„Alles in bester Ordnung“
Die letzten Jahre des DDR-Fernsehens waren recht unerfreulich, am 31. Dezember 1991war die letzte Sendung



Paraden und Festspiele waren das besondere Steckenpferd von Erich Honecker, als er am 7. Mai 1989 seinen Wahlzettel in die Urne warf, stand das „Überwältigende JA“ für die Kandidaten der Nationalen Front für die Kommunalwahl schon längst fest.



Das auf einer Dissertation beruhende Buch von Franca Wolff „Glasnost erst kurz vor Sendeschluss. Die letzten Jahre des DDR-Fernsehens (1985-1989/90)“ ist eine Fundgrube für alle, die wissen wollte, wie die DDR und mit ihr das von der SED kontrollierte DDR-Fernsehen funktionierte. Die mit Fernsehbildern aus dem Westen untermauerten Kommentare von Karl-Eduard von Schnitzler haben dem Regime eher geschadet als dass es gefestigt hätten.



Das langweilige DDR-Fernsehen erreichte die Jugend der DDR und auch nicht die Mitglieder des Jugendverbandes FDJ schon lange nicht mehr. Wer konnte, schaute Schlager- und Unterhaltungssendungen, die Nachrichten und Politmagazine des Westfernsehens.



Michail Gorbatschow, der uns heute da und dort noch als Matroschkapuppe begegnet, konnte sich mit seinem Kurs nicht durchsetzen, ließ aber 1990 die deutsche Wiedervereinigung zu. In seiner Heimat gilt er vielen als Zerstörer des sowjetischen Weltsystems. Nach außen taten Gorbatschow und Honecker so, als seien sie ein Herz und eine Seele, intern aber hielten sie sich mit Kritik an der Politik des jeweils anderen Landes nicht zurück.



Ihren unsterblichen Stalin wollten sich Honecker und Genossen nicht kaputt machen lassen, auch nicht durch Enthüllungen im „Sputnik“. Sein Verbot verstärkte das Interesse in der DDR an dem, was man verniedlichend Personenkult nannte, in Wahrheit aber die auch durch zahlreiche Publikationen dokumentierte blutige Unterdrückung der Opposition im Reich des Josef Stalin war. Die in der Sowjetunion erlaubte Auseinandersetzung mit dem Stalinschen Terrorsystem war Honecker ein besonderes Ärgernis. Für den „Sputnik“ kam 1988 auf Honeckers Befehl das Aus.



Zweimal wurde das Leben des 1944 von den Nazis ermordeten KPD-Führers Ernst Thälmann verfilmt, und zwar 1954/55 unter Walter Ulbricht mit Günther Simon in der Hauptrolle und 1986 unter Erich Honecker mit Helmut Schellhardt in der Hauptrolle. Dass dabei alles seinen „sozialistischen Gang“ geht, sorgten Anweisungen aus dem Zentralkomitee der SED.



Mit Historienfilmen wie „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“ konnte das DDR-Fernsehen nichts falsch und sogar Export ins Ausland Kasse machen.



Mit solchen Hinweisen hat die SED-Führung das Aus für eine Reihe dem Regime unangenehmer Spielfilme verfügt. Erst nach dem Ende der DDR wurden sie aus der Versenkung geholt und mit großem Beifall aufgeführt.



Nachdem im Wendeherbst 1989 die Zensur in der DDR aufgehoben war und sich auch die Aktuelle Kamera den Nöten und Sorgen der DDR-Bewohner annahm, konnte sie sich über mangelndes Interesse nicht beklagen.



Die beliebten Gute-Nacht-Figuren Sandmännchen und Pittiplatsch und ihre Freunde haben das Ende der DDR überlebt und flimmern heute in modifizierter Form über die Bildschirme. (Fotos/Repros: Caspar)

Das Ende der DDR vollzog sich in mehreren Etappen. Nur mit Hilfe der Sowjetunion, des Mauerbaus von 1961, eines aufgeblähten Sicherheits- und Spitzelapparats und massiver Beeinflussung der Bevölkerung brachte er es auf 40 Jahre, die am 7. Oktober 1949 prunkvoll gefeiert wurden. Da hatte bereits die Opposition mutig ihr Haupt erhoben und ließ sich durch Stasiterror und Polizeigewalt nicht mehr niederdrücken. Der 40. Geburtstag der Republik, wie man sagte, war von Zusammenstößen tausender Demonstranten mit der Staatsmacht überschattet. Die gedrückte Stimmung ließ sich durch zweckoptimistische Reden des SED- und Staatschefs Erich Honecker und Jubelgesängen in den gleichgeschalteten Medien nicht aufhellen. Der Untergang seines Regimes war nur noch eine Frage der Zeit.

