Der kranke Mann von Sanssouci
Wie der Alte Fritz nach seinem Tod 1786 auf Medaillen und durch Denkmäler verherrlicht wurde



Friedrich der Große wird im Schlosspark von Neuhardenberg mit einem von 1791 von Giuseppe Martini gestalteten Denkmal geehrt, an dem Mars und Minerva trauern. Die Kopie eines für Stettin von Johann Gottfried Schadow geschaffenen Marmordenkmals zieht vor dem Berliner Schloss Charlottenburg neugierige Blicke auf sich.



Die Sterbemedaille von Johann Georg Holtzhey verklärt Friedrich II. mit spätbarockem Bombast als Einzigen und Unvergleichlichen.



Friedrich II. und seine Gemahlin Elisabeth Christine führten eine ungewöhnliche, vom Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. erzwungene Ehe. Nach ihrer Thronbesteigung 1740 sah man die Braunschweigerin nur selten an der Seite ihres Gemahls. Nach Schönhausen im heutigen Berliner Bezirk Pankow abgeschoben, richtete sie sich einen kleinen Musenhof ein und kam selten nach Berlin und Potsdam. Der König hinterließ ihr 1786 ein bedeutendes Vermögen.





Die Medaillen von 1840 und 1851 zeigen, wie aus dem jungen, dynamischen Friedrich ein gebeugter Alter Fritz wurde und wie der Unterbau des Reiterdenkmals Unter den Linden immer monumentaler wurde.



Der alt, krank und gebrechlich gewordene König starb am 17. August 1786 einsam in den Armen seiner Diener. Der Nachfolger Friedrich Wilhelm II. ließ ihn in der Königsgruft der Potsdamer Garnisonkirche neben dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. bestatten und nicht in der Gruft nahe Schloss Sanssouci, wie es der Verstorbene testamentarisch verfügt hatte. Die Holzstiche von Adolph Menzel stammen aus einer Friedrich-Biographie von Franz Kugler aus dem Jahr 1840.



Für den vor allem in Rheinsberg residierenden Prinzen Heinrich und weitere Geschwister sorgte der König liebevoll. Friedrich übernahm ihre Schulden und sicherte ihnen ein standesgemäßes Leben. Die Heinrich gewidmete Medaille zum 50. Geburtstag 1776 (von Abraham Abramson) zeigt realistisch das Antlitz des als hässlich beschriebenen Prinzen, dem die Thronfolge versagt war.



Nur adlige Offiziere und wenige Zivilisten duldete der „Alte Fritz“ um sich. Die berühmte Radierung von Daniel Chodowiecki zeigt eine illustre Auswahl mit dem Thronfolger Friedrich Wilhelm II. in der Mitte. Als sich der verdienstvolle Husarengeneral Hans-Joachim von Zieten vor ihm erheben wollte, gebot der König ihm sitzenzubleiben, denn er habe genug in seinem langen Leben geleistet. (Fotos/Repros: Caspar)

Was Anton Friedrich Büsching 1788 in seinem Buch über den „privaten“ Friedrich II. und insbesondere die letzten Monate und Wochen des Königs von Preußen schrieb, klingt so, als ob er durchs Schlüsselloch im Schloss Sanssouci geschaut hätte. Dass er 74 Jahre alt wurde, grenzt an ein Wunder, denn er hatte sich nicht so viele Lebensjahre zugeschrieben. Schon als jüngerer Man war er häufig krank, hatte mit Gicht, der Erbkrankheit der Hohenzollern, Wassersucht und anderen Krankheiten zu tun, rappelte sich aber als „erster Diener“ seines Staates immer wieder auf. Schwerkrank setzte er sich noch 1785, knapp ein Jahr vor seinem Tod, einer verregneten Truppenschau aus, die ihm eine schwere Erkältung eintrug und ihn auf das Krankenlager warf. Der König hörte nicht auf seine Ärzte, sondern sah sich als sein eigener Doktor, der am besten weiß, wie es um ihn steht und was zu machen ist. Er sah überall nur nur Quacksalber und Hochstapler und behandelte sie auch so. Das ist historische erwiesen und auch in der einschlägigen Literatur geschrieben, die ihm kein gutes Zeugnis ausstellt, was die Pflege der eigenen Gesundheit betrifft. Friedrich II. liebte scharf gewürzte Speisen, die alles andere als seiner Verdauung zuträglich waren und zu schweren Darmbeschwerden und Brechattacke führten.

