Humboldt-Universität wurde 75

Berliner Alm Mater erhielt am 8. Februar 1949 Namen ihrer Gründerväter





Das Palais des Prinzen Heinrich von Preußen wurde 1810 von Friedrich Wilhelm III. zum Sitz der Berliner Universität bestimmt. Vor 200 Jahren als Friedrich-Wilhelms-Universität gegründet, erhielt die Alma mater 1949 den Namen der Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt. Die vom Bombenkrieg schwer getroffene Universität nahm 1946 den Betrieb wieder auf, doch da sie unter dem Einfluss der allmächtigen Staatspartei SED stand, wurde im Westteil der Viersektorenstadt die Freie Universität unter dem Motto Veritas, Iustitia, Libertas (Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit) gegründet.



Am 28. Mai 1883 wurde wahr, wofür seit 1869 namhafte Vertreter des Kulturlebens und der Wissenschaft gestritten hatten - die Ehrung der Brüder Wilhelm und Alexander Humboldt im Herzen Berlins. Sie halten seit 1883 vor der Universität Wache. Mit dem Entwurf für ein Wilhelm von Humboldt gewidmetes Denkmal (links) hatte Paul Otto Erfolg, während Reinhold Begas die Sitzfigur von Alexander von Humboldt ausführte. Die Gelehrten haben auf würfelförmigem Postamenten Platz genommen, die mit ihrem Namen im Kranz sowie seitlichen Reliefs versehen sind.







Im Ehrenhof stehen die Denkmäler von Hermann von Helmholtz und Lise Meitner, Theodor Mommsen und Max Planck, an den auch an der Vorderfront eine Gedenktafel erinnert.



Das Marx-Zitat an der Treppe im Hauptgebäude stammt noch aus DDR-Zeiten und wird weiterhin respektiert.



Das Ehrenmal im Hof erinnert an Professoren, Dozenten und Studenten, die ihren Widerstand gegen das Naziregime mit dem Leben bezahlen mussten.



Jüdische Professoren, Dozenten und Studenten wurden nach der Errichtung der Nazidiktatur entlassen, ausgegrenzt, verfolgt und ermordet. Stolpersteine im Straßenpflaster erinnern an sie und das dunkelste Kapitel in der Geschichte der Berliner Universität.



Die von Goebbbels geleitete Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 auf dem Opernplatz und die politischen und rassistischen „Säuberungen“ des geistigen und kulturellen Lebens im Deutschen Reich sind auf dem heutigen Bebelplatz nach wie vor präsent. Durch eine Glasscheibe kann man in eine Bibliothek ganz ohne Bücher schauen. (Fotos/Repros: Caspar)

Es ist jetzt 75 Jahre her, dass die bisherige Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin den Namen ihrer Gründerväter Wilhelm und Alexander von Humboldt erhielt. Die Neubenennung am 8. Februar 1949 war das Ergebnis vielfältiger Bestrebungen, die Universität nach dem Ende der Nazidiktatur und dem Ende des Zweiten Weltkrieges umzubenennen und sich damit von dunklen Seiten ihrer Geschichte zu trennen. Das lag damals im Trend, denn Namen von Kaisern und Königen wurden im deutschen Osten systematisch aus der Öffentlichkeit entfernt, so wie auch nicht ins politische Weltbild der Kommunisten passende Denkmäler gestürzt oder aus dem öffentlichen Raum entfernt wurden.

Anlässlich der Neubenennung der Humboldt-Universität heißt es dort, die beiden Universalgelehrten stünden für die Integration von Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften, für die Einheit von Forschung und Lehre sowie die Unabhängigkeit der Wissenschaft, die seit dem Ende der SED-Herrschaft und der deutschen Wiedervereinigung 1989/90 wieder das Leben an der Humboldt-Universität bestimmt. Die Geschichte der Namensgebung stehe für die komplexe Geschichte der Universität, für Kontinuität, Brüche und Transformation. „Humboldt-Universität zu sein, ist eine Verpflichtung: Der Name verpflichtet, die Grundwerte freier Wissenschaft hoch zu halten, Studium und Lehre als Bildungsprozesse zu verstehen und in enger Verbindung zur Forschung zu entwickeln sowie als Institution offen für Reformen zu sein“, sagte Julia von Blumenthal, die Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin. Die in großen Teilen während des Zweiten Weltkriegs zerstörte Universität nahm ihren Lehrbetrieb 1946 zunächst als Berliner Universität wieder auf. Sehr bald waren Wilhelm und Alexander von Humboldt als Namensgeber im Gespräch und zwei Monate nach Gründung der Freien Universität im westlichen Teil der Viermächtestadt erfolgte am 8. Februar 1949 die offizielle Umbenennung in Humboldt-Universität zu Berlin.

