Blick in Berlins Frühgeschichte
Haus der Archäologie am Petriplatz lädt ab 2025 zum Gang durch die Jahrhunderte ein



Das Haus PETRI Berlin ist außen schon fertig gestellt, im Inneren wird noch gebaut und gestaltet.



Das Mosaik nebenan zeigt, was auf dem Friedhof und in den Fundamenten der Häuser am Petriplatz gefunden wurde und welche Werkzeuge die Archäologen bei ihrer Arbeit benutzen.



An den Wänden der nahe gelegenen U-Bahn-Station Märkisches Museum sind an den Wänden leicht verfremdet Ansichten der Doppelstadt Berlin-Cölln abgebildet, die erst im frühen 18. Jahrhundert zur königlichen Haupt- und Residenzstadt zusammengeschlossen wurden.



Im Hotel Capri am Petriplatz kann man unter einer dicken Glasplatte in den von Archäologen freigelegten Untergrund von Berlin schauen. Hier sind Reste eines alten Brunnens zu sehen.





Historische Haushaltsgegenstände und auch Silbermünzen wurden auf dem Gelände am Roten Rathaus und am Molkenmarkt entdeckt. Sie lagen nicht wie üblich in Krügen oder Töpfen aus Keramik, sondern verstreut auf einem größeren Areal in ehemaligen Gruben sowie Lauf- und Auffüllschichten. Es wird angenommen, dass viele Münzen – rechts Vier Groschen von 1804 - in Fußböden und Holzdielen des Mitte des 19. Jahrhunderts abgerissenen Rathauses oder auf der Straße im Katzenkopfpflaster verschwanden und bis heute unsichtbar blieben.



Im Zusammenhang mit der Neubebauung des Molkenmarkts und des Jüdenhofs nahe der heute als Ausstellungs- und Konzerthalle genutzten Ruine der Klosterkirche haben die Archäologen nach dem Zweiten Weltkrieg zugeschüttete Kellergewölbe und Mauerreste freigelegt und kartiert. Ergebnisse der Forschungsarbeiten und einzelne Fundstücke von hier und anderen Orten werden ab 2025 in PETRI Berlin präsentiert.





Im Archäologischen Keller des Humboldt Forums kann man Reste der mächtigen Fundamente des 1950 von den Kommunisten abgebrochenen Stadtschlosses betrachten. Die schöne Frau schmückte einst den Boden eines Fayencegefäßes und kann mit den in schwach beleuchteten Katakomben mit den grün glasierten Resten eines Ofens aus der Renaissance-Zeit und vielen anderen Fundstücke betrachtet werden. (Fotos: Caspar)

In den Jahren nach dem Mauerfall von 1989 erlebte Berlin einen gewaltigen Bauboom. Bevor einzelne Häuser und ganze Stadtviertel errichtet und Leitungen und Straßen angelegt wurden, rückten die Archäologen an und legten Erstaunliches aus zehntausend Jahren Berliner Siedlungs- und Sozialgeschichte frei. Manche Hinterlassenschaften unserer Altvorderen wurden und werden in Museen gezeigt, und es gibt an Tagen des offenen Denkmals und bei anderen Gelegenheiten Führungen zu den Grabungsstätten am Roten Rathaus, in der Breiten Straßen, an der Marienkirche und Nikolaikirche, an der Jüdenstraße sowie auf dem Molkenmarkt und dem Lustgarten (alles Berlin-Mitte), aber auch in Spandau, Köpenick, Pankow, Lichterfelde und Biesdorf sowie anderen Berliner Bezirken.

Aufgeschlagenes Geschichtsbuch

Indem die wie ein aufgeschlagenes Geschichtsbuch konzipierten Ausstellungen auch Mittel und Methoden von Nachbardisziplinen wie Geowissenschaften, Anthropologie, Biologie oder Zoologie einbeziehen, wird gezeigt, welchen Gewinn es bringt, wenn stumme Zeugen der Vergangenheit zum Sprechen gebracht werden. Das ist im kommenden Jahr nun ganz kompakt im „PETRI Berlin“ genannten Haus der Archäologie am Petriplatz im Herzen Berlins möglich. Die Ausstellung ist noch lange nicht fertig, aber es bestand schon mal die Gelegenheit, einen kurzen Blick ins Innere zu tun und etwas über die Aufgaben von Berlins neuster Attraktion zu tun, die im Frühjahr 2025 eröffnet werden soll.

