„Gnad‘ euch Gott ihr Schweden“
Wie die Schlacht von Fehrbellin im Jahr 1675 publizistisch und numismatisch vermarktet wurde





Der im Jahr 1800 errichtete Gedenkstein an der Straße zwischen Linum und Fehrbellin erinnert an die Schlacht von Fehrbellin. Die Büste des siegreichen Kurfürsten Friedrich Wilhelm schmückt den Sockel des Aussichtsturms am Ende einer langen Allee. Die geflügelte und vergoldete Viktoria grüßt von der Spitze des 1875 errichteten Denkmals.



Die Inschriften und Reliefs auf dem Rathenower Denkmal loben den Brandenburger als Vater des Vaterlandes und als einen Mann, den seine Feinde nicht bezwingen können. Rechts eine Szene auf dem Schlachtfeld von Fehrbellin 1675 mit dem tödlich getroffenen Stallmeister Froben.



Die Fehrbelliner Siegestaler von 1675 kommen mit dem reitenden Kurfürsten und der Friedensgöttin, an deren Füßen das brandenburgische Zepterwappen gelehnt ist, sowie mit einer langen lateinischen Inschrift vor.



Die von Johann Höhn geschaffene Medaille von 1675 auf die Schlacht von Fehrbellin schildert den Augenblick, als Stallmeister Emanuel Froben und nicht der Kurfürst von einer feindlichen Kugel tödlich getroffen werden. Die Medaille mit dem Bildnis des Kurfürsten und einem Schutzengel von Gottfried Leygebe geschaffen und ist wahrlich kein Meisterwerk der Stempelschneidekunst.



Die Vertreibung der Schweden aus dem zu Kurbrandenburg gehörenden Herzogtum Preußen hat Johann Höhn auf einer Medaille mit eindrucksvollen Allegorien verherrlicht. Die satirische Medaille zeigt den fliegenden Merkur mit einem Geldbeutel in der Hand über dem Öresund zwischen Dänemark und Schweden und stellt in Aussicht: „Wer sagen kann, wo man findet die livländischen Soldaten, dem geben wir den Beutel mit Dukaten.“ Kleine senkrecht angebrachte Buchstaben ergeben IN PREUSSEN.



Das Relief feiert im Französischen Dom am Berliner Gendarmenmarkt die Aufnahme von Hugenotten durch den Großen Kurfürsten. Er hatte 1685 den Glaubensflüchtlingen freundliche Aufnahme und Arbeit versprochen. Er und seine Nachfolger haben sich daran gehalten.



Der Maler und Grafiker Adolph Menzel hat im 19. Jahrhundert dem Großen Kurfürsten und seinen Nachfolgern ein eindrucksvolles Denkmal gesetzt. Hier überquert Friedrich Wilhelm 1679 bei der Verfolgung eines schwedischen Heeres das Kurische Haff. (Fotos/Repros: Caspar)

„Das Große soll herrschen, und es herrscht auch. Aber, wie paradox es klingen mag, neben dem Großen herrscht das Kleine, und in vielen Fällen läuft es dem Großen den Rang ab“, monierte Theodor Fontane in den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ in einem Kapitel über die Art, wie die Schlacht von Fehrbellin am 18. Juni 1675 in Sage, Kunst und Dichtung reflektiert und gegen andere, weitaus bedeutendere Ereignisse dieser Art etwa im Dreißigjährigen Krieg aufgerechnet wurde. Dem Romancier fiel auf, dass nicht nur Gemälde und Stiche sowie Standbilder und Gedenksteine, sondern auch zahlreiche literarische Werke und Erzeugnisse der „Volkspoesie“ den Sieg des Großen Kurfürsten von Brandenburg, Friedrich Wilhelm, über das schwedische Heer in gelegentlich märchenhafter Verklärung feiern. Jedem Kind in der Mark Brandenburg waren zu Fontanes Zeiten Gedichte und Lieder geläufig, in denen von der „schönen Schlacht bei Fehrbellin“ die Rede ist und dem Feind „Gnad‘ euch Gott ihr Schweden“ zugerufen wird. Zum Ruhm des Geschehens am 18. Juni 1675 trug bei, dass es durch Heinrich von Kleist im „Prinzen von Homburg“ als Konflikt zwischen Gewissen und Pflicht dramatisiert wurde. Patriotische Preußen machten das Schlachtfeld im 19. Jahrhundert zu einem Wallfahrtsort.

