„Polizeigewahrsam der besonderen Art“
Topographie des Terrors dokumentiert grausige Geschichte des Berliner Gestapo-Gefängnisses



Die Topographie des Terrors wurde 2010 in Sichtweite des Martin-Gropius-Baus, des Abgeordnetenhauses und des ehemaligen Reichsluftfahrtministeriums und heutigen Bundesfinanzministeriums eröffnet. Von den Bauten aus dem 19. Jahrhundert und danach sind im Außenbereich der Topographie des Terrors nur wenige Mauerreste erhalten. An der ehemaligen Mauer entlang der Niederkirchnerstraße sind die durch Dächer geschützten Mauern und Fundamente der früheren Gestapozentrale in die Freiluftausstellung einbezogen. Über die Verbrechen, die in der ehemaligen SS- und Gestapozentrale geplant und begangen wurden, berichtet eine Freiluftausstellung.





Die neue Sonderausstellung über das Gestapogefängnis zeigt zahlreiche Fotografien und Reproduktionen von Dokumenten und Erinnerungsberichten von Menschen, die das Naziregimes überstanden hatten.



In der Dauerausstellung und Sonderschauen aber auch in der Bibliothek und Vortragsveranstaltungen kann man sich umfassend über die Nazidiktatur und ihre Verbrechen informieren.



Das 2005 eingeweihte Denkmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Juden Europas unweit des Brandenburger Tors, das Gleis 17 auf dem Bahnhof Grunewald und viele andere Erinnerungsstätten in Berlin ehren die Opfer des Holocausts und klagen die Täter an.



Ein leerer Tisch, ein stehender und ein umgestürzter Stuhl – drei verlassene Möbelstücke auf einem Parkettfußboden, alles aus Bronze auf Koppenplatz in Berlin-Mitte für die verschleppten und ermordeten Juden Berlins hat der Bildhauer Karl Biedermann viel Lob bekommen.



Im Berliner Zuchthaus Plötzensee ließ das NS-Regime viele seiner Gegner hinrichten. Vor den Fenstern in dem alten Backsteingebäude sind unter der Decke Eisenträger mit Haken angebracht, an denen die zum Tode verurteilten Gegner des Naziregimes, aber auch Kriegsgefangene und andere Menschen aufgeknüpft wurden. Hier verrichtete der Henker auch mit dem Fallbeil seine grausige Arbeit.



Vom Gleis 17 den Bahnhofs Grunewald wurden 55 000 Berliner Juden nach Auschwitz und in andere Vernichtungslager deportiert und ermordet. Die Stätte wurde vor einigen Jahren in einem Gedenkort umgestaltet und nennt die Eisenbahnzüge und die Zahlen der zum Tod im Gas bestimmten Menschen.



Das zusammengeschnürte Menschenbündel und ein Eisenbahnwaggon erinnern in der Gedenkstätte Levetzowstraße an die Verfolgung und Ermordung Berliner Juden durch die Nationalsozialisten.



Politiker, Hinterbliebene und andere Personen erinnern sich stets am 20. Juli des gescheiterten Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944. Der Gefesselte stand bis zur Umgestaltung der Gedenkstätte um 1980 auf einem Sockel. Wer die Gedenkstätte an der Stauffenbergstraße besucht, wird umfassend über den Widerstand im Nationalsozialismus und was mit den Gegnern des Hitlerregimes geschah informiert.(Fotos: Caspar)

Das Hotel Prinz Albrecht in der Prinz-Albrecht-Straße sowie das von Schinkel im frühen 19. Jahrhundert klassizistisch ausgestaltete Prinz-Albrecht-Palais Wilhelmstraße 102 gehörten als Sitz des Sicherheitsdienstes der SS sowie des von Reinhard Heydrich beziehungsweise Ernst Kaltenbrunner geleiteten Reichssicherheitshauptamtes zu den schrecklichsten Adressen in Hitlers KZ-Staat. Im Sommer 1933 richtete die Gestapo im Südflügel des Hauses Prinz-Albrecht-Straße 8 ihr eigenes Gefängnis ein. Wie es im Kellergeschoss der ehemaligen Kunstgewerbeschule zuging und wer dort gefoltert und ermordet wurde, schildert die Topographie des Terrors in einer bis 12. November 2023 laufenden Sonderausstellung.

