Kleinstübers Ruhe
Wovon ein Berliner Grabmal und Medaillen zu Ehren von verdienstvollen Münzbeamten und Technikern erzählen



Die Königliche Münze auf dem Werderschen Markt in Berlin und ihre Dependance in der Münzstraße unweit des Alexanderplatzes waren die Arbeitsstätten des Münzmechanikers Kleinstüber.





Die von Henri François Brandt geschaffene Medaille aus dem Jahr 1834 kombiniert das Porträt von Gottlieb Ernst Kleinstüber mit einer trauernden Frau. Das Grabmal des königlich-preußischen Münzmechanikers auf dem Sankt-Georgen-Friedhof an der Greifswalder Straße in Berlin wurde vor einigen Jahren restauriert. Es ist kein Fall bekannt, dass ein Münzbeamter mit einem solchen Grabmal geehrt wurde, das auch auf einer Medaille abgebildet ist.





Auf der Rückseite der Medaille von 1843 zum fünfzigjährige Dienstjubiläum von Christian Friedrich Goedeking ist die Kniehebelpresse auf dem Eichenkranz links unten neben der Datumsangabe zu erkennen. Die Firma Uhlhorn prägte 1851 zur Weltausstellung in London eine Werbemedaille mit der Ansicht ihrer erfolgreichen Prägemaschine, und auch andere Fabrikanten machten mit Medaillen auf ihre Qualitäten aufmerksam.



Im Münzgesetz von 1821 verfügte König Friedrich Wilhelm eine Reform des Geldwesens. Die preußischen Geldfabriken mussten sich auf hohe Anforderungen einstellen und ihre Produktivität erheblich steigern, was auch für Gottlieb Ernst Kleinstüber galt, der für die Einsatzbereitschaft der eingesetzten Maschinen zu sorgen hatte.





Eine von Henri François Brandt geschaffenen Medaille wurde 1834 dem preußischen Innen- und Finanzminister und Chef aller Münzstätten Carl Friedrich Heinrich Graf Wylich von Lottum dediziert. Die Allegorie auf der Rückseite zeigt, wie die thronende Borussia Schätze gibt und empfängt. Darunter erkennt man eine Spindelpresse, auf der Arbeiter mit kräftigem Schwung eine Medaille herstellen. Mit einer solchen Passier-und Legitimationsmarke dürfe sich auch Kleinstüber ausgewiesen haben.

Die Königliche und seit dem Ende der Monarchie 1918 Staatliche Münze zu Berlin hat mit verschiedenen Medaillen auf ihre technische Kapazitäten und künstlerischen Möglichkeiten aufmerksam gemacht und damit Eigenwerbung betrieben. Zur Freude der Sammler sind über ein Dutzend Medaillen überliefert, die leitende Beamte anlässlich von Dienstjubiläen ehren. In die Serie gehören versilberte und vergoldete Plaketten, mit denen nach 1900 über viele Jahre in der Geldfabrik an der Unterwasserstraße unweit des Berliner Schlosses tätige Mitarbeiter ausgezeichnet wurden.

Rarität in Berliner Friedhofslandschaft

Dass ein Münzbeamter unter einem prachtvollen Grabmal ruht und dieses auf einer zeitgleich geprägten Medaille abgebildet ist, stellt in der Berliner Sepulkralkunst eine Ausnahme zu. Beides trifft auf den königlich-preußischen Münzmechaniker Gottlieb Ernst Kleinstüber zu. Sein vor einigen Jahren sorgsam restauriertes Grabmal ist eine Rarität in der Berliner Friedhofslandschaft. Das dem Klassizismus der Schinkelzeit verpflichtete Bildwerk auf dem Sankt-Georgen-Friedhof an der Greifswalder Allee, nur ein paar Fußminuten vom Alexanderplatz entfernt, zeigt eine sitzende Frau in antikisierender Gewandung. Sie symbolisiert die trauernde Gattin, die bekränzt eine Urne. Die Teilvergoldung verleiht der Skulptur aus Eisenkunstguss viel Strahlkraft.

