Vergeblicher Griff nach der Weltmacht
Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte, wäre Großbritannien deutsche Kolonie geworden



Wenn es nach Plänen deutscher Imperialisten vor und während des Ersten Weltkrieg (1914-1918) gegangen wäre, hätten sie die Grenzen des Kaiserreichs wesentlich ausgeweitet und Teile der britischen Insel in ein deutsches Schutzgebiet ähnlich den überseeischen Kolonien verwandelt. Die deutsche Propaganda machte aus dem Kriegsgegner ein Hassobjekt und sprach stets vom „perfiden Albion“, das zu allen Gemeinheiten und Verbrechen fähig ist.



Die Karikatur zeigt die vorsichtige Annäherung der Brüder im Geiste, Hitler und Stalin, die es 1939 bis Mitte 1941 dem deutschen Diktator erleichterte, sich bis zum Überfall auf die Sowjetunion halb Europa untertan zu machen. Die satirisch gemeinte, im KZ Sachsenhausen gedruckte „Briefmarke“ stellt König Georg VI. mit Stalin auf eine Stufe und macht aus Großbritannien einen „Judenstaat“.





Der britische Premierminister Winston Churchill, dem sein Land 2015 eine Münze zu fünf Pfund anlässlich seines 50.Todestages widmete, war ein entschiedener Gegner des Naziregimes, dessen Charakter er klarer als manche seiner Landsleute erkannte. Für König Georg VI. und seine Familie hat man umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen vorgesehen.



Kaiser Napoleon I. sagt dem am Kanonenofen zitternden Hitler aus bitterer Erfahrung, dass es in Russland noch sehr kalt wird. Den verlorenen Krieg gegen die Sowjetunion pflegte der Diktator dem „General Winter“, also der eisigen Kälte, in die Schuhe zu schieben. Eigene Fehler ließ er nicht gelten. Derweil machte sich die NS-Presse über den aus der Toilette ins Weekend eilenden Churchill lustig. Ein Mitarbeiter bittet ihn um Angabe der Schäden künftiger Luftangriffe und entlarvt ihn so als Fälscher von Kriegsmeldungen und Statistiken. Statt die Sowjetunion in einem Blitzkrieg zu unterwerfen, erlitt Hitler mit seiner Wehrmacht ein ähnliches Schicksal wie 1812 der französische Kaiser Napoleon I. mit seiner Grande Armée. In Nazideutschland war es streng verboten, das französische Desaster von 1812 zu erwähnen.



Für Hitler war Winston Churchill – hier seine Büste aus Bronze in Prag – eine absolute Hassfigur, ihn hätte er am liebsten erschießen lassen. Die Karikatur zeigt, wie der „Führer“ im Mond außer Churchill auch Stalin und Roosevelt zu sehen glaubt.





Im Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin gab es eine geheime Abteilung, in der KZ-Häftlinge falsche Pfundnoten herstellen mussten. In der Gedenkstätte sind einschlägigen Exemplare dieser so exakt nachgemachten Pfund Noten ausgestellt, dass sie britische Fälschungsexperten in Erstaunen versetzten. (Fotos/Repros: Caspar)

Für den Fall, dass im Zweiten Weltkrieg die deutsche Wehrmacht Großbritannien erobert hätte, gab es weitreichende und sehr detaillierte Pläne. Das Land sollte in eine deutsche Kolonie verwandelt werden, die von einem von Hitler eingesetzten Statthalter oder einer Marionettenregierung verwaltet wird. In seinem Buch „Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte – Die Pläne der Nazis nach dem Endsieg“ hat der Holocaust-Überlebende und Schriftsteller Ralph Giordano ausführlich dargestellt, wie die Vorstellungen der Naziführung für den Umgang mit den erobert Ländern aussahen. Wenn die Nationalsozialisten den Zweiten Weltkrieg gewonnen, wenn sie sich West- und Osteuropa sowie Großbritannien untertan gemacht und sich nach dem „Endsieg“ zu den Herren der Welt aufgeschwungen hätten, dann wäre unser Globus eine Diktatur, gegen die die Schreckensvisionen von Aldous Huxley und George Orwell blass ausgesehen hätten. Statt sechs hätten die Nazis mindestens elf Millionen Juden ermordet und in „Hochöfen“ verbrannt, und im eroberten Polen, in der Sowjetunion und anderen Ländern wären 50 Millionen „Fremdvölkische“ ausgesiedelt beziehungsweise umgebracht worden oder an Hunger und Krankheiten gestorben. Geplant war, in den Weiten des europäischen Osten Millionen „rassenreine“ Deutsche und Bewohner anderer Länder, etwa Norwegen, Dänemark und sogar aus dem unterworfenen England anzusiedeln und dort neue Städte, Dörfer und Wallanlagen anzulegen. An den Grenzen sollten gigantische Ehrenmale errichtet werden, die noch in tausend Jahren den „Ruhm“ der deutschen Eroberer feiern.

