„Der Freiheit eine Gasse“
In Berlin wird an die Märzrevolution von 1848 sowie an ihre Errungenschaften und Niederlagen erinnert





Schauplätze der Revolution von 1848 sind in Berlin-Mitte durch Figuren und Hinweistafeln sowie an der Ecke Friedrichstraße/Jägerstraße durch nachgebaute Barrikade markiert. Nach dem im unteren Foto abgebildeten Ernst Zinna ist ein Weg benannt, der zum Friedhof der Märzgefallenen führt. Der Schlosserlehrling, der zur Symbolfigur der Revolution von 1848 wurde, wurde von königlichen Truppen erschossen und ist hier bestattet.



Die Gedenksäule neben dem Humboldtforum ist eine Hommage an die Kämpfer von damals. Der Beschluss der Stadtverordneten, ihnen ein ein sichtbares Zeichen der Dankbarkeit und des Respekts zu errichten, ging erst 175 Jahre später in Erfüllung.





Frische Blumen schmücken den Gedenkstein auf dem Friedhof der Märzgefallenen, auf der Rückseite sind Namen von Revolutionären, die unter den Kugeln königstreuer Truppen starben. Um den Gedenkstein sind zahlreiche Grabstätten von Kämpfern angelegt, die vor 175 Jahren auf Berliner Barrikaden und bei Straßenkämpfen ums Leben kamen. Um die Anlage vor Vandalismus zu schützen, wurde ein Zaun um das Gelände angelegt.



Überall in Berlin, wo vor 175 Jahren gegen die Königsherrschaft und für ein einiges demokratisches Deutschland gekämpft und gestorben wurde, kann man auf eisernen Gedenktafel auch den Spruch von Ferdinand Freiligrath lesen: „Es kommt dazu trotz alledem, / dass rings der Mensch die Bruderhand / dem Menschen reicht trotz alledem!“ Die bronzene Figur eines Roten Matrosen am Eingang zum Friedhof der Märzgefallenen sowie Gedenksteine erinnern daran, dass hier auch Tote der Novemberrevolution 1918 und der Kämpfe danach bestattet sind.





Das im Auftrag von Friedrich Wilhelm IV. errichtete Michaeldenkmal, bei dem der Erzengel den Drachen der Revolution nieder sticht, hinter dem Schloss Babelsberg feiert die Sieger in der Revolution von 1848/49. Die Invalidensäule wurde 1948 von den Kommunisten beseitigt. Die farbige Grafik zeigt, wie preußische Soldaten 1849 den Aufstand in Baden niederschlagen. (Fotos/Repros: Caspar)

Es ist jetzt 175 Jahre her, dass sich die Wut der Berliner über ihren König Friedrich Wilhelm IV. und die Enttäuschung über nicht eingehaltene Versprechen in in einem Volksaufstand entluden. An verschiedenen Stellen der Stadt erinnern Gedenktafeln und Denkmäler an die Märzrevolution, die den Monarchen zu Zugeständnissen veranlasste sowie ihn und seinen Anhang das Fürchten lehrte. Doch die Revolution erreichte in Berlin, und nicht nur dort, ihre Ziele nicht. Ein Jahr später saßen die Fürsten wieder fest im Sattel und rächten sich an den Aufständischen, wo immer sie ihrer habhaft wurden. Wer von den „Achtrundvierzigern“ konnte, flüchtete ins Ausland, vor allem in die USA, zog sich in die innere Emigration oder passte sich den gegebenen Verhältnissen an.

Solange es die Monarchie gab, standen diese als „vaterlandslose Gesellen“ verunglimpften Menschen, die der Freiheit eine Gasse schlagen wollten, um aus einem Gedicht von Georg Herwegh zu zitieren, unter Polizeibeobachtung und wurden schlechter behandelt als diejenigen, die sich königstreu verhielten und das Regime stützten. Vor der nachgebauten Barrikade an der Ecke Friedrichstraße und Jägerstraße gab am 18. März 2023 es eine Kundgebung, bei der Bundespräsident Frank Walter Steinmeier sagte, die Menschen, die damals gegen Willkür und Unterdrückung kämpften, hätten dafür gesorgt, dass der Geist der Freiheit in die Welt kam. Umso wichtiger sei es, an die Kämpfer und Kämpfe von damals zu erinnern, die den Deutschen eine demokratische Verfassung bescherten.

