprach sich im höchsten Grade befriedigt aus. Erst jetzt könnte man sehen, welche Schätzen wir allmählich aufgesammelt hätten, und das verdanke Berlin in erster Linie ihm“, das heißt Bode.

Wer durch die „Schatzkammer der Könige“ geht, wie man vor 120 Jahren sagte, wird sehen, dass die ausgestellten Kunstwerke auf das Beste mit den Museumsräumen harmonieren. Schon das Entree unter einer Riesenkuppel ist eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Der auf einem prächtigen Pferd reitende Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg ist eine 1904 aufgestellte Nachbildung des Schlüterschen Reiterdenkmals, das heute den Ehrenhof des Schlosses Charlottenburg schmückt. Dieser Herrscher war einer der Mitbegründer des Berliner Münzkabinetts und ist in dessen Ausstellung mit kostbaren Münzen und Medaillen vertreten.

Im Bode-Museum sind die durch den Zweiten Weltkrieg auseinander gerissene Skulpturensammlung mit atemberaubenden Arbeiten aus Holz, Metall und Stein von der Romanik und Gotik bis zum Barock und Klassizismus wieder vereint. Das Museum für Byzantinische Kunst breitet in wiederhergestellten Sälen mit spätantiken Skulpturen, Reliefs, Mosaiken, Objekten aus Metall und Stein sowie archäologischen Fundstücken ein Füllhorn über die Besucher aus. Die großartige Gemäldegalerie, das Kupferstichkabinett und das Kunstgewerbemuseum sowie die Neue Nationalgalerie und bald auch das Museum der Moderne laden am Kulturforum zur Besichtigung ein.

Auch im Bode-Museum sind Gemälde zu sehen, denn der Namensgeber legte vor 120 Jahren großen Wert auf die Einheit von Kunst und Raum, Möbeln und Kunsthandwerk und schuf damit Neues. Bei allen Bauarbeiten und der Einrichtung der Säle seit den 1950er Jahren wurde gefragt, was wohl Wilhelm von Bode dazu gesagt hätte und ob die Maßnahmen seinen bahnbrechenden Ideen nicht zuwiderlaufen. Wichtig war und ist es es, die Räume nicht „vollzuknallen“, wie die Berliner sagen, sondern durch geschickte Arrangements die Schätze, nach Epochen und Regionen geordnet, zum Atmen und zum Glänzen zu bringen.

Wilhelm von Bode räumt in seinen Erinnerungen ein, dass die Eröffnung des Kaiser-Friedrich-Museums, in dem Sammlungen auf eine „neue und günstige Art zur Schau gestellt sind“, nicht überall gut ankam. Die demokratische und oppositionelle Richtung der Berliner Kunstkreise, so schreibt er, die in der Sezession ihren ersten starken Ausdruck fand und zur alten Kunst nur in einem schwachen Verhältnis stand, habe das Museum als Bau des „Hofarchitekten“ Ernst von Ihne schroff abgelehnt. Auch für den Inhalt, das heißt die Sammlungen und ihre Anordnung, und die Geschenke anlässlich der Eröffnung habe man nur widerwillige Anerkennung gefunden.

Dessen ungeachtet war der Museumsdirektor weiterhin auf der Suche nach Freunden und Mitteln zur Förderung der Sammlungen und seiner eigenen Gestaltungspläne. Durch seine „warme Teilnahme“ am Kaiser-Friedrich-Museum, das Wilhelm II. als Monument seiner Eltern betrachtete und mit dem er sich, das darf man hinzu fügen, auch im Stil seiner Vorfahren aus dem preußischen Thron sagen, schmückte , sei er auch den Sammlungen besonders nahe gekommen. Bode räumt ein, dass die Eröffnung des Kaiser-Friedrich-Museums, in dem Sammlungen auf eine „neue und günstige Art zur Schau gestellt sind“, nicht überall in der Berliner Kunstszene und Öffentlichkeit gut ankam. Die demokratische und oppositionelle Richtung der Berliner Kunstkreise, so schreibt er, die in der Sezession ihren ersten starken Ausdruck fand und zur alten Kunst nur in einem schwachen Verhältnis stand, habe das Museum als Bau des „Hofarchitekten“ Ernst von Ihne schroff abgelehnt. Auch für den Inhalt, das heißt die Sammlungen und ihre Anordnung, und die Geschenke anlässlich der Eröffnung habe man nur ein widerwillige Anerkennung gefunden.