Geistige Kräfte, wo physische verloren sind

Lange vor ihrer offiziellen Gründung am 15. Oktober 1810 wurde in Berlin über die Gründung und den Nutzen einer Universität diskutiert. Gegner des Projekts meinten, die Sittenlosigkeit der Großstadt täte den Studenten nicht gut, doch dann zwangen die politischen Umstände König Friedrich Wilhelm, schnell und entschlossen zu handeln. Nach dem verlorenen Krieg von 1806/7 gegen Frankreich war Preußen in Tilsit vom siegreichen Kaiser Napoleon I. ein Friedensschluss mit katastrophalen Folgen aufgezwungen worden. König Friedrich Wilhelm III. verlor die Hälfte seines Herrschaftsgebietes und seiner Untertanen und musste 140 Millionen Francs an Frankreich zahlen. Halle an der Saale und die dort seit 1694 ansässige Universität fiel an das von einem Bruder des französischen Kaisers beherrschten Königreich Westphalen, und auch die Universität in Duisburg stand nicht mehr für Preußen zur Verfügung. Blieb noch die Universität in Frankfurt an der Oder, deren Kapazitäten zu klein waren. Also musste eine neue Alma mater her, weshalb das Berliner Universitätsprojekt auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Als sich Hallenser Professoren an den König wandten, er möge ihre Universität „über die Elbe nehmen, wo kein Ort dafür schicklicher scheine als Berlin“, antwortete der Monarch positiv. „Das ist recht, das ist brav! Der Staat muss durch geistige Kräfte ersetzen, was er an physischen verloren hat.“

Das Berliner Universitätsprojekt wurde von namhaften Wissenschaftlern wie Fichte, Hufeland und Schleiermacher unterstützt. Wichtigster Kopf in dieser Gruppe war Wilhelm von Humboldt, der als Direktor für Cultus und Unterricht im preußischen Innenministerium tätig war und sich intensiv für die Verbesserung des Bildungswesens in der Hohenzollernmonarchie und insbesondere für die Einrichtung humanistischer Gymnasien einsetzte. Der Sprachforscher, Politiker und Diplomat musste manche Widerstände überwinden, darunter Bedenken über den angeblich sittenverderblichen Einfluss von Großstädten auf die studierende Jugend. Als im Herbst 1810 der Lehrbetrieb aufgenommen wurde, traten besorgte Sittenwächter auf den Plan und warnten die Studenten davor, sich mit Huren rund um das Universitätsviertel einzulassen und in Kneipen Zeit zu vertrödeln.

Prinzenpalais ist bis heute Hauptsitz

Wilhelm von Humboldt schwebte eine „Universitas litterarum“ vor, welche die Einheit von Lehre und Forschung verwirklicht und eine allseitige Bildung der Studierenden ermöglicht. Dieses Konzept erwies sich als erfolgreich, verbreitete sich weltweit und ließ in den folgenden anderthalb Jahrhunderten ähnlich ausgerichtete Universitäten entstehen. Wilhelm von Humboldt trug seine Vorstellungen dem König am 24. Juli 1809 in einer Denkschrift vor und bat ihn, die Errichtung einer Universität in Berlin und die Verbindung der dort schon existierenden wissenschaftlichen Institute und Sammlungen mit derselben förmlich beschließen zu wollen. Die neue Universität sollte nach Vorstellungen des Gelehrten und Diplomaten so viele Domänen als nötig und ein sicheres Einkommen von 150 000 Reichstalern bekommen und seinen Sitz im Palais des Prinzen Heinrich von Preußen, eines jüngeren Bruders König Friedrichs II., des Großen, Unter den Linden 8 nehmen. Der König wurde gebeten, diese Güter und Gebäude „auf ewige Zeiten hinaus“ in das Eigentum der Universität zu geben.

Friedrich Wilhelm III. ging auf Humboldts Vorschläge ein. In der Stiftungsurkunde verfügte der Monarch am 16. August 1809 „die Einrichtung einer solchen allgemeinen Lehranstalt mit dem alten hergebrachten Namen einer Universität, und mit dem Rechte zur Erteilung akademischer Würden“. Die neue Universität, die Akademien der Wissenschaften und der Künste sowie sämtliche wissenschaftlichen Institute und Sammlungen sollten zwar ihre Selbstständigkeit behalten, doch sollten sie gemeinschaftlich zum allgemeinen Zweck zusammenwirken. Der Universität wurden das Palais des Prinzen Heinrich und Teile des benachbarten Akademiegebäudes übereignet. Es sollte noch ein Jahr vergehen, bis der Lehrbetrieb aufgenommen wurde. Erster Rektor war der Philosoph Johann Gottlieb Fichte. Der Dichter Clemens Brentano schrieb den Text einer Kantate zur Eröffnung, in der das Ziel der neuen Bildungs- und Forschungsstätte so umschrieben ist: „Der Ganzheit, Allheit, Einheit, / der Allgemeinheit / gelehrter Weisheit / des Wissens Freiheit / gehört dies Königliche Haus! So lege ich Euch die goldenen Worte aus: Universitati Litterariae“.