Grundrechte des deutschen Volkes

Das „Reichsgesetz, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes“ vom 27. Dezember 1848 trat am 17. Januar 1849 im gesamten Reichsgebiet einschließlich der österreichischen Bundesgebiete in Kraft, wurde aber schon 1851 auf Druck der in der Revolution siegreichen Fürsten wieder aufgegeben. Manche Elemente flossen in die Weimarer Verfassung und das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ein. Dazu gehörten die Gewährung von Bürgerrechten sowie die Versammlungs-, Meinungs- und Religionsfreiheit, der Verzicht auf die Zensur und andere demokratische Errungenschaften. Die Verfassungsurkunde von 1848/49) bestimmte im Artikeln 2 und 3: „Vor dem Gesetze gilt kein Unterschied der Stände. Der Adel als Stand ist aufgehoben. Alle Standesvorrechte sind abgeschafft. Die Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. Alle Titel, insoweit sie nicht mit einem Amte verbunden sind, sind aufgehoben und dürfen nie wieder eingeführt werden. Kein Staatsangehöriger darf von einem auswärtigen Staate einen Orden annehmen. Die öffentlichen Ämter sind für alle Befähigten gleich zugänglich.Die Wehrpflicht ist für alle gleich; Stellvertretung bei derselben findet nicht statt. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Die Verhaftung einer Person soll, außer im Falle der Ergreifung auf frischer Tat, nur geschehen in Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehls.“

Vor 175 Jahren leisteten zahllose Bewohner Berlins auf Barrikaden und bei Häuserkämpfen erbitterten Widerstand gegen die übermächtigen Truppen des Königs von Preußen. Er hatte sich zwar vor den Märzgefallenen verneigt, die am Standrand bestattet wurden, aber insgeheim bereitete er die Revanche nach dem Motto „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“ vor. Mitglieder des nach Paul Singer, dem Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei Deutschland und Reichstagsabgeordneten, benannten Paul-Singer-Vereins haben es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Toten ein ehrendes Gedenken zu bereiten. Sie sehen mit anderen Berlinerinnen und Berlinern die Um-und Neugestaltung des Friedhof der Märzgefallenen und seine Pflege als ein Mittel an, breit über die Revolution von 1848/49 zu berichten und sie besser als bisher ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Ziel ist es, die Gedenkstätte so bekannt zu machen wie die Paulskirche in Frankfurt am Main als Sitz der Deutschen Nationalversammlung oder die Festung Rastatt als letzte Bastion der badischen Revolution im Sommer 1849. Überall auf dem Friedhof der Märzgefallenen sind Bild-Text-Tafeln aufgestellt, die über den Ablauf der Revolution sowie seine Ursachen und Folgen berichtet. Sie würdigen zugleich die Novemberrevolution von 1918, in der am Ende des Ersten Weltkriegs die Monarchie abgeschafft und Deutschland zur Republik erklärt wurde. Ihre Schaffung stand vor 175 Jahren auf der Liste der Forderungen vieler, allerdings nicht aller Kämpfer für ein demokratisches Deutschland ganz oben.

Denkmal der Konterrevolution

Friedrich Wilhelm IV., der nach der Revolution schon bald fest im Sattel saß und eine Delegation der Frankfurter Nationalversammlung, die ihm die Krone eines Kaisers von Deutschland angetragen hatte, mit beleidigenden Worten hatte abblitzen lassen, ließ im Berliner Invalidenpark eine riesige Säule errichten, die die Helden und Toten der Konterrevolution ehrt. Zu ihren Füßen hat man 18 bei den Kämpfen gefallene Soldaten bestattet. Das 33,70 Meter hohe National-Krieger-Denkmal, wie die Invalidensäule offiziell hieß, geriet nach dem Zweiten Weltkrieg in die Kritik. Auf Wunsch ostdeutscher Kommunisten riss am 14. August 1948 eine Baufirma die Säule mit einem Seilzug vom Sockel. Während die Trümmer verschrottet wurden, hat man die Friedhofsanlage beseitigt. Heute markiert ein Denkmal zur Erinnerung an die Berliner Mauer den Ort, auf dem jene Säule stand.