Die halbovale Wand hinter der von Christian Friedrich Tieck gestalteten trauernden Frau besagt, dass sich hier „Kleinstübers Ruhe“ befindet. Die Inschrift auf dem Sockel aus rotem Granit nennt den Münzmechaniker und seine Frau Sally mit ihren Lebensdaten, verzichtet aber auf rühmende Worte und einen Hinweis auf die Profession des 1834 verstorbenen Beamten der Berliner Münze. Die gleiche Darstellung findet man auf einer von dem bekannten Berliner Medailleur Henri François Brandt geschaffenen Medaille. Die Vorderseite zeigt den Kopf des Münzmechanikers, der von 1775 bis 1834 lebte, während die Rückseite das erwähnte Grabdenkmal in Miniaturformat präsentiert. Kleinstüber besaß große Verdienste um die Verbesserung des Münzbetriebs in Preußen. Als Leiter der Maschinenbauanstalt der Geldfabrik half er, die technische Fertigung des preußischen Hartgeldes zu modernisieren.

Preußens Weg in die Moderne

Georg Ernst Kleinstüber war in einer für Preußen schwierigen Zeit an der Berliner Münze tätig.Er war Zeitgenosse und Mitgestalter der Umbrüche im Ergebnis der Französischen Revolution von 1789 und den nachfolgenden Kriegen, in die Preußen verwickelt war. Der Krieg von 1806/7 gegen das napoleonische Frankreich stürzte die Hohenzollernmonarchie in eine tiefe Krise, in der es um ihr Sein oder Nichtsein ging. König Friedrich Wilhelm III. büßte die Hälfte seines Landes und seiner Untertanen ein und riesige Kontributionen an Napoleon I., den Kaiser der Franzosen zahlen. Allerdings raffte sich der ewig zaudernde und ängstliche Preußenkönig, von klugen Ratgebern geleitet, zu Reformen auf wirtschaftlichem , politischem und militärischem Gebiet auf, zu denen er sich unter „normalen“ Umständen sich nie bequemt hätte. Sie ebneten dem Hohenzollernstaat den Weg in die Moderne.

In Kleinstübers Zeit fiel ein bemerkenswerter Aufschwung der Geldproduktion. Das Land war nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 die wirtschaftlich stärkste Kraft im Deutschen Bund, einer losen Verbindung von Fürstentümern und Freien Städten. 1818 wurden die Zollgrenzen innerhalb der über ganz Deutschland verstreuten preußischen Landesteile aufgehoben. Mit dem Münzgesetz vom 30. September 1821 führte Friedrich Wilhelm III. das Graumannsche Münzsystem von 1750 fort und verfügte eine „gleichförmige feste Währung in Gold und Silber in Unseren sämmtlichen Staaten“. Durch Ausprägung einer „hinlänglichen Menge inländischer Gold- und Silbermünzen“ sollten fremde Münzsorten allmählich entbehrlich gemacht und auch gesonderte Prägungen für einzelne Provinzen des Hohenzollernstaats abgeschafft werden.

Spindelpressen und Klippwerke

Von jetzt an sollten dort immer die gleichen Sorten aus Gold, Silber und Kupfer umlaufen und gelten. Kleinstüber hatte dafür zu sorgen, dass die Prägegeräte gut in Schuss sind und Schäden schnell behoben werden. Große Münzen wie Taler und Halbtaler sowie Medaillen wurden auf Spindelpressen hergestellt, Kleingeld hat man Stück für Stück auf Klippwerken gefertigt. Die im 16. Jahrhundert erfundene, einer Weinpresse nicht unähnliche Spindelpresse erscheint auf unzähligen Münzen und Medaillen als Symbol für die Tätigkeit der Münz- und Medaillenpräger. Obwohl das auch Balancier oder Anwurf genannte Gerät mit seinen kugelbewehrten Schwungarmen schon längst in Museen zu bewundern ist, erscheint sie auch heute auf ganz neuen Prägungen. Alle diese Tätigkeiten waren mühsam und langsam, und sie waren auch nicht gut für die Münzstempel, die sich schnell abnutzten und immerzu erneuert werden mussten, was die Geldproduktion unverhältnismäßig verteuerte.

