„Rhabarber und Geduld wirken vortrefflich...“
Friedrich II. von Preußen war oft krank, liebte scharfe Gewürze, wurde 74 Jahre alt und machte seinen Ärzten das Leben schwer



Im Deutschen Historischen Museum in Berlin, dem ehemaligen Zeughaus, sind Friedrichs blaue Uniform mit Ordensstern und andere Memorabilien ausgestellt.







Der König soll im Beisein seiner Gäste Zoten von sich gegeben und alles andere als vornehme Redewendungen gebraucht haben. Dass sich die Gäste dagegen verwahrt haben, ist nicht überliefert.



Für den kranken König waren nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) die guten Zeiten vorbei, als in Sanssouci noch Hofkonzerte stattfanden. Dem König blieb im Alter nur, seine Minister, sich mühsam im Sessel aufrecht haltend, zu empfangen, Akten zu lesen und Befehle zu diktieren. Die Holzstiche stammen von Adolph Menzel aus dem Jahr 1840.



Wenn die Sonne schien, setzte sich der „Alte Fritz“ auf die Terrasse seines Schlosses Sanssouci, nur bewacht und bedient von einem seiner Leibhusaren.





In seinem Sessel sitzend ist der König am 17. August 1786 in seinem Lieblingsschloss Sanssouci gestorben. Des Königs Neffe und Nachfolger Friedrich Wilhelm II. besaß die Pietätlosigkeit, das Sterbezimmer radikal im frühklassizistischen Stil neu zu gestalten. Er tilgte damit ein wichtiges Stück Erinnerung an seinen Onkel, mit dem er wegen seines lockeren Lebenswandels und spiritistischer Neigungen „über Kreuz“ lag. Erhalten blieb der Sessel, in dem der König starb.



Auf der Karikatur aus der Mitte des 19. Jahrhunderts folgt König Friedrich Wilhelm IV., eine Flasche Wein in der Hand und damit als Alkoholiker gekennzeichnet, seinem als „Philosoph von Sanssouci“ gefeierten Vorbild, in dessen große Fußabdrücke die seinigen nicht passen. (Fotos/Repros: Caspar)

War Friedrich II. von Preußen, genannt der Große, ein Unhold und ein Scharlatan, wie Kaiserin Maria Theresia, seine ärgste Kriegsgegnerin, schrieb? War er ein närrisch angebeteter Übermensch (Georg Forster) und einer, der Schrecken und Erstaunen verbreitete (Johann Kaspar Lavater) und einer, der eine ganze Epoche prägte wie Frankreichs Sonnenkönig Ludwig XIV. (Johann Gottfried Herder)? War Preußens berühmtester König ein Phönix seiner Zeit (Königin Elisabeth Christine über ihren Gemahl), und der Erste seines Volkes und seines Jahrhunderts (Mirabeau)? Man hat ihm vieles nachgesagt, was bis heute in den Köpfen steckt. Er sei ein Sieger, Unsterblicher, Einmaliger und Einziger gewesen, aber auch ein Reichsverderber, Despot in Sachen deutsche Literatur und am Ende nur eine wandelnde Mumie, über die die Zeit längst hinweg gegangen war.

In der deutschen und europäischen Fürstenriege des 18. Jahrhunderts war Friedrich II. eine Ausnahmeerscheinung. Er hinterließ geistvolle Betrachtungen über Geschichte, Philosophie, Kunst und seine Zeit und brachte eine Justizreform und andere Neuerungen auf den Weg. Er förderte das Manufakturwesen und gründete 1763 die Königliche Porzellanmanufaktur, die seinen Hof belieferte. Indem er Juden zwang, deren teure Erzeugnisse zu kaufen, das so genannte Judenporzellan, sicherte er der Fabrik einen für ihr Überleben notwendigen Absatz. Um die Schlesischen Kriege zu finanzieren, plünderte das mit Preußen verfeindete Sachsen und andere Nachbarstaaten aus und war sich nicht zu schade, mit erbeuteten Stempeln im besetzten Sachsen minderwertige Münzen herstellen zu lassen.

Unzählige Kriegstote und Verwundete

Auf dem Konto des Königs von Preußen stehen unzählige Kriegstote und Verwundete und Schäden, die zu beheben Preußen und andere Länder lange brauchten. Ohne irgendwelchen Schranken unterliegend, von keiner Verfassung eingeschränkt, ließ er nur sich selbst und seinen literarischen, architektonischen und musikalischen Geschmack gelten. Diejenigen aber, die nicht seiner Meinung und Kunstauffassung waren, taten gut, ihm den Rücken zu kehren, wie es sein berühmter Gast Voltaire auf spektakuläre Weise tat.

