Übeltäter qualvoll zugerichtet
Robert Zagolla geht der Frage nach, wie mit Folter wahre und falsche Geständnisse erpresst wurden





Wie es in mittelalterlichen Folterkellern und auf Richtplätzen zuging, wird in Handschriften beschrieben und auf gruseligen Miniaturen und Holzschnitten gezeigt.





Was in Folterstätten geschieht, hat manche Leute mit mehr oder weniger wohligem Gruseln erfüllt. Passende Bilder wurden den Beschreibungen hinzu gefügt. Die Daumenschrauben sind in einem österreichischen Buch zum Thema „Peinliche Befragung“ abgebildet. Die Qualen eines Menschen, dem die Daumenschrauben angelegt werden, kann man bei der zweiten Grafik gut nachvollziehen.



Wie eine Streckbank, bei der der Körper eines Delinquenten nach und nach auseinander gerissen oder auch angebrannt wird, zeigt das aus dem 18. Jahrhundert stammende Bild.





Wer in der Stasi-Unterschungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen erkennungsdienstlich erfasst war, bekam als so genannte feindlich-negative Person die ganze Wut seiner Bewacher und Verhörer zu spüren. In der Ausstellung der Gedenkstätte wird unter anderem auch eine Zwangsjacke gezeigt, in die man Häftlinge steckte, wenn die sich aufsässig und verstockt zeigte, wie es im Stasi-Jargon hieß.(Fotos/Repros: Caspar)

Was ist von dem Verbot der Folter zu halten, das der preußische König Friedrich II. wenige Tage nach seiner Thronbesteigung am 31. Mai 1740 erließ. Wie Robert Zagolla in seinem Buch „Im Namen der Wahrheit - Folter in Deutschland von Mittelalter bis heute“ schreibt, stand der sich aufgeklärt gebende Monarch, der alles in seinem Reich bestimmte und keinen Zipfel seiner Macht abzugeben bereit war, mit seinem Vorstoß allein auf weiter Flur. Zuvor hatte man zwar schon in Schottland, Neapel, Genf und sicher auch anderswo auf die barbarische Methode verzichtet, aber Preußen war Schrittmacher. Der Hohenzollernmonarchie folgten nach und nach mehr oder weniger willig und konsequent andere Länder.

Dass in der Gegenwart gefoltert wird, ist bekannt. Diejenigen, die das tun und ihre Gefangenen in ihren Verliesen physisch und psychisch drangsalieren und quälen, fühlen sich im Recht und weisen jegliche Einmischung von außen vehement zurück. Richter und Gerichte in Preußen, denen die königliche Anordnung nur insgeheim zugestellt worden war, versuchten, sie trickreich zu umgehen, um weiterhin in Folterkellern Geständnisse zu erpressen. Der König wich von seinem eigenen Prinzip da und dort ab, wenn es ihm in den Kram passte und Verbrecher zu überführen waren, die nichts gestehen wollten oder ihre Komplicen deckten. Wo es möglich war, hat blutige und schmerzhafte Foltermethoden durch Prügelstrafe und andere Qualen umgangen und so echte und falsche Geständnisse erpresst.

Kritiker und Befürworter

Der Verfasser geht sowohl auf die Kritik an der Folter als auch auf deren zahlreiche Befürworter ein. Im Zedlerschen Universalslexikon von 1745 heißt es dazu: „Denn wenn die Bösewichter wissen sollten, dass sie im Fall nicht zu erlangender Beweise, welche oft gar schwerlich zu erhalten sind, zur Erhaltung der Wahrheit nicht gepeinigt werden können, sondern als unschuldig entlassen werden müssten, würde die Welt mit unzählbaren Bösewichtern und Übeltätern, dem gemeinen Wesen zum höchsten Nachteil, angefüllt werden.“

