Liebestoller König musste Krone abgeben
Ursachen für den Rücktritt Ludwigs I. von Bayern vor 175 Jahren waren alles andere als ehrenvoll





König Ludwig I. von Bayern ging als ein vom „Bauwurm“ befallener, aber auch liebestoller Herrscher in die Geschichte ein.



Ausgesprochen kostspielig gestaltete sich das „griechische Abenteuer, in das sich der von einer Art Philhellenismus befallene Ludwig I. einließ, als er es 1832 erlaubte, dass sein erst 17jähriger, politisch ganz und gar unerfahrener Sohn Otto zum König von Griechenland gemacht wurde, weil andere Fürstensöhne dankend abgelehnt hatten. Der Geschichtstaler von 1832 feiert den Abschied des Prinzen aus seiner bayerischen Heimat.



Laut rufend und Steine werfend gaben die erbosten Münchner ihrer Wut über Ludwigs absolutistischen Allüren Ausdruck, zu sehen auf Bilderbogen vom Jahr 1848. Eigentliche Herrscherin in Bayern ist Lola Montez, lautet die Botschaft der Karikatur. Ihr vor Angst zitternder Geliebter muss vor ihren Thron getragen werden.





Lola Montez reitet, vom verliebten König gekrönt, auf dem mageren bayerischen Löwen. Nach ihrem Sturz verschönern Soldaten ihren Rauswurf aus München.





Der Geschichtstaler von 1826 würdigt den Regierungsantritt Ludwigs I. Auf dem seltenen Exemplar von 1848 übergibt er die Krone seinem Sohn Maximilian II., der bis 1864 regierte.



Dass es unter den bayerischen Königen von Maximilian I. Joseph bis Otto zahlreiche Skandale gab, lassen die Postkarten nicht erkennen. Als ob Ludwig II. im Wald an den Insignien seines Königtums vorbei reitet oder sich als Gralsritter im Boot von Schwänen ziehen lässt – kein Kitsch war zu dick aufgetragen, als dass man ihn nicht unters Volk gebracht hätte.



Die merkwürdige Liebe des homosexuell veranlagten Ludwig II. zu Richard Wagner und seiner Musik und seine teuren Protzbauten führten zu seiner Entmündigung und endete 1886 im Wasser des Starnberger Sees. (Fotos/Repros: Caspar)

Den seit Jahrhunderten in Bayern herrschenden Wittelsbacher gelang 1806 eine spektakuläre Standeserhöhung. Kurfürst Maximilian Joseph, der sich der Gnadensonne des französischen Kaisers Napoleon I. erfreute, wurde König und ließ sich mit Majestät ansprechen. Ihm taten es der sächsische Kurfürst Friedrich August III. nach, der sich als König den Namen Friedrich August I. zulegte, sowie Kurfürst Friedrich I. von Württemberg, genannt der Dicke. Dass die drei Könige und andere Fürstlichkeiten bis zu den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 unbeirrt zu Europas starkem Mann gehalten hatten, wurde ihnen nach dessen Abgang aus der europäischen Geschichte nicht weiter verübelt. Man sprach ungern über die freundschaftlichen, ja familiären Beziehungen zwischen München, Dresden , Stuttgart und anderen Residenzen sowie dem fernen Paris und ging peinlichen Fragen zu Napoleon I., dem ehemaligen Freund, aus dem Weg, der 1821 auf der fernen Insel Sankt Helena starb.

Von der Bauwut befallen

Am 12. Oktober 1810 heiratete Bayerns Kronprinz Ludwig, der spätere König Ludwig I., Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen. Die Festlichkeiten, zu denen nach altem Brauch auch die Münchner Bürger eingeladen waren, fanden auf einer Wiese vor den Toren der Stadt statt. Zu Ehren der Braut erhielt die Brache den Namen Theresienwiese. Den Abschluss der Feierlichkeiten bildete ein Pferderennen, das in Anwesenheit der königlichen Familie als Fest für ganz Bayern gefeiert wurde. Unverkennbar war der politische Hintergrund, denn König Maximilian I. Joseph hatte das Bedürfnis, gegenüber Frankreich Autonomie zu demonstrieren und das neue Königreich unter seiner Krone zu einen. Durch den Beschluss, das Rennen im folgenden Jahr zu wiederholen, entstand die Tradition des Oktoberfestes im Schatten der riesigen Bavaria. Die im Auftrag von Ludwig I. von Ludwig Schwanthaler geschaffene bayerische Symbolfigur aus türkischer Kanonenbronze wurde 1850 mit großem Pomp enthüllt.

Ludwig I. bestieg 1825 nach dem Tod seines Vaters den Thron in München. Der schwerhörige, zudem noch sprachbehinderte und pockennarbige Monarch machte sich einen Namen durch seine großartige Bauwerke im griechischen Stil, mit denen er seine Untertanen zu beglücken suchte. Die Prunk- und Protzbauten aber haben die Untertanen ihrem Herrscher schlecht vergolten. Viele sahen in seiner Bauwut nichts als Geldverschwendung, und in der Tat hat Ludwig I. die Taschen seiner meist in ärmlichen Verhältnissen lebenden und in Unwissenheit gehaltenen Bayern zur Befriedigung seiner Leidenschaften geplündert, ähnlich wie es später sein Enkel, „Märchenkönig“ Ludwig II., mit seinen Residenzen tat.

