Reicher Jakob – armer Kaiser
Karl V. stand beim Handelshaus Fugger tief in der Kreide und entledigte sich raffiniert seiner Schulden



Durch Stimmenkauf gelangte König Karl von Spanien im Jahr 1519 als Karl V. auf den deutschen Kaiserthron. Alt und krank geworden und an seiner Politik zweifelnd, zog er sich nach Spanien zurück, wo 1558 mit erst 58 Jahren an den Folgen von Malaria starb. Seine letzte Ruhe fand er im prunkvoll gestalteten Pantheon der spanischen Könige&xnbsp;des Klosters El Escorial bei bei Madrid. Dass sich der Tod irgendwann alle, ob hoch und niedrig, reich und arm, holt, war ein beliebtes Thema in dem von Hans-Holbein dem Jüngeren gestalteten Totentanz-Zyklus von 1538.



Mit Bestechungsgeldern stand Jacob Fugger der Reiche, links dargestellt mit seiner Ehefrau und rechts seine Büste in der Augsburger Fuggerei, König Karl von Spanien hilfreich zur Seite und machte aus ihm den römisch-deutschen Kaiser Karl V.



Die Miniatur zeigt den Handelsherren mit seinem Hauptbuchhalter Matthäus Schwarz im Augsburger Kontor. Die Inschriften auf den Schubfächern zeigen, wo Fugger überall Niederlassungen hatte, daneben das Adelswappen, das die zu hohen Ehren aufgestiegene Familie trug.



Das in der Ausstellung des Berliner Münzkabinetts im Bode-Museum auf der Museumsinsel ausgestellt Gemälde von Karl Becker aus dem Jahr 1866 zeigt eine erfundene Szene, in der Jakob Fugger im Beisein von Karl V. dessen Schuldscheine verbrennt.



Der sich entwickelnde Seehandel brachte Kaufleuten viel Geld ein, das sie anderweitig profitabel angelegten. Bei den Fuggern waren es Erzgruben, die sie sagenhaft reich machten. Die Szene in einem Handelskontor des 16. Jahrhunderts zeigt, wie ein Geldnarr feinen Leuten Steuern abnimmt und die Münzen zählt.





Der Schautaler von 1518 atmet den Geist der Renaissance. Als Vorbild für das Porträt von Jacob Fugger diente eine Medaille von Hans Schwarz. Die rückseitigen Figuren werden als die Brüder Raimund und Jacob Fugger gedeutet. Zu den Privilegien, die der Familie gewährt wurden, gehört auch das Münzrecht, das bis ins 18. Jahrhundert ausgeübt wurde.



Für die Weltordnung der frühen Neuzeit erschien eine neue Gefahr am Horizont. Am 31. Oktober 1517 hatte der Wittenberger Augustinermönch Martin Luther mit der Verkündung der 95 Thesen der durch Ablasshandel und schamlose Günstlingswirtschaft in Misskredit geratenen Papstkirche den Fehdehandschuh hingeworfen.



Martin Luther stand 1525 den aufständischen Bauern kritisch gegenüber und polemisierte gegen ihre „räuberischen Rotten“, weshalb man ihn auch einen ehrlosen Fürstenknecht nannte. (Fotos/Repros: Caspar)

Die Wahlen der römisch-deutschen Kaiser waren alles andere als ein demokratischer Vorgang. Geistliche und weltliche Kurfürsten, die zur Wahl (Kür) des Reichsoberhaupts berechtigt waren, hielten oft und gern die Hand, auch Handsalbe genannt, auf und gaben demjenigen ihre Stimme, der ihnen am meisten bot. Besonders deutlich wird die Bestechlichkeit der deutscher Fürsten 1519 bei der Wahl des erst 19 Jahre alten Königs Karl von Spanien zum römisch-deutschen Kaiser Karl V. Zwar gab es mehrere Bewerber für das höchste weltliche Amt im christlichen Europa. Doch den Ausschlag gaben die bedeutenden Summen, die das Augsburger Handels- und Finanzhaus Fugger den Kurfürsten und ihren Räten zukommen ließ. Einzelheiten dazu findet man in der historischen Literatur sowohl über Karl V. als auch über die im Laufe des 15. aus dem Nichts gekommenen Familie Fugger. Anfangs mit Textilhandel befasst und später durch bank- und Finanzgeschäfte und Ausbeutung von Silber- und Kupfergruben reich und einflussreich geworden, gehörten sie um 1500 zu den bedeutendsten Patriziern nicht nur im Römisch-deutschen Reich, sondern sondern in ganz Europa, vergleichbar etwa mit den Medici in Italien, die eine ähnliche Karriere hinter sich hatten.