Sudel-Edes ruhmloser Abgang

Am 30. Oktober 1989 machte der Chefkommentator des DDR-Fernsehens, Karl-Eduard von Schnitzler, damit einen spektakulären Anfang, als er die am Montag nach einem meist uralten Spielfilm ausgestrahlte Propagandasendung „Der schwarze Kanal“ beendete. „Sudel-Ede“ war d a s Gesicht des DDR-Fernsehens, wenn man von dem omnipräsenten Honecker absieht, dessen Auftritte im In- und Ausland bis zum Überdruss in der Aktuellen Kamera stets an erster Stelle ausführlich gemeldet wurden. Indem Schnitzler seinen Zuschauerinnen und Zuschauer und den lieben Genossinnen und Genossen einen guten Abend wünschte, sagte er, diese Sendung werde heute nach fast 30 Jahren die kürzeste sein, nämlich die letzte. „Einige mögen jubeln, wenn ich diese Fernseharbeit nun auf andere Weise fortsetze. Nicht, dass ich etwas zu bereuen hätte: Der Umgang mit der oft unbequemen Wahrheit ist schwer, aber er befriedigt. In diesem Sinne werde ich meine Arbeit als Kommunist und Journalist für die einzige Alternative zum unmenschlichen Kapitalismus fortsetzen. Als Waffe im Klassenkampf zur Förderung und Verteidigung meines sozialistischen Vaterlandes. Und in diesem Sinne, meine Zuschauerinnen und Zuschauer, liebe Genossinnen und Genossen: Auf Wiederschauen!" Bis zu seinem Tod 2001 verteidigte Schnitzler seine Auffassung, die DDR sei das bessere Deutschland gewesen und dem Kommunismus gehöre die Zukunft. Wolf Biermann widmete ihm in seiner Ballade von den verdorbenen Greisen diese Zeilen: „Hey, Schnitzler, du elender Sudel-Ede / Sogar, wenn du sagst, die Erde ist rund / Dann weiß jedes Kind: Unsre Erde ist eckig. / bist ein gekaufter verkommener Hund...“

Legende von der Sieghaftigkeit des Sozialismus

Nach dem Ende der DDR hat man Erich Honecker, seinem Stasiminister Erich Mielke, Karl Eduard von Schnitzler und Genossen wenig schmeichelhafte Spielfilme, Fernsehdokumentationen und Satiresendungen gewidmet, in denen sie zur allgemeinen Erheiterung von der „Sieghaftigkeit des Sozialismus“ und dem bevor stehenden Untergang des Kapitalismus fabulieren und behaupten hörte, alles sei im Staat der Arbeiter und Bauern in bester Ordnung. In ihrer ideologischen Blase weitab vom Volk lebend, mögen die „führenden Persönlichkeiten“, wie sich die Riege um Honecker nennen ließ, daran geglaubt haben, nur das „Beste“ für ihre Untertanen zu tun. Doch w i r k l i c h auf das „Volk“ zuzugehen und auf seine Wünsche und Sorgen zu hören, das haben sie in ihrer Überheblichkeit und Verblendung nicht vermocht. Ihnen ging es nur darum, ihre eigenen Machtgelüste zu befriedigen und ihr System vor einem neuen „17. Juli 1953“ zu bewahren, also vor einem neuen Volksaufstand. Sie taten das durch Stasi- und Justizterror sowie Lügen und Schönfärberei, gepaart mit teuren Zugeständnissen auf sozialpolitischem Gebiet und nach dem antiken Motto „Brot und Spiele“ mit einer bunten Folge von Jugendfestivals, Jubelfeiern und Paraden. Die seinerzeit populäre Wendung „Es geht seinen sozialistischen Gang“ enthielt eine ironische Note, denn alles wurde von oben mit mäßigem Erfolg reguliert, war mit hohen Schulden erkauft und war doch vergebliche Liebesmüh.

