„Uns läuft die Zeit davon...“
Klimaaktivisten haben erst das Brandenburger Tor beschmiert und vergingen sich jetzt auch an der Weltzeituhr



So schnell ist die Farbe von der am 17. Oktober 2023 geschändeten Weltzeituhr nicht zu entfernen, denn sie hat sich in den Ritzen und Hohlräumen festgesetzt. Deshalb muss man Gerüste aufbauen, um den alten Zustand herzustellen.



Die Polizei musste mit einem Hubkran Leute von der Letzten Generation von der oberen Fläche der Weltzeituhr holen. Ihrem Anliege, auf eine bevorstehende Klimakatastrophe und das Ende der Welt aufmerksam zu machen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, haben die Klimakleber und Denkmalschänder nur geschadet. Da sie wie eine Sekte organisiert und ausgerichtet sind, prallen alle Vorhaltungen von ihnen ab.



Nur mühsam kann man die rote Farbe beseitigen, die in die Säulen aus Sandstein eingedrungen sind. Etwas bleibt übrig und erinnert auch nach Jahren daran, dass das Brandenburger Tor 2023 von Klimaaktivisten attackiert wurde.



Etwa zeitgleich wie die Weltzeituhr wurde der Alexanderplatz um-und neu gestaltet und bekam einen mit bunten Emailleplatten verzierten Brunnen.



Die heile Welt des Sozialismus ist am Haus des Lehrers in der Nähe des Alex zu besichtigen. Die nach einem Entwurf von Walter Womacka gestalteten Mosaiken aus farbigen Glassteinen wurden vor einigen Jahren gereinigt und restauriert.



Zurückgewonnen und sichtbar gemacht wurden der bunte Fries am wieder hergestellten Pressecafé in Sichtweite des Alexanderplatzes.



Wie man in DDR-Zeiten die friedliche Eroberung des Weltraums erträumte, zeigt das Kupferreliefs am früheren Haus des Reisens ebenfalls in der Nähe des Alexanderplatzes. (Fotos: Caspar)

Klimaaktivisten der „letzten Generation“ haben Berlin zum bevorzugten Objekt ihrer Aktivitäten gemacht, mit denen die Bundesregierung und das gesamte Land aufrufen, genauer gesagt nötigen, entschieden mehr für Umwelt- und Klimaschutz zu tun und den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid drastisch zu reduzieren. Hatten sie in den vergangenen Monaten auf viel befahrenen Straßen festgeklebt und und stundenlang den Verkehr lahm gelegt, aber auch in Museen protestiert, so richten sie ihr Augenmerk auf bekannte Wahrzeichen wie das Brandenburger Tor und – ganz aktuell – die Weltzeituhr auf dem Alexanderplatz. Gegen 9 Uhr beschmierten sie die als Treffpunkt beliebte Weltzeituhr auf dem Berliner Alexanderplatz von oben bis unten mit oranger Farbe und haben wie genau einen Monat zuvor wie beim Brandenburger Tor dabei Feuerlöscher verwendet.

Polizei war in der Nähe

Die Aktion geschah über längere Zeit und nicht in wenigen Sekunden, wie der Fernsehsender WELT voreilig behauptete, unter den Augen von Zuschauern, die um diese Zeit den Alex überquerten, und von Straßenbahnen, die in großer Zahl vorbei kommen. Offenbar hat sich die Polizei um nichts gekümmert. Etwa 30 Meter entfernt hat sie seit einiger Zeit eine Wache, an die man sich wenden kann, wenn einem unwohl ist, man von Taschendieben beraubt wurde oder sonst ein Problem hat. Angeblich sollen die Polizisten gerade einen Einsatz gehabt haben, aber unbesetzt dürfte die Station an einem solch herausgehobenen Ort nie sein. Da sich das Ganze über Stunden hinzog, kann niemand plausibel machen, warum die Polizei nicht eingeschritten ist. Die Ordnungshütern nahmen die Personalien der Schmierer auf, die auch Farbe auf den Fußboden gespritzt hatten. Nun fragt sich die besorgte Öffentlichkeit, wie die Aktion am helllichten Tag geschehen konnte, und wo denn die Polizei ihre Augen hat. Fest steht, dass auf diese Weise das Ansehen des Staates und der Ordnungskräfte leidet, und das Argument, diese hätten an anderen Orten noch mehr zu tun, kann nicht gelten.