Dass man mit viel Geld Ämter kaufen kann, hatte Jakob Fugger schon bei der Besetzung des Mainzer Kurfürstenamts gesehen. Indem er die Wahl des Markgrafen Albrecht von Brandenburg zum Erzbischof von Magdeburg und zum Erzbischof und Kurfürsten von Mainz mit einem Darlehen von 48 000 Gulden finanzierte, schuf er sich eine schöne Einnahmequelle. Denn Albrecht trat, um seine Schulden zu begleichen, Einnahmen aus dem Ablasshandel an Jakob Fugger ab, was sein Interesse an dieser Art des später von Martin Luther so vehement kritisierten Gelderwerbs und seine Haltung zur Papstkirche erklärt, mit der er auch als Bankier eng verbunden war. Mit einem Vermögen von unvorstellbaren drei Millionen Gulden zu den reichsten Männern ihrer Zeit gehörend, tätigten Jacob Fugger und seine Nachfolger die Geld- und weitere Geschäfte nicht uneigennützig, denn als gewiefte und visionäre Kaufleute erwarben sie sich Vorteile für ihre Unternehmungen und Firmenbeteiligungen. Außerdem war die Nähe zu den Mächtigen und Reichen gut für den gesellschaftlichen Aufstieg der Dynastie.

Global player des 16. Jahrhunderts

In den Händen der Fugger lag zeitweilig die europäische Kupfergewinnung, die wichtig zur Herstellung von Bronzekanonen, Kirchenglocken und vielen anderen Erzeugnissen war. In Bergwerken, die den Augsburgern gehörten oder an denen sie beteiligt waren, wurden Unmengen Blei, Silber, Quecksilber und andere Metalle gewonnen. Nachdem die Neue Welt, also der amerikanische Kontinent, entdeckt war, unterhielten die „Global player“ des 16. Jahrhunderts auch dort lukrative Stützpunkte. Ihr weltweites Engagement bis nach Asien spülte Unmengen Geldes in die Kassen von Jakob Fugger, der 1525 starb, und seiner Nachfolger, und so erlaubte sich die mit reichem Land- und Schlossbesitz ausgestattete Familie einen geradezu königlichen Lebensstil.

In ihrem Buch „Habsburgs leere Kassen“ (Verlag Carl Ueberreuter Wien 2001, 207 Seiten, zahlr. Abb.) beschreiben Konrad Kramer und Petra Stuiber, wie sich der Wahlvorgang ereignet und welche Summen im Spiel waren. Der junge Karl, in dessen Reich die Sonne nicht unterging, hatte mit gewaltigen Problemen zu kämpfen. Er musste sich mit der 1517 in Gang gesetzten Reformationsbewegung des Martin Luther auseinandersetzen und kämpfte mit katholischen Fürsten und Städten gegen die Erneuerung der Kirche, hatte aber auch mit dem deutschen Bauernkrieg von 1525 und seinen Folgen zu tun. Er musste in Italien Territorien der Habsburger gegen französische Begehrlichkeiten verteidigen und war als König von Spanien für die Probleme bei der Eroberung und Ausbeutung der Neuen Welt verantwortlich, wie man den amerikanischen Kontinent nannte.

Dieser Kaiser stand bei Jakob Fugger, genannt der Reiche, tief in der Kreide. Er war nicht in der Lage, die vielen tausend Taler und Dukaten zurückzuzahlen, die ihm der Augsburger Handelsherr für die Wahl in das höchste Reichsamt und seine Kriege in Deutschland, Italien und anderen Ländern geliehen hatte. Für ihre Beteiligung am Silberbergbau in Tirol und dem Kupferbergbau in Ungarn mussten die mussten Fugger eine relativ geringe Pachtsumme bezahlen, während die Millionen, die sie aus der Verwertung der Bodenschätze gewannen, in ihre Taschen flossen und und profitabel in andere Unternehmungen investiert wurden.

Aufstieg an die Spitze des Reiches

Kaiser Karl V. wurde am 24. Februar 1500 in Gent als Sohn von Herzog Philipp des Schönen und Johanna, genannt die Wahnsinnige geboren. Als Enkel des prachtliebenden Kaisers Maximilians I. wuchs er in der Erwartung auf, er werde eines Tages mehrere Kronen tragen. Dem jungen Prinzen fielen die habsburgischen Erblande und das reiche Burgund zu. Mit 16 Jahren trat er die Herrschaft in Spanien und Italien an. Von da an war sein Aufstieg an die Spitze des christlichen Abendlandes nicht mehr aufzuhalten. Karl, der kein Wort Deutsch sprach und als unansehnlich und stets mit offenem Mund herum laufend geschildert wird, hatte 1519 nach dem Tod von Maximilian I. in König Franz I. von Frankreich und zeitweilig auch König Heinrich VIII. von England ehrgeizige Konkurrenten bei der Bewerbung um das Kaiseramt. Karl und Franz setzten riesige Bestechungssummen ein, um die Stimmen der Kurfürsten zu gewinnen und ihre Höflinge in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Die heute im Prinzip suspekte Praxis, sich mit Hilfe von Bestechungsgeldern und Vergabe lukrativer Ämter Einkünfte und Vorteile zu verschaffen, hat damals keinen gestört, so auch Karl nicht. Er drängte zur Macht, da ihm war jedes Mittel Recht. Allerdings waren seine Ressourcen für den Stimmenkauf beschränkt. Deshalb stürzte er sich in riesige Schulden in der Hoffnung, sie bald nach der Kaiserwahl tilgen zu können. Das Augsburger Handelshaus Fugger lieh riesige Summern aus und hatte damit bereits bei anderen Fürsten mit Kaiser Maximilian I. an der Spitze reiche Erfahrung. Jakob der Reiche, das Familienoberhaupt, entschied mit der ungeheuren Summe von über einer halben Million Dukaten die Kaiserwahl in Frankfurt am Main. Weil er dem Habsburger unter die Arme griff, bekam er und seine Familie mit Adelstitel, einträgliche Privilegien und Landbesitz, denn Karl V. war nicht in der Lage, seinen Schuldenberg abzutragen.