Am 18. Juni 1850 legte Friedrich Wilhelm IV den Grundstein für die nach Entwürfen von Berthold Brunckow gestaltete Säule, die zwischen 1850 und1854 unter der Leitung von August Soller und August Stüler errichtet und am 18. Oktober 1854, dem 41. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, in Anwesenheit des Königs feierlich eingeweiht. Da ihm an dem Bauwerk viel gelegen war und kein Gerede über die Finanzierung entstehen sollte, hat er die Rechnungen bezahlt. Nebenbei sei gesagt, dass solche Denkmalweihen gern auf historisch relevante Daten gelegt. Die Säule aus kanneliertem Gusseisen erhob sich bis zu ihrer Zerstörung auf einem 5,96 Meter hohen Unterbau aus Granitsteinen. Die wie ein korinthisches Kapitell gestaltete Aussichtsplattform konnte inwendig über 189 Stufen erklettert werden. Ganz oben breitete der von August Kriesmann gestaltete Preußenadler aus Zinkguss seine insgesamt etwa acht Meter langen Schwingen aus. Drei nach Entwürfen von Albert Wolff gestaltete Reliefs aus Zinkguss schilderten, wie Borussia, die Symbolfigur der Hohenzollernmonarchie, den Kämpfern und Besiegten die Waffen abnimmt. Ferner krönte Minerva einen heimkehrenden Sieger, während Bräute am Grabmal die Gefallenen betrauern. Auf der Vorderseite waren ein Medaillon mit dem Bildnis des Königs und die Inschrift angebracht: „National-Krieger-Denkmal zum Gedächtnis der in den Jahren 1848 und 1849 treu ihrer Pflicht für König und Vaterland Gesetz und Ordnung gefallenen Brüder und Waffengenossen errichtet durch den Unterstützungs-Verein von Berg und Mark am 18. Juni 1852.“ Um die 18 Grabstätten zog sich eine halbrunde Steinmauer mit darin eingelassenen 38 Marmortafeln, in die man die Namen der 475 „für König und Vaterland“ gefallenen Soldaten eingemeißelt hatte.

Michael bekämpft den Drachen

Vor ein paar Jahren restauriert, gehört das reich mit Reliefs aus gelbroter Terrakotta geschmückte Tor unweit von Schloss Sanssouci in Potsdam, zu den Zeugnissen der Konterrevolution in Preußen. Friedrich Wilhelm IV. ehrte mit ihm seinen Bruder Wilhelm, den späteren König und Kaiser Wilhelm I., der 1849 brutalen Mitteln einen Aufstand in Baden nieder schlug und dafür den wenig ehrenvollen Titel „Kartätschenprinz“ erhielt. Das bronzene Michaeldenkmal von 1849 hinter dem Schloss Babelsberg, dem Sommersitz des Prinzen Wilhelm, erinnert ebenfalls an den Sieg preußischer Truppen über die badischen Aufständischen. Die als Brunnen gestaltete steinerne Schauarchitektur im neogotischen Stil umrahmt den geflügelten Erzengel Michael, der mit einer Lanze einen Drachen zu seinen Füßen ersticht. Schöpfer des Monuments ist der Berliner Bildhauer August Kiss.

Dass es sich bei der Bronzefigur neben der christlichen Symbolik um ein politisches Denkmal handelt, mit der der Schlossherr Prinz Wilhelm seine Leistungen als Führer der konterrevolutionären Truppen in Baden feierte, unterstreichen in die Schaufront eingelassene preußische Adler. Gut sichtbar ist das Kreuz des hohenzollernschen Hausordens mit der Inschrift „Vom Fels zum Meer“. Dessen Statuten bestimmten, dass der Orden nur an solche Personen verliehen werden kann, „die um die Erhaltung des Glanzes und der Macht des Königlichen Hauses sich verdient gemacht und eine besondere Hingebung an die Person Sr. Majestät und das Allerhöchste Haus an den Tag gelegt haben, sowohl durch gegenwärtiges fruchtbringendes Verdienst, aufopferndes und mannhaftes Benehmen im Kampfe gegen äußere und innere Feinde, als auch durch Wirken für die Zukunft, zur Erinnerung und Vorbereitung der heranwachsenden und kommenden Geschlechter zu gleicher Treue und Thun". Erstaunlich bedürftig ist, warum das Triumphtor und das Michaeldenkmal in DDR-Zeiten n i c h t dem damaligen Bildersturm zum Opfer fielen und einfach stehen gelassen wurden. Es könnte sein, dass man damals, im Unterschied zur Invalidensäule, mit der Symbolik nichts anfangen konnte.

21. März 2023

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