Verschwiegen, aber nicht vergessen
Über hundert Jahre später bestreitet die Türkei den Völkermord an den Armeniern mitten im Ersten Weltkrieg



Die französische Karikatur verspottet den „kranken Mann am Bosporus“, mit dem der mit dem deutschen Kaiser Wilhelm II. freundschaftlich verbundene Sultan Abdül Hamid II. gemeint war. König Ferdinand von Bulgarien, ein geborener Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha, erreichte 1908, die Schwäche des Osmanischen Reiches ausnutzend, im Kampf gegen den auf einem Nachttopf sitzenden Sultan die Unabhängigkeit seines Landes. --Bildunterschrift1-->



Die Gedenkstele für die im Ersten Weltkrieg ermordeten Armenier wurde am 23. April 2016 neben der Berliner Hedwigskathedrale enthüllt.



Die französische Zeitschrift „Le petit Journal“ berichtete schon 1909 sehr drastisch über Massaker an christlichen Armeniern, die Karikatur daneben stellt Sultan Abdül Hamid II. als blutbesudelten Schlächter dar.



Die Medaille von 1915 feiern die Waffenbrüderschaft zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und der Türkei. Das war die Zeit, in der die Türkei den Völkermord an den Armeniern beging. Dass sich das Deutsche Reich an dem Genozid beteiligte, wurde erst hundert Jahre später zum Thema.



Armenien blickt auf eine lange Münzgeschichte zurück. Dass sich seine Bewohner dem Christentum verpflichtet haben, unterstreichen Silbermünzen von König Hetoum I. und seiner Gemahlin Zabel, die von 1226 bis 1270 regierten. Das Kreuz in der Mitte unterstreicht den christlichen Glauben, der Löwe im Wappen der Republik Armenien.



Der heilige Berg Ararat erscheint im armenischen Wappen, das von einem Adler und einem Löwen geschützt wird. Kreuze verweisen auf die im Land gepflegte christliche Tradition. Das Reiterdenkmal auf der silbernen Gedenkmünze zu 25 Dram erinnert an den Nationalhelden David von Sasun bei der Abwehr arabischer Invasoren.



Das sowjetische Drei-Rubel-Stück von 1989 erinnert mit dem Denkmal der fünf Hände vor dem Berg Ararat an den ersten Jahrestag des Erdbebens von Spitak, das am 7. Dezember 1988 mindestens 25.000 Tote und bis zu einer Million Obdachlosen forderte. Westliche Organisationen kamen der Sowjetunion zuhilfe.



Die Republik Armenien schuf sich nach Erlangung der Unabhängigkeit ein eigenes Wappen, das den Löwen und den Adler mit der Ansicht des heiligen Bergs Ararat vereint. Eine Taube fliegt auf der Silberausgabe zu 10.000 Dram zur Arche Noah, die laut Bibel am Berg Ararat im armenischen Hochland gestrandet sein soll.

Die Armenische Gemeinde in Deutschland hat vor einigen Jahren unweit der Berliner Hedwigskathedrale einen Gedenkstein zur „Erinnerung an die unschuldigen Opfer des Völkermords an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs im Osmanischen Reich“ aufgestellt, so eine in armenischer, deutscher und englischer Sprache abgefasste Inschrift auf der Rückseite der Stele. Der Ort für den Kreuzstein ist mit Bedacht gewählt worden, weil am 14. Mai 1919 die Deutsch-Armenische Gesellschaft in der katholischen Kirche am Opernplatz, dem heutigen Bebelplatz, einen Gottesdienst im Beisein von offiziellen Vertretern der Weimarer Republik sowie ausländischen Diplomaten zur Erinnerung an den Genozid veranstaltet hat, den türkische Soldaten mit deutscher Unterstützung vier Jahre zuvor angerichtet haben.

Deutsches Reich half beim Genozid

Mitten im Ersten Weltkrieg wurden eineinhalb Millionen Armenier von Soldaten des Osmanischen Reichs ermordet oder in den Tod getrieben. Dessen herrschende Clique verteufelte sie als Wucherer, die schlimmer als Juden seien, und sahen in ihnen Ungeziefer, das beseitigt werden muss. Diesem Urteil schlossen sich Diplomaten und Militärs des mit der Türkei befreundeten Deutschen Reichs an. Kaiser Wilhelm II. und seine Leute sahen dem Genozid untätig zu, ja halfen den Mordkommandos Sultans Mehmeds VI. im Kampf gegen die Armenier, die sich seit ewigen Zeiten dem christlichen Glauben verpflichtet fühlten und daher von der moslemischen Mehrheitsgesellschaft als „Ungläubige“ verachtet und unterdrückt wurden.