Am Mittag des 17. Oktober standen viele Gaffer an der Weltzeituhr, an der Arbeiter die Farbe mit Wasserstrahlen beseitigten. Im Internet war zu sehen, dass zwei Aktivisten auf der Plattform auf der Uhr sitzen und ein Plakat mit der Aufschrift „Uns läuft die Zeit davon: Weg von fossil, hin zu gerecht“ hoch halten. Dazu teilte die Gruppe mit: „Die Bundesregierung verschwendet kostbare Zeit mit fadenscheinigen Klimaschutzmaßnahmen und verlogenen Lippenbekenntnissen.“ Nach Angaben des rbb waren am Dienstagvormittag rund 30 Polizisten vor Ort. Sie rückten mit einem Kran an, um die Demonstrierenden vom Dach der Uhr zu holen. Von neun Personen wurden die Personalien aufgenommen. Aktivisten der Letzten Generation hatten zum Semesterbeginn auch Gebäude der Technischen Universität und der Freien Universität großflächig mit oranger Farbe besprüht, und es gab Festnahmen.

„Es ist Unfug, es ist Idiotie“

Dem Gestalter der Weltzeituhr, Erich John, fehlt jedes Verständnis für diese Form des Protests der „Letzten Generation“. Zum Sender rbb 88.8 sagte er, er sei „sehr traurig über so viel Unvernunft gegenüber Leistungen, die andere unter großer Mühsal erbracht haben, die auf einmal zunichte gemacht werden. Es ist Unfug, es ist Idiotie.“ Er riet den Aktivisten ihre kontraproduktiven Aktionen bleiben zu lassen.“ Mit dieser Form des Protestes verkehre sich das Anliegen der Aktivisten genau ins Gegenteil. „Viele Berliner sind mit der Weltzeituhr emotional verbunden. Sie sei nicht nur eine Uhr, sie ist ein Zeichen der Weltoffenheit von Berlin.“

Der Berliner Senat hat die Farbattacke der Letzten Generation scharf verurteilt und erklärt, das Maß sei übervoll. „Seit zehn Tagen sind die Polizistinnen und Polizisten unserer Stadt Tag für Tag und Nacht für Nacht im Einsatz – zum Schutz jüdischen und israelischen Lebens, zum Schutz der Sicherheit auf unseren Straßen und zum Schutz unseres Zusammenlebens. Sie befinden sich im Dauereinsatz für uns alle“, erklärten der Regierende Bürgermeister Wegner und Innensenatorin Spranger. Sie warfen den Klimaaktivisten mit Blick auf die Eskalation der Gewalt zwischen Israel und der Hamas und Attacken auf jüdische Einrichtungen in Deutschland vor, den Schutz israelischen und jüdischen Lebens zu gefährden.

Wahrzeichen und beliebter Treffpunkt

Seit 1969 ist die Weltzeituhr ein Wahrzeichen und beliebter Treffpunkt Berlinerinnen und Berliner sowie Besucher der Hauptstadt. Ihr Erbauer Erich John, der damals Mitarbeiter der Planungsgruppe zur Umgestaltung des Alexanderplatzes unter Leitung von Walter Womacka war, erzählte später, er habe nie zu hoffen gewagt, dass sein Entwurf im Rahmen eines Design-Wettbewerbs angenommen wird. „Meine Weltzeituhr war Ende der 1960-er Jahre eine Provokation, ein Gegenkonzept zum Mauerbau und ein Plädoyer für Weltoffenheit“, sagt John. Er sei überrascht gewesen, als man ihm 3000 Mark in die Hand drückte mit dem Auftrag, die ungewöhnliche Uhr innerhalb von neun Monaten zu bauen. Sie sollte zur Eröffnung des neu gestalteten Alexanderplatzes und des Fernsehturms zum 20. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1969 fertig sein. Um das Ziel zu erreichen, stellte John klare Forderungen – freier Materialeinkauf und 120 Facharbeiter. Die um internationale Anerkennung ringende DDR und ihr SED-Chef Walter Ulbricht sicherten ihm alles zu. Alles in allem kostete der zehn Meter hohe und 16 Tonnen schwere Bau 480.000 Mark. Das sich drehende Wahrzeichen wurde am 30. September 1969 der Öffentlichkeit übergeben.

