Lückenschluss im Spreebogen
Berlin bekommt ein Mahnmal für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft

In der Diskussion über das geplante Denkmal zur Erinnerung an die Opfer der SED-Diktatur mischen sich Bedenken, weil das Einheits- und Freiheitsdenkmal gleich am Humboldt Forum immer noch auf sich warten lässt.
Das neue Denkmal zur Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft wird auch auf Orte in Berlin und der ehemaligen DDR hinweisen, an denen es diesen Terror konkret und schmerzhaft gab - wie hier im Stasi-Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen und im Polizeigefängnis an der Keibelstraße (rechts) unweit es Alexanderplatzes.

An der Ecke Wilhelmstraße/Leipziger Straße erinnert eine im Boden liegende Installation an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in Ost-Berlin und der DDR und die Menschen, die bei seiner Niederschlagung durch die Rote Armee und die Sicherheitsorgane der DDR ihr Leben lassen mussten oder mit Zuchthaus bestraft wurden.

In der Bernauer Straße wird der Menschen gedacht, die nach dem 13. August 1961 bei Fluchtversuche von den DDR-Grenzern erschossen wurden.

Ein Ort des Schreckens und der Willkür war das noch aus der Kaiserzeit stammende Gefängnis in der Potsdamer Lindenstraße. Hier wurde nicht nur in der Zeit des Nationalsozialismus gefoltert und gemordet, auch in DDR-Zeiten kam es zu schrecklichen Menschenrechtsverletzungen. Eine Ausstellung informiert über Opfer und Täter.
(Fotos: Caspar)
Claudia Roth, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, hat sich gemeinsam mit dem Land Berlin und dem Bezirk Berlin-Mitte auf einen Standort zur Umsetzung des geplanten „Denkmals zur Mahnung und Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Diktatur in Deutschland“ verständigt. Der Gedenkort soll im Spreebogenpark, unweit des Bundeskanzleramtes, entstehen und an die Opfer und Verfolgten der kommunistischen Diktatur erinnern. In der Hauptstadt wird das neue Denkmal prinzipiell begrüßt. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner hebt hervor: „Wir müssen uns erinnern und dürfen niemals vergessen. Das sind wir den Opfern von Diktatur und Unterdrückung schuldig. Ich bin deshalb sehr froh, dass wir mit dem Denkmal eine Lücke in der deutschen Erinnerungskultur schließen. Berlin ist für dieses Denkmal der richtige Standort, denn Berlin ist die Stadt der Freiheit. Wir müssen auch heute für unsere Demokratie und Freiheit kämpfen und sie verteidigen. Das Denkmal wird zudem ein zentrales Zeichen der Mahnung sein, das uns allen die Gefahren und Folgen totalitärer Systeme bewusst macht.“
Berlin wäre nicht Berlin, würden sich bei aller Freude über die Nachricht auch Bedenken mischen. Es wird daran erinnert, dass das seit vielen Jahren nur im Rohbau befindliche Einheits- und Freiheitsdenkmal immer noch nicht fertig gestellt ist. Der Bund und das Land Berlin sollten sich mit ihren Erinnerungsstätten nicht übernehmen, sondern sie vollenden, bevor ein neues Denkmal errichtet wird. Vor allem sollte man stets die Querelen rund um die „Einheitswippe“ am Schlossplatz im Auge behalten und nur Firmen mit der Ausführung beauftragen, die nicht gleich in Konkurs gehen, heißt es im Berliner Blätterwald. Allerdings lassen sich Politiker, weil sie nun einmal Politiker sind, von solchen Nörgeleien nicht beeindrucken. Sie gehen zügig an die Planung, vermeiden zur Zeit aber zu sagen, wie sie sich das neue Denkmal vorstellen und wo es genau gebaut werden soll. Zu gegebener Zeit wird an dieser Stelle über den dann hoffentlich zügigen Fortgang berichtet.
Der Deutsche Bundestag hatte 2019 die Errichtung eines zentralen Mahnmals für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft in Deutschland beschlossen. Mit diesem Gedenkort soll die Erinnerung an das von der SED-Diktatur begangene Unrecht wachgehalten und damit auch der Verharmlosung des in der DDR begangenen Unrechts begegnet werden. An dieser Stelle wird auch auf die vielen Orte des Gedenkens und der Aufarbeitung in Deutschland verwiesen. Der neue Gedenkort sei gut geeignet, so heißt es in Beschreibungen, heutigen und zukünftigen Generationen die Gefahren und Folgen totalitärer und diktatorischer Systeme bewusst zu machen und die leider nicht überall vorhandene Wertschätzung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu schärfen.
