„Dass Gerechtigkeit werde dem gemeinen Mann“
Vor 500 Jahren tobte der Bauernkrieg im Römisch-deutschen Reich, doch am Ende siegten die Fürsten



Als neues Medium ermöglichte die Buchdruckerkunst, dass Flugblätter und Pamphlete für und gegen die Forderungen der Bauern, Handwerker, Handwerker und anderer Gruppen auf der untersten Stufe der Gesellschaftspyramide ihre Kreise zogen und diskutiert wurden. Während es sich Fürsten, Patrizier und andere Privilegierte auf dem „Ständebaum“ gut gehen lassen, müssen Bauern, Handwerker und Plebejer die ganze Last der feudalen Gesellschaft tragen.



Das Harzstädtchen Stolberg erinnert seit 1989 an seinen großen Sohn Thomas Müntzer, sein Geburtshaus ging 1851 in Flammen auf. Die aus einem Baum wachsende Ramme nahe der Würzburger Festung Marienberg ist jenen Aufständischen gewidmet, die Menschenrechte erkämpfen wollten und der Rache der Fürsten verfielen.





Das Bild von einer gegen die Aufständischen gerichteten Streitschrift zeigt, wie Martin Luther einem Bauern zu Friedfertigkeit ermahnt. Darunter nehmen die siegreichen Fürsten und ihre Schergen blutige Rache.



Die Flügel des doppelköpfigen Reichsadlers auf dem kolorierten Holzschnitt aus dem frühen 16. Jahrhundert sind mit den Wappen von Fürsten und Freien Städten geschmückt. Zahlreiche Territorien waren damals von Revolten gegen das Feudalsystem betroffen.







In der DDR hat man verschiedene Kulturbund-Medaillen wie die aus Stolberg von 1988 sowie die Gedenkmünze von 1989 mit dem fiktiven Bildnis von Thomas Müntzer geprägt.



Die Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone, ab 1949 DDR wurde auch mit dem Argument begründet, die Ziele des 1525 gescheiterten Bauernkriegs vollenden zu wollen. (Fotos/Repros: Caspar)



In der DDR-Propaganda wurde 1989 betont, dass das vom Maler Werner Tübkes fantasievoll gestaltetes Bauernkriegspanorama alle bisher bekannten Riesengemälde in den Schatten stellt und eine „qualitative Einmaligkeit von allen Panoramen in der Welt“ darstellt. Vor Ort wird auch von „Thüringischer Sixtina“ in Anspielung an die über und über mit Michelangelos Fresken ausgemalte Sixtinische Kapelle in Rom gesprochen.

Erhebungen von Bauern, Landarbeitern und Leibeigenen gegen ihre Herren hat es zu allen Zeiten gegeben, und auch der deutsche Bauernkrieg im frühen 16. Jahrhundert hatte Vorläufer. Für den Aufstand hab es mehrere Auslöser. Zum einen spielte die von Martin Luther vorgetragenen Forderungen zur Reformierung der katholischen Kirche und Klagen gegen die mit ihr verbandelten Fürsten und adligen Grundherren eine Rolle, zum anderen aber die zunehmende rechtliche, soziale und politische Knechtung, unter denen Bauern zu leiden hatten und die ihnen kaum Luft zum Atmen ließen. Jede Form von Widerstand wurde mit empfindlichen Strafen an Leib und Leben geahndet.

Vergebens wurde an die geistlichen und weltlichen Eliten appelliert, dem „gemeinen Mann“ Gerechtigkeit zukommen zu lassen das schreiende Unrecht zu beenden. Die Menschen auf der untersten Stufe der Gesellschaftspyramide forderten vehement den ihnen zukommenden Respekt, ein ausreichendes Einkommen und, bildlich gesprochen, Luft zum Atmen. Nachdem die Kämpfe zwischen Bauern und ihren adligen Herren 1524 in der Landgrafschaft Stühlingen im südlichen Schwarzwald begonnen hatten, breiteten sie sich schnell auf den deutschen Südwesten aus, doch waren auch Tirol und Steiermark, Franken und Thüringen betroffen.