Lange kannte man den Petriplatz nur als öden Parkplatz. Von der Gertraudenstraße kommend, stellte man im Bereich Breite- und Brüderstraße sowie an der Scharrengasse sein Auto ab und entfernte sich von dem unwirtlichen Ort so schnell es ging. Das hat sich in den vergangenen Jahren gründlich geändert, denn am Petriplatz werden im neu erbauten „Haus der Archäologie“ Hinterlassenschaften unserer Vorfahren der Öffentlichkeit präsentiert. Die Grabungen begannen hier vor zehn Jahren an einer Stelle, wo einst die Wiege der Stadt stand. Ausgegraben wurden unter anderem die Fundamente einer mittelalterlichen Lateinschule sowie Reste der Petrikirche aus dem Mittelalter, dem Barock und der Neogotik. Die Petrikirche war die Keimzelle der Stadt Cölln. Die Erwähnung ihres Pfarrers Symeon 1237 gilt als urkundliche Ersterwähnung der Doppelstadt Berlin-Cölln. Auf dem zugehörigen alten Kirchhof konnten 3787 Bestattungen geborgen und analysiert werden. Die Toten kamen hier vom Siedlungsbeginn bis 1717 in die Erde. Ihre sterblichen Überreste lassen Schlüsse auf das Leben auf engem Raum und zeigen, welches Alter sie erreichten, welche Krankheiten sie hatten und woran sie starben. Nach Auswertung wurden die Knochenfunde auf Berliner Friedhöfen bestattet.

Von der Steinzeit bis Neuzeit

Im PETRI Berlin genannten Haus der Archäologie werden historisch bedeutsame Funde gezeigt, und man kann auch sehen, wie Archäologinnen und Archäologen mit welchen Geräten und Methoden arbeiten. Nebenan zeigt ein Mosaik, was auf dem uralten Friedhof am Petriplatz und in benachbarten Kellergewölben gefunden wurde und womit Ausgräber arbeiten. Unter dem Motto „Entdecke die Archäologie“ werden Besucherinnen und Besucher ab kommendem Jahr an die Funde geführt und dazu eingeladen, mitzudenken und mitzumachen, wenn es darum geht, Funde zu erkennen und zu bestimmen. Vor allem Kinder und Jugendliche sollen mit den Geschichtszeugnisse von der Steinzeit bis zur Neuzeit bekannt und mit den dazu gehörigen Forschungsmethoden vertraut gemacht werden. Von PETRI Berlin ausgehend werden künftig Führungen zu anderen archäologisch interessanten Stellen in der Innenstadt angeboten.

Bei der Übergabe des Hauses an das Landesdenkmalamt Berlin und das Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz sagte der Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen Christian Gaebler: „Mit dem neuen Besucherzentrum wird Berlins Geschichte lebendig. Das Haus bietet Ausstellungen, Seminarräume und modernste Werkstätten für archäologische Arbeiten. Besucherinnen und Besucher, besonders Kinder und Jugendliche, können ab 2025 archäologische Methoden erleben und selbst aktiv werden. Alle Beteiligten an der Planung und Umsetzung dieses Projektes haben angesichts der komplexen Umstände herausragende Arbeit geleistet.“ Landeskonservator Christoph Rauhut betonte: „Gemeinsam mit unserem Partner, dem Museum für Vor- und Frühgeschichte, wollen wir die spannende Entstehungsgeschichte Berlins und die Rolle der Archäologie bei der Erforschung seiner Geschichte einer breiten Öffentlichkeit vorstellen und damit zur Wiederbelebung des historischen Petriplatzes im Herzen Berlins beitragen“. Besonderer Dank galt in der Feierstunde dem Architekten Florian Nagler und seinem Team. Ein großes, massives Haus, das Depot-, Werkstatt- und Ausstellungsgebäude ist, über fragilen, fast zarten Fundamentresten zu bauen und diese dabei nicht nur zu erhalten, sondern auch zeigen zu können, sei eine echte Herausforderung gewesen, betonte er.

Reste von Kellern und Gewölben

Vor der Errichtung des Humboldt Forums mit der barocken Fassade und der mächtigen Kuppel vom ehemaligen Stadtschloss der Hohenzollern wurde das Areal von Archäologen weiträumig untersucht. Vor dem unter der SED-Herrschaft errichteten und in den 1990er Jahren abgerissenen Palast der Republik gab es einen riesigen Parkplatz. Unter einer dicken Asphaltschicht wurden die Archäologen vom Landesdenkmalamt fündig. Sie ermittelten die ehemalige Bebauung des Schlossareals und der Fundamente der 22 mal 64 Meter großen Klosterkirche. Diese Vorarbeiten waren für die Denkmalpflege wichtig, um die zum Teil aus mächtigen Findlingen gebildeten Mauern sowie Reste von Kellern und Gewölben in den Schlossneubau einbeziehen zu können.