Endlos lange Parteitagsreden

Alle vier Jahre fanden die SED-Parteitage statt, denen „zu Ehren“ sich die Bevölkerung zu Höchstleistungen in der Produktion verpflichten musste. Was auf diesem Gebiet geschah, wurde ermüdend lange im DDR-Fernsehen und namentlich in der von 19.30 bis 20 Uhr laufenden Nachrichtensendung Aktuelle Kamera abgebildet, besser gesagt breit getreten. Die eigentlichen Sorgen und Probleme, mit denen sich die Bevölkerung herumschlagen musste – schlechte Versorgung mit Lebensmitteln und Industriegütern, manipulierte Wahlergebnisse, Rechtsunsicherheit und verweigerte Reisefreiheit, Willkür der Justiz und Bevormundung durch die allgegenwärtige Staatspartei, Militarisierung der Gesellschaft, deutsche Teilung, Überwachung durch die Staatssicherheit, Wohnungsnot trotz umfangreicher Neubautätigkeit, Vernachlässigung der historischen Städte, Vergiftung der Umwelt - kamen in den Fernsehnachrichten und in den übrigen DDR-Medien nicht vor. Wenn es Versuche gab, sich drängenden Fragen der Gegenwart in Spiel- und Dokumentarfilmen zu nähern, wurden sie auf Befehl von ganz oben unterdrückt und verboten.

In dieses System passte das, was ab 1985 in der Sowjetunion unter dem Stichwort „Glasnost und Perestroika“ praktiziert wurde, ganz und gar nicht. Aber genau die von Michail Gorbatschow angestrebte, aber wegen der ihm bis 1990/91 zur Verfügung stehenden Zeitspanne nicht wirklich realisierte demokratische Öffnung und der gesellschaftliche und ökonomische Umbau des Landes waren es, was die DDR-Bewohner, von verblendeten Ideologen abgesehen, auch von ihrer Führung verlangten. Weil sie jedwede Zugeständnisse verweigerte, blieben schwerwiegende Konflikte nicht aus, und das Ende der SED und „ihrer“ DDR war 1989/90 nur noch eine Frage der Zeit. Alles, was mit Gorbatschows Reformpolitik zu tun hatte, war in der SED-Propaganda tabu. Dennoch waren sie Tagesgespräch und nolens volens auch Thema in Parteiversammlungen.

Für Gorbatschow nur Verachtung

Erich Honecker, ein in der „Wolle“ gefärbter Stalinist, und seine Leute waren alles andere als begeistert von dem, was sich an Neuem in der Sowjetunion abspielte. Er glaubte von sich, der beste Verteidiger der Werte des Marxismus-Leninismus und außerdem, wie schon sein 1971 abgelöster Vorgänger Walter Ulbricht, auch der bessere Ökonom zu sein. In der Öffentlichkeit hielt er sich mit Vorhaltungen an die Adresse des „großen Bruders“ zurück. Intern aber nahm er im SED-Politbüro kein Blatt vor den Mund, wie aus einem Zitat im Buch von Franca Wolff über das Ende des DDR-Fernsehens (siehe unten) hervor geht: „Der junge Mann macht ein Jahr Politik. Der hat es gerade nötig, die Klappe aufzureißen. Nachdem zu Beginn seiner Amtszeit noch drei Gramm Fleisch im Schaufenster lagen, ist nun überhaupt keines mehr zu sehen. 12 Jahre Stagnation nach eigenem Bekunden, und jetzt stellt er die Frage. Weiß er denn nicht, dass die DDR schon seit 1971 ein sozialpolitisches Programm hat mit Wohnungsbauprogramm und allem Drum und Dran? Dass ist eine Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik gibt?“

