Leichenhemd musste ausgeborgt werden
Zeitgenosse Anton Friedrich Büsching malte ein wenig schmeichelhaftes Bild vom „Alten Fritzen“

Der Bildhauer Gustav Magnussen schuf im ausgehenden 19. Jahrhundert die Skulptur „Friedrich in seinen letzten Tagen“. Die Marmorfassung ließ Kaiser Wilhelm II. im Sterbezimmer des Königs im Schloss Sanssouci aufstellen, doch verschwand sie nach 1945. Erhalten blieb in der Berliner Nationalgalerie Berlin die getönte Gipsfigur.

Als Feldherr und Schöngeist wurde Friedrich II. zu seinen Lebzeiten und danach unzählige Male abgebildet, hier von Sternen umgeben in wolkigem Gefilde und, von Adolph Menzel gezeichnet, als unermüdlich am Schreibtisch tätiger Landesvater.

Als Friedrich II. am 17. August 1786 im Schloss Sanssouci starb, hielt sich die Trauer seines Nachfolgers Friedrich Wilhelm II. in Grenzen. Gegen seinen ausdrücklichen Willen hat man ihn in der Potsdamer Garnisonkirche und nicht in der dafür vorbereiteten Gruft nahe Schloss Sanssouci bestattet. Das ist erst 1991 gelungen.

Der Kampf gegen die gesundheitlichen Probleme des Königs zeigte nur kurzzeitige Erfolge und führte dazu, dass er vorzeitig alterte und hinfällig wurde. Das haben Maler, Kupferstecher, Stempelschneider und Poeten geflissentlich übersehen, denn Friedrich den Großen als einen Mann vorzuführen, der sich nur mühsam auf den Beinen und dem Pferd hält, war dem Publikum, das nach Heldenbildern verlangte, nicht zuzumuten. Die Medaille von 1772 feiert die Huldigung des Königs in Marienburg, nachdem er sich mit Russland und Österreich in der ersten Polnischen Teilung Territorien des Nachbarlandes angeeignet hatte.

Germania empfängt eine preußische Delegation mit Friedrich dem Großen an der Spitze und freut sich, dass seine Pläne nach hundert Jahren in Erfüllung gegangen sind.

Die Nazis erhoben Friedrich II. von Preußen in den Rang des „ersten Nationalsozialisten“ und betrieben einen unheimlichen Fridericus-Kult, indem sie ihn in eine Reihe mit Bismarck und Hitler stellten. Markante Aussprüche dienten der Festigung der „Volksgemeinschaft“ und der Kriegspropaganda. (Fotos/Repros: Caspar)
Zeitgenossen konnte sich Kritik an Friedrich II., der auch als Philosoph von Sanssouci großes, von ihm selbst gepflegtes Ansehen genoss, erst nach seinem Tod am 17. August 1786 erlauben, doch überwogen Lobeshymnen und Verklärung. Auch spätere Generationen wanden dem König von Preußen gern und eifrig Ruhmeskränze. Mit Bedacht wurde am 21. März 1933 die Potsdamer Garnisonkirche als Ort ausgewählt, an dem Reichspräsident Paul von Hindenburg vor den Särgen der Könige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. offiziell die Alleinherrschaft im so genannten Dritten Reich an den neuen Reichskanzler Adolf Hitler übertrug und seiner Diktatur den Segen des alten Preußen erteilte. Unter diesen Bedingungen war es nicht erlaubt, den Schatten von Kritik auf Friedrich den Großen zu werfen. Im Gegenteil wurde sein Leben großartig, aber in Teilen historisch falsch verfilmt, und auch Zitate aus seinen Schriften hat die Propaganda missbraucht, um den Einsatz der „Volksgenossen“ für Aufrüstung und den „totalen Krieg“ anzuheizen.
