„Immer fröhlich, niemals traurig“
Preußens Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. verzieh Paul von Gundling eine versuchte Fahnenflucht / Lustige Räte auch in Dresden



Paul von Gundling wurde wider Willen zum Gespött gemacht. Grafiken und Gemälde zeigen ihn als aufgeblasenen Gockel und Trunkenbold. Teufel, Hasen und Affen charakterisieren ihn als ängstlichen Menschen ohne Moral, Würde und Anstand.





Das Gemälde aus dem frühen 18. Jahrhundert im Schloss Königs Wusterhausen und die Grafik aus dem frühen 18. und dem 19. Jahrhundert schildern das Tabakskollegium Friedrich Wilhelms I., bei dem Gundling derben Späßen ausgesetzt war.



Die borussische Geschichtsschreibung schilderte den in seine Soldaten vernarrten König Friedrich Wilhelm I. als frommen und biederen Herrscher. Er hatte aber sehr unangenehme, despotische Charakterzüge und machte auch der eigenen Familie durch despotische Verhaltensweisen das Leben schwer.





Beim königlichen Tabakskollegium wurde das mit 688 brandenburgischen Talern und 46 Medaillen verzierte Bierfass benutzt, das heute im Schloss Königs Wusterhausen ausgestellt ist, in dem Friedrich Wilhelm I. zur Sauf- und Rauchsitzung einlud. Dort kann man im Gebälk auch die in Holz geschnitzten Bildnisse des zum Hofnarren erniedrigten Gelehrten, dem man einen Bären aufgebunden hat, und seines Kollegen Fassmann betrachten.



Gundlings bunt bemaltes Epitaph ist in der Dorfkirche gegenüber dem Krongut Bornstedt bei Potsdam erhalten. Hier hat der Soldatenkönig 1731 seinem Hofnarren einen letzten Fußtritt verpasst.





Johann Fröhlich und Gottfried Schmiedel bildeten in Dresden als lustige Räte ein drolliges Paar, dessen von Johann Gottlieb Kirchner und Johann Joachim Kändler geschaffenen Porzellanbüsten im Dresdner Zwinger zu sehen sind.



Am Ort des früheren Narrenhäusels nahe der Augustusbrücke zieht Fröhlich den Schleier von Affen und einem Schwein und entzaubert so die Hofgesellschaft, die er zum Lachen brachte, ihn selber aber verachtete. Das Bronzedenkmal wurde 1978 von Heinrich Apel geschaffen. Die Inschrift lautet SEMPER FRÖHLICH, NUMQUAM TRAURIG (Immer fröhlich, niemals traurig). (Fotos/Repros: Caspar)

Kein Fürstenhof ohne Hofnarren - das war in feudalen Zeiten ein ehernes Gesetz. Für Hofnarren galt die Narrenfreiheit, die es ihnen ermöglichte, ungestraft Kritik an den bestehenden Verhältnissen und Personen ihrer Umgebung zu üben und sie zu parodieren. Sie sollten ihren Herrn und Arbeitgeber daran erinnern, nicht der Sünde und Lust zu verfallen und sich bewusst sein, dass auch ihr Leben endlich ist und sie alles tun sollten, es gottgefällig zu führen. Was sie sagten, musste man nicht ernst nehmen, denn sie kamen ja aus dem Mund von „Narren“. Diese hatten zwar die viel gepriesene Narrenfreiheit, durften aber mit ihren Späßen nicht zu weit gehen und mussten alles unterlassen, was als Beleidigung und Verunglimpfung klang. So war das, was Hofnarren taten, sagten und spielten so etwas wie der Ritt auf der Rasierklinge. Sie konnten jederzeit die Gunst ihrer Herren verlieren und standen dann allein und mittellos da. Wer also die Rolle eines solchen Mahners u n d Spaßmachers freiwillig oder gezwungen spielte, war großer Willkür ausgesetzt und konnte sich ihr, wenn es hart aus hart kam, nur durch Flucht entziehen, wusste aber nicht, ob er an einem anderen Ort in ähnlicher Weise weiter machen konnte.