Er kam, sah und siegte

Unweit von Fehrbellin wurde anno 1800 beim Dorf Hakenberg ein eher bescheidener Gedenkstein mit der an Julius Caesar gemahnenden Aufschrift „Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst kam sah und siegte“ errichtet. Die 1857 erneuerte Inschrift lobt die „braven Brandenburger“, die an dieser Stelle den Grund zur Größe Preußens legten. Initiator des mit einer schlichten Vase geschmückten, von spitzen Gittern geschützten Denkmals war Friedrich Eberhard von Rochow, der als Reformer des preußischen Schulwesens in die Geschichte einging. Sein Wunsch, die Gedenkstätte aus heimischen Steinen zu bauen, wurde erfüllt. Am 200. Jahrestag der Schlacht von Fehrbellin (1875) legte Kronprinz Friedrich Wilhelm, der spätere Kaiser Friedrich III., nicht weit von dieser Stelle den Grundstein für ein weiteres Denkmal, das der Berliner Siegessäule nicht unähnlich ist. Der aus roten Klinkern gemauerte Turm, den man inwendig besteigen kann, wird von einer bronzenen Viktoria mit einem Siegeskranz in der Hand bekrönt. Auf halber Höhe schaut Friedrich Wilhelm auf die Besucher herab und lädt sie ein, von der Aussichtsplattform einen Blick auf das Schlachtengelände zu werfen.

Der Große Kurfürst hat es hervorragend verstanden, seinen spektakulären Erfolg, bei dem die zahlenmäßig weit unterlegenen Brandenburger dies weitaus stärkeren Schweden schlug, weidlich auszuschlachten. Flugschriften wurden in alle Welt geschickt, Siegestaler und Medaillen zeigen den Helden hoch zu Ross, wie er sich ungestüm ins Schlachtengetümmel stürzt. Dass der kränkelnde Kurfürst Mühe hatte, sein Pferd zu besteigen, kann man allenfalls in Geschichtsbüchern nachlesen. Sein überraschender Sieg war wichtig, denn Schweden ließ nach der Niederlage von der Kurmark ab.

Kampf um Stellungen an der Ost- und Nordsee

Die Stellung der skandinavischen Großmacht, die sich im Gefolge des Dreißigjährigen Krieges an der deutschen Ostsee- und Nordseeküste breit gemacht hatte, war erschüttert, dennoch folgten weitere blutige Auseinandersetzungen.In den folgenden Jahrzehnten verlagerten sich die Kriegsschauplätze, denn es kam zwischen Schweden und Russland, der neuen europäischen Großmacht, zu gefährlichen Rivalitäten. Sie gipfelten im Nordischen Krieg, der 1721 endete und auch in großen Teilen in Norddeutschland ausgetragen wurde.

Auf dem Hakenberger Gedenkstein von 1800 wird neben dem Prinzen von Homburg und anderen brandenburgischen Offizieren auch der legendäre Stallmeister Emanuel von Froben erwähnt. Er soll eine feindliche Kugel auf sich gezogen haben, weil er den Schimmel seines kurfürstlichen Herrn ritt. Der Opfertod des Stallmeisters, wie man damals sagte, hat Historiker und Künstler fasziniert. Auf Bildern, Stichen und Medaillen sowie in Schulbüchern wurde die Geschichte kolportiert und ausgemalt. Friedrich Wilhelm jedenfalls lebte weitere dreizehn Jahre und baute die Stellung eines als „märkische Streusandbüchse“ verlachten Landes im Konzert der europäischen Mächte aus. Ein Vierteljahrhundert nach der Schlacht von Fehrbellin setzte sich sein Sohn als König Friedrich I. „in“ Preußen die Königskrone aufs Haupt.