Umvolkung und Massenmord

Dass bei der so genannten Umvolkung Millionen Menschen vertrieben und zu Tode kommen, hat die Naziführung als unvermeidbar, ja als erwünscht angesehen. Den nur zu Hilfsdiensten in der Landwirtschaft, beim Straßenbau, in Bergwerken und im Bauwesen eingesetzten Menschen billigten Hitler und seine Chefplaner lediglich zu, dass sie willenlos die Befehle der "Herrenmenschen" befolgen und lediglich Verkehrszeichen deuten können. Einfaches Rechnen höchstens bis 500 und Schreiben des eigenen Namens wurden ihnen zugestanden. Den Unterworfenen sollte eingehämmert werden, dass es ein göttliches Gebot ist, gegenüber „den Deutschen gehorsam und ehrlich, fleißig und brav zu sein“. Dass sie lesen können, wurde nicht für nötig erachtet, schon gar nicht eine höhere Bildung oder Kenntnisse über Geschichte und Kultur ihres Landes. Statt dessen sollten die „Untermenschen des Ostens“, wie es im Nazigjargon hieß, mit Lautsprechermusik beschallt werden, weil diese angeblich zu besseren Arbeitsleistungen führt.

In seinem Hass auf die Kirche ging Hitler so weit zu verlangen, dass der Papst nach dem Endsieg auf dem Petersplatz in Rom aufgehängt wird. Statt eines einzigen katholischen Oberhaupts sollten überall von den Besatzern abhängige Gegenpäpste und Bischöfe installiert werden. Überhaupt wollte Hitler mit unbotmäßigen Geistlichen beider Konfessionen abrechnen und die allermeisten von ihnen an die Wand stellen, also liquidieren, so wie es der insgeheim von ihm bewunderte Diktator Josef Stalin zuvor in der Sowjetunion getan hatte.

Militärs, Rasse- und Völkerkundler, Wehr- und Wirtschaftswissenschaftler, Juristen, Politologen und andere Nazi-Chargen befassten sich mit der Frage, wie das „Großgermanische Reich deutscher Nation“ aussehen und wie es beherrscht werden soll. Dieses Riesenreich, in dem letzte Reste von Rechtsstaatlichkeit beseitigt und die Polizei an die Stelle der Justiz treten sollte, hätte sich vom Nordkap udn Egland bis nach Zypern, von den Pyrenäen bis zum Ural erstreckt und auch die ehemaligen deutschen sowie die England und Frankreich abgejagten afrikanischen Kolonien und weitere Teile der Welt umfasst. Moskau und Leningrad, das heutige Sankt Petersburg, sollten dem Erdboden gleich gemacht werden. Geplant war auch, in den eroberten Ländern systematisch Gegner des NS-Staates aufzuspüren und umzubringen. Die Schwarzen Listen lagen in den Panzerschränken der Sicherheitsdienste bereit. Man kann sich gut vorstellen, wie etwa die nach England geflohenen Emigranten bei dem Gedanken zitterten, dass die Invasion der Insel gelingt und Hitler seine Weltherrschaftspläne wahr macht.