Fleckige Kleidung, wenig Schlaf
Erst nach Friedrichs Tod kamen zumindest in Preußen wenig schmeichelhafte Dinge über das Privatleben des „Alten Fritz“ ans Tageslicht. Unter Friedrichs Neffen und Nachfolger Friedrich Wilhelm II. war es nicht mehr lebensgefährlich, sich darüber zu mokieren, dass man nach aufgehobener Tafel an den Speiseresten und anderen Hinterlassenschaften erkannte, wo Friedrich II. gespeist hatte. In einem Buch „Charakter Friedrichs des Zweyten, Königs von Preußen“ von 1788 beschrieb Anton Friedrich Büsching, anstatt sich einer Gabel zu bedienen, die er vermutlich wegen seiner Gicht in den Händen nicht halten konnte, habe er mit den Fingern gegessen, „und Suppen und Brühen flossen auf seine Kleidung, die also sehr fleckig wurde“, schrieb der Theologe, Geograph und Direktors des Berliner Gymnasiums zum Grauen Kloster. Er wolle keine Lobrede auf Friedrich den Großen schreiben, „sondern ein gerechtes, also zuverlässiges Gemälde von Demselben liefern.“ (siehe auch Anton Friedrich Büsching: Friedrich der Große privat – Bericht eines Zeitgenossen, Edition Rieger Neuruppin)
Büsching hatte allen Grund, sich kritisch über Friedrich II. zu äußern, hatte dieser sich doch häufig herablassend bis feindlich gegenüber der Geistlichkeit und der deutschen Literatur geäußert und alles Französische vorgezogen. Dem Verfasser der in Halle publizierten Streitschrift von 1788 war nach eigenen Worten nicht daran gelegen, das Ansehen seines toten Landesherrn zu demontieren. Vielmehr sah er es als seine Aufgabe an, im Interesse der historischen Wahrheit auch die Schattenseiten in seinem Leben auszuleuchten. Dabei nahm er es mit seinem Prinzip nicht immer genau. So schrieb er, der König sei mit wenig Schlaf ausgekommen und schon früh aufgestanden, „um Tonkunst auszuüben und den Waffenübungen der Soldaten beyzuwohnen“. Dass der König unter Schlaflosigkeit litt und wegen seiner Schmerzen schon sehr früh aufstand, um diese mit Schreiben, Komponieren, Musizieren und mit Erteilen von Befehlen zu bekämpfen, war Büsching entweder nicht bekannt oder er hielt diesen Fakt nicht für erwähnenswert. Fragen können wir ihn leider nicht!
Kopftuch und Kissen statt Nachtmütze
Wenn der König zu Bett gehen wollte, habe er sich vor dem Kamin ausgezogen und das Nachtcarmisol angezogen. „Er legte auch selbst die Haartour ab, band sich um den Kopf ein Tuch, und über dasselbe ein Küssen, welches die Stelle der Nachtmütze vertrat, und ein Tuch um den Hals; trat ans Bette, ließ die Beinkleider halb auf die Knie fallen und setzte sich alsdann auf das Bette“, berichtete Büsching so genau, als habe er selber durchs Schlüsselloch geschaut. „Sein Favorithund schlief bey Ihm im Bette, aber es war weder ein Mensch noch ein Nachtlicht in seinem Schlafzimmer, wachten alle Nacht zwey gemeine Bediente in dem Vorzimmer, die, wenn er die Klingel bey seinem Bette zog, hineingingen, und seine Befehle vernahmen.“ Laut Büsching hat der König nachts geschwitzt, wovon hätten sein Hemd und sein Betttuch gezeugt hätten. Neben den Kissen, Matratzen und Bettdecken mussten diese Utensilien stets am Morgen getrocknet werden. Da der König ein schamhafter Mann war, habe er selbst vor Domestiken die Entblößung seines Körpers beim Ausziehen und Anziehen vermieden „und was in Klistierfällen nicht verhindert werden konnte, war Ihm nicht angenehm. Wenn Er bey gewissen Bedürfnissen der Natur in die Kammer ging, durfte keiner Seiner Leute Ihm in dieselbe nachgehen. Desto unerwarteter waren Seine äusserst freyen Worte und Ausdrücke, in welcher Er, selbst bey der Tafel, keine Ehrbarkeit gebrauchte, insonderheit sie lange währete, sondern alles geradezu bey den natürlichsten Namen nannte. Man muß Ihn sich in solchen Fällen nicht als König, sondern als Soldat gedenken.“
Frisches Obst teuer bezahlt
