Bildhauers Erbe in guten Händen

Schadow Gesellschaft Berlin e. V. zog eine positive Bilanz für 2023 und stellt sich neuen Herausforderungen



Zu Schadows Zeiten sei das Haus Schadowstraße 10 eine wichtige kulturelle Adresse gewesen, sagte Wolfgang Thierse (Mitte). Das Foto zeigt den früheren Bundestagspräsidenten am 20. Mai 2023 mit Prof. Dr. Bernd Lindemann und Schatzmeister Wolf-Rainer Hermel.



Wolf-Borwin Wendlandt überreichte unter großem Beifall Klaus Gehrmann die um 1794/5 geschaffene Radierung in vergoldetem Rahmen „Schadow und Familie“.



Ein großes Sorgenkind ist der um 1800 nach Entwürfen von Friedrich Gilly geschaffene Münzfries, der in den Katakomben des Kreuzbergdenkmals mit weiteren Skulpturen ein unwürdiges Dasein fristet und nach seiner unbedingt nötigen Restaurierung einen neuen Aufstellungsort sucht.





Der gemeinsame Besuch der Schadow-Ausstellung in der Alten Nationalgalerie, in deren Mittelpunkt Schadows Prinzessinnengruppe stand und weitere Skulpturen des Meisters gezeigt wurden, und der Ausstellung mit Portraitbüsten von Schadow und anderen Künstlern für das bürgerliche Berlin im Knoblauchhaus gehörten zu den Höhepunkten der diesjährigen Vereinsarbeit.



Die Aufstellung der Generalsfiguren auf dem Berliner Zietenplatz im Jahr 2008 gehörte zu den wichtigsten Leistungen, die die Schadow Gesellschaft vollbracht hat. Möglich war dies vor allem, weil Geschäftsführer Klaus Gehrmann mit der ihm eigenen Überzeugungskraft namhafte Spenden einzusammeln verstand.



In der Kleinen Kuppelhalle des Bode-Museums hielt Friedrich der Große zwischen 2011 und 2015 Wache. Von Johann Gottfried Schadow entworfen und in Marmor gemeißelt, wurde das Monument durch Restauratorenkunst wieder in einen vorzeigbaren Zustand versetzt. Das vom gleichen Meister geschaffene Grabdenkmal des 1791 verstorbenen Gelehrten Joachim Georg Darjes und seine Frau im Kleistpark zu Frankfurt an der Oder bedarf dringender Sanierung und Restaurierung, die Schadow Gesellschaft bringt dazu ihre Expertise ein.





Vor einigen Jahren wurden die beiden Reliefs (Supraporten) am Schadowhaus in der Schadowstraße 10 restauriert. Von der Fassade schaut der Bildhauer und Grafiker freundlich auf die Passanten herab. (Fotos: Caspar)

Am 10. November 2023 trafen sich die Mitglieder der Schadow Gesellschaft Berlin e. V. im Salon Wefelscheid unweit des Brandenburger Tores zu ihrer Jahresversammlung. Sie begann mit einem Dank an die Gastgeberin Frau Dr. Ulrike Wefelscheid sowie weitere Freunde und Unterstützer des Vereins, der am 20. Mai sein dreißigjähriges Bestehen feierte (siehe Monatsbrief Nr. 37). Zum Auftakt wurde das aus diesem Anlass gedrehte Video mit Ausschnitten aus den Ansprachen des früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse sowie von Dr. Andreas Kaernbach, dem Kurator der Kunstsammlungen des Deutschen Bundestages, und dem Vereinsvorsitzenden Prof. Dr. Bernd Lindemann gezeigt. Begleitet vom Wolff-Ferrari-Trio zogen sie in der Feierstunde im Hof des Schadowhauses eine beeindruckende Bilanz über 30 Jahre Arbeit für das Erbe von Johann Gottfried Schadow.