Denkmäler weit und breit

Nach jahrelanger Vorbereitung wurden die Marmordenkmäler der Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt am 28. Mai 1883 im Beisein Kaiser Wilhelms I. und seiner Familie nach Überwindung mancher Probleme enthüllt. Der Plan, den Brüdern je ein Denkmal zu errichten, wurde von Rudolf Virchow und seinem hochkarätig besetzten Denkmalkomitee voran getrieben. Allerdings reichte das gesammelte Geld nicht für ein zweites Monument aus. So erging 1874 die „ehrfurchtsvolle Bitte“ an den preußischen König und deutschen Kaiser Wilhelm I., die Herstellung eines Standbildes Wilhelm von Humboldts parallel zum Nationaldenkmal Alexander von Humboldts aus Staatsmitteln gnädigst befehlen zu wollen und zu gestatten, dass die Figuren vor der Universität Unter den Linden in Reichweite des Reiterdenkmals Friedrichs des Großen aufgestellt werden.

Widerwillig signalisierte der Hof Zustimmung. Vor allem Wilhelm von Humboldt war dort wegen Ungehorsams und kritischer Äußerungen über das Königshaus und seine restriktive Politik nach den Befreiungskriegen umstritten. Nach der Genehmigung v on Zusatzmitteln konnte das Denkmalkomitee einen Wettbewerb ausschreiben, an dem sich auch der aus Berlin stammende, aber in Rom lebende Bildhauer Paul Otto beteiligte. Während einer seiner Konkurrenten, der Schöpfer des Schillerdenkmals auf dem Gendarmenmarkt Reinhold Begas, hermenähnliche „Colossalbüsten“ entwarf, bestach Ottos Idee durch bürgerliche Einfachheit. Seine Sitzfigur Wilhelm von Humboldts wurde von der Jury angenommen, worauf sich Begas genötigt sah, Alexander von Humboldt ebenfalls auf einen Stuhl zu setzen. Bücherverbrennung auf dem Opernplatz

Bei der Denkmalweihe erklärte Universitätsrektor Emil du Bois-Reymond: „Wo Wilhelm und Alexander von Humboldt Wache halten, da wird immerdar sein eine Stätte edelsten menschlichen Strebens, freier Forschung und freier Lehre“. Fast auf den Tag 50 Jahre später loderten am 10. Mai 1933 auf dem Opernplatz, der Universität gegenüber, Bücher, und zwölf Jahre später lag die Reichshauptstadt in Schutt und Asche. Die Bücherverbrennung war Auftakt für eine „Säuberungs“- und Verfolgungswelle ohnegleichen in den deutschen Universitäten und Hochschulen, Verlagen und Bibliotheken. Eine von Micha Ullman gestaltete unterirdische Gedenkstätte erinnert hier an den barbarischen Akt mit den Worten von Heinrich Heine: „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“ Die kostbaren Marmordenkmäler hatten den Zweiten Weltkrieg eingemauert überstanden und wurden schon frühzeitig freigelegt. Saurer Regen und Umweltverschmutzung haben ihnen zugesetzt, weshalb sie mehrfach restauriert und konserviert werden mussten. In der kalten und feuchten Jahreszeit werden sie durch Einhausungen geschützt, was man auch anderen, nicht minder wertvollen und gefährdeten Skulpturen unter freiem Himmel wie Friedrich Schiller auf dem Gendarmenmarkt oder den Schlossbrückenfiguren auch wünscht.

Im Ehrenhof der Universität stehen Marmordenkmal des Physikers und Physiologen Hermann von Helmholtz (Bildhauer: Ernst Herter, 1899), des Althistorikers Theodor Mommsen (von Adolph Brütt, 1909) sowie des Physikers und Nobelpreisträger Max Planck (von Bernhard Heiliger, 1948/49 kurzzeitig aufgestellt und bis 2006 nach Zeuthen abgeschoben) und der jüdischen Kernphysikerin Lise Meitner (von Anna Franziska Schwarzbach, 2014). Im Bereich der Berliner Charité stehen die Denkmäler des Augenarztes Albrecht von Graefe (von Rudolf Siemering, 1882), des Nobelpreisträger Robert Koch (von Louis Tuaillon, 1916) und Emil Fischer (von Fritz Klimsch, 1921). Das dem Mediziner und Politiker Rudolf Virchow gewidmete Denkmal auf dem Karlplatz fällt aus dem Rahmen, weil es ihn nicht wie üblich stehend oder sitzend darstellt. Hier ringt ein Mann ein gräuliches Mischwesen aus Mensch und Löwen nieder und symbolisiert so den Sieg der Menschen über die Krankheit.

10. Februar 2024