Genialer Meister des Barock
Berliner Hofbildhauer und Schlossarchitekt Andreas Schlüter bat König Friedrich I. vergeblich um bessere Bezahlung

Da von Andreas Schlüter kein authentisches Bildnis existiert, ließ Gustav Eberlein bei der Gestaltung der Assistenzfigur zum Denkmal König Friedrichs I. auf der Berliner Siegesallee viel Fantasie walten. Im Lapidarium auf der Spandauer Zitadelle schaut Schlüter nachdenklich auf das Modell einer der Masken sterbender Krieger, die den Hof des Berliner Zeughauses schmücken. Die Nationalsozialisten erhoben Schlüter in dem gleichnamigen Film zu einem Giganten der Kunst, zu einem Kämpfer von 1942 mit Heinrich George als Hauptdarsteller gegen Kleingeisterei und Borniertheit und zeigten dabei auch das Innere des Berliner Schlosses, das Ende des Zweiten Weltkriegs stark zerstört wurde. Die Kommunisten mit Walter Ulbricht an der Spitze ließen 1950 gegen alle Proteste den Hohenzollernpalast beseitigen. In Berliner Museen blieben Reste erhalten.

Im Innenhof des als Waffenarsenal erbauten Zeughauses Unter den Linden, heute Deutsches Historisches Museum, klagen die „Masken sterbender Krieger“ das Grauen des Krieges an und mahnen, alles für den Frieden zu tun und die Opfer nicht zu vergessen.


Einer der berühmten Schlusssteine im Zeughaushof ist auf einer Zwanzig-Mark-Münze der DDR von 1990 abgebildet, die einer Silbermedaille zeigt rückseitig das Zeughaus Unter den Linden in Berlin.

Vor dem Schloss Charlottenburg steht das von Schlüter geschaffene Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Bis zum Zweiten Weltkrieg hatte das bronzene Meisterwerk barocker Bildhauerei und Gießerkunst eine Brücke in der Nähe des Berliner Schlosses geschmückt.


Beim Münzturm nutzten viel Geld alle Mühe nicht, ihn im sumpfigen Berliner Boden zu stabilisieren und zur gewünschten Höhe aufzuführen. Schlüter als verantwortlicher Architekt bekam den Zorn seines königlichen Herrn zu spüren. Der Münzturm wurde hier im Buch von Goerd Peschken in einen Kupferstich von 1756 hinein kopiert.

Das Monogramm FR (Fridericus Rex) prangt überall an der wiederhergestellten Barock-Fassade des Humboldt Forums. Dass es vor einigen Jahren außen original rekonstruiert wurde, ist auch eine Hommage an den geniale Schlossbaumeister.

Im Bode-Museum sind Bildhauerarbeiten von Andreas Schlüter ausgestellt, die die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs überstanden haben. Hier eine meisterhaft dem Original nachgebildete Supraporte an der Fassade des Humboldt Forums.

Die von Schlüter erbetene zusätzliche Summe von 1000 Talern – hier eine Ausgabe zur Krönung von 1701 - war eine Kleinigkeit gemessen an dem, was am königlichen Hof für Bankette, Bälle und Beleuchtung, Möbel, Skulpturen und Gemälde, Tafelsilber, Kleidung, Kutschen und Pferde, Feuerwerke und andere Lustbarkeiten verpulvert wurde.

