Frischekur für das Orangerieschloss

Bauensemble im Park Sanssouci aus dem 19. Jahrhundert wird für die kommenden Jahrzehnte fit gemacht



Das Orangerieschloss auf einem Gemälde aus dem 19. Jahrhundert im Besitz des Potsdam-Museums sowie auf einem aktuellen Foto mit der Terrassenanlage aus der Zeit Kaiser Wilhelms II. Das imposante Bauensemble mit Pflanzenhallen, Brunnen, Arkaden und Terrassen dokumentiert die Italiensehnsucht von König Friedrich Wilhelm IV.



Das von Renaissance-Villen inspirierte Ensemble wurde zwischen 1851 und 1864 errichtet. Ludwig Persius, August Stüler und Ludwig Ferdinand Hesse waren mit den Planungen beschäftigt und mussten die Entwürfe des ewig zeichnenden und mit Bauwerken aller Art befassten Monarchen berücksichtigen.





Auf der Postkarte sind astronomische Instrumente aufgestellt, die deutsche Truppen um 1900 während des Boxeraufstands von Peking nach Potsdam verschleppt hatten. Wilhelm II. empfing den so genannten Sühneprinzen Chun sitzend im Neuen Palais. Seinen Adlerhelm behielt der Kaiser während der Zeremonie demonstrativ auf dem Kopf. Der Prinz näherte sich unter mehrmaligen Verbeugungen dem Thron und verlas die offizielle Entschuldigung seines Landes vor und entfernte sich rückwärts gehend aus dem Saal.



Vor dem Mittelbau des Orangerieschlosses mit den fürstlichen Wohnräumen und dem Raffaelsaal steht das Denkmal seines königlichen Erbauers Friedrich Wilhelm IV., der das Aussehen dieses Ensembles maßgeblich bestimmt hatte. Das Denkmal hatte den kommunistischen Bildersturm nach 1945 überstanden.



Zu sehen sind im Raffaelsaal die Kopie der um 1516 gemalten, im Jahr durch Ankauf für die enorme Summe von 20 000 Zechinen/Dukaten nach Dresden gelangten Sixtinischen Madonna und weiterer Madonnenbilder.



Die Gästeappartements sind überaus üppig mit Möbeln, Gemälden und Skulpturen à la Regence und des Zweiten Rokoko ausgestattet.





Friedrich Wilhelm III. stiftete das Alte Museum am Berliner Lustgarten, das, nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel erbaut, auf der goldenen Preismedaillen abgebildet ist. (Fotos/Repros: Caspar)

Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) setzt ihre Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen am Orangerieschloss im Potsdamer Park Sanssouci fort. Bis 2029 sollen die Dach- und Fassadensanierung des in die Jahre gekommenen Gebäudes fertiggestellt und der Skulpturenschmuck wieder auf die Dachbalustraden gestellt werden. Darüber hinaus soll die technische Infrastruktur in den beiden Pflanzenhallen für deren Doppelnutzung verbessert werden. In den Hallen überwintern kälteempfindlichen Kübelpflanzen aus dem Park Sanssouci, während in den Sommermonaten hier Konzerte und andere Veranstaltungen stattfinden. Bevor die Dach-und Fassadenarbeiten starten, wird im Außenbereich die technische Erschließung (Strom- und Trinkwasserversorgung, Abwasserentsorgung) sowie die Versickerung des Regenwassers neu hergestellt. Parallel zu den Außenarbeiten findet die Restaurierung der historischen Außenfenster der Museumsräume und der Umbau des Besucherempfangs statt.

Finanziert wird das Projekt mit Mitteln aus dem zweiten Sonderinvestitionsprogramm für die Preußischen Schlösser und Gärten (SIP 2, Masterplan), das der Bund sowie die Länder Brandenburg und Berlin bis 2030 für die Rettung bedeutender Denkmäler der Berliner und Potsdamer Kulturlandschaft aufgelegt haben. Aus dem Budget von 400 Millionen Euro stehen für das Orangerieschloss rund 30 Millionen Euro zur Verfügung. Vor dem ersten Sonderinvestitionsprogramm (SIP 1, Masterplan) mit einem Volumen von 155,03 Millionen Euro war das sanierungsbedürftige Gebäude in seinem Bestand hochgradig gefährdet. In dieser ersten Phase des Masterplans wurden zwischen 2008 und 2018 bereits neun Millionen Euro für grundlegende Rettungsmaßnahmen am Orangerieschloss aufgewendet.