Der am 17. August 1786 in seinem geliebten Sommerschloss Sanssouci mit 74 Jahren verstorbene Herrscher war alles zusammen und noch viel mehr. Denn er war auch ein ruhmsüchtiger Mensch, der von sich sagte, dass er sich, kaum dass er 1740 mit 28 Jahren auf den Thron gelangt war, im Krieg um Schlesien gegen das Kaiserhaus in Wien einen Namen zu machen suchte. Der Liebhaber der Musik und gute Komponist konnte ein charmanter Gesprächspartner und großzügiger Förderer der Künste und Wissenschaften sein, sofern sie seinem Geschmack entsprachen. Er kümmerte sich liebevoll um diejenigen, die ihm nahe standen, mit denen er sich schmücken konnte und in denen er geistreiche Brief- und Gesprächspartner sah. Solange er lebte, tat man gut daran, sofern man in seinem Herrschaftsbereich wohnte, sich mit Kritik an seiner Person zurückzuhalten. Zwar munkelte man schon zu seinen Lebzeiten über die Marotten des Großen Königs , über seine schäbige, mit Flecken von Schnupftabak bedeckte Uniform und die Geruchsfahne, die er wegen minimaler Körperpflege mit nur einem feuchten Lappen am Morgen hinterließ.

Gichtattacken und Durchfall

Am Hof in Berlin und Potsdam und darüber hinaus war auch seine Liebe zu jungen, gut aussehenden Männern ein Thema, verbunden mit Mutmaßungen über die reichliche Verwendung von Klistieren zur Reinigung des Darms und wohl auch zur Vorbereitung für den Analverkehr mit seinen in knappen Uniformen steckenden Lakaien und Soldaten. Mehr noch zerriss man sich das Maul über seine Krankheiten und wie schlecht er seine Ärzte behandelte, denen er mit eigenen Diagnosen in die Parade fuhr. Als König von Preußen glaubte er sich berechtigt, Leuten vom Fach Ratschläge zu erteilen und sich über deren Meinung hinweg zu setzen. Das führte immer wieder zu Konflikten, und so war die „Verweildauer“ mancher Mediziner an seinen Hof nicht lange. Hin und wieder lieh er, unter Gichtattacken und Durchfall leidend, manchen Scharlatanen und Quacksalbern sein Ohr, so wie er auch Alchemisten auf den Leim ging, die ihm Berge künstlich erzeugten Goldes versprachen, aber nichts zu liefern vermochten. Übrigens führten des Königs Zahnprobleme dazu, dass an der Berliner Charité die Zahnheilkunde etabliert wurde.

Immerzu mit Bittgesuchen und Eingaben aller Art befasst, antwortete er auf den Antrag eines Regimentskommandeurs, ihn aus Gesundheitsgründen aus der Armee zu entlassen: „Mir geht auch nicht immer, wie Ich es gern haben möchte, deswegen muß Ich immer König bleiben. Rhabarber und Geduld wirken vortrefflich.“ Sich selber sah der König bisweilen sarkastisch und kritisch, etwa als er 1755 nach einem Sturz vom Pferd mit Hilfe von Freienwalder Heilwasser zu kurieren versuchte. Seinem Kammerdiener, Vertrauten und und Wächter über seine Privatschatulle Michael Gabriel Fredersdorff schrieb er in der ihm eigenen deutschen Orthografie: „das baden habe ich angefangen, man mus Sehn, ob es möglich ist, eine alte Canaille junk zu Machen.“ Da hatte der König noch die Kriegsjahre 1756 bis 1763 und schwere Krankheitsverläufe vor sich. Die Rede ist nicht nur von der Gicht, die im Hause Hohenzollern verbreitet war, sondern auch von der kolikartige Bauchschmerzen, Erbrechen, Übelkeit und Krämpfe verursachenden Porphyrie.

Niere, Milz und Leber, das alte Luder

Der König ertrug das alles mit stoischer Ruhe, äußerte sich aber hin und wieder gegenüber Vertrauten, wie elend ihm zumute ist und dass die „Maschine“, das heißt sein Körper, stockt und stille steht. Seinen Kammerdiener Fredersdorff, den man wegen seiner besonderen Vertrauensstellung beim König und weil niemand an ihm vorbei kam auch „preußische Pompadour“ nannte, schrieb er 1746 aus Dresden, wo gerade der Zweite Schlesische Krieg mit einem Friedensvertrag beendet wurde: „Ich leide immer an der Nihre, Miltz und Leber, das alte Luder ist nicht mehr wert, als das es der Teufel Holet.“ Seinen Bruder und designierten Nachfolger August Wilhelm ließ der 34jährige König und Feldherr angesichts eines Gichtanfalls wissen: „Der Fuß ist sogar noch geschwollen. Das ist wenig erfreulich und verfrüht.“ Auf die Idee, etwas an seiner Lebensweise zu ändern, von schwer verdaulichen Speisen Abstand zu nehmen und auch den Konsum von Wein und Sekt zu reduzieren, wie wir es heute wahrscheinlich in solchen Fällen tun würden, kam der König nicht. Vielmehr sah er in allen, die ihm eine solche Umkehr nahe legten, keine wohlmeinenden Warner und Helfer, sondern nur inkompetente Spielverderber und Nörgler.