In den Reden ging es um die Rettung, Sanierung und Restaurierung des Schadowhauses in der Schadowstraße 10 für die Zwecke und auf Kosten des Deutschen Bundestages. Angesprochen wurden Glanzlichter der Vereinsarbeit wie die Aufstellung der bronzenen Generalsfiguren auf dem Zietenplatz, die Hilfe bei der Restaurierung von Schadows Stettiner Friedrich-Denkmal und seine zeitweilige Aufstellung im Bode-Museum sowie ganz aktuell die Restaurierung und Neuaufstellung des um 1800 geschaffenen Münzfrieses, der ein unwürdiges Dasein im Unterbau des Berliner Kreuzbergdenkmals fristet und es nicht verdient, weiterhin den Augen der Öffentlichkeit entzogen zu werden.

Zerstört, wieder gefunden, restauriert und neu aufgestellt

Was hartnäckige Arbeit für Schadows Erbe vermag, zeigte sich vor einigen Jahren, als das von dem Meister geschaffene Marmordenkmal Friedrichs des Großen aus dem Jahr 1793 in Stettin wieder ans Tageslicht kam und von 2011 bis 2015 im Berliner Bode-Museum gezeigt wurde. In den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs in drei Teile zerbrochen und stark beschädigt, galt das den Preußenkönig als Gesetzgeber und Landesvater darstellende Monument, das erste seiner Art überhaupt, lange Zeit als verloren. Doch als es vor einigen Jahren im Depot des Stettiner Nationalmuseums wiederentdeckt wurde, war es für die Schadow Gesellschaft ein inniger Wunsch, dass es vom Dreispitz bis zu den Stiefelsohlen restauriert wird. Geschäftsführer Klaus Gehrmann und seine Mitstreiter, die 2005 für die Aufstellung von sechs bronzenen Generalen der friderizianischen Armee auf dem Berliner Zietenplatz gesorgt hatten, brachten 60 000 Euro zusammen. Die Stadt Stettin und das dort ansässige Nationalmuseum legten 50 000 Euro dazu, und so konnte sich der Breslauer Steinrestaurator Ryszard Zarycki an die schwierige Aufgabe machen, das lädierte Gesicht des Königs sowie zahlreiche verloren gegangene Details zurückzugewinnen. Dabei gelangte er auch zu interessanten Einsichten in die Arbeitsweise des Bildhauers und seiner Helfer.

Nicht minder wichtig, aber weniger bekannt war die Restaurierung des Grabmals des früh verstorbenen Grafen Hans Carl von Blumenthal „Ihr blühtet so schön und verwelktet so früh“ in der Gutskirche in Horst, einem Ortsteil von Heiligengrabe in der Prignitz, gelang mithilfe der Schadow Gesellschaft. Kuratoriumsmitglied Dr. Claudia Czok hat darüber in der Festschrift zur Dreißigjahrfeier der Schadow Gesellschaft berichtet und auch darauf hingewiesen, dass ein Abguss des Reliefs mit den drei Parzen einen Raum im Schloss Bellevue, den Amtssitz des deutschen Bundespräsidenten, schmückt. Weitere Aktivitäten des Vereins werden in diesem Buch und den vom Verein herausgegebenen „Blauen Heften“ ausführlich gewürdigt.

Wo das kulturelle zusammen kam

Wolfgang Thierse erklärte bei der Dreißigjahrfeier am 20. Mai, er freue sich, dass sich das berühmte Künstlerhaus nach langer Zeit der Vernachlässigung auch mit Unterstützung der Schadow Gesellschaft wieder in gutem Zustand befindet, doch seien Schäden an und in ihm nicht zu übersehen. Hier im Schadowhaus sei das „andere Preußen“ zuhause gewesen, nicht das der Pickelhaube, sondern die heitere und fröhliche Gesellschaft, in der die Künste und Wissenschaften blühten und ein Mann wie Schadow großartige Entfaltungsmöglichkeiten hatte. „Hier versammelte sich vor und nach 1800 das kulturelle Berlin. Das klassizistische Künstlerhaus stellt heute einen schönen Kontrapunkt zu seiner nüchternen Umgebung dar. Rettung und Sanierung des Gebäudes aus dem frühen 19. Jahrhunderts durch den Deutschen Bundestag seien teurer als geplant geworden, aber die Mühen und Aufwendungen um diesen einzigartigen Bau haben sich gelohnt“, sagte Thierse. Er wünschte dem Verein weitere Erfolge bei der Verwirklichung ihrer Mühen um das Erbe des berühmten Bildhauers, Grafikers, Akademiedirektors und Menschenfreundes Johann Gottfried Schadow. Sein Erbe liege hier in guten Händen.