Kluger Mann ohne Chance

Paul von Gundling, der wohl bekannteste Narr am Hof des preußischen Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., versuchte es im frühen 18. Jahrhundert und bekam dessen ganze Verachtung zu spüren, blieb aber im Unterschied zu anderen Deserteuren am Leben. Gundling war zu Zeiten des preußischen Königs Friedrichs I. ein geachteter Gelehrter, der sich mit Büchern über die Geschichte der Mark Brandenburg und des Kurstaates einen Namen gemacht hatte. Da aber der 1713 auf den Thron gelangte Friedrich Wilhelm I. aus tiefem Herzen alles verachtete, was mit höherer Bildung und Kultur zu tun hatte, und die Arbeit der anno 1700 auf Initiative des großem Universalgelehrten und Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz gegründeten Preußischen Akademie der Wissenschaften zum Erliegen brachte, hatte ein kluger Mann wie Grundling keine Chance. Der in seine Soldaten, namentlich in seine Langen Kerls, verliebte König hielt Wissenschaften und Künste für unnötigen Firlefanz, sofern sie nicht dem Staat, der Wirtschaft und der Armee dienlich sind. Er schreckte auch nicht davor zurück, seinem Sohn und Nachfolger Friedrich (II.) brutal das Vergnügen streitig zu machen, im Reiche der Literatur und Musik Trost zu suchen.

Der mit wohlklingenden Titeln ausgestattete Gundling war unter Friedrich I. ein geachteter Lehrer an der Berliner Ritterakademie, Rat beim königlichen Oberheroldsamt und Hofhistoriograph. Nachdem der Nachfolger Friedrich Wilhelm I. diese Dienststellen aufgelöst hatte, wandte er sich, arbeitslos geworden, dem Alkohol zu und war häufiger Gast in Berliner Schenken und Spelunken,. Dort soll er nicht bemerkt haben, wie sich die Gäste über ihn lustig machten und ihn zu Freibier und anderen Gefälligkeiten animierten. Die Wirte sahen Gundling nicht ungern, denn seine Anwesenheit lockte Kunden an, was für den Umsatz gut war.

Vorleser und Spaßmacher

Gundlings Popularität kam dem König zu Ohren, er brauchte einen witzigen Unterhalter und Vorleser und befahl den inzwischen etwas heruntergekommenen Professor zu sich ins Tabakskollegium. Bei deftiger Kost und viel Alkohol vergnügte sich Friedrich Wilhelm I. im Beisein seiner adligen Saufkumpane mit derben Späßen und gelegentlicher Austeilung von Prügel, die Gundling tapfer ertrug. In dieser Gesellschaft fühlte sich der Monarch als Oberst unter seinen Offizieren. Er verlangte von seinen Gästen, dass sie sich kräftig an den Gemeinheiten gegenüber dem dienstverpflichteten Hofnarren beteiligen, und wer sich wie Kronprinz Friedrich, der spätere Friedrich der Große, abseits hielt, bekam den Zorn des Königs zu spüren. Für den Soldatenkönig war es kein Widerspruch, regelmäßig in die Kirche zu gehen und zu beten, ja auch Kirchen bauen zu lassen, und gleichzeitig seine Untertanen zu bevormunden und zu kujonieren.

In dieser Runde von Säufern und Rauchern wurde Gundling mit Bier und Wein traktiert, und wenn er bei klarem Verstand war, musste er der trunk- und sangesfreudigen Gesellschaft aus Zeitungen vorlesen und sie mit allerhand Schnurren unterhalten, was eigentlich unter seinem Niveau war. Bezahlt wurde Gundling nicht allzu üppig, aber wie Chronisten erzählen, war es ihm wohl noch wichtiger, sich gratis der alkoholischen Schätze seines königlichen Herren zu bedienen. Während der Hofnarr mit akademischer Vergangenheit auf der einen Seite vom König mit äußerlichen Ehren überhäuft wurde, musste er in geradezu üppiger Kostümierung unter einer riesigen, geradezu lächerlichen Perücke (die der König so verachtete) auftreten. Mit hohlen Titele eines Oberzeremonienmeisters, Präsidenten der Akademie der Wissenschaften und Oberfinanzrats ausgestattet, war er genötigt, üble Scherze und Handgreiflichkeiten über sich ergehen lassen.