Nach außen sah alles gut aus, was die Beziehung zu Sowjetunion unter Gorbatschow betrifft. Im Inneren aber hatte Honecker für den großen Bruder in Moskau nur Verachtung und Hohn übrig. Was sich in der Sowjetunion abspielte wurde stark gefiltert und abgeschwächt auch in der DDR kund getan. Die Abrechnung sowjetischer Politiker, Historiker, Schriftsteller und Journalisten mit den Verbrechen der Stalinzeit kam in den Medien kaum vor. Als es das sowjetische Magazin „Sputnik“ 1988 in seiner deutschen Ausgabe wagte, Vergleiche zwischen Hitler und Stalin vorzunehmen und die Mordopfer beider Diktatoren gegeneinander aufzurechnen, war für Honecker das Maß voll. Er ließ die Zeitschrift und mit ihr auch die ähnlich ausgerichteten Ausgaben der „Neuen Zeit“ aus der Postzeitungsliste streichen und sorgte mit diesem Willkürakt für großen Unmut selbst bei treuen Parteisoldaten. Ausgangspunkt für das Verbot waren zwei Artikel, in denen gefragt wurde, was Hitler ohne Stalin gewesen wäre sowie welche Verantwortung die Kommunistische Partei Deutschlands für den Aufstieg der NSDAP und die Errichtung der Nazidiktatur hatte. Statt sich mit den dort verbreiteten Thesen auseinander zu setzen, wurde der „Sputnik“ abgeschaltet, was Medien im Westen mit Hinweisen auf die Angst der SED vor der Geschichte genussvoll ausschlachteten.

Unerwünschte Sowjetliteratur

Beide Magazine waren nicht die einzigen, gegen die sich die Wut der SED-Führung richtete. Auch die multinationale Zeitschrift „Probleme des Friedens und der Sozialismus“ und das aus Westberlin gesendete Hörfunkprogramm Radio Glasnost, in dem oppositionelle Gruppen zu Wort kamen, kamen auf den Index, aber man konnte sich auch in der DDR Informationen besorgen. Der Sender war im Umkreis von 120 km rund um die Hauptstadt zu hören und wurde erst richtig populär, als das Parteiblatt „Neues Deutschland“ ihn im Februar 1988 angegriffen hatte. Nach 27 Folgen wurde das Programm im Herbst 1989 eingestellt, denn von nun an übernahmen DDR-Medien seine Aufgaben, nachdem sie sich von den Fesseln der Zensur befreit hatten. Jetzt erfreute sich sogar die Aktuelle Kamera wachsender Beliebtheit, weil sie mehr und mehr darüber berichtete, was die Menschen wirklich bewegt und wie der Machtzerfall der SED einschließlich der Entlassung von Erich Honecker aus seinen Ämtern und seines Nachfolgers Egon Krenz vonstatten geht und wie es nach dem Mauerfall am 9. November 1989 weiter geht.

Offensichtlich gab es keinen Widerstand im DDR-Fernsehen gegen die ellenlangen Auftritte von Honecker im In und Ausland, man nahm auch die langweiligen Reportagen von Ernteschlachten und Aktivistenleistungen in den Volkseigenen Betrieben als notwendiges Übel hin. Der Sender bekam vom Zentralkomitee der SED genaue Anweisungen, was und wie gezeigt, berichtet und kommentiert werden darf und was nicht. Ziel aller Bemühungen war es,die DDR-Bewohner zu Patriotismus, Leistungsbereitschaft und Ergebenheit gegenüber der Partei, die angeblich immer Recht hat, anzuhalten. In den Zeitungen konnte man am nächsten Tag lesen, was am Abend in der Aktuellen Kamera zur Spitzenmeldung mit Auftritten von Honecker und anderen SED-Politbüromitgliedern, im Volksmund auch Pullibüro genannt, erhoben und sonst wie als wichtig erachtet wurde. Nachrichtensprecher waren beim Verlesen der langen Partei- und Ministertitel und ermüdenden Protokollnachrichten stark gefordert. Die Angst vor Versprechern war groß, wenn sie Honeckers Titel „Generalsekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und Vorsitzender des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik“ verlesen mussten. Der Saarländer machte aus deren Namen stets Deutsche Kratsche Plik, und keiner hat sich darüber lustig zu machen gewagt und ihm geraten, mal einen Sprechunterricht zu nehmen.