Als Friedrich II. am 17. August 1786 im Schloss Sanssouci friedlich in den Armen seiner Lakaien eingeschlafen war, erreichte die Welle seiner Ruhmesverklärung, wie man sagte, einen ersten Höhepunkt. Flinke Schreiber stimmten Lobgesänge auf Preußens größten König an und hoben ihn in den Himmel der Unsterblichkeit und Einzigartigkeit. Maler, Bildhauer, Grafiker und Medailleure verherrlichten ihn als nimmermüden, weisen und stets um das Wohl seines Volkes bemühten Landesvater, als großen Staatsmann, Feldherrn, Denker und Leuchte des 18. Jahrhunderts. Denkmäler aus Marmor und Bronze wurden alsbald Friedrich dem Großen gewidmet, der dergleichen für sich zu seinen Lebzeiten verboten hatte. Für Berlin haben Künstler riesige Grabmäler entworfen, die aber nie zur Ausführung kamen.

Reiterdenkmal erst 1851 enthüllt

Nach langen Diskussionen und Vorplanungen konnte erst 1851 das von Christian Daniel Rauch und weiteren Bildhauern gestaltete Reiterdenkmal Friedrichs II. Unter den Linden in Berlin eingeweiht werden. Während König Friedrich Wilhelm IV. bei der Enthüllung seinen Vorgänger auf dem preußischen Thron über den grünen Klee lobte und sich damit auch als Vollender seiner Politik meinte, wurden Medaillen mit der Ansicht des Denkmals verteilt. Das vom Ausgang der Revolution von 1848/49 enttäuschte Volk sang derweil: „Alter Fritz, steig du hernieder / und regier’ uns Preußen wieder. / Lass in diesen schweren Zeiten / Friedrich Wilhelm weiter reiten“ und lobte damit die angeblich besseren Zeiten unter Friedrich dem Großen hundert Jahre zuvor. Bereits 1793 hatte Johann Gottfried Schadow für Stettin ein Standbild dieses Herrschers aus Marmor geschaffen. Es zeigt ihn als Gesetzgeber und Landesvater mit dem Dreispitz auf dem Kopf und einem schweren Herrschermantel um den gebeugten Körper.

Friedrich II. konnte je nach Lust und Laune sehr unterschiedlich und gelegentlich auch ziemlich fies mit seinen Untergebenen umspringen. Selbst gegenüber Familienangehörigen wie dem Prinzen Heinrich hat sich der Herr von Sanssouci wenig königlich erwiesen. Von Eifersucht getrieben, sorgte Friedrich dafür, dass des Prinzen Stern als Feldherr nicht allzu hell glänzt. Worauf sich Heinrich mit anonymen Schriften, in denen er die militärischen Erfolge seines große Bruders als eine Kette von mehr oder weniger glücklichen Zufällen, aber nicht als Resultat planvoller und kluger Entscheidungen beschrieb. Ein 1790 im Rheinsberger Schlosspark errichteter Obelisk ehrt jene Militärs, die der Große Friedrich, aus welchen Gründen auch immer, aus seinem Gedächtnis verbannt hat. Der König kommt in der Aufzählung verdienstvoller Preußen nicht vor. Fast zeitgleich hat General von Prittwitz seinem 1786 verstorbenen König im Schlosspark von Quilitz, dem späteren Neuhardenberg, ein Marmordenkmal errichtet, bei dem Mars und Minerva an der mit dem Bildnis des Königs geschmückten Urne trauern. Es handelt sich um das erste Denkmal, das dem Großen König gewidmet wurde, zu seinen Lebzeiten hatte er sich diese Ehrung verbeten.