Die im Gottesdienstraum des Berliner Doms aufgestellten Sarkophage aus vergoldeter Bronze zeigen, von Andreas Schlüter gestaltet, die Porträts des ersten preußischen Königspaars Sophie Charlotte und Friedrich I. (Fotos/Repros: Caspar)
Mit dem Plan, in Berlin das unansehnliche Renaissance-Schloss der Hohenzollern in einen großen Barock-Palast zu verwandeln und ihm einen weit sichtbaren Glockenturm anzufügen, ist der preußische König Friedrich I. anno 1706 grandios gescheitert. Mit dem Turm hatte er seinen Hofbildhauer und Schlossbaumeister Andreas Schlüter beauftragt, dem wir unter anderem das prächtige Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, die Masken sterbender Krieger im Innenhof des Zeughauses Unter den Linden, die vergoldeten Königssärge im Berliner Dom und andere großartige Skulpturen verdanken. Was der bauwütige Monarch von Schlüter verlangte, nämlich einen Turm an der nordwestlichen Ecke des Schlosses „zum Schmucke der Stadt und zu öffentlichem Nutzen“ zu errichten, überstieg die Fähigkeiten des genialen Meisters. Wer das Bode-Museum auf der Museumsinsel und das Humboldt Forum besucht, lernt einige seiner Skulpturen kennen und erfährt auch, was mit dem Campanile an Stelle des ehemaligen Münzturms geschah, der die Brunnen und Fontänen im Lustgarten gleich beim Schloss mit Wasser versorgen und nichts anderes als prachtvoll aussehen sollte.
Mit dem Münzturm kein Glück
Friedrich I. verlangte einen schlanken Münzturm mit einem Glockenspiel darin. Möglichst hoch und von weitem gut sichtbar sollte er sein, koste es was es wolle. Missmutig machte sich der zum Schlossbaumeister ernannte, aber damit nicht besser bezahlte, Bildhauer an die Arbeit, und so war der stolze Turm 1706 bis zur Höhe von 70 Metern aufgeführt. Dann aber brach er wegen des morastigen Untergrunds in sich zusammen und musste noch einmal hoch gezogen werden. Um ein Umkippen zu verhindern, hat Schlüter ihn durch seitliche Anbauten verstärkt. Der prunkliebende König ließ nicht locker. Sein Architekt musste die Fundamente verstärken und bekam seitliche Anbauten, die dem Turm Halt geben und die Lasten auffangen sollten. Erneut wurde der Campanile aufgerichtet, doch zeigten sich schon bald Risse und Absenkungen. Das Bauwerk war nicht mehr zu retten und musste am 25. Juni 1706 abgebrochen werden.
Friedrich I. war wütend und wischte den Einwand vom Tisch, dass die Planung gut, das sumpfige Erdreich aber instabil ist. Das war nicht von der Hand zu weisen, denn der Untergrund bereitet bis heute bei Baumaßnahmen in der Mitte der Stadt immer wieder Probleme. Der König warf den Schlossbaumeister aus seinem Amt, beschäftigte ihn aber weiter als Hofbildhauer. „Es hat mein Unglück bei diesem meinem Vornehmen auf mich gelauert, indem bey meiner fleißigen und mühsamen Arbeit wider aller mein Vermuthen bey dem Thurm ein Eckpfeiler zu sinken sich angefangen“, versuchte der unglückliche Künstler, sich beim König zu entschuldigen.
Vom Künstlerpech verfolgt
Friedrich I. aber hatte kein Einsehen, Schlüter war bei ihm „unten durch“. Nachdem der vom Künstlerpech verfolgte Hofbildhauer noch den vergoldeten Sarg im Berliner Dom für den 1713 verstorbenen König analog zu dem seiner Gemahlin Sophie Charlotte von 1705 geschaffen hatte, wanderte er aus und begab sich in russische Dienste. Schlüters erhalten gebliebene und verloren gegangene Bauten hat Goerd Peschken in seinem Buch „Andreas Schlüter architectus. Werkverzeichnis in Zeichnungen“ erfasst und kommentiert, das 2014 zum 300. Todestag des Barockmeisters im Verlag Ludwig (Kiel) erschien (277 Seiten, zahlreiche Zeichnungen, Fotos und Repros alter Grafiken, ISBN 978-3-86935-227-5).