Der Sieg des Friedrich Wilhelm bei Fehrbellin über das schwedische Heer bedeutete nur eine Atempause im Ringen um die Vorherrschaft in Norddeutschland und im Ostseeraum. Hier hatten sich die Schweden im Dreißigjährigen Krieg festgesetzt, deren Landgewinn 1648 im Westfälischen Frieden völkerrechtlich bestätigt wurde. Schwedisch waren die Inseln Rügen und Usedom, Vorpommern und Pommern, die drei Odermündungen, die Städte Wismar, Stralsund und Stettin sowie weitere Territorien. Der Besitz wichtiger Häfen an der Ostsee sowie an der Nordsee nach Übernahme des Erzbistums Bremen und Verden rief Schwedens Rivalen Dänemark auf den Plan. Beide Kontrahenten bauten ihre Stellungen aus und gründeten die schwedische Festung Carlsburg (heute Bremerhaven) und die dänischen Festungen Glückstadt und Christiansburg bei Varel.

Medaillen bekunden Gottvertrauen

Natürlich weckte die überragende Position der Schweden im Ostseeraum Begehrlichkeiten. In Kriegen, die in Brandenburg, Mecklenburg und Pommern ausgetragen wurden, versuchten Schwedens Gegner die Ergebnisse des Dreißigjährigen Krieges zu revidieren. Dabei starben unzählige Soldaten und Zivilisten, weite Landstriche wurden ausgeplündert und vernichtet. Friedrich Wilhelm war auf Schwedisch Vorpommern und damit auf den Zugang zur Ostsee erpicht, der König von Dänemark wollte die herausragende Stellung Schwedens weiter westlich schwächen. Das war schneller erhofft als ausgeführt, denn Schweden verfügte mit Frankreich über einen mächtigen Verbündeten. König Ludwig XIV., der sich gerade mit Kaiser und Reich um rechtsrheinische Gebiete schlug, drängte König Karl XI. von Schweden im Frühsommer 1675 zum Einfall in Brandenburg, worauf Friedrich Wilhelm seine Truppen in Eilmärschen vom Rhein, wo er mit dem Kaiser gegen Frankreich kämpfte, in die Kurmark zurück führte und die Schweden bei Fehrbellin schlug. Dass er die Österreicher im Stich ließ, um seine eigenen Gebiete zu schützen, brachte ihm den Vorwurf des Verrats ein. Doch schon bald war dieser Tadel angesichts herausragender Erfolge gegenüber Schweden vergessen, übrigens auch das ständige Taktieren und Lavieren des Brandenburgers zwischen den damaligen Großmächten.

Von den schwierigen politischen und militärischen Zuständen und Machtkonstellationen ist auf brandenburgischen Münzen und Medaillen nichts zu sehen. Sie bekunden Gottvertrauen und Siegeszuversicht aus, denn Gott ist bei den Guten und steht den Tapferen bei. Hervorragend gelang es Friedrich Wilhelm, sich als deutscher Patriot und Triumphator zu präsentieren. Dichter und Maler schlugen in die gleiche Kerbe, wenn sie das dramatische Geschehen glorifizierten. Ein zeitgenössisches Volkslied pries den Großen Kurfürsten mit diesen Worten: „Es ward (von den Schweden) verjaget Mann und Weib, / Das Vieh ward durchgeschossen, / Man macht es, das nichts überbleibt, / Dass viele sehr verdrossen; / Bis dass zuletzt der große Held / Sich plötzlich eingefunden, / Und seinen Namen in der Welt, / Noch höher aufgebunden“.

Stallmeister Frobens Opfertod

An die Schlacht und dem, was folgte, erinnern zahlreiche Münzen und Medaillen. Hoch zu Ross und mit geschwungenem Schwert wirft sich der Kurfürst auf den in verschiedenen Versionen geprägten Fehrbelliner Siegestalern dem Feind entgegen. Eine lange lateinische Inschrift berichtet über den Kampf. Die – hier leicht modernisierte - Übersetzung lautet in einem auch mit zahlreichen Kupferstichen versehenen Buch von Johann Carl Conrad Oelrichs über die „Gedächtnismünzen“ des Großen Kurfürsten (Berlin 1778, Reprint Berlin 1988) so: „Das vollständige schwedische Kriegsheer, welches die Mark (Brandenburg) und Pommern verwüstete, als er selbst (der Kurfürst) anderwärts den Unterdrückten beistand, hat er bei Fehrbellin am 18. Tag des Juni 1676 erreicht, allein mit seiner Reiterei, ja vielmehr auf die alleinige Hilfe Gottes sich verlassend, geschlagen, erlegt und die sieben monatlichen Räuber in sieben Tagen aus seinen Landen hinausgejagt. Gott allein sei die Ehre“. Die wenig ehrenvolle Charakterisierung der als Räuber soll die Schweden zu Protesten beim Reichstag in Regensburg veranlasst haben, worauf der Kurfürst die betreffenden Münzen „kassiert“ haben soll. Doch das hält Oelrichs für ein „Märlein“.