Robert Zagolla weist darauf hin, dass es regelrechte Lehrbücher über die Art und Weise gab, wie man einen Delinquenten mit Foltermethoden zum Gestehen bringt. In Österreich hat man sogar Kupferstecher gefertigt, die zeigen, wie Folterknechte ihre Arbeit vollziehen und welche Geräte sie dafür benutzen.Was in einem Folterkeller passiert, hat der Dichter und Komponist E. T. A. Hoffmann in seiner Geschichte „Ignaz Denner“ von 1817 so geschildert: „Nun war Andres in den Augen das Gerichts ein verstockter heuchlerischer Bösewicht und gestürzt auf das Resultat aller jener Aussagen und Beweise wurde ihm die Tortur zuerkannt, um seinen starren Sinn zu beugen, und ihn zum Geständnis zu bringen. (...) Der schreckliche Tag an dem die Pein ihm das Geständnis einer Tat, welche niemals begangen, abdringen sollte, kam heran. Man führte ihn in die Folterkammer, wo die entsetzlichen mit sinnreicher Grausamkeit erfundene Instrumente lagen, und die Henkersknechte sich bereiteten, den Unglücklichen zu martern. Nochmals wurde Anders ermahnt, die Tat, deren er so dringlich verdächtig, ja zu deren er durch das Zeugnis jener Jäger überführt worden, zu gestehen. Er beteuerte wiederum seine Unschuld. (...) Da ergriffen hin die Knechte ,banden ihn mit Stricken und marterten ihn, indem sie seine Glieder ausrenkten und Stacheln einbohrten in das gedehnte Fleisch. Anders andres vermochte nicht die Qual zu ertragen: vom Schmerz gewaltsam zerrissen den Tod wünschend, gestand er alles was man wollte, und wurde ohnmächtig in den Kerker zurückgeschleppt. Man stärkte ihn, wie es nach erlitten Tortur gewöhnlich, mit Wein und er fiel in einem zwischen Wachen und Schlafen hinbrütenden Zustand.“

Dichtung und Wahrheit

Was in einem Folterkeller passiert, hat der Berliner Dichter und Komponist E. T. A. Hoffmann in seiner Geschichte „Ignaz Denner“ von 1817 so geschildert: „Nun war Andres in den Augen das Gerichts ein verstockter heuchlerischer Bösewicht und gestürzt auf das Resultat aller jener Aussagen und Beweise wurde ihm die Tortur zuerkannt, um seinen starren Sinn zu beugen, und ihn zum Geständnis zu bringen. (...) Der schreckliche Tag an dem die Pein ihm das Geständnis einer Tat, welche niemals begangen, abdringen sollte, kam heran. Man führte ihn in die Folterkammer, wo die entsetzlichen mit sinnreicher Grausamkeit erfundene Instrumente lagen, und die Henkersknechte sich bereiteten, den Unglücklichen zu martern. Nochmals wurde Anders ermahnt, die Tat, deren er so dringlich verdächtig, ja zu deren er durch das Zeugnis jener Jäger überführt worden, zu gestehen. Er beteuerte wiederum seine Unschuld. (...) Da ergriffen hin die Knechte ,banden ihn mit Stricken und marterten ihn, indem sie seine Glieder ausrenkten und Stacheln einbohrten in das gedehnte Fleisch. Anders vermochte nicht die Qual zu ertragen: vom Schmerz gewaltsam zerrissen den Tod wünschend, gestand er alles was man wollte, und wurde ohnmächtig in den Kerker zurückgeschleppt. Man stärke ihn, wie es nach erlitten Tortur gewöhnlich, mit Wein und er fiel in einem zwischen Wachen und Schlafen hinbrütenden Zustand.“ So weit ein Zitat aus Robert Zagollas lehrreiches Buch über die Geschichte der Folter, in dem auch dargelegt wird, wie schon vor Jahrhunderten Schauergeschichten über Folterhöllen und dort benutzte Geräte Leser und Zuhörer faszinierten und was davon Dichtung und Wahrheit ist.