Die Weltzeituhr enthält auf ihrer metallenen Rotunde die Namen von 148 Städten. Über dem im Boden eingelassenen Steinmosaik in Form einer Windrose ist auf einer 2,7 Meter hohen Säule mit 1,5 Metern Durchmesser ein dreigeteilter Zylinder angebracht, dessen Grundfläche 24 Ecken und Seiten aufweist. Jede Seite entspricht einer der 24 Zeitzonen der Erde. In das Aluminium sind die Namen wichtiger Städte der Zeitzone eingefräst. In diesem Zylinder dreht sich ein Stundenring, auf dem die farbig gekennzeichneten Stunden durch die Zeitzonen wandern. Über der Weltzeituhr rotiert in vereinfachter Darstellung unser Sonnensystem mit den als vergoldete Kugeln aufgefassten Planeten auf Stahlkreisen.

Bauten unter Denkmalschutz

Das Landesdenkmalamt hat prominente Bauwerke am Alexanderplatz aus der Zeit um 1970 unter Denkmalschutz gestellt. Darunter befinden sich das Berolinahaus und das Alexanderhaus, zwei Schöpfungen des Architekten Peter Behrens aus der Zeit um 1930, sowie das Haus des Berliner Verlages, das 1970 bis 1973 nach Plänen der Architekten Karl-Ernst Swora, Rainer Hanslik, Günter Derdau, Waldemar Seifert und Gerhard Voss erbaut wurde. Unter Schutz stehen das ehemalige Pressecafé und heutige Restaurant mit dem Bilderfries „Sozialistische Presse“ an der Fassade, eine Arbeit des Malers Willi Neubert. Das Wandbild wurde nach dem Ende der DDR als so unerträglich empfunden, dass es verkleidet und damit unsichtbar gemacht wurde. Erst vor einiger Zeit wurde es im Zusammenhang mit der Neueirichtung des Pressecafés freigelegt und restauriert. Niemand hat Anstoß an der bunten und aufdringlichen Symbolik genommen.

Lange hat die Berliner Justiz, die sich als überfordert bezeichnet, dem Treiben der Letzten Generation zugesehen, nun darf man gespannt sein, was aus der regierungsamtlich bekundeten Parole „Uns reicht es“ wird. Wie man aber den „Laden“ kennt, wird zu wenig oder auch nichts unternommen. Die Täter kommen gleich wieder frei, bezahlen eine Strafe und machen weiter. In ihren Augen ist nichts Schlimmes passiert, ein bisschen Farbe für den guten Zweck. Die kann man ja schnell abwaschen, was aber im Fall des Brandenburger Tors nicht so leicht gelingt.

Rot beschmierte Säulen des Brandenburger Tors

Am 17. September 2013, genau einen Monat vor dem Anschlag auf die Weltzeituhr, haben die selbsternannten Klimaretter die Säulen des Brandenburger Tors ähnlich wie die Weltzeituhr mit roter Farbe besprüht. Die Empörung über die Schändung des weltbekannten Wahrzeichens war riesengroß. Auch hier hat die Polizei den Angriff verschlafen, sie nahm aber 14 Klimaaktivisten fest und ließ sie nach Feststellung ihrer Personalien wieder frei. Gegen sie wird wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung ermittelt. Die aufwendige Reinigung des Denkmals aus Sandstein und des Pariser Platzes soll nach Angaben des Senats mehr als 100.000&xnbsp;Euro kosten. Berlin will sich das Geld von der Letzten Generation zurückholen.