Über Friedrich als Patient und seine Krankheiten ist schon viel geschrieben worden. Wir verdanken dem Berliner Mediziner und profunden Kenner der preußischen Geschichte und der Krankengeschichten europäischer Fürstenhäuser, Hans-Joachim Neumann, ein Buch über Friedrich den Großen als Feldherr und Philosoph und darin eingeschlossen umfangreiche Analysen seines Gesundheitszustands (edition q Berlin 2000, 264 Seiten, zahlr. Abb., ISBN 3-86124-52-8). Darin spricht der Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie an der Berliner Charité die Zahnprobleme des Königs, die um 1770 zum Verlust von Schneidezähnen und damit verbunden zum Verzicht auf das geliebte Flötenspiel führten, aber auch seine Probleme mit den Augen an. Friedrich hatte eine Brille, doch wird man ihn nie mit einer damals wohl als lächerlich empfundenen Sehhilfe abgebildet finden. Der König litt an der Familienkrankheit Gicht im Hause Hohenzollern, die ihm Schmerzen in den Händen und Beinen bereitete und ihm am Schreiben, Gehen, Treppensteigen und was sonst noch hinderte. Hinzu kamen Hämorrhoiden und Darmbeschwerden, und zu allem Unglück trieb ihn seine Schlaflosigkeit zu nächtlicher Stunde, wenn es im ganze Schloss noch still war, aus dem Bett und an den Schreibtisch und einen Lehnstuhl. In diesem verbrachte er seine letzten Lebensjahre, wenn er nicht mit dem Pferd ausritt oder mit der Kutsche übers Land fuhr.

Schwer verdauliche Speisen

Friedrich vertrug die Wahrheit nicht und warf seine Mediziner in einen Topf mit Quacksalbern, die sich überall in seinem Reich, und nicht nur dort, tummelten und den Leuten mit allerhand Hokuspokus das Geld aus der Tasche zogen. Unbeeindruckt von allen Warnungen ließ er schwer verdauliche Speisen auffahren, die ihn nach stundenlangen Tafeleien erbrechen ließen und zu Koliken führten. Diät einhalten statt scharf gewürzten Brei aus stundenlang gekochtem Fleisch zu sich zu nehmen, wies er weit von sich. Als er die Vorderzähne verloren hatte, konnte er nicht mehr wie andere Menschen essen, sondern nur breiige Kost zu sich nehmen.

Der König hielt Advokaten und Ärzte für „Geschmeiß“ und kanzelte sie vor aller Augen ab, wenn ihm deren Tun und Lassen nicht gefiel. Dabei versuchten seine Ärzten doch alles, seine ständigen Durchfallattacken, Schmerzen in den Beinen und Händen, Atemnot und zeitweiligen Sprachstörungen zu befreien, so gut es nach damaligem Stand der Medizin möglich war. Dem Übel mit Leibesübungen und Selbstbeschränkung beizukommen, war nicht sein Ding. Da verhielt er sich im Unterschied zu den Ratschlägen seiner Ärzte passiv und widerspenstig. Eher setzte er auf teuer eingeführtes Heilwasser oder ab und zu eine Badekur in Aachen oder Bad Pyrmont. Was mit ihm geschieht, hat der König gegenüber seinem Bruder August Wilhelm in der Sprache eine Feldherrn so formuliert: „Es stürmen so viele Angreifer auf meinen Körper ein, dass ich fortwährend genötigt bin, Ausfälle gegen die Belagerer zu machen, bald gegen Gicht, bald gegen Steinbeschwerden, inmitten so vieler Feinde ist meine Lage keine behagliche.“

Als der König am 17. August 1786 gestorben war, avancierte sein Sterbezimmer im Schloss Sanssouci zu einem Pilgerort. Viele Legenden ranken sich um den Sterbesessel des Königs, der in ihm die letzten Wochen seines Lebens verbracht hatte. Nach einem Bericht im „Journal des Luxus und der Moden“ haben Besucher des Schlosses Sanssouci im April 1787 als Andenken noch Pferdehaare aus dem Polster gezogen. Der pietätlose König Friedrich Wilhelm II. gab die Reliquie an Verwandte weg. 1878 hat man das Möbelstück in das neu gegründete Hohenzollern-Museum im Berliner Schloss Monbijou neben Friedrichs aufgestellt. Die beim Ableben des Königs entstandenen Blutflecke waren damals noch sichtbar, sind es aber heute im Sterbezimmer nicht mehr, da der Bezug des Polsters später erneuert wurde.

16. August 2024

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