Weitere Versionen zeigen den reitenden Kurfürsten und die personifizierte „Pax“, die als Friedensgöttin Lorbeer und Eichenlaub sowie das brandenburgische Zepterwappen in Händen hält. Dass die Fehrbelliner Siegestaler wohl auch eine Art Auszeichnung waren, zeigen Abschläge in Gold im Gewicht von zwanzig oder zehn Dukaten, von denen Emil Bahrfeldt in seinem „Münzwesen der Mark Brandenburg unter Friedrich Wilhelm, dem Großen Kurfürsten, und Kurfürst Friedrich III. (Halle 1913, S. 135 ff.) berichtet. Neben diesen Talern künden auch jetonartige Prägungen vom Sieg in „Linum“, so die auf den betreffenden Stücken übliche Bezeichnung für Fehrbellin. Auf Medaillen erscheint der Kurfürst an der Spitze seiner Truppen, wobei an seiner Seite der Stallmeister Emanuel von Froben fällt. Angeblich soll er Kanonenkugeln auf sich gezogen haben, weil er den Schimmel seines Herrn mit seinem Pferd getauscht hatte. Es versteht sich, dass „Frobens Opfertod“ im Legendenkranz rund um Fehrbellin eine große Rolle spielt. Dass der körperlich arg geschwächte Friedrich Wilhelm große Mühe hatte, sich auf dem Pferd zu halten, ist den Arbeiten der Stempelschneider nicht anzusehen, denn sie zeigen nur den Herrscher nur in Siegerpose.

Besitzerwechsel im 17. Jahrhundert

Mit dem Sieg bei Fehrbellin war das Ringen um Vorherrschaft in Norddeutschland nicht beendet. Es folgten weitere Schlachten und Scharmützel, um den Triumph über die Schweden auszubauen, was aber nicht vollständig gelang. Ende 1675 wurden die Inseln Wollin und Usedom besetzt und Stralsund belagert, Ende Juli 1676 kapitulierte Anklam, 1677 fielen auch Stettin und Stralsund in brandenburgische Hand. Ein Jahr später gelang es den Brandenburgern mit dänischer Hilfe, sich auf der Insel Rügen festzusetzen, während Wismar und Stralsund noch mehr als ein Jahrhundert in schwedischer Hand blieben.

Eine Medaille mit der Ansicht von Rügen aus der Vogelschau erklärt, dass die Insel mit Gottes Beistand unter dem Banner der Tapferkeit und Führung des durchlauchtigsten Kurfürsten von Brandenburg „glücklich wieder eingenommen wurde“. Über dem kurbrandenburgischen Adler auf einer weiteren Rügen-Medaille wird die Hoffnung ausgesprochen „Der Ruhm wird durch die ganze Welt fliegen“. Anlässlich der Eroberung von Stettin erklärt eine Medaille, dass Friedrich Wilhelm die Grenzen Brandenburgs und des Reiches unverletzlich gemacht habe. Der aufgrund seiner militärischen Erfolge so genannte Große Kurfürst konnte sich seiner Beute nicht lange erfreuen. Außerdem musste er sich im fernen Herzogtum Preußen, das 1701 Namensgeber des neuen preußischen Königreichs wurde, erneut der Schweden erwehren, um die Niederlage von Fehrbellin mit Unterstützung des polnischen Königs in einen neuen Sieg zu verwandeln. Die Vertreibung der Schweden aus (Ost-)Preußen wurde ebenfalls durch Medaillen gefeiert. Mit dem Frieden von St. Germain am 9. Juni 1679 zwischen Schweden und Brandenburg wurden die Ergebnisse der Kriege besiegelt. Friedrich Wilhelm gab auf französischen Druck Vorpommern an Schweden zurück, während ihm Hinterpommern blieb. Es versteht sich, das dieser „Schmachfrieden“ auf brandenburgischen Medaillen nicht gefeiert wurde.

20. Oktober 2023