Teure Kriege an mehreren Fronten

Immer wieder wandte sich Jakob Fugger an den Herrscher mit der selbstbewusst vorgetragenen Bitte, die ihm geborgten Gelder samt Zinsen zurückzuzahlen. „Es ist auch wissentlich und liegt am Tag, dass Eure Majestät die Römische Krone ohne mich nicht hätte erlangen mögen, wie ich dann solches mit aller Euer Kaiserlichen Majestät Kommissarien Handschriften anzuzeigen kann“, schrieb der Firmenchef 1523 dem Kaiser und bat ihn, er möge veranlassen, „dass mir solch mein ausliegend Summa Geld samt dem Interesse ohne längeren Verzug entrichtet und bezahlt werde.“ Dazu aber war der in teure Kriege an mehreren Fronten und Religionsstreitigkeiten verwickelte Kaiser nicht in der Lage, und so blieb Jakob der Reichs auf seinen Schulden sitzen. Dessen ungeachtet musste die Familien nicht am Hungertuch nagen, sie hielt sich anderweitig schadlos. Die von Jakob Fugger 1521 in Augsburg gegründete Siedlung für mittellose Bewohner, die so genannte Fuggerei, besteht bis heute und zählt zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt.

Eine neue Gefahr für die bestehende Welt- und Kirchenordnung taucht am Horizont auf. 1517 hatte der Augustinermönch und Professor an der Wittenberger Universität der katholischen Kirche den Fehdehandschuh hingeworfen. In seinen 95 Thesen forderte er sie zu einer grundlegenden Erneuerung auf. Das war ein ungeheuerlicher Dammbruch auf religiösem und ideologischem Gebiet. Da sich Luther des Schutzes mächtiger Landesfürsten mit Friedrich dem Weisen an der Spitze erfreute, wurde er nicht, wie gut einhundert Jahre zuvor der tschechische Kirchenrebell Jan Hus als Ketzer verbrannt, sondern fand auf der Wartburg bei Eisenach Zuflucht und konnte die Bibel in die deutsche Sprache übersetzen. Als neues Medium verbreitete die Buchdruckerkunst die Forderungen nach mehr Freiheit und Gerechtigkeit in Windeseile. Die Ausgebeuteten und Entrechteten fühlten sich durch solche Flugschriften ermuntert, ihren feudalen Ausbeutern mit Feuer und Schwert Paroli zu bieten. Ihr Widerstand erreichte im Bauernkrieg von 1525 den Höhepunkt. Dessen blutige Niederschlagung stärkte die Fürstenherrschaft und tat auch den Geschäften der Fugger und ihresgleichen gut.

Die Gegenreformation marschiert

Nachdem Karl V. die Rechte und Privilegien der Kur- und Reichsfürsten bestätigt hatte, wurde er 1520 in Aachen gesalbt und zum Kaiser gekrönt. Lange konnte er sich in der neuen Würde nicht sonnen, denn überall drohte Gefahr. Da sich Frankreich von den Habsburgern eingekreist fühlte und sich gegen Kaiser und Reich und Spanien zur Wehr setzte, wurde Karl V. in kostspielige Kriege verwickelt, die sich vor allem in Italien abspielten. Seine Söldner brannten 1527 beim „Sacco di Roma“ die Stadt der Päpste nieder und raubten sie aus. Das war ein ungeheuerlicher Vorgang, für den der Kaiser als Mann im Hintergrund nicht zur Rechenschaft und auch nicht in Acht und Bann getan wurde. Die Auseinandersetzung mit König Franz von Frankreich, die zum Teil auch in Italien ausgetragen wurden und zur Zerstörung von Rom im Jahr 1527 führten, verschafften den Kirchenreformern eine Atempause. Viele Fürsten schlugen sich auf Luthers Seite und eigneten sich den reichen Kirchenbesitz an. Die Dinge standen um Kaiser Karl V. in Deutschland insgesamt nicht gut, zumal die mit Macht nach Europa vordringenden Türken abgewehrt werden mussten, was riesige Ressourcen verschlang. Als er sich im Alter nach Spanien zurück zog, marschierte die Gegenreformation und gewann an Zulauf und Einfluss und trat im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) mit Feuer und Schwert auf den Plan mit dem Ergebnis, dass große Teile des Römisch-deutschen Reiches an seinem Ende verwüstet und entvölkert waren. Die zu den Neufürsten aufgestiegenen Fugger hatten da schon ihren Zenit an Macht und Finanzkraft überschritten und richteten ihr Augenmerk auf den Erwerb von Schlössern und Landbesitz.







31. Juli 2023