Erste Station eines langen Leidensweges

Die meisten Häftlinge im so genannten Hausgefängnis waren Gegner des Naziregimes, von deren Vernehmung sich die Gestapo-Schergen besondere Erkenntnisse versprachen. Zahlreiche Männer und Frauen des deutschen Widerstands, aber auch Ausländer waren den brutalen Verhören ausgesetzt, manche begingen Suizid. Schätzungen gehen davon aus, dass von 1933 bis 1945 mindestens 15 000 Menschen im Hauptquartier der Gestapo inhaftiert waren. Für die meisten stellte das Gefängnis nur eine, häufig die erste Station eines langen Leidenswegs durch Haftanstalten und Konzentrationslager des so genannten Dritten Reichs dar. Viele Menschen überlebten die ihnen zugefügten Torturen im „Polizeigewahrsam der besonderen Art“ nicht, wie die Folterhölle unweit von Hitlers Reichskanzlei von den Nazischergen genannt wurde.

Die Ausstellung schildert, wie Kommunisten und Sozialdemokraten, Mitglieder der Bekennenden Kirche, Angehörige von Widerstandsgruppen und weitere Gefangene tage- und wochenlang verhört und gequält wurden. Viele Häftlinge überlebten die Gestapohaft nicht, und wenn sie lebend herauskamen, trugen sie schwere gesundheitliche und psychische Schäden davon. „Von meiner Zelle aus hörte ich fürchterliche Schreie, sie kamen aus einem der oberen Stockwerke und dauerten oft lange an, gingen in ein Wimmern über, wurden wieder laut, so dass für mich kein Zweifel bestand: Dort oben werden Menschen schwer misshandelt. [...] Das ständige Hungergefühl, die Fesselung Tag und Nacht, das Licht, das so eingestellt war, dass es nachts direkt in das Gesicht des Häftlings strahlte, sorgten für einen ständigen Druck, der durch die stundenlangen Verhöre und die Furcht vor direkten körperlichen Misshandlungen noch gesteigert wurde. Selbstverständlich haben die SD-Leute nach dem Krieg weitgehend abgestritten, jemals ,gefoltert’ zu haben“, erinnerte sich der Rechtsanwalt und Insasse des Hausgefängnisses in der Prinz-Albrecht-Straße Josef Müller, der mehrere Konzentrationslager überlebte und nach dem Krieg ein führender bayerischer Politiker war. Ähnlich grauenvolle Erlebnisse sind auch von anderen Häftlingen überliefert.

Ort der Opfer und der Täter

Unter der Leitung des Reichsführers SS und obersten Polizeichefs, Heinrich Himmler, wurde auf dem Gelände generalstabsmäßig die Ermordung der europäischen Juden und aller anderen Menschen vorbereitet und gesteuert, die von den Nationalsozialisten zu wegen angeblicher rassischer Minderwertigkeit und wegen oppositioneller Tätigkeit zu Volksfeinden und Untermenschen erklärt wurden. Überdies wurden Hitlers Untertanen und die Bewohner der okkupierten Länder durch ein umfangreiches System von Spitzeln überwacht. Außerdem planten hier die Massenmörder in der schwarzen SS-Uniform die Eroberung und Besiedlung neuer Lebensräume, wie man im NS-Jargon sagte, die Versklavung ganzer Völkerschaften sowie die Neuordnung Europas nach dem deutschen „Endsieg“, der zu unser aller Glück nicht erreicht wurde.

Die Topographie des Terrors gehört zu den am meisten beachteten und besuchen Dokumentationen in Berlin über die Zeit des Nationalsozialismus und seine Verbrechen. Es fällt schwer sich vorzustellen, welche Gebäuden auf dem Gelände an der ehemaligen Prinz-Albrecht-Straße, der heutigen Niederkirchnerstraße, gestanden haben und was dort geschehen ist. Von den repräsentativen Häusern aus dem 19. Jahrhundert ist bis auf wenige von Archäologen ausgegrabenen und denkmalpflegerisch gesicherten Mauern nichts übrig geblieben. Die freigelegten Grundmauern und Kellerwände machen darauf aufmerksam, dass hier ein Ort der Opfer und der Täter ist.