Dachstühle, Decken, barrierefreie Erschließung

In den kommenden Jahren werden die Nordfassaden des Mittelbaus und der östlichen Pflanzenhalle sowie die Fassaden der beiden nördlichen Seitenpavillons und der sich anschließenden Säulengänge saniert. Darüber hinaus müssen die Dächer der Nord-Pavillons und der östlichen Pflanzenhalle, einschließlich der Holzkonstruktionen der Dachstühle und Decken umfassend erneuert werden. Zur energetischen Verbesserung wird in den Seitenpavillons im Zuge der Dachsanierung eine Wärmedämmung auf der obersten Geschossdecke eingebaut. Darüber hinaus soll die technische Infrastruktur in den beiden Pflanzenhallen mit Blick auf die Nutzung für kulturelle Veranstaltungen im Sommer optimiert und barrierefrei hergerichtet werden. Die bisher nur provisorisch installierte Veranstaltungstechnik wird denkmalgerecht eingebaut. Dazu werden auch die Brandschutzvorrichtungen auf den neuesten Stand gebracht. Schließlich bekommt die östliche Pflanzenhalle Sanitäranlagen. Die Pflanzenhallen brauchen in den Wintermonaten eine gut funktionierende Temperierung bis 5 Grad Celsius. Das historische Rohrheizsystem in beiden Hallen aus dem Jahr 1937 ist deutschlandweit die einzige, noch voll funktionierende Anlage dieser Art. Es wird weiter genutzt und muss nur partiell repariert werden. Für die Nutzung der Pflanzenhallen während der Wintermonate ist eine adäquate Luftzirkulation nötig. Sie ist im Zuge der Dachsanierung eine besondere Herausforderung, da die anspruchsvollen Kübelpflanzen einer ausreichenden Luftfeuchtigkeit bedürfen, die sich aber nicht negativ auf die hölzerne Dachkonstruktion auswirken darf. Die ehemaligen Schlossküche wird als ganzjährig nutzbarer Veranstaltungsraum für Lesungen, kleine Konzerte, Seminare und so weiter genutzt. Auch wird der Zugang barrierefrei sein.

Nach einer Mitteilung der Stiftung Preußische Schlösser Berlin-Brandenburg werden in der jetzt beginnenden neuen Bauphase die Nordfassaden des Mittelbaus und der östlichen Pflanzenhalle sowie die Fassaden der beiden nördlichen Eckpavillons und der sich anschließenden Säulengänge saniert. Darüber hinaus bedürfen die Dächer der Nord-Pavillons und der östlichen Pflanzenhalle umfangreicher Reparaturmaßnahmen. Ferner wird die technische Infrastruktur der beiden Pflanzenhallen mit Blick auf ihre Nutzung für Konzerte und andere Veranstaltungen im Sommer optimiert. Zu diesem Zweck wird die bisher nur provisorisch installierte Elektrik und Beleuchtung denkmalgerecht eingebaut. Außerdem müssen die erforderlichen Brandschutzvorrichtungen auf den neuesten Stand gebracht werden.

Prunkvoll gestaltete Appartements

Die überaus prunkvoll gestalteten herrschaftlichen Appartements im Mittelteil des Orangerieschlosses zeigen Stilmerkmale des Zweiten Rokoko. Für fürstliche Gäste des preußischen Königs bestimmt, gelten das nach der Ausstattung und Möblierung benannte Elfenbeinzimmer, das Boullezimmer, das Grüne Schlafzimmer, das Lapislazulizimmer und das Malachitzimmer als interessante und seltene Zeugnisse für den Stilpluralismus in der höfischen Wohnkultur Mitte des 19. Jahrhunderts. Dass das Zarenpaar Nikolaus I. und Alexandra Feodorowna, geborene Prinzessin Charlotte von Preußen und Schwester von Friedrich Wilhelm IV., hier gewohnt hat, ist eine langlebige Legende. Bekannt sind lediglich Aufenthalte der Zarenwitwe Alexandra Feodorowna im Jahr 1859 sowie von König Karl I. von Rumänien 1883, von Naser ad-Din Schah von Persien 1889, König Umberto I. von Italien 1892 und des „Sühneprinzen“ Chun II. Zaifeng.

