Wie gewonnen, so zerronnen
Kaiser Maximilian I. lebte mit geborgtem Geld auf großem Fuß, konnte aber seine Söldner und Beamten nicht richtig bezahlen



Als der von Albrecht Dürer porträtierte Kaiser Maximilian I., genannt der letzte Ritter, am 12. Januar 1519 starb, war es für Karl von Spanien selbstverständlich, die höchste weltliche Würde im christlichen Abendland zu erwerben - die römisch-deutsche Kaiserkrone. Im Ständebuch des Jost Ammann von 1568 wird gezeigt, wer an der Spitze des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation steht.



Zahlreiche geistliche und weltliche Fürstentümer und reichsfreie Städte versammelten sich unter den Flügeln des doppelköpfigen Reichsadlers. Aber die Harmonie täuscht, denn im Inneren des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation brodelte es gewaltig, und es wurden im Laufe des 16. Jahrhunderts blutige Bauern- und Glaubenskriege geführt.



Maximilian I. wusste gut zu leben und zu feiern, ihm standen zahlreiche Künstler und Schreiber zur Verfügung, die seinen Ruhm wie hier eine Hochzeitsfeier in alle Welt trugen.



Der autobiografische Fürstenspiegel „Weißkunig“ feiert den junge Maximilian als wissbegierigen Prinzen. Geschmückt mit 251 Holzschnitten berichtet das Prachtwerk von seiner Geburt und Kindheit und wie er in Künsten und adeligen Tugenden unterwiesen wird. Außerdem wird von Maximilians bis 1513 geführten Kriegen berichtet. Fast alle Illustrationen wurden von Hans Burgkmair dem Älteren und Leonhard Beck geschaffen. Die Bilder zeigen den jungen Herrscher in einer Münzstätte, beim Harnischmacher und in einer Geschützgießerei. Das Werk wurde erst 1775 in Wien veröffentlicht.



Der Emissär des Kardinals Albrecht, Johann Tetzel, versprach den Zahlern Vergebung sogar für Vergehen und Verbrechen, die sie noch gar nicht begangen haben. Sein betreffende Werbespruch „Wenn das Geld im Kasten klingt, / die Seele im hui aus dem Fegefeuer springt“ wurde weit über die Grenzen Brandenburgs bekannt.



Seine Landknechte konnte Maximilian I. nicht wie versprochen bezahlen, weshalb sie sich bei den Kriegen und Eroberungen mit Feier und Schwert das holten, was ihnen ihr Oberbefehlshaber schuldig blieb.





Von den vielen Taler, die der selbstbewusste Maximilian prägen ließ, haben nur wenige, heute gut bezahlte Exemplare die Jahrhunderte überstanden. Kaiser Ferdinand trat 1556 die Nachfolger von Karl V. als römisch-deutscher Kaiser an. Maximilian I., Karl V. und Ferdinand I. sind mit ihren Kronen und dem Doppeladler auf dem Dreikaisertaler von 1590 abgebildet.



Achtundzwanzig überlebensgroße Bronzefiguren, unter denen sich auch Erzherzog Sigmund der Münzreiche von Tirol befindet, bewachen leere Grabmal Kaiser Maximilians I. in der Innsbrucker Hofkirche. (Fotos/Repros: Caspar)



Die Kaiserwahl von 1519, die mithilfe bedeutender Bestechungsgelder den jungen König Karl von Spanien als Kaiser Karl V. zum Oberhaupt des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation machte, hatte eine Vorgeschichte, die mit Kaiser Maximilian I., genannt der letzte Ritter, und dem Augsburger Handelshaus Fugger zu tun hatte. Das bei ihnen geborgten Geld verpulverte der Habsburger nach dem Motto „Wie gewonnen, so zerronnen“ in seinen zahlreichen Kriegen. Er war zeitweise so klamm,dass er seinen Söldnern, aber auch Hofbeamten den Lohn schuldig bleiben musste. Um zu überleben, hielt jeder von ihnen die Hand auf. Korruption und Vetternwirtschaft von der Spitze bis zu den Wurzeln des Ständebaums waren unausweichlich. Jeder nahm sich, was er bekommen konnte. Niemand fand das anstößig, weil alle das machten, von den Armen angesehen, die nichts zu verschenken und zu empfangen hatten und deren Schicksal „denen da oben“ egal war.

Vegebliche Ansprüche auf reiches Erbe

Am 22. März 1459 in Wiener Neustadt geboren und einer strengen Erziehung unterzogen, bei der militärische Dinge, höfische Zeremonien und Ritterspiele eine große Rolle spielten, war Maximilian einer der mächtigsten Fürsten des ausgehenden Mittelalters. Jung an Jahren heiratete er 1477 Maria, die reiche Erbtochter Herzog Karls des Kühnen von Burgund. Die daraus resultierenden Ansprüche auf die burgundischen Besitzungen wurden nach Karls tragischem Soldatentod 1477 von dessen Schwiegersohn streitig gemacht, und auch der französische König Ludwig XI. erhob auf sie Ansprüche.