Die Koordinierungsstelle bei der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur begleitet die Planungen zur Realisierung des Denkmals. Ein wissenschaftlicher Beirat unter Beteiligung der Union der Opfer Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) hat bereits eine inhaltliche Konzeption für das Mahnmal vorgelegt. Ergänzend zum Denkmal sind ein Informationsangebot vor Ort und eine vertiefende digitale Dokumentation geplant.
Nach Abschluss der Suche nach einer freien Fläche im Zentrum der Hauptstadt und einer ersten baulichen Prüfung tritt das Vorhaben der Bundesregierung in eine neue Umsetzungsphase. Mittel für den Gestaltungswettbewerb stehen im Bundeshaushalt zur Verfügung. Hier sei angemerkt, dass als Standort des Denkmals das Zentrum Berlins genannt wird. Der Spreebogenpark gehörte einst zum Westteil und hat, genau genommen, mit dem Unrecht in der DDR nichts zu tun. Wohl aber gäbe es im ehemaligen Stasi-Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen, im Polizeigefängnis an der Keibelstraße, rund um die Gethsemanekirche, in der von der Stasi aufgelöste Proteste stattfanden, und an anderer Stelle vermutlich geeignetere Orte für das Gedenken an die Opfer der SED-Diktatur. Ob sie je zur Diskussion standen, kann hier nicht gesagt werden. Jetzt wird das Grundstück im Spreebogenpark eingehend vermessen und geprüft, damit voraussichtlich in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres der Gestaltungswettbewerb ausgeschrieben werden kann.
Die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft und die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hatten sich seit Langem für die Errichtung eines Denkmals für die Opfer des Kommunismus in Deutschland im Zentrum Berlins eingesetzt. „Mit dem Mahnmal erweist die Gesellschaft den Opfern des Kommunismus ihren Respekt. Gleichzeitig ist das Mahnmal ein Ort des Innehaltens und Gedenkens für Betroffene, aber auch für interessierte Menschen, denen dass Leid von damals nicht gleichgültig ist“, sagt Dieter Dombrowski, Vorsitzender des UOKG. „Dass im 35. Jahr des Mauerfalls ein Standort für das Denkmal festgelegt werden konnte, ist eine sehr gute Nachricht. Jetzt gilt es, das Vorhaben auch rasch umzusetzen. Das sind wir als Gesellschaft den Opfern politischer Verfolgung schuldig“, sagt auch Anna Kaminsky, Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Der Deutsche Bundestag befürwortete 2024 diesen Plan. In einer Debatte erklärte die SPD-Abgeordnete Katrin Budde: „In vielen Ländern, in denen es kommunistische Diktaturen und einen sogenannten real existierenden Sozialismus als Arbeiter- und Bauerndiktatur gab, haben sich am Ende des letzten Jahrhunderts die Demokratien durchgesetzt. Gut so! Aber die unterschiedlich langen Zeiten der Diktaturen haben unzählige unschuldige Opfer gefordert, und es ist an der Zeit – nein, so viel Ehrlichkeit gehört dazu; es hat wirklich viel zu lange gedauert: es ist höchste Zeit –, dass wir diese Opfer auch in Deutschland mit einem Mahnmal würdigen. Wir haben in Deutschland eine gute Aufarbeitungslandschaft: Wir haben Erinnerungs- und Gedenkstätten, wir haben die Unterlagen der Staatssicherheit gesichert, wir haben sie zugänglich gemacht, wir arbeiten sie auf, wir haben die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die hervorragende Arbeit leistet, wir haben politische Bildung, wir haben die Landesbeauftragten, wir unterstützten Vereine und Verbände, die sich mit dem Thema ,Aufarbeitung der SED-Diktatur' beschäftigen und leidenschaftliche Arbeit leisten, wir haben gute Gesetze zur Rehabilitierung. All das ist viel, viel besser als die Aufarbeitung nach der Zeit des Nationalsozialismus.“ Jetzt müsse das Denkmal her und zu einem richtig guten, notwendigen und längst überfälligen Ende geführt werden.
27. November 2024