Royals blieben im Lande

Verdienstvolle SS-Männer sollten zwei Ehefrauen haben dürfen und mit ihnen möglichst viele „reinrassige“ zeugen. Im Gegenzug war geplant, durch massenhafte Sterilisation und Ausgabe von Verhütungsmitteln in den besetzten Ländern dafür zu sorgen, dass die „Fremdvölkischen“ keinen Nachwuchs mehr bekommen. Dazu gab es ausgeklügelte Methoden, die in den Konzentrationslagern erprobt und in Besatzungsgebieten angewendet wurden. Damit die Mordmaschine noch effektiver arbeitet, sollten die Häftlinge in den Waggons schon vor der Ankunft in den Konzentrations- und Vernichtungslagern vergast und ihre Leichen gleich darauf auf Fließbändern in „Hochöfen“ geworfen und verbrannt werden, wie Ralph Giordano in seinem Buch anhand von Dokumenten aus der Nazizeit schildert. Die von der Erfurter Firma Topf & Söhne ausgearbeiteten Pläne zum Ausbau der Krematorien kamen der SS als oberste Mordorganisation gerade recht. Wer nicht gleich ermordet wurde, sollte Sklavenarbeit in der Rüstungsindustrie und in anderen Wirtschaftsbereichen bis zum Umfallen verrichten.

Schon vor und im Ersten Weltkrieg gab es auf deutscher Seite umfangreiche Überlegungen und Planungen, wie der Landraub geschehen soll und Europa im Falle eines Sieges aussehen könnte. Auf einer großen Landkarte erkennt man, dass Frankreich, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Polen, Teile von Russland und auch die britischen Inseln deutsche Kolonien oder Protektorate werden sollten. Ähnliche Denkschriften und Verordnungen lagen während der Zeit des Nationalsozialismus in bereit und mussten im Fall des Falles nur noch aus den Schubladen gezogen werden. Im Fall einer erfolgreichen Invasion sollte Georg VI., der Vater der kürzlich verstorbenen Queen Elizabeth II., und die Spitzen der Gesellschaft gefangen genommen und möglicherweise hingerichtet werden. Bei Gefahr aber sollten die Royals außerhalb von London in Sicherheit gebracht und von Spezialeinheiten streng bewacht werden, um ihrer Verhaftung vorzubeugen. Für die königliche Familie kam eine Flucht nach Kanada nicht infrage, sie blieb bis zum Sieg und war den Briten, was Standhaftigkeit und Siegeszuversicht betraf, ein leuchtendes Vorbild.

Reichsmark statt Pfund Sterling

Die britische Industrie und Wirtschaft mit allen ihren Fabrikanlagen, Instituten, Patenten usw. sollten, wenn Hitlers Plan aufgegangen wäre, ganz oder teilweise von deutschen Konzernen übernommen oder stillgelegt werden analog zu dem, was in den anderen besetzten Ländern schon geschehen ist. Wehrfähigen Briten war das Schicksal der Deportation, also die Zwangsarbeit, auf dem Kontinent zu gedacht. Das war auch für England vorgesehen, wie Hitler stets und ständig seinen Hauptfeind nannte und von dessen Unterwerfung er sich den Weg zur Weltherrschaft zu ebnen hoffte. Vorgesehen war auch, das britische Pfund Sterling abzuschaffen und durch die Reichsmark oder eine vergleichbare Besatzungswährung zu ersetzen. Solche Maßnahmen gab es bereits in anderen, unter dem deutschen Regime leidenden Ländern. Wie das im Großbritannien konkret vonstatten gehen sollte, hat Ralph Giordano nicht weiter ausgeführt. Aber es dürfte auch dazu genaue Vorstellungen gegeben haben, nach denen man in den Archiven Hinweise suchen müsste.

Ausgehend von Erfahrungen im Ersten Weltkrieg und im Spanischen Bürgerkrieg, hofften die Deutschen, den Gegner aus der Luft so schwer zu treffen, dass er sich zu Verhandlungen bereit erklärt. Das kam aber für Winston Churchill nicht infrage, der im Mai 1940 nach dem Rücktritt von Neville Chamberlain den Vorsitz eines parteiübergreifenden Kriegskabinetts übernahm. Der ängstliche Chamberlain war Hitler mit dem Münchner Abkommen, genauer gesagt mit dem Münchner Diktat vom 29. September 1938 über die Abtretung der Tschechoslowakei und des Sudetenlandes an das Deutsche Reich weit, viel zu weit entgegengekommen. Er war der Illusion erlegen, mit seiner Appeasementpolitik die von Deutschland ausgehende Kriegsgefahr bannen und Hitler beschwichtigen zu können.