Im Ergebnis bewaffneter Auseinandersetzungen war der Habsburger genötigt, Frankreich das Herzogtum Burgund und die Picardie zu überlassen. Die zunächst aus dynastischen Gründen geschlossene Ehe mit Maria von Burgund gedieh zu einer glücklichen Verbindung, aus der zwei Kinder, Philipp der Schöne und Margarete hervorgingen, die spätere Statthalterin der Niederlande. Philipp bestieg den spanischen Königsthron, sein Sohn Karl, der Enkel Maximilians I., stand ab 1519 als Kaiser Karl V. an der Spitze des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation.

Herrscher in ständiger Geldnot

Seine Schätze, Besitztümer und Länder nutzten Maximilian nur wenig. Als Renaissancefürst der Extraklasse auf großem Fuß lebend, befand er sich ständig in Geldnot. Sie war so groß, dass er seinen Höflingen und Beamten kein Lohn zahlen konnte. Deshalb sahen sie sich genötigt, ihr eigenes Vermögen anzuzapfen und ihrem Herrn Geld zu leihen. Da er und seine Beamten kein Vermögen herbei zaubern konnten und auch die damals so beliebte Goldmacherei weder Taler noch Gulden eintrug, war die Entgegennahme von sogenannter Handsalbe, also von Bestechungsgeldern gang und gäbe. Hohe Beamte sollen Urkunden und Rechtstitel an andere verscherbelt haben. Doch wenn sie es zu arg trieben, schlug die Justiz zu und konnte die Geber und Nehmer schmerzhaft zur Rechenschaft ziehen. Man geht nicht fehl zu sagen, dass Maximilian l. ein schlimmer Finger war,wie wir heute sagen würden, ja ein hochadliger Gauner und Schuldenmacher, dem christliche Werte und moralische Kategorien wenig galten.

Um seinen Geldhunger zu befriedigen, richtete der Herrscher seinen Blick auf die Schätze, die Kirchen, Klöster und Stifter im Laufe der Jahrhunderte zur Ehre Gottes, wie man sagte, angehäuft hatten. Indem er zwei seiner Kriege zu Kreuzzügen erklärte, nahm er die angeblich für diese zuständige Kirche in die Pflicht. Da die eingesammelten Summen nicht ausreichten, kurbelte er den Ablasshandel an. Mit den oft sehr strapaziösen Reisen ins Heilige Land konnte man sich von Sünden reinigen und entkam so dem höllischen Fegefeuer, das den Menschen des Mittelalters auf Schritt und Tritt für ihre Missetaten angedroht wurde. Kardinal Albrecht, ein Bruder des brandenburgischen Kurfürsten Joachim I. und seines Zeichens Erzbischof von Mainz und Magdeburg, war groß im Geschäft. Die von ihm ausgestellten Ablassbriefe gewährten dem Käufer „vollkommenen Ablass und Erlass aller Sünden“ für Missetaten und Sünden, mögen sie auch noch so schwer gewesen sein. Den harten und nachlässigen Seelen riet sein Ablass-Beauftragter: „Du dort kannst deinen Vater für 12 Groschen aus dem Fegefeuer herausziehen, und bis so undankbar und willst deinem Vater in so großer Pein, die er leiden muss, nicht zu Hilfe kommen? Ich will am jüngsten Gericht entschuldigt sein, Ihr aber mögt zusehen, wie Ihr auskommt! Legt ein, legt ein, legt ein!“.

Luthers Aufstand gegen den Ablasshandel

Der mit frommem Augenaufschlag betriebene Ablasshandel und das ganz und gar unheilige Handel der Kirche und ihrer fürstlichen Anführer mit Ablasszetteln führten 1517 zum Aufstand von Martin Luther gegen deren schamlose Bereicherung. Offiziell wurden die eingesammelten Mittel als für den Bau des Petersdoms in Rom bestimmt deklariert. In Wirklichkeit aber dienten sie der luxuriösen Lebensweise Form der Kirchenfürsten. Luthers Verlangen, die Kirche an Haupt und Gliedern zu reformieren, also an ihre Wurzeln zurückzuführen, fand großen Widerhall bei einfachen Leuten, aber auch bis in die Riege der Landesfürsten. Einer von ihnen, Sachsens Kurfürst Friedrich der Weise. Er schwang sich zu Luthers Schutzherrn auf und gewährte ihm auf der Wartburg Zuflucht, wo er dass Neue Testament der Bibel in die deutsche Sprache übersetzte und damit eine gewaltige Leistung zur Gestaltung der neuhochdeutschen Sprache erbrachte.

Da die von Emissären des Kardinals Albrecht und der am Geschäft mit den Ablasszetteln beteiligten Fugger eingesammelten Groschen und Taler nicht ausreichten, hielt sich Maximilian I. und ähnlich wie er auch andere Fürsten bei den Juden schadlos. Ihnen wurde Schutz und Leben versprochen, wenn sie ihnen „goldene Eier“ legten, das heißt hohe Summen für die Gewährung ihrer Existenz zahlten. Da sich nur reiche Juden das Wohlwollen ihrer Landesherrn erkaufen konnten, mussten die anderen das Land verlassen oder waren unwürdigen Repressionen bis hin zu Mord und Totschlag bei den immer wiederkehrenden Pogromen ausgesetzt.