Von Gott gezeichnetes Scheusal

Ludwig I. war keineswegs der mildtätige Musensohn, der für sein Volk nur das Beste wollte, was immer man darunter verstand. Wie es diesem ergeht und woher das Geld für seine Bauten und Unternehmungen kommt, war ihm egal. Und so konnte es kommen, dass Georg Büchner, der Namensgeber des bedeutendsten Literaturpreises in Deutschland, ihn 1834 so beschrieb: „Sehet an das von Gott gezeichnete Scheusal, den König Ludwig von Baiern, den Gotteslästerer, der redliche Männer vor seinem Bilde niederzuknien zwingt und die, welche die Wahrheit bezeugen, durch meineidige Richter zum Kerker verurteilen lässt; das Schwein, das sich in allen Lasterpfützen von Italien wälzte, den Wolf, der sich für einen Baals-Hofstaat jährlich für immer jährlich fünf Millionen verwilligen lässt.“

Die Protektion, die der in etliche Affären verwickelte Vater unehelicher Kinder, freilich schon in die Jahre gekommene Ludwig I. seit 1846 der Tänzerin Lola Montez zukommen ließ, wurde von der Münchner Gesellschaft und den einfachen Leuten als unwürdig und anrüchig empfunden. Doch alle Kritik an dem unschicklichen, aber in fürstlichen Kreisen nicht unüblichen Verhältnis verhallte, solange der König seine Hand schützend über als Schönheit gepriesene Dame hielt. Dessen ungeachtet aber waren zahlreiche Flugblätter gegen die aus Irland stammende Abenteurerin im Umlauf. Es gab sogar ein „Lola-Montez-Vaterunser“, in dem die Tänzerin eine Kanaille und Hure genannt wird, ein Teufel ohne Hörner und Schweif. Das Gebet fordert dazu auf, sie mit Steinen zu bewerfen und sie zu massakrieren. Natürlich galten die Schmährufe indirekt auch dem autoritär regierenden König, der Elizabeth Rosanna Gilbert, so ihr eigentlicher Name, wegen der Etikette zur Gräfin Marie von Landsfeld erhob. Als Studenten gegen die Montez demonstrierten, ließ der darob erboste Monarch die Universität schließen, was Gastwirte, Zimmervermieter, Brauer und andere Leute auf den Plan rief, die vom studentischen Leben profitierten. Am Ende musste der auch von seiner eigenen Entourage in die Enge getriebene Monarch einlenken und die Tänzerin aus München ausweisen. Größer konnte die Blamage für den so sehr auf sein Renommee bedachten Monarchen nicht sein!

Versprechen für bessere Zukunft

Um Dampf aus dem Kessel zu lassen, kam der König in seiner Proklamation vom 6. März 1848 den Forderungen der Bevölkerung entgegen. Er versprach, ähnlich wie andere durch die revolutionären Ereignisse in Zugzwang geratene Bundesfürsten, die Liberalisierung der Verfassung, die Ministerverantwortlichkeit und Pressefreiheit, eine neue Wahlordnung für die Ständeversammlung, die Einführung der Öffentlichkeit und Mündlichkeit in der Rechtsprechung, sowie die umfassende Sorge für die Staatsdiener und die Verbesserung der Lage der jüdischen Untertanen. Angekündigt wurden außerdem die Vereidigung des Heeres auf die Verfassung und die Reform der Polizeigesetze. Am 20. März 1848, zwei Tage nach dem Ausbruch der Revolution in Berlin, sah sich Ludwig I. zur Übergabe seiner Krone an seinen Sohn Maximilian II. genötigt.

Die Beweggründe für diesen spektakulären Schritt, vor allem die ehrenrührige Affäre mit Lola Montez, und das Ausbleiben von Reformen, die diesen Namen verdienen, waren Gründe für den Rücktritt, wurden aber nicht. An jenem Tag wurde der Bierpreis von viereinhalb Kreuzer auf vier Kreuzer herabgesetzt, und so waren die Münchner zufrieden und muckten nicht wie in anderen Ländern auf. „Auch vom Throne herabgestiegen, schlägt glühend mein Herz für Bayern, für Teutschland“, ließ der entmachtete Monarch sein Volk wissen. Was als Privatangelegenheit mit der Affäre zwischen einem alten Mann und einer schönen Tänzerin begann, weitete sich zu einer, wie man sagte, veritablen Haupt- und Staatsaktion aus, über die man sich an deutschen und europäischen Höfen das Maul zerriss. Ohne den Schutz ihres Geliebten floh Lola Montez unter den Augen der aufgebrachten Bevölkerung in die Schweiz und lebte dort herrlich und in Freuden. Ludwig I. lebte als Privatmann noch bis 1868, doch da saß bereits sein Enkel, der „Märchenkönig“ Ludwig II., auf dem Thron in München.