Zwischen Wirklichkeit und Verherrlichung

Sammler preußischer Münzen und Medaillen können beim Anblick der Sterbemedaillen von 1786 und weiterer Prägungen Vergleiche zwischen Wirklichkeit und Verherrlichung ziehen. Sie zeigen keineswegs den hinfälligen, von Schmerzen, Durchfall, Schwitzen und Krämpfen geplagten König, der in seinen letzten Tage nicht im Bett liegen konnte, sondern sich mühsam in einem Sessel sitzend aufrecht hielt. Nur so konnte er noch Briefe schreiben oder diktieren und seinen Ministern und Bediensteten Befehle erteilen. Deutlich wird die Heroisierung bei den Medaillen mit dem Berliner Reiterdenkmal. Die von Christoph Carl Pfeuffer, Wilhelm Kullrich und anderen geschaffenen Medaillen zur Grundsteinlegung 1840 beziehungsweise zur Weihe elf Jahre später zeigen, dass das Denkmal immer monumentaler wurde. Pfeuffers Prägung von 1840 erinnert an die Thronbesteigung Friedrichs des Großen vor hundert Jahren und an die Grundsteinlegung. Ganz klein ist auf der Rückseite der Name des Bildhauers Rauch unter der Denkmalansicht vermerkt. Sie kommt noch ohne die begleitender Reiter an den Ecken und die Galerie prominenter Weggefährten und Zeitgenossen auf dem Sockel aus, sondern ist mit Tugendfiguren an den Ecken geschmückt. Die zur Weihe 1851 geprägte Medaille zeigt das Monument in seiner ganzen Größe. Weitere Ausgaben zeigen die Köpfe der beiden Preußenkönige Friedrich Wilhelm III. und Friedrich Wilhelm IV., von denen der eine den Grundstein legen ließ und der andere die Enthüllung vornahm.

Als Theologe hatte der eingangs erwähnte Anton Friedrich Büsching allen Grund, dem König von Preußen zu grollen. Der Theologe, Gelehrte und Direktor des Berliner Gymnasiums zum Grauen Kloster rächte sich an dem eineinhalb Jahre zuvor verstorbenen Monarchen, der von der Bibel und Religion nichts hielt und sich über die Diener Gottes lustig machte, indem er die Leser seines Buches „Charakter Friedrichs des zweyten, Königs von Preussen“ quasi durch Schlüsselloch blicken lässt und vor ihm sein wenig glanzvolles Privatleben ausbreitete. Indem der Verfasser versichert, seine Informationen genau geprüft zu haben, bricht er ein Tabu, denn die vielen Krankheiten und Schmerzen des Königs und die Art und Weise, wie er mit seinen Untergebenen umsprang, waren ein gut gehütetes Geheimnis am preußischen Hof. Dass er mit seinen Gästen und Hunden an der Tafel große Mengen scharf gewürzte Speisen zu sich nahm und dabei nach „Soldatenart“, wie Büsching bemerkt, deftige Zoten von sich gab und über andere Leute herzog, war für viele Leser neu und wenig schmeichelhaft. Auch dass sich die Tafeleien mit illustren Gästen über viele Stunden hinzogen und der König dort als eine Art Alleinunterhalter fungierte, dürften nur Menschen gewusst haben, die dabei waren oder Speisen und edle Getränke aufgetragen haben. Auch dass der König Freude daran hatte, den täglichen Speisezettel mit vielen Gängen festzulegen, war nur wenigen Personen bekannt. Das galt auch für die mangelhafte Körperpflege und dass er sich die Fingernägel und Bartstoppeln schnitt. Dass Friedrich tagelang seine Stiefel nicht auszog und am liebsten abgetragene Uniformen und einen uralten Dreispitz trug, wenn er nicht gerade speiste oder hochrangige Gäste empfing, hat man erst nach dem Tod des Herrschers erfahren.

Liebe zu jungen Männern

Dass sich der König wie auch sein jüngerer Bruder Prinz Heinrich zu jungen, gut gebauten Männern hingezogen fühlte, hat Büsching mit gewundenen Worten angedeutet. In dem bei der Edition Rieger in Karwe bei Neuruppin vor einigen Jahren erschienen Neudruck seines Buches berichtet er, dass der König seine Favoriten und Lieblinge wie andere ihre Mätressen hatte. Zeitgenössische Spottschriften und spätere Forschungen griffen das Thema auf, aber insgesamt blendete die friderizianische und borussische Geschichtsschreibung diese als peinlich und unschicklich empfundene Seite in der Biographie des Königs von Preußen aus. Ganz und gar wurde seine homosexuelle Prägung in der Zeit des Nationalsozialismus totgeschwiegen, der Friedrich II. als „ersten Nationalsozialisten“ verherrlichte und schwule Männer verfolgte und ermordete. Diesbezügliche Andeutungen verfielen der Zensur, ihre Autoren hatten mit schweren Strafen zu rechnen. Erst in unseren Tagen kann in der biografischen Werken frank und frei etwa über diesen Punkt nachgedacht werden. Vieles bleibt Spekulation, denn Bekenntnisse und Beweise sind rar. Was Zeitgenossen, allen voran Voltaire, zu dem Thema geschrieben haben, ist mit Vorsicht zu genießen, denn die ehemaligen Freunde trennten sich im Zorn. Erst spät gelang eine durch zahllose Briefe dokumentierte Annäherung.