Imperiale Ambitionen

Wie schon sein Verwandter Erzherzog Sigmund der Münzreiche und sein Nachfolger Karl V. war auch Maximilian I. hoch verschuldet, obwohl er über reiche Bodenschätze verfügte. Der deutsche König seit 1486 und ab 1508 römisch-deutsche Kaiser brauchte bedeutende Summen nicht nur für seine Hofhaltung, sondern auch für seine imperialen Ambitionen. Sein Ehrgeiz war es, Ruhm auf dem Schlachtfeld zu erringen, weshalb er seine Länder nach und nach in den Ruin führte. Um seine Ziele zu erreichen, tat sich Maximilian mit süddeutsches Handels- und Bankhäusern der Fugger und Welser zusammen und nahm hohe Kredite auf, die er aber nicht zurückzahlen konnte. Zwar zog er die Steuerschraube an bis es quietschte, um ein Wort des früheren Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit, zu benutzen, doch reichten die Einnahmen nicht aus. Mit Blick auf seine Silberminen in Tirol soll der Kaiser gesagt haben, es sei ein Glück, dass ein Teil seiner Schätze tief in den Bergen verborgen sind, sonst hätte er sie schon längst aufgebraucht. Die Suche nach Bodenschätzen ließ die Stadt Schwaz in Tirol aufblühen. In der „Mutter aller Bergwerke“, wie man damals sagte, siedelten sich etwa 20000 Menschen an. Überall qualmten die Schmelzöfen, der Bergbau hinterließ riesige Abraumhalden.

Dies alles hört sich gut an, aber Maximilian I. war keineswegs Profiteur dieses „Bergsegens“, sonder die Fugger. Er trug ihnen alles ab, was mit der Förderung und Verarbeitung des Schwarzer Silbers, später auch des in Ungarn geschürfte Kupfers zu tun hatte. Den Profit verprassten Jakob Fugger und die Seinen nicht, denn sie waren Kaufleute durch und durch, sondern investierten ihn in weitere Bergbauregionen im Ausland. Außerdem verliehen sie gegen hohe Zinsen überschüssige Gelder und verwendeten eine halbe Million Gulden 1519 bei der Bestechung der Kurfürsten anlässlich der Kaiserwahl eines Enkels von Maximilian I., des spanischen Königs Karl. Auch dieser Karl V. stand bei den Fuggern tief in der Kreide und war nicht in der Lage, die ihm bereit gestellten Summen zurück zu zahlen. Nicht nur seine Untertanen hat Maximilian I. zur Kasse gebeten, auch sich selbst hat er geschröpft, etwa als er Tafelsilber und Juwelen verpfändete. Wann immer hoher Besuch kam, und das war nicht so selten, mussten die Wertgegenstände ausgelöst werden, was den kaiserlichen Gastgeber in Verlegenheit brachte, weil er die notwendigen Summen nicht zur Verfügung hatte und sie sich von anderen borgen musste. Das aber tat seinem Ansehen nicht gut.

Prunkvolles Grabmal in Innsbruck

Nach einem von vielen Höhen und Tiefen, von Glanz und Elend geprägten Leben starb Kaiser Maximilian I. vermutlich an Darmkrebs in der Burg von Wels am 12. Januar 1519 auf einer Reise von Innsbruck zum Landtag nach Linz. Seinen Tod und die Bestattung hatte er genau inszeniert. Er führte in den letzten Lebensjahren einen Sarg mit und zeigte sich als demütiger, mit Schuld beladener Sünder und Büßer. Der Kaiser wollte, dass er nach seinem Tod nicht einbalsamiert wird, seinen Leichnam sollte man geißeln. Er wollte auch, dass man seine Haare schert und die Zähne ausbricht. Mit einem Leichenhemd, das er sich kurz vor seinem Tod hat anziehen lassen, wurde er in den Sarg gelegt. In die Gewänder des St. Georgs-Ordens gehüllt, hat man man den Toten unter Beimengung von Kalk und Asche in einen Sack aus Leinen, Damast und weißer Seide eingenäht. Maximilian I. wurde seiner Taufkirche, der St.-Georgs-Kapelle der Burg in Wiener Neustadt, unter den Stufen des Hochaltars beigesetzt. Sein Herz kam in die Liebfrauenkirche zu Brügge. Der Habsburger hatte schon zu seinen Lebzeiten für die St.-Georgs-Kapelle ein prunkvolles Grabmal in Auftrag gegeben, doch blieb dieses unvollendet. Sein Enkel, Kaiser Ferdinand I., ließ es nach Innsbruck bringen und in der eigens dafür erbauten Hofkirche aufstellen.

2. August 2023