König Friedrich I. gab seinen Plan nicht auf und beauftragte Schlüters Konkurrenten Eosander von Göthe, das Schloss mit einem repräsentativen, über hundert Meter hohen Kuppelbau zu bekrönen und damit der Stadt die ersehnte Höhendominante zu schenken, wiederum ausgestattet mit einem Glockenspiel und Wasserbehälter. Auch dieser Plan wurde nicht verwirklicht, weil es an Mut und Geld fehlte. Nach dem Tod des ersten Preußenkönigs (1713) stellte dessen Sohn und Nachfolger, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., die kostspieligen und als unnötig empfundenen Bauten seines Vorgängers ein. In veränderter Form wurde die Idee einer riesigen Schlosskuppel etwa 150 Jahre später unter Friedrich Wilhelm IV. verwirklicht. So erleben wir das Humboldt Forum als Mischung von Barockfassade sowie in diesem Stil nachgebauten Innenhöfen und ganz neuen, hellen und funktional eingerichteten Ausstellungs- und Vortragsräumen, Gastronomie, Treppenhäusern und Freiflächen. Die riesige Kuppel ist von weitem gut zu sehen.
Überall nur Neider und Konkurrenten
Ein Genie wie Andreas Schlüter hatte es am preußischen Hof nicht leicht. Überall lauerten Neider und Konkurrenten und legten ihm Steine in den Weg. Obwohl mit Aufträgen vom kurfürstlichen und königliche Hof sowie reichen Privatleuten bedacht, musste er Friedrich I. um eine ordentliche und angemessene Bezahlung bitten. Er rechnete ihm 1702 vor, dass er mit seinem Gehalt vorn und hinten nicht auskommt. In einer „Alleruntertänigster Vorstellung meines erlittenen Schadens und schlechten Zustands“ schrieb er seinem Herrscher, dass er sich durch seine Ernennung zum Schlossbaumeister finanziell verschlechtert hat, weshalb er um zusätzliche 1000 Taler bitte. Mit den 1200 Talern Jahressalär, die er als als Hofbildhauer bekam, komme er nicht aus. Er müsse für Hauszins 250 Taler, für Knecht und Pferde 300 Taler, für einen Schreiber, zwei Jungen zum Verschicken (Boten?) und Kostgeld an alle 150 Taler, ferner für Kleider 80 Taler und für Lohn 20 Taler ausgeben. Zusammen seien das 800 Taler. Übrig blieben noch 400 Taler für sich, seine Frau, Kinder und Gesinde sowie für Kleidung und Leben. Seinem über alles Prunk und Protz liebenden König, der das von seinen Untertanen sauer erarbeiteten Taler und Dukaten zum Fenster hinaus warf und seine geldgierigen Minister machen ließ, was sie wollen, gab Schlüter zu bedenken, „dass ich ganze 700 Taler jährlich um des (Schloss-)Baus willen zusetzen muss“.
Wäre er Hofbildhauer geblieben, hätte er kein großes Haus, Pferde und Wagen, Schreiber und Diener benötigt. Die Pferde müsse er aber haben, weil er wegen der vielen Besuche („Überlaufen“) in seinem Haus nichts machen kann. Deshalb habe er sich vor der Stadt einen weit abgelegen Ort suchen müssen, „dass ich vor solchen in Ruhe was Rechtes inventieren (erfinden), modellieren und zeichnen kann; so sind auch die Handwerksleute und Künstler, welche am Schloss arbeiten, sehr weit voneinander mit ihrem Wohnungen; dieselben machen nicht das geringste , was ich nicht bei ihnen wohl 12 Mal gesehen, treiben und ändern muss. Dies alles wäre mir zu Fuß unmöglich zu tun , weil ich manches wohl in einem Tage 30 bis 40mal besuchen muss. Das Haus dürfte ich auch nicht so groß haben, wenn ich nicht die Zeichenstuben, Schreibstube und andere mehr notwendige Gelegenheiten, welche ebenfalls zu Nut und Gebrauch des Bauwesens gehalten werden, wie denn auch der Diener; kann erachtet werden, dass sie alle völlig zu tun; und bei solchen starken Bau ohne die nicht sein kann.