Im Weinfass begraben

Die Quälerei durch mächtige Zeitgenossen und seine unbeholfenen Reaktionen darauf machten Gundling systematisch kaputt. In seiner Verzweiflung suchte der Erniedrigte, Beleidigte und gelegentlich Verprügelte 1716 das Weite. Doch wurde er von den Häschern des Königs im preußischen Halle an der Saale gefasst, wo sein Bruder an der Universität als Professor lehrte, und wieder nach Potsdam gebracht. Friedrich Wilhelm I. war zufrieden, denn er mochte ohne die Gesellschaft seines „lustigen Rats“ nicht leben und verzieh ihm seine Desertion. Im Falle seines fahnenflüchtigen Sohns Friedrich (II.) war er nicht so nachsichtig. Gegen ihn und seinen Freund Hans Hermann von Katte strengte er im Schloss Köpenick einen Prozess wegen Fahnenflucht an, der für Katte tödlich und für den Kronprinzen mit der Verbannung erst nach Neuruppin und dann nach Rheinsberg endete, wo er seine wohl schönsten Jahre verlebte.

Um der Eitelkeit des tief getroffenen Gelehrten zu schmeicheln und ihn noch weiter zu erniedrigen, erhielt dieser vom König den Titel eines Freiherrn und bekam die Würde eines Kammerherrn. Doch viel Freude an seinem Leben zwischen Glanz und Abgrund hatte der zum Hofnarren erniedrigte Gelehrte nicht. In einen widerlichen Streit mit einem anderen Hofnarren namens David Fassmann verwickelt und von diesem in üblen Pamphleten beleidigt und lächerlich gemacht, endete das Leben des Hofnarren am 11. April 1731 im Potsdamer Stadtschloss. Wie um Gundling zum letztenmal zu entwürdigen, ließ der König den Leichnam in ein Weinfass betten und in der Gruft der Kirche zu Bornstedt bei Potsdam bestatten. Dabei hielt der verhasste Fassmann die Leichenpredigt hielt, die evangelische Geistlichkeit aber dem unwürdigen Spektakel den Segen verweigerte. Die Inschrift auf dem ungewöhnlichen Sarg lautete: „Hier liegt in seiner Haut / Halb Schwein, halb Mensch, ein Wunderding, / In seiner Jugend klug, in seinem Alter toll, / des Morgens klug, des Abends toll und voll. / Bereits ruft Bacchus laut: / Das teure Kind heißt Gundeling.“ Paul von Gundlings Beispiel lehrt, wie dünn die Luft in der Umgebung der Mächtigen sein kann und dass man sich ihrer Gunst nicht immer sicher sein kann.

Graf Saumagen bei August dem Starken

Am Hof des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs Friedrich August I./August III., besser bekannt als August der Starke, unterhielt Hofnarr Johann Fröhlich die vornehme Gesellschaft mit derben Späße und Scherzen sowie Spottgedichten und setzte sie mit allerhand Taschenspielertricks in Erstaunen, wofür er den Titel eines Königlich-Kurfürstlichen Hoftaschenspielers und zum „Grafen Saumagen“ ernannt wurde. Als August der Starke am 1. Februar 1733 starb, behielt Fröhlich seinen Posten und bezog auch weiterhin sein Gehalt. 1754 erhielt Fröhlich eine königliche Hofmühle in Marienmont bei&xnbsp;Warschau&xnbsp;auf Lebenszeit, blieb aber in Dresden und ließ sich 1755 nahe der Augustusbrücke ein stattliches Wohnhaus bauen, das im Volksmund Narrenhäusel genannt und 1938 in eine Gaststätte umgebaut wurde. Im Februar 1945 bei den Luftangriffen auf Dresden schwer beschädigt, wurde es später abgerissen. Ein Neubau in alter Form ist geplant. Fröhlichs bis heute anhaltende Popularität hat nicht nur mit seinen Späße zu tun, sondern auch mit große Mildtätigkeit gegenüber Armen. Ihm wird ein „Politischer Kehraus“ genanntes Buch zugeschrieben, in dem er mit der Obrigkeit abrechnete, aber mit den Sachsen allgemein, die sich deren Knechtschaft gefallen lässt.

24. Januar 2024