Der König hatte immer sieben bis zehn oder mehr Gäste an seiner Tafel. Sie konnten so viel essen wie sie wollten und sich am reichlich eingeschenkten Wein und Champagner gütlich tun. Wenn Familienmitglieder zugegen waren oder ein feierliches Gastmahl gegeben wurde, ließ der König laut Büsching alles auffahren, was die Küche bot. Solche Diners konnten vier, fünf oder mehr Stunden dauern und waren teuer. Regelmäßig wurden die Küchenkosten von jährlich 12 000 Talern überzogen. Das war, nebenbei gesagt, der Preis von zwei kostbar mit Brillanten besetzten und vom König benutzten Tabaksdosen aus Gold oder das Jahresgehalt von zwei preußischen Generalen. Wenn der König erfuhr, dass seine Küche ihr Limit überzog, konnte er sehr unwillig werden, beglich aber die Schulden. „Aus gutem und feinem Obst machte Er sehr viel, und konnte es in beträchtlichem Masse genießen; Er wendete auch jährlich viel Geld an, um es durch die Treibhäuser früh und zur ungewöhnlichen Zeit zu bekommen“. Friedrich II. hatte keine Bedenken, für eine Handvoll Kirschen so viel zu bezahlen, wie einer seiner Lakaien oder Kutscher, aber auch ein simpler Soldat als Jahreslohn erhielt. Zum frischen Obst kam spanischer Schnupftabak, von dem er immer ein paar tausend Pfund vorrätig hatte, wie Büsching weiter berichtet.
Galauniform zu seltenen Anlässen
Auf kostbare Kleidung legte der König keinen Wert, er trug die mit Rückständen seines mit Schnupftabak verunreinigte Uniform des Garderegiments zu Fuß mit einem Achselband und dem silbernen Stern des Schwarzen Adlerordens. Nur zu besonderen Anlässen habe er eine reich bestickte Galauniform angezogen, schreibt Büsching. „Er wollte schlechterdings nicht in der Kleidung groß seyn, wenn er gleich in einem alten, abgetragenen und geflickten Kleide ging. [...] So wenig Er sich als Soldat aus Putz und Schmuck machte, eben so wenig hielt er von der Reinlichkeit; diese Gleichgültigkeit gegen dieselbige nahm mit den Jahren zu und stieg aufs höchste.“ Nebenbei sei gesagt, dass Kaiser Wilhelm II., der sich als Vollender seines großen Vorfahren verstand, immerzu mit dem Wechseln seiner mit blitzenden Orden geschmückten Prachtuniformen beschäftigt war und etliche Lakaien beschäftigte, die ihn beim An- und Umziehen halfen.
Da ihm sein Aussehen gleichgültig war, hat er sich im Alter nicht porträtieren lassen, und die Bilder, die ihn heldenhaft reitend, grübelnd am Schreibtisch sitzend oder bei seinen Generalen stehend zeigen, sind allesamt nicht authentisch, sondern geschönt. Nicht einmal der Dreispitz, den der König nur beim Essen oder in Gegenwart vornehmer Gäste ablegte, entsprach dem, was man von einem Mann seines Standes erwartete. Die weiße Feder an der Kopfbedeckung war laut Büsching „selten ohne Schmutz“, außerdem waren die Stiefel ungepflegt, weil er, der König, verhinderte, „sie zu schwärzen, und noch weniger waren sie glatt angezogen und fest gebunden.“ In jungen Jahren habe er bei feierlichen Gelegenheiten Schuhe getragen, womit wohl die damals üblichen Schnallenschuhe gemeint waren. „Als ihn der Großfürst von Russland [der älteste Sohn von Katharina der Großen und spätere Zar Paul I., H. C.] besuchte, ließ er sich Camaschen von schwarzen Sammet machen, und zog sie über die runzlichten Stiefeln an, damit es aussehen sollte, als ob Er Schuhe trüge, man kann sich leicht denken, wie dicke seine Füße in dieser Bekleidung ausgesehen haben.“
Fingernägel und Bartstoppel selbst geschnitten
Als um 1770 der auch schon früher der zahnlos gewordene König aufhörte die Flöte zu spielen, habe er sich zum Zeitvertreib nicht nur die Fingernägel, sondern auch den Bart mit Scheren abgeschnitten, die er beständig in der Tasche trug, lesen wir bei Büsching weiter. Nur selten habe er sich barbieren lassen. Überhaupt sei Friedrich sehr nachlässig gewesen, was seine Körperpflege betraf. „Er wischte sich zwar alle Morgen mit einer nassen Serviette das Gesicht und die Hände ab, allein dieses wenige Wasser nahm die Unreinigkeiten, welche der viele Schweiß und Schnupftaback ansetzten, nicht hinlänglich weg.“ Man konnte also die Nähe des Monarchen an dessen Geruchsfahne erkennen.