Der Verein mit derzeit 106 Mitgliedern als natürliche Personen, vier juristischen Personen als Mitglieder auf Gegenseitigkeit und fünf Ehrenmitgliedern blickt im ablaufenden Jahr auf Besuche der Ausstellungen „Johann Gottfried Schadow. Berührende Formen“ in der Alten Nationalgalerie, „J. G. Schadow Portraitbüsten für das bürgerliche Berlin“ im Knoblauchhaus, Schadow-Werkstatt im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus und „Secessionen – Klimt, Stuck, Liebermann“ in der Alten Nationalgalerie zurück. Für 2024 sind unter anderem ein Besuch der Katakomben des Kreuzberg-Denkmals mit dem Münzfries und weiteren Bildhauerwerken darin sowie ein Spaziergang durch die Heilig-Geist-Straße vorgesehen, in der Schadow einige Jahre gewohnt hat. Geplant sind auch die Besichtigung der Skulpturen in der Alten Nationalgalerie und des Humboldt Forums, bei der es vor allem um die Qualität der Bildhauerarbeiten gehen soll. Lindemann dankte den Autoren und Redakteurin Christina Petersen der Monatsbriefe, die es auf 42 gebracht haben und 2024 fortgesetzt werden sollen, dann aber in größeren Abständen. Frau Petersen würde sich auf Reaktionen, Kritik und Ergänzung „so und so“ auf die Monatsbriefe freuen und dies auch als Dank für die Arbeit der Autorinnen und Autoren werten. Wolf Muhr konnte für die technische Betreuung der Website gewonnen werden und hat das Update/Upgrade und Backup der Website vorgenommen. Er wird zukünftige Leistungen nach Abruf erbringen.

Mühen um klassizistischen Münzfries

In der Jahresversammlung ging der Vereinsvorsitzende Prof. Lindemann auf die aktuellen Mühen um die Restaurierung und Wiederaufstellung des klassizistischen Münzfrieses ein, der in den Katakomben des Kreuzbergdenkmals ein unwürdiges Dasein fristet und unbedingt wieder an die Öffentlichkeit gelangen soll. Nach wie vor sei die Frage eines geeigneten Aufstellungsorts ungeklärt. Bevor aber dieser nicht gefunden ist, könne die Restaurierung der kostbaren Sandsteinplatten nicht beginnen. Der Vereinsvorsitzende befasste sich darüber hinaus mit dem von Schadow geschaffenen Grabdenkmal in Frankfurt an der Oder für den 1791 verstorbenen Theologen, Juristen, Aufklärer und Universitätslehrer Joachim Georg Darjes und dessen Frau. Die 4,70 Meter hohe Skulptur mit zwei Trauernden an einer Urne befindet sich in einem desolaten Zustand und muss unbedingt restauriert werden. Dazu bietet die Schadow Gesellschaft wissenschaftliche Expertise und Hilfe bei der Beschaffung von Drittmitteln etwa bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz an. Nach einer groben Schätzung betragen die Restaurierungskosten zwischen 120 000 und 150 000 Euro, die weder die Stadt noch die Schadow Gesellschaft stemmen können. Sie will und muss sich auf den Münzfries konzentrieren und hält 70 000 Euro für ihn bereit.

Schatzmeister Wolf-Rainer Hermel legte den Jahresbericht 2023 über Bankkonten, Beiträge, Spenden, Ausgaben und Einnahmen vor, der von den Rechnungsprüfern für gut und richtig befunden wurde. Er stellte einen Rückgang der Spenden gegenüber 2022 um 50 Prozent fest. Wenn der Trend anhält, müsste der Verein entweder auf einige Maßnahmen verzichten oder die Beiträge erhöhen. Auf jeden Fall müssten mehr Spenden eingesammelt werden. Die Versammlung wählte den Kunsthistoriker und Kurator der Skulpturensammlung der Staatlichen Musen zu Berlin, Dr. Hans-Ulrich Kessler, ins Kuratorium und hörte mit Interesse einen Vortrag von Annette Winkelmann über die Aktivitäten der Langhans-Gesellschaft und die Carl Gotthard Langhans, dem Erbauer des Brandenburger Tors, und seinem Sohn Carl Ferdinand gewidmete Gedenkstätte auf dem Friedhof vor dem Halleschen Tor in Berlin. Im Sommer 2023 wurde beiden Architekten im Muzeum Tkactwa/Niederschlesisches Webereimuseum in Kamienna Góra bei Breslau eine Ausstellung gewidmet. Kritisch besprochen wurde auch der Farbanschlag von Umweltaktivisten auf das Brandenburger Tor, dessen Spuren aktuell mit großem Aufwand beseitigt werden müssen, weil die rote Farbe mit Festiger mit Feuerlöschern meterhoch verspritzt wurde.