Nichts als Blut, Schweiß und Tränen

In seiner Antrittsrede erklärte Chamberlains Nachfolger, Winston Churchill, der zugleich Schatzkanzler und Verteidigungsminister war, am 13. Mai 1940 gegenüber dem Unterhaus und der Nation in drastischen Worten, wie die kommenden Belastungen aussehen werden. „Ich möchte dem Hause dasselbe sagen, was ich den Mitgliedern dieser Regierung gesagt habe: ,Ich habe nichts zu bieten als Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß. Wir haben eine Prüfung der allerschwersten Art vor uns. Wir haben viele, viele lange Monate des Kampfes und des Leidens vor uns“. Wer bis dahin noch glaubte, der Krieg gegen Nazideutschland und seine Verbündeten gehe ihn nichts an, wurde durch Churchill und die Kriegsereignisse eines Besseren belehrt.

Der Politiker wandte sich an seine Landsleute in einer hochbrisanten Situation. Die Regierung war durch Agenten vom „Unternehmen Seelöwe“, dem Tarnnamen für die Invasion Englands, informiert. Außerdem startete die Wehrmacht, die zuvor Polen niedergemacht hatte, am 10. Mai 1940 eine Offensive gegen Belgien, die Niederlande und Luxemburg sowie gegen Frankreich. Binnen weniger Wochen waren diese Länder besetzt. In dieser Situation glaubte der siegestrunkene Hitler, der sich insgeheim auf einen Feldzug gegen die Sowjetunion vorbereitete und Ruhe an der Westfront brauchte, Großbritannien ein Friedensangebot machen zu können. Solche Avancen aber wurden von Churchill brüsk zurückgewiesen, was die Nazipresse mit wütendem Geheul quittierte. Für sie war Churchill die Hassfigur Nummer 1. In der erwähnten Rede betonte Churchill, Englands Politik sei es Krieg zu führen „mit unserer aller Macht und mit aller Kraft, die Gott uns verleihen kann; Krieg zu führen gegen eine ungeheuerliche Tyrannei, die in dem finsteren trübseligen Katalog des menschlichen Verbrechens unübertroffen bleibt.“

Hitler gab Unternehmen Seelöwe auf

Zwischen August 1940 und März 1941 ging die Luftschlacht um England gründlich verloren. Hitlers Hoffnung, durch Terrorangriffe auf Städte, vor allem London, den Gegner verhandlungsbereit zu bombardieren und seine Kriegsmoral zu brechen, ging nicht in Erfüllung, trug aber der deutschen Luftwaffe schwere Verluste ein. Unzählige Flugzeuge wurden abgeschossen, und wer von den Besatzungen überlebte, geriet in Kriegsgefangenschaft. Mit den Luftangriffen gegen britisches Militär und Städte wollte das Deutsche Reich Churchill zur Kapitulation zwingen. Hitler verschob das „Unternehmen Seelöwe“ auf später und hat es alsbald ganz aufgegeben, weil die Wehrmacht nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Sommer 1941 im Osten gebunden war.

Ralph Giordano beginnt das Kapitel in seinem oben genannten Buch über die Invasion Großbritanniens durch die Wehrmacht mit einem Zitat aus dem Roman des britischen Kriminalschriftstellers Lem Deighton „SS-GB“ aus dem Jahr 1978, in dem die Lage des von den Deutschen besetzten Inselreichs gemeint war. Wehrmachtssoldaten marschieren durch London, überall wehen Hakenkreuzfahnen, an allen Ecken hängen Hitlerbilder, kombiniert mit solchen von Stalin, der bis zum Überfall auf die Sowjetunion im Sommer 1941 Hitlers Verbündeter war. Nazigegner und Widerstandskämpfer, die nach Großbritannien hatten fliehen können, werden von der Gestapo gejagt und umgebracht. Ein Exekutionskommando erschießt Winston Churchill in der SS-Kaserne Berlin-Lichterfelde. In London wimmelt es von Gestapo- und SS-Leuten, widerlichen Kollaborateuren, Schiebern und Kunsträubern. Sie alle lassen Vaterlandsliebe fallen und biedern sich den neuen Herren an.