Der König entwickelte laut Büsching einen Widerwillen gegenüber Frauen und „floh“ den Umgang mit ihnen, vermied mit anderen Worten die Begegnung mit ihnen, von der eigenen Mutter beziehungsweise Gemahlin und der berühmten Tänzerin Barberina abgesehen, die der König angeblich wegen ihrer strammen Waden bewundert haben soll. Der eigenen Gemahlin, laut Büsching ein Muster an christlicher Tugendhaftigkeit und Menschenliebe und die zweite Krone des königlichen Hauses, wies er das damals recht entlegene Schloss Schönhausen im Norden Berlins als eine Art Exil zu. Doch da sie die First Lady der Monarchie war, erfüllte sie mit Noblesse wichtige protokollarische Aufgaben, die der Gemahl angesichts langer Abwesenheit in seinen Kriegen gern an sie abgab.

Frauen an Friedrichs Hof unerwünscht

Von seinen Dienern verlangte er, dass sie unverheiratet sein müssen, auch duldete er keine Treffen mit „Frauenspersonen“, ja sie durften mit diesen nicht einmal sprechen. „Erfuhr Er von ihnen das Gegenteil, oder nahm Er es selbst war, so war entweder ihre Verabschiedung, oder doch wenigstens ihre harte Behandlung die unausbleibliche Folge davon“, schreibt Büsching. Er verrät, ohne ins Detail zu gehen, der König sei in seiner Jugend zu ausschweifenden Vergnügungen verschiedener Art geneigt gewesen, in seinem mittleren Alter zu feurigen Unternehmungen und in seinen älteren Jahren zu strengen und heftigen Handlungen, doch so, dass die beiden ersten Arten ihre Äußerungen nie ganz aufhörten. „Es leben noch Leute, die Seine jugendlichen Belustigungen nach eigener Erfahrung erzählen, und noch mehrere Personen sind vorhanden, welche wissen, dass Er selbst bei der Tafel viel Lustiges erzählt hat. (…) Gegen Seine Lieblinge, die Er bloß um ihres Gesichts und Wuchses willen aus den Soldaten erwählte, so rohe sie auch seyn mogten, war er zu liebreich und freygiebig.“ Je nach Gesundheitszustand konnte der König mal gnädig und mal ungeduldig sein, und er verschaffte sich dann mit Faust- und Stockschlägen seiner Unzufriedenheit Luft.

Büsching bescheinigt dem König große Schamhaftigkeit „in Ansehung seines Körpers“, in der er viele Personen seines Standes übertraf. „Selbst vor Seinen Domestiken vermied Er die Entblößung Seines Körpers beim Auszug und Anzug, so viel als möglich war und was in Klistierfällen nach nicht verhindert werden konnte, war Ihm nicht angenehm. Wenn Er bey gewissen Bedürfnissen der Natur in die Kammer ging, durfte keiner Seiner Leute in dieselbe nachgehen. Desto unerwarteter waren Seine äusserst freien Worte und Ausdrücke, in welchen Er, selbst bei der Tafel, keine Ehrbarkeit gebrauchte, insonderheit wenn sie lange währete, sondern alles geradezu bey den natürlichsten Namen nannte. Er hat dieses im Umgange sowohl mit cynischen Franzosen, als mit den Soldaten angenommen. Zu den Gewohnheiten und Sitten der Soldaten, ließ Er sich so sehr herab, dass Er es gar nicht übel nahm, wenn Ihn die alten unter denselben, die manchen Feldzug mit Ihm gemacht hatten, Ihn Fritz, Alter Fritz, Papa, und noch auf andere vertrauliche Weise in Seiner Gegenwart nannten, ja so sogar so anredeten.“ Bediente, die ihn hintergingen und gar bestahlen, wurden unterschiedlich hart bestraft. Einmal wurde der König nachdenklich, als sich einer von seinen Lieblingen erschoss, weil er seine Degradierung als Trommler bei der Armee nicht verkraften konnte. Woher der Kerl bloß die geladene Pistole her hat, er habe ihm so viel Courage nicht zugetraut. lautete sein Kommentar. Dass Friedrich ein glänzender Verfasser von Denkschriften und Büchern historischen und aktuell-politischen Inhalts war, die bis heute beachtet und zitiert werden, und in drei Kriegen die schlesischen Herzogtümern dem Haus Habsburg abgerungen hat, war Büsching nicht der Rede wert, sei aber hier der Vollständigkeit erwähnt.

27. August 2024

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