Nimmermüder und erfolgreicher Einsatz

Im zweiten Teil des Abends sprach Bernd Lindemann unter starkem Beifall der Anwesenden dem zum 1. November 2023 nach 25jähriger Tätigkeit aus dem Amt geschiedenen Geschäftsführer Klaus Gehrmann für nimmermüden, initiativreichen und erfolgreichen Einsatz für Schadow und sein Werk Dank und Anerkennung aus. Er hatte das mit hohem Engagement geführte Ehrenamt zum 1. November 2023 alters-und gesundheitsbedingt niedergelegt, bleibt der Gesellschaft jedoch als Ehrenmitglied und Berater erhalten. Bisher haben alle Mühen, einen Nachfolger zu finden, zu keinem Ergebnis geführt. Alle Mitglieder sollten sich an den Überlegungen für eine Nachfolge beteiligen und Vorschläge unterbreiten, rief der Vorsitzende auf. Frau Dr. Sydow steht weiterhin im Büro zur Verfügung.

In seiner Laudatio sagte Kuratoriumsmitglied Dr. Hans Gerhard Hannesen: „Klaus Gehrmann ist seit der Gründung der Schadow Gesellschaft und ist es immer noch und hoffentlich nach seinem Ausscheiden aus dem Amt in beratender Funktion auch weiterhin der Motor bei allen unseren Vorhaben. Er ist das Zentrum und die eigentliche Seele vom Ganzen.“ Der Redner sprach vom großen Optimismus, den Gehrmann stets an den Tag legte und wie er unüberwindlich erscheinenden Widerstände zu überwinden wusste und Geld für anspruchsvolle Projekte eingeworben hat. Am Desinteresse und mangelnder Hilfsbereitschaft verantwortlicher Stellen hätte man verzweifeln können, doch das sei nicht Klaus Gehrmanns Art gewesen. Sein Versuch, einige Gipsabformungen von Schadow Werken im Humboldt Forum an geeigneter Stelle als Erinnerung an die verloren gegangene Ausstattung zu zeigen, habe „ein vom Zeitgeist getriebener Kreis institutioneller und politischer Verantwortlicher“ verhindert. Doch wer weiß, ob sich das Blatt nicht wieder wendet, sagte Hannesen. Die Schadow Gesellschaft habe ein Pflänzchen gepflanzt, das gedeihen wird, wenn der Zeitpunkt gekommen ist sollten. Wir sollten ganz im Sinne von Klaus Gehrmann die Hoffnung nicht verlieren, sagten auch die anderen Redner Bernd Lindemann und Wolf-Rainer Hermel. Gehrmann habe die Schadow Gesellschaft durch alle Höhen und Tiefen mit seinem unwiderstehlichen Optimismus geführt und gegen eifernde Bilderstürmer das Wort der Vernunft gerichtet hat.

Höhepunkt des Abends war die mit großen Dank an Klaus Gehrmann und seine Frau Bärbel gerichtete Überreichung einer wertvollen Originalradierung aus der Sammlung eines Mitglieds der Schadow Gesellschaft an Klaus Gehrmann. Das hochformatige Blatt in vergoldetem Rahmen zeigt Johann Gottfried Schadow im Kreise seiner Familie. Klaus Gehrmann bedankt sich mit bewegenden Worten und dem Versprechen, dem Verein weiter beratend zur Verfügung zu stehen.

Siehe auch Beitrag auf dieser Internetseite vom 21. Mai 2023

12. November 2023