Wilhelm von Bode ließ sich von Häme und Kritik nicht beeindrucken, sondern warb um weitere Sachspenden und finanzielle Zuwendungen. Damals stand der Ankauf der hervorragende Sammlung des Braunschweiger Bankiers und Sammlers Arthur Löbbecke an. Rund 28 000 altgriechische Münzen waren dem Berliner Münzkabinett für 700 000 Mark angeboten worden. Dem für die Antike zuständigen Numismatiker und Archäologe Heinrich Dressel war schon 1897 der Kauf der 22 000 Griechen umfassende Sammlung von Friedrich Imhof-Blumer in Winterthur durch Vermittlung des Altertumswissenschaftlers Theodor Mommsen gelungen. Mit einem Teil des Erlöses – 100.000 Mark - finanzierte Imhoof-Blumer eine Arbeitsstelle am „Griechischen Münzwerk (Corpus Nummorum)" in Berlin, das er 1889 mit Mommsen gegründet hatte und dessen wissenschaftlicher Leiter er war. Das heute von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften fortgeführte Unternehmen erfasst und publiziert dir antiken Münzen des nördlichen Griechenlands aus der Zeit zwischen 550 vor und 250 nach. Christus.

Vergeblich hatte der am Erwerb interessierte Generaldirektor der Königlichen Museen Richard Schöne den Finanzminister Georg von Rheinbaben um eine besondere Bewilligung für den Ankauf der Sammlung Löbbecke gebeten, sei aber auf schroffe Ablehnung gestoßen. „Als sich der Kaiser zufällig Ende des Jahres 1904 im Museum angemeldet hatte, (....), bat der Direktor der antiken Münzabteilung, Dr. Dressel, doch dabei direkt beim Kaiser einen letzten Versuch zu machen. Der Verkauf der Sammlung nach dem Ausland würde eine Schmach für Deutschland sein und würde uns um die glänzendste Vervollständigung unserer Sammlung bringen“, schreibt Bode. Er bat Dressel, eine Anzahl der schönsten Stücke in sein Zimmer bringen. „Als wir den Kaiser am Portal erwarteten, sprach ich (mit) dem Generaldirektor davon und bat ihn um sein Einverständnis. Er sagte, ich wisse, wie er sich für die Sammlung interessiere und beim Finanzminister ins Zeug gelegt habe. Ich möge tun, was ich nicht lassen könne. Er dürfte sich nicht mehr damit befassen.“

Der Kaiser sah die Münzen auf Bodes Tische liegen und fragte, was sie hier zu tun hätten. „Ich trug ihm daraufhin die Angelegenheit vor und hatte die Freude, dank der starken Wirkung, welche die herrlichen Stücke, namentlich die Syrakusaner Silbermünzen, auf den Kaiser ausübten, seine Zustimmung zum Ankauf zu erlangen. Für mich hatte der Handel aber die Wirkung, dass der (Kultur-)Minister von Studt mir später mitteilte, er habe mir offiziell zu eröffnen, dass der Finanzminister mir sein Missfallen über einen derartigen direkten Appell an Seine Majestät aussprechen ließe; er persönlich dankte mir, dass ich den Ankauf durchgesetzt habe.“

Wenn man die in den 1960er Jahren aufgebaute Ausstellung des Münzkabinetts und die anderen Ausstellungen im Bode-Museum in Erinnerung hat, wird man sehen, welche Fortschritte die Staatlichen Museen auch hinsichtlich der Museumsarchitektur gemacht haben und welchen Wandel die Bewertung der lange als hohler Prunk und Pomp verachteten wilhelminischen Architektur durchgemacht hat. Hätte man das Bode-Museum bald nach dem Krieg einer Revision und Generalsanierung unterzogen, dann wäre man sicher mit Vorbehalten gegenüber dem „Kaiser-Kitsch“ ans Werk gegangen und manchen Stuck abgeschlagen. Für die Gestaltung der Ausstellungsräume hatte Bode zu einander passende Gruppen aus Skulpturen, Gemälden, Möbeln und kunstgewerblichen Objekten zusammengestellt, wie man sie auch in großbürgerlichen Privatsammlungen kannte. Dabei berücksichtigte er den Wunsch von Sammlern wie Adolph Thiem und James Simon, die ihre Exponate dem Museum zu symbolischen Preisen verkauft hatten und darauf bestanden, dass nicht thematisch, sondern nach ihren ehemaligen Besitzern gruppiert werde. In den Räumen wollte Bode den Besuchern Geist und Stimmung vergangener Epochen vermitteln. Das gelingt auch angenähert wie zu Bodes Zeiten.

21. Oktober 2024