Wenig schmeichelhaft für das Haus Hohenzollern ist, was Anton Friedrich Büsching über Umgang mit dem 1786 verstorbenen König schrieb. Weil unter seinen Hemden keine guten, sondern nur zerrissene waren, „so konnte keines derselben seinem Leichnam angezogen werden. Man konnte sich aber nicht die Zeit nehmen, ein neues machen zu lassen, also gab der jetzige geheime Kriegsrat Schöning eines von den feinen und noch nicht gebrauchten Hemden her, mit welchem ihn seine Braut beschenkt hatte, und in diesem ist der Leichnam begraben worden. Ich habe diesen mir glaubwürdigen Umstand für wahr befunden, als ich ihn scharf untersuchte.“
Mit Blick auf die kostspieligen Marotten des im Alter einsam gewordenen Königs hält Büsching anerkennend fest, es sei genug zu preisen, „dass sie für einen reichen König nur sehr mäßig sind [und] dass weder Chartenspiele noch Frauenzimmerjagd sich darunter befindet. Die Maitressenregierung füllet so, wie die vergeschwisterte Favoritenregierung, die schwarze Chronik der Staaten mit scheußlichen Historien; und ein Landesherr, der sich und seine Unterthanen denselben unterwirft, hat seine Geschichtsschreiber zu fürchten. Aber die Gesellschaft der Windspiele! Ey nun! ist denn wohl ein Mensch, der nicht seine Puppen hat? warum sollte nicht ein grosser Mann an wohlgebauten und schmeichelhaften Hunden ein vernünftiges Vergnügen zu seiner Erholung suchen und finden können?“
Nichts Menschliches war ihm fremd
Das von Büsching vermittelte Bild von Preußens größtem Königs deckte sich kaum mit dem, was andere Zeitgenossen von ihm malten. „Ganz Europa erklärte ihn einstimmig für einen großen Feldherrn und genialen Mann, aber die Ansichten über seinen Charakter und seine moralischen Eigenschaften gingen weit auseinander“, schrieb Dieudonné Thiébault, Professor für französische Grammatik in Berlin und Korrektor der Schriften des Königs, in seinen Erinnerungen. In den Augen der einen sei er ein Weiser gewesen, ein großer König und zugleich ein ausgezeichneter Gelehrter und sehr liebenswürdiger Philosoph. Seinem Vorleser und Korrektor hat der König das Versprechen abgenommen, kein Deutsch zu lernen, um sein reines Französisch nicht durch Germanismen zu verderben. „Ich konnte ihm dieses Versprechen nicht verweigern und habe es mit ebenso viel Treue wie Bedauern gehalten“, kommentierte der Franzose das Verlangen seines königlichen Arbeitgebers. Da der Gelehrte den Grundsatz beachtete, den König immer aussprechen und sich von seiner „Lustigkeit“ nicht fortreißen zu lassen, keine Interna an Dritte weiterzugeben, sich nicht in Dinge einzumischen, die ihn nichts angehen, und außerdem immer ordentlich gekleidet zu erscheinen, bewahrte er sich die Sympathie des Königs, den man schon in jungen Jahren, als er als Feldherr glänzte, einen Großen nannte, dem allerdings wie beim „gemeinen Volk“ nichts Menschliches fremd war.
17. August 2024, dem 145. Todestag Friedrichs II. von Preußen
Zurück zur Themenübersicht "Berlin, Potsdam, Land Brandenburg"