Deighton schildert, wie sich Briten mit den neuen Herren arrangieren und ein schwarzer Markt entsteht, auf dem sich die Besatzer massenweise mit Antiquitäten eindecken, um sie nach Deutschland zu schaffen. Obwohl das Land besetzt ist und ausgeraubt wird, geht es einer gewissenlosen Oberschicht gut, die Geschäfte mit den Besatzern macht und von deren Kriegsverbrechen nichts wissen will. Dem Kriminalisten Douglas Archer, der nolens volens mit der SS zusammenarbeiten muss und bei seinen Nachforschungen über einen mysteriösen Mord zwischen die Fronten gerät, wird ganz schlecht, als er eine Party reicher Leute und Krieghsgewinnnler besucht, bei der es zugeht, als hätte es den Krieg nie gegeben und das Land sei auch nicht besetzt. Die schönen Seidenkleider, die maßgeschneiderten Abendanzüge, das ganze Drum und Dran wirkt auf ihn wie ein Schock „bei der grausamen und zynischen Stimmung nach der Niederlage“. Ein gespenstischer Höhepunkt des 2017 von der BBC verfilmten Thrillers ist die Exhumierung der sterblichen Überreste von Karl Marx auf dem Highgate-Friedhof im Norden von London im Beisein von Goebbels, Ribbentrop, Molotow und dem Chef der britischen Marionettenregierung, um sie am Roten Platz in Moskau quasi als Freundschaftsgeste zwischen den Nazis und den Bolschewiken erneut zu bestatten.

Natürlich ist das alles reine Fantasie, denn kein einziger deutscher Soldat hat die britische Insel je betreten, und auch der deutsche Geheimdienst kam an Pläne für das Atomwaffenprogramm nicht heran, um die es in dem Buch eigentlich geht. Kenner der Geschichte bescheinigen dem Roman, dass vieles so eingetreten wäre, hätte Churchill seine Landsleute im Kampf gegen das Nazireich nicht zu gewaltigen Kraftanstrengungen ermuntert und die Invasion abgewehrt.

Falschgeld aus dem KZ Sachsenhausen

Geplant war, falsche Pfundnoten in England einzuschleusen oder auch von Flugzeugen abzuwerfen, um die britische Währung und damit das Wirtschaftsleben und die Finanzierung der Rüstung zu schädigen. Das vom Reichssicherheitshauptamt der SS organisierte Unternehmen Bernhard ist nach seinem Leiter, dem SS-Hauptsturmführers Bernhard Krüger, benannt. Aus deutschen Konzentrationslagern waren Grafiker, Drucker, Graveure, Papierspezialisten und andere Fachleute ins KZ Sachsenhausen gebracht worden, wo sie unter ständiger Todesangst britische Geldscheine, aber auch ausländische Briefmarken und Wertpapiere sowie US-Dollarscheine täuschend echt nachahmen mussten. Mit den künstlich gealterten und zerknitterten Pfundnoten sollten auch deutsche Agenten in Großbritannien ausgestattet. Ferner wurden mit den falschen Bankoten Rüstungs- und andere Geschäfte getätigt.

Den zur Fälschungsarbeit abkommandierten Häftlingen war klar, dass sie als Geheimnisträger nicht lange leben werden, sobald sie ihre Aufgabe erfüllt haben, und so empfanden sie sich als "Tote auf Urlaub". Denn natürlich wollten die Nazis unbedingt verhindern, dass ihre Machenschaften jemals ans Tageslicht kommen. In den letzten Kriegswochen wurden die Arbeiten eingestellt, die Maschinen zerlegt und Spuren der „Aktion Bernhard“ verwischt. Die Geldfälscher wider Willen hatten Glück, dass sie kurz vor dem Kriegsende aus dem KZ Sachsenhausen in das KZ Mauthausen und von dort ins KZ Ebensee verlegt wurden, wo sie am 6. Mai 1945 von den Amerikanern befreit wurden.

Dem 1917 geborenen Slowaken und Zeitzeugen Adolf Burger verdanken wir das mit zum Teil unbekannten Dokumenten versehene Erinnerungsbuch über die bis dahin größte Geldfälschungsaktion der Geschichte. Im Nachwort zu seinem Buch „Des Teufels Werkstatt. Die größte Geldfälscheraktion der Weltgeschichte“ schreibt der 2016 verstorbene Autor, er habe überlebt, „damit ich als überlebender Zeuge der jungen Generation die unzähligen Verbrechen erklären und erläutern kann; damit sich so etwas nie wiederholt. Ich warne die Menschen vor der Ideologie des grausamen Mordens, die sich auch noch oder schon wieder in dieser oder jener Form und Region unserer Erde zeigt. Das ist meine Verantwortung, darum lebe ich“.

13. Juni 2023