Der Bruders des Kaisers von China musste im September 1901 nach dem von deutschen und weiteren Truppen niedergeschlagenen Boxeraufstand in China im Neuen Palais Kaiser Wilhelm II. Abbitte leisten. Vor der Orangerie aufgestellte astronomische Instrumente aus Bronze waren nach der Niederschlagung des Boxeraufstandes von Peking nach Potsdam „verbracht“ worden. Der jugendliche Prinz entledigte sich seines Auftrags nach Beobachtung von Teilnehmern in würdiger und formvollendeter Weise und erwarb sich in der deutschen Öffentlichkeit Respekt und Sympathie. Der Prinz wurde mit den seinem Rang gemäßen Ehren behandelt, und Wilhelm II. stattete ihm sogar einen Höflichkeitsbesuch in der Orangerie ab.

Hommage an den Maler Raffael und seine Zeit

Mittel- und Höhepunkt des Orangerieschlosses ist der nach Vorgaben von Friedrich Wilhelm IV. gestaltete, sich über zwei Etagen erstreckende Raffaelsaal. Er besitzt keine Fenster aber ein Oberlicht und ist der Sala Regia im Vatikan nachempfunden. An den Wänden hängen qualitätvolle Kopien von Gemälden des Renaissancemalers Raffael, die im Auftrag von Friedrich Wilhelm III. nach den Originalen in italienischen und deutschen Museen angefertigt wurden. Man kann auch die Heilige Familie und Szenen aus der Bibel, aber auch ein Selbstbildnis des etwa 23 Jahre alten Raffael sowie weitere Porträts betrachten. Eine Besonderheit sind verkleinerte Kopien von Fresken, die Räum des Vatikans schmücken. Die etwa 50 Bilder entstanden in einer Zeit, als die italienische Malerei des frühen 16. Jahrhunderts besondere Hochachtung genossen und viele Künstler zum Studium nach Italien zogen. Die Kopien stammen zum Teil aus der Bildersammlung Friedrich Wilhelms&xnbsp;III., die durch weitere Ankäufe, Aufträge und Geschenke unter seinem Sohn Friedrich Wilhelm IV. erweitert wurde. Die Kopien schufen Maler wie Carl Joseph Begas, Friedrich Bury, Heinrich Christoph Kolbe, Heinrich Lengerich, Julius Schoppe, Adolf Senff, Carl von Steuben, Karl Wilhelm Wach und anderen geschaffen.

Die von Friedrich Bury nach dem Dresdner Original kopierte Sixtinische Madonna war das erste Bild der Sammlung, das Friedrich Wilhelm III. 1804 von seiner Familie zum Geburtstag geschenkt bekam. Der König von Preußen, einer der Sieger der Befreiungskriege von 1813 bis 1815, sah die von Napoleon I. in Italien und anderen Ländern geraubten Raffael-Gemälde im Pariser Louvre und hatte den Wunsch, von ihnen Kopien zur Ausstattung seiner Berliner Residenz zu besitzen. Die Nachbildungen galten zu ihrer Entstehungszeit als hochgeschätzter Ersatz für die kaum auf dem Kunstmarkt angebotenen Originale. Im Todesjahr Friedrich Wilhelms IV. 1861 war die Sammlung mit den Kopien auf 46 Gemälde angewachsen, bis 1865 folgten weitere vier Bilder, darunter auch eine Kopie aus der Berliner Gemäldegalerie. Die Pracht des Raumes wird noch durch reichen Skulpturenschmuck und die rote Wandbespannung sowie das Gold der Bilderrahmen gesteigert.

14. Juli 2023