Hauptquartier des KZ-Staates

Nach 1945 gab es im Westteil der Viersektorenstadt wenig Interesse, das durch Beschuss und Bombentreffer beschädigte Hauptquartier des KZ-Staates zu erhalten. Abräumen und Gras drüber, lautete die Parole in einer Zeit, da man sich ungern der braunen Vergangenheit erinnerte und ehemalige Nazigrößen, sofern sie nicht von der Justiz belangt wurden, in vielen Bereichen von Staat und Gesellschaft, von Kultur und Wissenschaft nach dem Motto „Mein Kampf verbrannt, Hitler nicht gekannt“ weiter machen konnten, als sei nichts geschehen. Das Gebiet in unmittelbarer Nähe zur Mauer zwischen dem Ostberliner Bezirk Mitte und dem Westberliner Bezirk Kreuzberg geriet in Vergessenheit. Erst im Vorfeld der 750-Jahrfeier Berlins 1987 erinnerten geschichtsbewusste Bürger daran, dass auf dem mittlerweile von Büschen überwucherten Gelände an der Wilhelmstraße schreckliche Geschichte geschrieben wurde. Der Bau eines Gedenkortes wurde nach vielen Querelen und Umplanungen erst 2010 in Gestalt der Topographie des Terrors zum glücklichen Ende gebracht.

Zahlreiche Schriftstücke, Fotos, Plakate und andere Sachzeugen schildern in der Dauerausstellung sowie in wechselnden Ausstellungen, wie das KZ- und Gestaposystem funktionierte, wer die Täter an den Schreibtischen, in den Gerichtssälen, an den Erschießungsgräben und den Gaskammern waren. Die Topographie des Terrors ruft ferner die massive Indoktrination der so genannten Volksgenossen durch die Nazi-Propaganda und ihre Abstumpfung gegenüber dem Leid, das den aus der so genannten Volksgemeinschaft ausgestoßenen und zu Staatsfeinden abgestempelten Juden, Sinti und Roma sowie andere Bevölkerungsgruppen zugefügt wurde. Dargestellt wird auch, dass den wenigsten Mördern sowie Naziideologen und -propagandisten nach dem Untergang der Hitlerdiktatur etwas geschehen ist und dass manche von ihnen in der jungen Bundesrepublik sogar zu hohen Ämtern aufsteigen konnten.

Erinnerungen werden wach gehalten

Zahlreiche Gedenkstätten, Mahnmale, Dokumentationszentren, aber auch Tafeln an Hauswänden und Stolpersteine aus Messing vor Wohnhäusern halten in Berlin die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten und an diejenigen wach, die ihren Widerstand mit ihrem Leben, Gesundheit und Freiheit bezahlen mussten. Bekannte und viel besuchte Adressen sind außer der Topographie des Terrors die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in der Stauffenbergstraße, die Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannseekonferenz am Großen Wannsee, die Hinrichtungsstätte am Hüttigpfad in Plötzensee, das Gleis 17 am Bahnhof Grunewald und ein Stück Bahngleis in der Nähe der Putlitzbrücke, von denen Berliner Juden in die Konzentrations- und Vernichtungslager und damit in den Tod transportiert wurden. Zu nennen sind ferner die Neue Synagoge an der Oranienburger Straße, die Neue Wache Unter den Linden als zentraler Ort des Gedenkens an die Opfer von Kriegen und Gewaltherrschaft, das Mahnmal an die von den Nazis ermordeten Kranken und Schwachen in der Tiergartenstraße unweit der Philharmonie, der Brunnen in der Nähe des Reichstagsgebäudes, der die ermordeten Sinti und Roma ehrt, sowie die Gedenkstätten am Rand des Tiergartens und am Magnus-Hirschfeldufer im Ortsteil Moabit, der an die Opfer der Homosexuellenverfolgung durch die Nationalsozialisten erinnert. Auch in der Synagoge an der Fasanenstraße sowie den Kirchen Maria Regina Martyrum am Heckerdamm und Sühne Christi an der Toeplerstraße sind die Verbrechen unvergessen, die zwischen 1933 und 1945 geschehen sind. Auf verschiedenen Friedhöfen wird durch Skulpturen und Tafeln an die Toten des Zweiten Weltkriegs erinnert, es gibt außerdem Gebäude und Gedenkstätten sowie unzählige in den Straßenboden versenkte Stolpersteine aus Messing, die die Erinnerung an die ermordeten Juden, Sinti und Roma sowie weitere nicht ins Weltbild der Nationalsozialisten passende Menschen wach halten.

12. Juni 2023