Da die Farbe tief in den Stein eingedrungen ist, lässt sie sich ohne dessen Beschädigung nicht ohne Weiteres entfernen. Das Entsetzen über über den Farbangriff war riesengroß und wurde als Kulturschande der besonderen Art verurteilt. Die „Letzte Generation“ forderte damals und jetzt eine politische Wende unter dem Motto „Weg von fossil – hin zu gerecht“. Berlins Regierender Bürgermeister Wegner übte scharfe Kritik an der Farbattacke und betonte, dabei handele es sich nicht um legitimen Protest, sondern um illegale Sachbeschädigung und um eine Straftat. Damit erweise die Gruppe dem Klimaschutz einen Bärendienst. Die „Letzte Generation" erklärte sich für die Aktion verantwortlich, sie habe präparierte Feuerlöscher benutzt. Angeblich wollten Klimaaktivisten ihre Farbaktion von einem Hubwagen aus ausführen, was Polizisten aber verhindert haben.

Was kommt als Nächstes?

Die Frage war und ist: „Was kommt als Nächstes? Anschläge auf Schloss Sanssouci, die Wartburg oder den Kölner Dom? Und wie lange wollen wir uns diesen Unsinn anschauen, und schließen sich den Klimaklebern Leute an, denen dieser Staat gegen den Strich geht und ihn zerstören wollen?“ Die Sozialpsychologin Maria-Christina Nimmerfroh forscht zur Letzten Generation. Dort war sie undercover unterwegs und recherchiert heute unter ihrem echten Namen. „Diese Gruppierung geht extrem freundlich, extrem wertschätzend und extrem offen mit allen Menschen um, die neu dazukommen. Also ich habe wirklich sehr viel Herzlichkeit erfahren. Das ist aber auch ein Stück weit dem Ziel geschuldet. Die Idee ist, dass man sich mit möglichst viel Zeit und möglichst viel Engagement dieser Gruppe verschreibt. Das Idealbild für die Gruppe sind Vollzeitaktivisten, die ihr bisheriges Leben hinter sich lassen. Also auf der einen Seite eine sehr große Wertschätzung und Freundlichkeit, die aber schon ein Stück weit kalkuliert ist, weil man eben eine sehr, sehr enge Bindung möchte. Und das hängt natürlich auch mit den Handlungen zusammen, die da erwartet werden.“ Die ihr im Radio gestellte Frage, ob man mit dieser Art des Widerstands, wie sie das nennen, politische Entscheidungen grundlegend verändern kann, bezweifelt sie. „Das war aber nicht der Kern meiner Analyse. Ich wollte wissen, wie bringt man viele Menschen dazu, dass auch tatsächlich zu tun - und auch ganz extrem zu tun, bis hin zu Inhaftierungen. Ich habe eine Organisation kennengelernt, die das extrem gut plant. Von der Frage: Wie mischt man das&xnbsp;Fake-Öl zusammen, um das an das Grundgesetz-Denkmal (in der Nähe des Berliner Reichstagsgebäudes. H. C.) zu werfen? Wie geht man vor, wenn man eine Blockade plant? Wie verhält man sich in solchen Situationen? Wie laufen Rekrutierungen ab? Das ist sehr minutiös vorbereitet. Das hab ich in anderen Organisationen in dieser Detail-Treue nicht erlebt.“

Der größte Teil der 1,4 Millionen Euro, die die Gruppe an Spendengeldern eingesammelt hat, soll vom Climate Emergency Fund (USA) stammen, der die ideologische Grundlage der sektenartig organisierten Gruppe bildet. Bei ihr gibt es eine strikte Trennung zwischen Führung und operativer Ebene. Es sieht so aus, als würden die Leute von der Letzten Generation Druck, Verachtung und Anklage durch Öffentlichkeit und Politik, Polizei und Justiz als Beweis für die Richtigkeit ihres Tuns nehmen. Dass sie zunehmend Zuspruch aus der Bevölkerung bekommen, ist eine Legende, das genaue Gegenteil ist der Fall.

18. Oktober 2023