Glasnost kurz vor Sendeschluss

In ihrem Buch „Glasnost erst kurz vor Sendeschluss. Die letzten Jahre des DDR-Fernsehens (1985-1989/90)“ (Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien 2002) hat Franca Wolff Akten der SED, Regierung und des Deutschen Fernsehfunks, ab1972 Fernsehen der DDR, gesichtet und wichtige Erkenntnisse über die Art und Weise gewonnen, wie die Parteiführung und insbesondere Erich Honecker in die Gestaltung von Nachrichten- und Politiksendungen sowie Spiel- und Dokumentarfilmen eingegriffen und selbst bei winzigen Andeutungen von Kritik die Ausstrahlung oder Aufführung verboten hat. Die Anweisungen aus dem Zentralkomitee waren unmissverständlich, niemand durfte sich über sie hinwegsetzen. Die Verantwortlichen haben kritische Zuschriften als irrelevant und subjektivistisch abgetan. Für sie war wichtig, dass die „Linie“ stimmt. Wo das nicht der Fall war, verschwanden entsprechende Projekte oder bereits fertig gestellte so genannte Kaninchenfilm im „Giftschrank“ und kamen erst wieder nach dem Ende der SED-Herrschaft ans Tageslicht.

Kritische Töne waren nicht erwünscht

Immer wieder wurde gefordert, die Auswertung der Parteitage auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens durch eine breite Massenbewegung für die Stärkung der Sozialismus und die Sicherung des Friedens müsse zur Sache des ganzen Volkes werden. Das Ergebnis waren 1986, wie schon zuvor, ermüdend-lange Sondersendungen vom XI. (und letzten) SED-Parteitag, die von den meisten Zuschauern nur als abstoßend und kontraproduktiv gewertet wurden, wenn sich denn überhaupt Leute die Mühe machten, ihre Zeit mit solchen Zumutungen zu verbringen.

Franca Wolff beschreibt in ihrem Buch leider ohne ein einziges Bild unter anderem, wie die Geschichtsdokumentation „Ernst Thälmann Deutschland unsterbliche Sohn“ Mitte der 1980er Jahre zustande kam und das DDR Fernsehen vom SED-Politbüro und Honecker persönlich in die Pflicht genommen wurde, alle Ressourcen in den Dienst dieses „Großvorhaben“ zu stellen. An dem Film war vier Jahre lang gearbeitet worden. Er sollte 1986 zum 100. Geburtstag des 1944 von den Nazis ermordeten KPD-Führers gezeigt werden und sich vor allem an die Jugend wenden. Jedes Wort, jede Geste, jede Einstellung war mit der SED-Führung abgestimmt. Es entstand ein Spektakel mit Massenszenen, in denen 10000 Statisten eingesetzt waren. Für fast eine Million Valutamark (Westmark) wurde moderne Filmtechnik und Filmmaterial von Kodak eingekauft, weil man der eigenen Produktion nicht traute. Obwohl der Zweiteiler mit Helmut Schellhardt als Ernst Thälmann und Christine Schorn als seine Frau Rosa vier Stunden dauerte, hat man ihn am 7. Februar 1986 auch im DDR-Fernsehen gezeigt. Das Zuschauerinteresse war mäßig. Wer ein solches Spektakel und weitere Unternehmungen dieser Art ablehnte, bekam es mit der Stasi zu tun.

Bloß keine Fehlerdiskussion

Die Abteilung Agitation beim ZK der SED wies an, kritische Reaktionen aus dem Publikum und dem Medienbereich sollten nur intern ausgewertet werden. Sie forderte, dass sich die Genossen voll und ganz hinter den Film stellen und nur Lobenswertes von sich geben. Kritik durfte, wenn überhaupt, niemals an der Politik der allmächtigen Staatspartei und den „führenden Persönlichkeiten“ geübt werden. Diese kam frei Haus aus dem Westfernsehen, das zu schauen nicht zu unterbinden war, von der Region rund um Dresden abgesehen, das den zweifelhaften Ruhm „Tal der Ahnungslosen“ erhielt. Leichten Abweichungen von den Vorgaben aus dem „großen Haus“, also dem Zentralkomitee, mussten sofort positive Gegenbeispiele gegenüber gestellt werden. Obwohl in der Partei immer von Kritik und Selbstkritik die Rede war, war diese in der Praxis nicht erlaubt. „Bloß keine Fehlerdiskussion“ war oberstes Gebot auch im Fernsehen, das ganz auf Heimat, Geborgenheit und Glück in Sozialismus ausgerichtet war und sich als verlängerter Arm der SED-Führung durch den Verzicht auf das Aufgreifen wirklicher Probleme sein eigenes Grab schaufelte.

8. August 2023