Barbarische Methoden der Gestapo

Das Buch unternimmt einen Streifzug durch die Geschichte der sogenannten peinlichen Befragung und reicht von den gesetzlich Techniken auf diesem Gebiet im ausgehenden Mittelalter bis zur Anwendung staatlicher Gewalt und Willkür in deutschen und ausländischen Haftanstalten des 19. und 20. Jahrhunderts. Robert Zagolla stellt die barbarischen Methoden dar, mit denen Hitlers und und Himmlers Henkersknechte Widerstandskämpfern Geständnisse und die Preisgabe von Mitkämpfern abzupressen suchten. Das Buch spart auch nicht die Art und Weise aus, wie in Gefängnissen des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit physischer und psychischer Druck auf politische Gefangene ausgeübt wurde, um von ihnen Informationen über so genannte feindlich-negative Kräfte und Vorhaben der Opposition im zweiten deutschen Staat zu bekommen. Physische und psychische Folter ist, wie tagtäglich von Menschenrechtsgruppen angeprangert wird, nicht auf die beiden deutschen Diktaturen beschränkt, sondern ist auch in anderen Ländern grausame Praxis.

Der Verfasser besucht ehemalige Gefängnissen und Folterstätten und beschreibt das eine solche Verwahrstätte in Nürnberg mit 15 Gefängniszellen. Die Haftbedingungen waren hier und anderswo grausam, denn die Häftlinge mussten, wenn es ganz schlimm kam, angebunden mehrere Tage in einer winzigen Zelle in völliger&xnbsp;Dunkelheit verbringen. Eine Pritsche und Bank und ein Eimer für die Notdurft bildete die karge Einrichtung des Nürnberger Lochhauses. Für ihr Essen und medizinische Betreuung mussten die Gefangenen selbst aufkommen. Wer kein Geld hatte, war auf Almosen angewiesen und verhungerte langsam. Die auch Kapelle genannte Folterkammer vermittelt mit einschlägigen Utensilien ein anschauliches Bild von dem, wie man bei den Gefangenen an Geständnisse und Einzelheiten ihrer Taten zu kommen versuchte.

Gruselige Gefängnisse

Wer sucht, finden in alten Burgen, Rathäusern, Gerichtsgebäuden und Gefängnissen ähnliche Räumlichkeiten, und auch in Museen sind Werkzeuge der Henker und Folterknechte zu sehen. Zagolla befasst sich insbesondere mit der legendären Eisernen Jungfrau mit aufklappbaren Holzflügeln. Deren Innenseiten mit spitzen Nägeln wurden um einen zum Tod verurteilten Täter gelegt und so lange verschlossen, bis er tot war. An diesem Folter- und Hinrichtungsgerät ist wohl mehr Dichtung als Wahrheit. Fest steht nur, dass Nachbauten Besucher solcher Museen regelmäßig einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließen, und das kam nicht zuletzt auch den Einnahmen der jeweilgen Stadt oder Burg zugute.

Wer von der Stasi, der Geheimpolizei der DDR, als feindlich-negativ eingestuft wurde, hatte nichts zu lachen. In den Verdacht des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) konnten alle kommen, die politische, gegen das SED-Regime gerichtete Witze erzählten, einen Ausreiseantrag stellten, mit westlichen Journalisten sprachen, Umwelt- und Kirchengruppen angehörten, unter dem Motto „Schwerter für Pflugscharen“ den Wehrdienst verweigerten und sich überhaupt nicht systemkonform verhielten, erkennbar an langen Haaren und einer auffälligen Kleidung, die es nicht im HO-Laden und im Konsum zu kaufen gab. Verdächtig waren auch junge Leute, wenn sie so genannte Ami-Musik hörten und danach tanzten. In den Blick von „Horch und Guck“ kamen und bestraft wurden auch DDR-Bewohner, die so genannte Wirtschaftsverbrechen begangen hatten, den Geheimdiensten des „imperialistischen Klassenfeindes“ Informationen lieferten und sich abfällig über die „führenden Persönlichkeiten von Partei und Staat“ äußerten und sie zum Teufel wünschten.