Ein türkisches Gericht stellte hundert Jahre später fest, Armenier hätten als Teil der osmanischen Gesellschaft im Ersten Weltkrieg gemeinsame Sache mit den Feinden gemacht, die Osmanen hinterrücks angegriffen und durch Massenmorde in den östlichen Provinzen Schrecken verbreitet. „Aus diesem Grunde wurden sie seitens der osmanischen Regierung einer Zwangsumsiedlung unterworfen. Es wird allgemein akzeptiert, dass diese Umsiedlung in Richtung der südlichen Territorien des Osmanischen Reiches erfolgte und dass es dabei aus unvermeidbaren Gründen wie den Bedingungen des Krieges, der an vielen Fronten geführt wurde, aufgrund der Not, die mit einer Massenumsiedlung verbunden ist, und aufgrund von Hunger und Krankheit zu massenhaften Todesfällen gekommen ist.“ Bei Urteilen gegen Menschen, die das Vorgehen der türkischen Armee damals als Völkermord bezeichnen, werden nach Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuches wegen „Beleidigung des Türkentums“ strafrechtlich verfolgt. Türkische Schüler lernen, dass es keinen Völkermord an den Armeniern gegeben hat und umgekehrt Armenier einen Völkermord an den Türken begangen hätten. Diese Deutung, die die Wahrheit auf den Kopf stellt, muss auswendig gelernt werden

Hunger, Krankheit, Mord

Nach schweren militärischen Niederlagen zu Beginn des Ersten Weltkriegs bezichtigte die jungtürkische Führung christliche Minderheiten, allen voran die Armenier, Russland zu unterstützen und das Osmanische Reich zu verraten. Man warf ihnen Spionage für den Feind und Vorbereitung von Aufständen vor. Sultan Mehmed VI. und die sieben Jahre zuvor an die Macht gekommene Jungtürkische Bewegung ließen 1915 armenische Künstler und Intellektuelle verhaften und ganze Völkerschaften in ferne Landesteile deportieren oder ermorden. In der syrischen Wüste kam der Großteil der armenischen Bevölkerung durch Verdursten, Hunger, Krankheiten und Mord ums Leben. Zahllose Frauen, Mädchen und Waisenkinder wurden zwangsweise islamisiert.Wer den Genozid überstand, ging ins Exil.

Als die Türkei im Oktober 2023 ihre Hundertjahrfeier als Republik beging, wurde jeder Hinweis auf ihre blutige Vorgeschichte unterdrückt, im Ausland hat man sehr wohl daran erinnert. Bis heute wehrt sich die türkische Regierung dagegen, dass der mit deutscher Hilfe begangene Völkermord als solcher bezeichnet wird. Während man in Armenien von mindestens 1,5 Millionen zwischen 1915 und 1917 ums Leben gekommenen Menschen spricht, leugnet die Regierung in Ankara alle Tatsachen und behauptet, es seien „nur“ 300.000 bis 500.000 gewesen. Da die Türkei NATO-Mitglied ist und sich die Bundesregierung mit ihr aus unterschiedlichsten Gründen und weil es bei uns auch eine bedeutende türkische Community gibt gut stellen muss, hat die Bundesregierung lange dieses Spiel mitgemacht und erkannte spät, aber nicht zu spät auch die deutsche Beteiligung an dem Genozid von 1915 an den Armeniern an. Ebenfalls bequemte sie sich ebenfalls sehr spät, die Verbrechen kaiserlich-deutscher Truppen in den Kolonien des Deutschen Reichs als solche anzuerkennen. Dieses Eingeständnis hatte Entschädigungs- und Wiedergutmachungsleistungen an den Nachfahren jener nach 1900 in den Tod geschickten oder bei der Niederschlagung von Aufständen ermordeten Menschen zur Folge.

Teil der Sowjetunion

Im Ergebnis des Ersten Weltkrieg erreichten 1918 einige bis dahin zum Deutschen Reich, zum Osmanischen Reich und Russland gehörige Länder ihre Unabhängigkeit. Einer von ihnen war die Demokratische Republik Armenien mit Jerewan (Eriwan) als Hauptstadt. Die Selbstständigkeit dauerte nicht lange, denn die Rote Armee überfiel die Republik Armenien und machte ihr im Dezember 1920 ein Ende. Nach Gründung der UdSSR 1922 das Land Teil der Transkaukasischen Sozialistischen Föderalen Sowjetrepublik, aus der 1936 eine formal eigenständige, jedoch von Moskau und dem Diktator Josef Stalin abhängige Armenische Sozialistische Sowjetrepublik wurde. Neben den Estnischen, Lettischen und Litauischen Sowjetrepubliken war die Armenische SSR Zentrum separatistischer Bewegungen innerhalb der von Michail Gorbatschow geführten, Ende der 1980er Jahre in Agonie befindlichen Sowjetunion. Als sie in sich zusammenbrach, verlor sie auch bedeutende Landesteile an ihrer Peripherie. Diese Stück für Stück zurück zu gewinnen und Macht und Größe des früheren Sowjetimperiums wieder aufzurichten, versucht der heutige Diktator Wladimir Putin mit der Okkupation der Krim, dem Angriff auf die Ukraine und anderen Machenschaften.