Wir sind frei und wollen frei sein

Schwäbische Bauern formulierten Anfang 1525 in Memmingen ihre Forderungen in zwölf Artikeln, die durch Flugblätter verbreitet und zum Manifest der Bauernaufstände quer durch das Römisch-deutschen Reichs wurden. Mit Blick auf die von den Bauern zu entrichteten Abgaben in Gestalt des zehnten Teils ihrer Erträge heißt es in den Memminger Artikeln: „Von dem großen Zehnten sollen die Pfarrer besoldet werden. Ein etwaiger Überschuss soll für die Dorfarmut und die Entrichtung der Kriegssteuer verwandt werden. Der kleine Zehnt soll abgetan (aufgehoben) werden, da er von Menschen erdichtet ist, denn Gott der Herr hat das Vieh dem Menschen frei erschaffen.“ Mit Blick auf die Bibel wird festgestellt, dass der Mensch frei geboren ist und dass uns Christus alle mit dem kostbaren Blutvergießen Christi erlöst und erkauft hat. „Darum erfindet sich mit der Schrift, dass wir frei sind und sein wollen.“

Erst in unserer Zeit war es möglich, dass man mit Denkmälern und Gedenkstätte an den Bauernkrieg von 1525 erinnern konnte. Üblich war es, mit ihnen Fürsten und Feldherren zu ehren, an ihre Opfer erinnerte über Jahrhunderte kein Stein. Ein von Klaus Messerschmidt geschaffene Thomas-Müntzer-Denkmal aus Bronze auf dem Markt zu Stolberg im Harz wurde 1989 zum 500. Geburtstag des Geistlichen und Bauernführers enthüllt. Die vier Ecksäulen sind Abgüsse der Säulen mit geschnitzten Heiligenfiguren, die den Brand in Müntzers Geburtshaus 1851 überstanden haben. Die asketisch aufgefasste Gestalt in der Mitte soll Thomas Müntzer darstellen, von dem kein authentisches Porträt existiert. Die Figur im Hintergrund hat ihr Gesicht verhüllt und soll nach dem Willen des Künstlers Vertreter der alten Gesellschaft darstellen, die sich vor Müntzers Ideen verschließen. Manche Betrachter sehen in ihr den Henker sein, der dem aufrecht daher kommenden Bauernführer gleich den Kopf abschlägt, wie es nach der Niederlage der Bauern bei Frankenhausen denn auch geschah.

In Würzburg erhebt sich unweit der Festung Marienberg ein sechs Meter langes und vier Meter hohes Bauernkriegsdenkmal aus Stahlt, das 1989 nach einem Entwurf von Rainer Krämer-Guille und Hans-Joachim Hummel errichtet wurde. Die aus einem Wurzelwerk gewachsene Ramme erinnert an die „Wucht, Wut und Verzweiflung“, mit der die Bauern 1525 vergeblich versuchten, die fürstbischöfliche Festung einzunehmen. Auf der Gedenktafel heißt es: „In blutigen Strafgerichten nahmen die Landesfürsten Rache an den Bauern und unterdrückten deren in 12 Artikeln zusammengefassten Forderungen nach persönlicher Freiheit und Mäßigung bei den herrschaftlichen Steuer- und Fronforderungen.“

Gefangen, gefoltert, hingerichtet

Die Forderungen nach Abschaffung oder wenigstens Minderung der Frondienste und der Leibeigenschaft, ferner nach gerechter Behandlung vor den landesherrlichen Gerichten und nicht zuletzt der Erneuerung der Kirche fanden überall im Lande großen Anklang. In Tirol setzte sich Michael Gaismair an die Spitze einer Erhebung, und in Thüringen wurden der Bauernaufstand von Thomas Müntzer geführt. Der aus Stolberg im Harz stammende Geistliche kämpfte mit seinen Getreuen zunächst mit einigem Erfolg, wurde aber in der Schlacht von Frankenhausen mit seinem Heer geschlagen. Von den Fürsten gefangen genommen und gefoltert, wurde er mit seinen Getreuen am 27. Mai 1525 vor den Toren der Reichsstadt Mühlhausen hingerichtet.