Wo die Stasi Geständnisse erpresste

Bei Führungen durch die in eine Gedenkstätte umgewandelte frühere Stasi-Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen ist zu erfahren, welche ausgeklügelten Methoden angewandt wurden,um die Gefangenen zu demütigen, zu verunsichern und zu Geständnissen zu erpressen. Als das Untersuchungsgefängnis nach 1945 bis in die frühen 1950er Jahre noch unter dem Befehl des sowjetischen Geheimdienstes KGB stand, waren brutale Verhör- und Foltermethoden an der Tagesordnung. Mit ihnen sollten die Gefangenen zu belastenden Angaben über sich und andere gebracht werden, auf deren Grundlage Militärgerichte hohe Zuchthaus- und vielfach auch Todesstrafen aussprachen. In Stasi-Zeiten bedienten sich die Vernehmer vielfach subtilerer Methoden. Sie gaben vor, dass sie schon alles über die Beschuldigten wüssten, und bräuchten eigentlich nur noch ein paar Details über ihre Taten und Mitwisser, um ihre Berichte abschließen zu können. Solche verhöre wurden „wissenschaftlich“ vorbereitet und untermauert. In der Stasi-Hochschule in Eiche-Golm bei Potsdam befassten sich ganze Stäbe mit der Frage, wie man Gefangene zum Sprechen bringen kann. Ob sie dafür auch in die Geschichte des Folterwesens und Gestapomethoden studierten, könnte ein Blick in die Lehrpläne, Dissertationen und Forschungsmaterialien der hochgeheim arbeitenden Hochschule ergeben.

Den eingeschüchterten, durch pausenlose Verhöre, Essens- und Schlafentzug sowie durch Andeutungen über das untreue Verhalten ihrer Angehörigen und Ablehnung früherer Freunde zermürbten, manchmal auch Schmeicheleien und Lockangeboten ausgesetzten Gefangenen wurde eingeredet, sie könnten durch ein umfassendes Geständnis ihre Lage verbessern und das Gericht milde stimmen. Es wird berichtet, dass Vernehmer ihren Opfern einzureden versuchten, dass ihnen das, was sie hier tun müssen, selber unangenehm ist. Bei einem gewissen Entgegenkommen könnten die Gefangenen ihre Lage spürbar verbessern, und dann gehe es den Vernehmern auch besser. Ehemalige Gefangene berichteten vom ganzen Gegenteil. Sie seien durch grelles Licht, dröhnende Geräusche, Kälte und Hitze, Essensentzug und andere Methoden regelrecht gefoltert worden. Sie seien auch durch Schlafentzug und ständige Verhöre absichtlich in Unruhe und Stress versetzt worden.

Wer als feindlich-negativ eingestuft wurde

Als feindlich-negativ wurde unter anderem das Erörtern und Befürworten feindlicher Argumente, Auffassungen und Theorien, die Verächtlichmachung der Politik von Partei und Regierung, das Lesen und Austauschen ideologisch zersetzender Literatur und von „Schundliteratur“, aber auch antikommunistischer Publikationen einschließlich solchen von rechts- und linksextremistischen Organisationen, Gruppen und Kräfte, ferner feindlich-negative Witze, Lieder, Losungen und Sprechchöre eingestuft. Das galt auch für die Ablehnung des Wehrkundeunterrichts und des Wehrdienstes an der Waffe, die Weigerung, in die FDJ und andere Organisationen und der demonstrative Ausritt aus der FDJ sowie die Übernahme westlicher Moralauffassungen und Lebensweisen, worunter wörtlich Punk, Rocker, Popper und Tramper verstanden wurden. Die Bandbreite der Verbote war breit und ließ viel Spielraum. So konnte schon jemand in Verdacht geraten und in den Knast kommen, der beim Lesen des Romans „1984“ von George Orwell oder des Buches „Archipel Gulag“ von Alexander Solschenizyn, der Jugendillustrierten „Bravo“ oder von Micky Maus-Heften und, ganz schlimm, des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL erwischt wurde.

15. Oktober 2023