Lange hat sich die Bundesrepublik Deutschland dagegen gesperrt, den Völkermord an den christlichen Armeniern als solchen zu bezeichnen. Vertreter der armenischen Gemeinschaft in Deutschland forderten, an die Deutschen gewandt:: „Die sollen das Kind beim Namen nennen. Gerade die Deutschen, die ja aus der Geschichte gelernt haben sollten, sollten sich nicht so zieren, das Wort zu benutzen – das Wort Völkermord, um es zu betonen". Der damalige Bundespräsident Joachim Gauck und der Deutsche Bundestag gedachten 2015 der Opfer und zogen sich den Zorn der türkischen Regierung zu. „Wir gedenken in dieser Stunde der Angehörigen des armenischen Volkes, die vor einem Jahrhundert zu Hunderttausenden Opfer von geplanten und systematischen Mordaktionen geworden sind. Unterschiedslos wurden Frauen und Männer, Kinder und Greise verschleppt, auf Todesmärsche geschickt, ohne jeden Schutz und ohne jede Nahrung in Steppe und in Wüste ausgesetzt, bei lebendigem Leibe verbrannt, zu Tode gehetzt, erschlagen und erschossen. Diese geplante und kalkulierte verbrecherische Tat traf die Armenier aus einem einzigen Grund: weil sie Armenier waren. Ähnlich traf es ihre Leidensgenossen, die Pontos-Griechen, die Assyrer oder Aramäer“, erklärte Gauck. Das Schicksal der Armenier stehe „beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde, von der das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gezeichnet ist.“ Im Schatten von Kriegen seien diese Verbrechen begangen worden, der Krieg habe auch als Legitimation solcher Untaten gedient. So sei es im Ersten Weltkrieg den Armeniern geschehen, und so sei es im Laufe des 20. Jahrhunderts auch andernorts geschehen und so geschehe es bis heute, so Gauck damals.

Deutsche Militärs hatten sich mitten im Ersten Weltkrieg an der massenhaften Ausrottung der Armenier und zum Teil an Deportationen beteiligt. Die kaiserliche Regierung ignorierte Warnungen aus Diplomaten- und Gelehrtenkreisen, denn sie war an guten Beziehungen zu ihren türkischen Verbündeten interessiert und nahm den Tod unzähliger Armenier und weiterer Völkerschaften in Kauf, die der Kollaboration mit dem Russischen Reich beschuldigt wurden. Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg erklärte in Kenntnis des Völkermordes: „Unser einziges Ziel ist, die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig, ob darüber Armenier zugrunde gehen oder nicht“. Als Adolf Hitler am 22. August 1939 den Oberbefehlshabern der deutschen Heeresgruppen den Überfall auf Polen ankündigte, befahl er ihnen, „mitleidlos Mann, Weib und Kind polnischer Abstammung und Sprache in den Tod zu schicken“ und stellte mit Blick die Kriegsverbrechen im Jahr 1915 die Frage und verneinte sie zugleich: „Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?“

Heiliger Berg Ararat

Nach der Erlangung der Unabhängigkeit entwickelte die Republik Armenien eine umfangreiche Münzprägung, die die lange Geschichte, Kunst und Kultur des Landes und wichtige Ereignisse und Gestalten würdigt. Der Münzhandel biete Stücke in der Landeswährung Dram, abgeleitet von Drachmen, aus Leichtmetall oder galvanisiertem Messing sowie höhere Werte aus Silber und Gold an. Immer wiederkehrende Motive sind Ereignisse und Gestalten der Landesgeschichte, deren Kultur und Kunst, aber auch historische Bauwerke und Denkmäler. Hinzu kommen Schätze der Natur in Gestalt von Tieren und Pflanzen einschließlich des auch im Landeswappen dargestellten heiligen Bergs Ararat und nicht zu vergessen zahlreiche sportliche Ereignisse. Sogar das vor 1600 Jahren entwickelte armenische Alphabet und historische Münzen waren die die Ausgabe von Gold- und Silberstücken wert.

4. Dezember 2023