Die Bauern sahen sich mit ihren Forderungen durch Martin Luther und seine Reformation bestärkt und irrten sich gewaltig. Er hatte 1520 in der Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ erklärt: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan.“Fünf Jahre später nahm der inzwischen berühmte Professor an der Universität zu Wittenberg die Kunde von den Aufständen und Forderungen anders als erwartet auf. Der auch als als „Fürstenknecht“ verteufelte Luther befürchtete schädliche Folgen für die gottgewollte Ordnung und die von ihm 1517 ausgelöste Reformation. In seiner oft drastischen Wortwahl richtete er im Mai 1525 von Wittenberg aus seinen Zorn „Wider die Mordischen vnd Reubischen Rotten der Baveren“, so der Titel eines seiner Pamphlete. Darin betonte Luther, dass sich die Aufständischen zu Unrecht auf ihn berufen, und er ermutigte die Fürsten, die Bauern mit aller notwendigen Gewalt niederzuschlagen. „Man soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muss“. In den zwölf Artikel seinen „einige so gerecht sind, dass sie euch vor Gott und der Welt zur Schande gereichen. Doch sie sind fast alle auf ihren Nutzen und ihnen zugut abgestellt und nicht aufs beste ausgearbeitet“ war Luther überzeugt, und er fügte seiner Kritik aber noch an „Nun ist’s ja auf die Dauer unerträglich, die Leute so zu besteuern und zu schinden.“ Was der von seinen Anhängern als milde und menschenfreundlich, zudem als liebevoller Familienvater und treusorgender Ehemann geschilderte Martin Luther verlangte, trat schon bald ein. Die Rache der Fürsten war grausam und nachhaltig. Es dauerte rund 320 Jahre, bis sich die Wut der Arbeiter und anderer so genannter kleiner Leute in der Revolution von 1848/49 Bahn brach und die Fürsten das Fürchten lehrten.

Blutige Rache der fürstlichen Sieger

Die unter sich zerstrittenen und zudem isoliert voneinander kämpfenden Aufständischen hatten ihre ihre Ziele nicht erreicht. Nach anfänglichen Erfolgen sowie der Einnahme und Zerstörung von Burgen und Klöstern wurden sie im Lauf des Jahres 1525 von Landsknechten der Fürsten niedergeworfen. Die Sieger übten blutige Rache an den Rädelsführern und weigerten sich, auf die Forderungen der Bauern einzugehen. Erst im ausgehenden 18. Jahrhundert kam es in Sachsen und an verschiedenen anderen Stellen im Römisch-deutschen Reich zu Bauernaufständen. Sie waren von den Ideen der französischen Revolution inspiriert und wurden vom Militär blutig niedergeschlagen. Die Aufhebung der Leibeigenschaft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte gewisse Erleichterungen auf dem Lande und trug dazu bei, dass in Verbindung mit Verbesserungen der Agrikultur die immer wiederkehrenden Versorgungskrisen nach und nach eingedämmt werden konnten.

In der DDR war Thomas Müntzer ein Volksheld, ihm hat man 1989 sogar eine Gedenkmünze mit seinem Porträt gewidmet. Unter Berufung auf Friedrich Engels , den neben Karl Marx verehrten „Klassiker“ des Marxismus-Leninismus, wurde das Konzept der „frühbürgerlichen Revolution“ propagiert. Den Großen Deutschen Bauernkriegs, wie man sagte, hat die Geschichtswissenschaft und SED-Propaganda als herausragendes Ereignis der deutschen Geschichte gefeiert und in eine Linie mit den Revolutionen von 1848/49 und von 1918 sowie dem antifaschistischen Widerstandskampf zwischen 1933 und 1945 gestellt. Im deutschen Westen war man mit solchen Lobpreisungen recht zurückhaltend, sicher auch weil sie im zweiten deutschen Staat so massiv vorgetragen wurden. Im Schulunterricht spielte dort der Bauernkrieg und seine Folgen kaum eine Rolle.