Trachten, Volkstanz, Schützenvereine

Maximilian II., der nach eigener Aussage liebend gern Gelehrter geworden wäre als seine Bayern zu regieren (vergleichbar mit Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, der es sicher zu einem guten Architekten gebracht hätte), setzte einige Reformen durch, die sein Vater entweder versäumt oder bewusst torpediert hatte. Maximilian II. versuchte, des revolutionäre Zeitgeistes Herr zu werden, indem er einer rückwärts gewandten, auf Trachten, Volkstanz und Schützenvereine gerichtete Politik betrieb und das bayerische „Nationalgefühl“, was immer man darunter verstand, förderte und sich dabei auch kirchlicher Hilfe bediente. Historiker bescheinigen dem Monarchen geringes Interesse an der Lösung der auch in Bayern brennenden soziale Fragen und der „Erhebung“ des Proletariats aus ihrer von Armut, Elend sowie Arbeits- und Perspektivlosigkeit geprägten Lage. In dieser Haltung unterschied sich der Bayernkönig nicht von seinen fürstlichen Standesgenossen, die immer dann Soldaten und Polizisten in Marsch setzten, wo immer sie die Flamme des Aufruhrs flackern sahen.

Teure Schlossbauten und Verehrer Richard Wagners

Maximilian II. starb am 10. März 1864 im Alter von nur 53 Jahren. Sein Sohn und Nachfolger Ludwig II. ging nicht nur durch seine teuren Schlossbauten, sondern auch als großer Verehrer von Richard Wagner in die Geschichte ein. Die durch enthusiastische Briefe und erhebliche Geldzuwendungen dokumentierte Freundschaft wurde von den Zeitgenossen misstrauisch und als geradezu krankhaft missbilligt. Als das auf Wagners Bitte erbaute Festspielhaus in Bayreuth am 13. August 1876 mit dem „Ring des Nibelungen“ eröffnet wurde, war der menschenscheue Monarch anwesend. In Geldnot geraten, ließ sich Ludwig II. Anfang 1871 herab, im Namen der deutschen Bundesfürsten den so genannten Kaiserbrief an den preußischen König Wilhelm I. zu schreiben mit der Bitte, die Würde eines deutschen Kaisers anzunehmen. Reichskanzler Otto von Bismarck, der den Deal eingefädelt hatte, entlohnte den König von Bayern mit der enormen Summe von fünf Millionen Mark. Zehn Jahre später ertrank der königliche Einsiedler, von seinen Ministern für nicht regierungsfähig erklärt und im Schloss Berg interniert, mit dem Arzt Dr. Bernhard von Gudden unter nie ganz geklärten Umständen im Starnberger See. Die damals als viel zu teuer, unnötig und monströs verdammten Schlösser Ludwigs II. mit Neuschwanstein und Herrenchiemsee an der Spitze gehören zu den besonderen Sehenswürdigkeiten des Freistaats Bayern und tragen diesem viele Millionen Euro ein.

Geschichtstaler feiern heile Welt

Aus dem Einerlei deutscher Münzprägung im 19. Jahrhundert ragen die bayerischen Geschichtstaler heraus. Sie feiern eine heile Welt, wie ihr Initiator, Ludwig I., sah und sehen wollte. Die Geschichtsmünzen müssen sehr beliebt gewesen sein. Schon 1834 heißt es in einer „Bayerns Ehrenbuch“ genannten Veröffentlichung von G. Krämer über die ersten, von Carl Voigt gestalteten Gedenkausgaben König Ludwig I. von Bayern: „Die Reihe solcher Geschichts-Conventions-Thaler und Denkmünzen, die bereits aus der Königlichen Münzstätte zu München hervorgingen, bieten eine Erscheinung dar, wie sie gegenwärtig im ganzen Gebiet der Münzen kein anderer Staat aufzuweisen vermag. […] So bedeutend auch die Massen sind, in welchen die Geschichs-Thaler in der Königlichen Münze ausgeprägt und von da aus zahlreich verbreitet wurden, so kommen sie doch bis jetzt im täglichen Verkehr noch selten vor, - der Beweis, wie ganz besonders werth sie von ihrem jedesmaligen Besitzer gehalten werden; aber nichts desto weniger erreichen sie doch ihren Haupt-Zweck bei der lebenden Generation: den edlen Stolz der Nation auf solche Ehren-Monumente ihrer Tugend lebendig zu erhalten und zu nähren, was stets die sicherste Stütze der Vaterlandsliebe ist“. Sammler werden Schwierigkeiten haben, sämtliche Versionen der mit Königsköpfen auf der Vorderseite und veränderten Rückseiten geschmückten Münzen zusammen zu bekommen, denn es gibt einige Raritäten darunter, für die hohe Preise bezahlt werden.

25. Juli 2023