Angesichts der Herausforderungen wegen des großen Bedarfs an neuen Geldstücken kam die Nachricht am preußischen Hof gut an, dass der im rheinischen Grevenbroich tätige Textilfabrikant Diederich Uhlhorn eine neuartige, nach dem so genannten Kniehebelprinzip arbeitende Präge- maschine konstruiert hat, die wesentlich produktiver als die bisher eingesetzten Geräte arbeitet. Dass die „Uhlhörner“ ziemlich schnell in Preußen eingeführt wurden, ist dem Generalmünzdirektor Christian Friedrich Goedeking zu verdanken. Er musste bei seinem Bemühen mancherlei Widerstände bei seinen Untergebenen überwinden, die zu Recht um Arbeit und Brot fürchteten. Auch in anderen Bereichen hat man neuartige Maschinen und Produktionsverfahren mit Misstrauen und Hass begegnet und ihren Einsatz gelegentlich sabotiert. Was sich da im frühen 19. Jahrhundert abspielte und von der Obrigkeit mit Waffengewalt unterdrückt wurde, ging als Maschinenstürmerei in die Geschichte ein. Ob es diese auch in der Berliner und den anderen preußischen Geldfabriken in Breslau und Düsseldorf gegeben hat, könnte eine „Tiefenprüfung“ der Münzakten ergeben, wenn es denn dazu Informationen gibt. Doch ließ sich der Lauf der Zeit auf Dauer nicht aufhalten, und Kleinstüber wird mit seiner Mannschaft geholfen haben, dass die Kniehebelpresse in Berlin und den anderen preußischen Münzanstalten Erfolg hatten.

Gestalter und Kosten unbekannt

Über den seit 1812 an der Königlichen Münze zu Berlin tätigen Kleinstüber ist wenig bekannt. Es ist nur überliefert, dass er einen Monatslohn von 50 Talern erhielt. Es ist davon auszugehen, dass er in der preußischen Münzverwaltung gut angesehen war. Seine Witwe war so vermögend, dass sie für ihren Gemahl und sich auf einem Friedhof damals noch am Rand der preußischen Haupt- und Residenzstadt ein prachtvolles Grabmal errichten und dazu noch eine Sterbemedaille herstellen lassen konnte. Ob Unterlagen zu Leben und Tätigkeit des Münzmechanikers, aber auch über das Grabmal selbst existieren, ist nicht bekannt.

Da die Akten der Königlichen Eisegießerei zu Berlin im Revolutionsjahr 1848 bei einem Brand vernichtet wurden, dürfte es schwer sein, etwas über den Gestalter des Grabmals und die Kosten zu erfahren. Geprüft müsste auch werden, ob die Frau an der Urne eine Einzelanfertigung war oder die Gießerei solche Figuren „auf Lager“ hatte. Vielleicht kann man auch eruieren, wie die Beziehungen zwischen dem Ehepaar Kleinstüber zum Medailleur Henri François Brandt gestaltet waren, dessen umfangreiches Werk gut dokumentiert und beschrieben ist.

Verschiedene im 19. Jahrhundert geprägte Medaillen anlässlich von Dienstjubiläen leitender Beamter der ersten Münzstätte im Lande sind mit dem Schema Kopf/Schrift im Blätterkranz von erstaunlicher Einfallslosigkeit. Dessen ungeachtet passen sie gut in eine Sammlung zum Thema „Numismatica in nummis“, in der Münzen und Medaillen mit münztechnischen Motiven und Ansichten von Münzgebäuden, aber auch solche zur Erinnerung an Neuerungen im Münz- und Geldwesen sowie Münzverträge und nicht zuletzt Prägungen zur Ehrung von Münztechnikern und Münzbeamten zu finden sind. Zu dem Thema gehören die vielen anlässlich von Visiten hochgestellter Persönlichkeiten geprägten Münzbesuchstaler und -medaillen sowie Souvenirprägungen, die man als Erinnerung an lehrreiche Stunden nach Hause nehmen kann.

21. Juni 2023