Argument für ostdeutsche Bodenreform

In der DDR hingegen wurde der Kampf der Bauern von damals gegen Fürstenwillkür, Ausbeutung und Leibeigenschaft als Argument für die von der KPD und ab 1946 der SED betriebene Bodenreform benutzt, die auch als Vernichtung des „Faschismus und Militarismus auf dem Lande“ ausgegeben wurde. Ein Plakat warb in der Sowjetischen Besatzungszone für sie mit dem Slogan „Was 1525 endete in Blut und Verrat / ward 1945 vollendete Tat“. Die westdeutsche Forschung stieß sich daran, dass die „frühbürgerlichen Revolution“ ohne Bürger stattfand und von den Kommunisten schamlos ausgebeutet wird.

Auf einer Tagung des Thomas-Müntzer-Komitees sagte Staats- und SED-Chef Erich Honecker Anfang 1989: „Die Mauer wird in 50 und auch in 100 Jahren noch bestehen bleiben, wenn die dazu vorhandenen Gründe nicht beseitigt werden.“ Er löste damit eine Welle der Empörung und Flucht in den Westen aus, am Jahresende war hatte die SED-Herrschaft ihr Leben ausgehaucht, und ein Jahr später war „Deutschland einig Vaterland“. Im Wendeherbst 1989 ging die Einweihung des kreisrunden Gebäudes in Bad Frankenhausen mit dem dort 123 Meter langen und 14 Meter hohen Gemälde des Leipziger Malers Werner Tübke darin unter. Die Leute hatten andere Sorgen und riefen auf den Straßen „Wir sind das Volk“ und bald schon „Wir sind ein Volk“. Tübke hatte in altmeisterlicher Manier Szenen von den Auseinandersetzungen von vor 500 Jahren zwischen den Fürsten und Gutsherren und den zu allem entschlossenen Bauern und Plebejern verewigt. Hinzu kommen Porträts der damaligen politischen, geistlichen und geistigen Eliten, aber auch der Protagonisten des Aufstandes mit Thomas Müntzer an der Spitze. In der DDR-Propaganda wurde betont, dass Tübkes Werk alle bisher bekannten Riesengemälde in den Schatten stellt und eine „qualitative Einmaligkeit von allen Panoramen in der Welt“ darstellt. Ausstellungen und Publikationen

Heute sieht man gelassen auf die politisch-ideologischen Kontroversen aus der Nachkriegszeit und würdigt den Bauernkrieg von 1525 landesweit mit großen und kleinen Ausstellungen mit Titeln wie „1525! – Aufstand für Gerechtigkeyt“, „UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“ und „PROTEST! Von der Wut zur Bewegung“ und „freyheit -500 Jahre Bauernkrieg“. Zu sehen sind sie unter anderem in den Lutherstädten Eisleben und Mansfeld (Sachsen-Anhalt), Mühlhausen und Bad Frankenhausen (Thüringen), Bad Schussenried und Stuttgart (Baden-Württemberg).

Zu erwarten oder schon auf dem Markt sind zahlreiche Publikationen über Thomas Müntzer und Martin Luther sowie über die bewaffneten Auseinandersetzungen vor 500 Jahren und wie der Bauernkrieg seither rezipiert wurde. Überdies stellt die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Bauernkriegsmuseen unter dem Motto „Aufbruch bis zum Ende“ Persönlichkeiten des Bauernkrieges aus dem Umland der einzelnen Museen vor. Politiker, Historiker, Museologen und andere erhoffen sich, dass die Botschaften von damals heute verstanden wird und die Botschaften von damals Missverständnisse und Fehldeutungen beseitigen helfen und insgesamt identitätsstiftend wirken.(Fotos/Repros: Caspar)

27. Juni 2024