Die Suche nach Gebeinen der im 16. Jahrhundert in der Klosterkirche der Dominikaner bestatteten Kurfürsten Johann Cicero (gestorben 1499) und Joachim I. (gestorben 1535) sowie weiterer Mitglieder des Hauses Hohenzollern blieb erfolglos. Wohl aber wurde bei Grabungen vor dem ehemaligen Staatsratsgebäude eine Gruft mit sechs Erwachsenen- und zwölf Kindersärgen aus der Barockzeit freigelegt. Offensichtlich gehörten die Toten zur adligen Oberschicht der preußischen Haupt- und Residenzstadt Berlin. Darauf deuten die Form und Ausstattung der Särge, aber auch ein Johanniterkreuz, das einem Toten auf die Brust gelegt wurde. Ausgestellt ist es gemeinsam mit den Resten eines Barocksarges und weiteren Fundstücken im Neuen Museum auf der Museumsinsel.

Siedlungsreste vor dem Roten Rathaus

Die Siedlungsreste aus Keramik, Glas, Metall, Stein sowie Holz, Knochen und anderem organischem Material, die bei Ausgrabungen im Zusammenhang mit der am 4. Dezember 2020 eröffneten Berliner U-Bahn-Linie 5 (U5) in den Fundamenten des ehemaligen Berliner Rathauses und im benachbarten Untergrund ans Tageslicht kamen, besitzen eine enorme Aussagekraft und werfen ein bezeichnendes Licht auf die Kultur- und Wirtschaftsgeschichte und die Lebenswirklichkeit im alten Berlin. Zu den Fundstücken gehören 1450 vollständig oder nur in Resten erhaltene Münzen als Belege für den alltäglichen Kleingeldverkehr in Berlin, und sie unterstreichen, dass man in uralten Zeiten nichts dabei fand, neben einheimische auch auswärtige Geldstücke zum Bezahlen zu verwenden. Die ältesten Kleinmünzen stammen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, die jüngsten sind Reichspfennige von 1943. Vertreten sind Denare der brandenburgischen Markgrafen Johann I. und Otto III., die im Vorgängerbau der gotischen, im Zusammenhang mit dem Bau des Roten Rathauses abgetragenen und im Schlosspark Babelsberg wieder aufgerichteten Gerichtslaube verloren gingen. Neueren Datums sind in Berlin geprägte Pfennige und Silbergroschen brandenburgischer Kurfürsten und preußischer Könige sowie solche aus umliegenden Territorien.

Echte und falsche Münzen

Viele Münzen mit dem kurbrandenburgischen Zepter beziehungsweise dem preußischen Adlerwappen sowie Wertangaben zwischen einem und sechs Pfennigen sowie Groschen und höhere Nominale zeigen, wie der Geldumlauf in Berliner beschaffen war. Da man bei ihnen manchmal am Silber sparte, hat man die Legierung in den rauchigen Münzschmieden mit Kupfer gestreckt. Das war erlaubt, aber man durfte es damit nicht übertreiben, dann hagelte es Strafen und Verbote. Unter den Fundstücken konnten zeitgenössische Fälschungen aus Messing als Belege dafür identifiziert werden, dass Betrüger ungeachtet der Drohung schwerer Strafen an Leib und Leben immer wieder versucht haben, die eigene Haushaltskasse durch billige Nachahmungen aufzubessern und echte Münzen, damit es nicht auffällt, gemeinsam mit ihren Machwerken in Umlauf zu bringen.

Am Jüdenhof und Molkenmarkt haben Archäologen im Vorfeld der Um- und Neugestaltung eines neuen Stadtquartier, dessen Grundrisse und Traufhöhen sich an historische Situationen anlehnen sollen, über 800 Jahre alte Siedlungsspuren freigelegt. Die Planungen zur menschenfreundlichen und Wohnraum gewinnenden Neubebauung umfassen auch den Jüdenhof, der mit niedrigen Häusern ähnlich denen besetzt werden soll, wie sie dort bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg gestanden haben. Die Grabungen hier und an anderen Orten ergaben, dass die Stadt viel früher entstanden ist als lange angenommen. Denn vor ihrer erstmaligen Erwähnung in Urkunden von 1237 und 1244 gab es an den Ufern der Spree schon eine Siedlung, die nur durch archäologische Fundstücke, nicht aber durch Urkunden und Chroniken belegt ist.



2. Juli 2024

Zurück zur Themenübersicht "Berlin, Potsdam, Land Brandenburg"