“ Zusammenfassend stellte Schlüter fest: „Also ist nun dieses das Geld, was ich jährlich einnehme und für gemeldet (erwähnte) Dinge ausgebe, nämlich die Summe 2200 Taler; habe also in der ganzen Zeit, weil ich bei diesem Bau gearbeitet, als Hofbaumeister nichts empfangen, aber wohl von meinem rechtmäßigen verdienten Salarion (Salär, Gehalt) als Hofbildhauer noch 2800 Taler zu setzen müssen.“
Verspottet, verkannt, verbittert
Andreas Schlüter war also immerzu mit dem Pferd oder der Kutsche unterwegs, um seine Leute zu kontrollieren und zu ordentlicher Arbeit anzuhalten, entnehmen wir der von Ruth Glatzer herausgegebenen Dokumentation „Berliner Leben 1648-1805“, die 1956 bei Rütten & Loening Berlin erschien. Das Buch ist eine Fundgrube für alle, die wissen wollen, wie es im alten, in großen Teilen noch ziemlich dörflich anmutenden und zudem großenteils verdreckten Berlin zuging und wie die Bewohner nach Strich und Faden gegängelt, überwacht, ausgebeutet und mit unsinnigen Steuern belegt wurden, wie das Oben und Unten der Klassen und Schichten beschaffen war, wie man selbst kleinste Vergehen hart bestraft hat und wie sich Formen des Widerstands und geistiger Konterbande bildeten.
Schlüters Bitte, ihm künftig 1000 Taler für seine zusätzlichen Tätigkeiten als Hofbaumeister zu bewilligen, blieb unerfüllt. Er beklagte sich mit Anspielung auf konkurrierende, am Hof angesehene Baumeister darüber, dass er übermenschlich wegen dieser Werke leiden muss. „Ich habe über 30 Jahre mit großen Arbeiten Tag und Nacht zugebracht, und ist unter allen denen Werken kein Fehl begangen, auch habe ich in Berlin schon erwiesen, dass man ja wohl sehen kann, ob ich ein Meister gewesen, da ich hierher gekommen bin und muss ich mich von solchen so höhnisch und recht wie ein unvernünftiger Junge traktieren lassen, als wenn sie nur die Weisheit allein bei sich hätten, da es sich doch (wenn Seine Königliche Majestät einmal einen jeden in eine aparte Kammer einsperren ließen und ein jeder vor sich selbst ohne Bücher und anders Hilfe einige Abrisse verfertigen müsste) zu anders finden wird. Ja, es würde alsdann erst der echte Meister erkennet werden. Ich muss nicht allein leiden, dass ich meinen so lang mit großer Mühe zusammengebrachtes Werk abbrechen und davon in der Welt Schande haben muss, sondern ich muss auch Herzeleid von dem gemeinen Mann auf der Straße und Nachrede in allen Häusern und Zechen leiden; ich kann vor Traurigkeit nicht schaffen, vor Angst meiner Seelen, indem ich nicht weiß , wie es vor mir bei Hofe steht, ob ich Gnade oder Ungnade erlangen werde, und muss doch noch täglich sinnen, erfinden und arbeiten.“
Verbittert und in seiner Bedeutung verkannt verließ Andreas Schlüter Berlin, wo nach dem Thronwechsel von 1713 die Musen schweigen mussten, mit denen der ganz auf seine Soldaten fixierte König Friedrich Wilhelm I. wenig anfangen konnte. Künstler und Poeten wurden in die Armee gesteckt, sofern sie nicht fließen konnten. Der Meister wandte sich auf Einladung von Zar Peter I., dem Großen, nach Petersburg, wo er bereits 1714 starb. Ihm war wenig Zeit verblieben, um sich auch im Ausland als herausragender Meister der barocken Bildhauerei und Architektur zu beweisen.
11. September 2024
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