Aufstand gegen den König
Friedrich Wilhelm IV. verneigte sich vor den Opfern der Märzrevolution von 1848 und schlug brutal zurück



„Wie lange möchte uns das Denken wohl noch erlaubt sein“ fragen Mitglieder eines Denkerklubs, in dem Schweigen das erste Gesetz ist.



Beim Hambacher Fest im Sommer 1832 wurden zum erstenmal unmissverständlich Forderungen für die Überwindung der Fürstenherrschaft, Aufhebung der Zensur sowie Herstellung der deutschen Einheit erhoben. Die erste große politische Massendemonstration mit 30 000 Teilnehmern im Herrschaftsbereich des Königs von Bayern gab trotz geringer konkreter Ergebnisse der deutschen Einheits- und Freiheitsbewegung einen mächtigen Auftrieb.



Als Friedrich Wilhelm IV. 1840 den preußischen Thron bestieg, ging ein großes Aufatmen durch das Land. Der wegen seiner künstlerischen Ambitionen auch „Romantiker auf dem Thron“ genannte Monarch schlug neue Töne an. Die apokalyptischen Reiter Hunger, Pest und Tod mit Friedrich Wilhelm IV. an der Spitze verfolgen auf der Karikatur den Engel der Einigkeit, Freiheit und Menschenwürde.



Der Revolution von 1848/49 gingen der Aufstand der schlesischen Weber, hier dargestellt von Käthe Kollwitz, und weitere Hungerkrawalle voran, die die um ihre Macht besorgten Fürsten aus Angst vor einem gewaltsamen Umsturz niederschlugen. Der sprichwörtliche „deutsche Michel“ mit Zipfelmütze und Tabakspfeife hielt sich zurück.und Kreuze bekamen.



In seinem Aufruf „An meine lieben Berliner“ verdrehte der verunsicherte und von Angst getriebene König die Tatsachen und schob Fremden den Aufruhr in die Schuhe.



Im Laufe der Revolution lieferten sich Barrikadenkämpfer und Bürgergarden mit den königlichen Truppen erbitterte Kämpfe mit vielen Toten und Verwundeten. Den sogenannten Achtundvierzigern schlug von den Königstreuen nur Verachtung entgegen. Als Berliner Revolutionäre im März 1848 für ihre Rechte kämpften und dem König Zugeständnisse abtrotzen wollten, ließ er das Militär aufmarschieren und schießen. Bald schon rächte er sich an allen, die sich nicht seinem Regime unterordnen wollten.



Seinen Anhängern verlieh Friedrich Wilhelm IV. Medaillen mit der Inschrift „Seinen bis in den Tod getreuen Kriegern“, während Offiziere und ihm ergebene Politiker kostbare Sterne





Friedrich Wilhelm IV. mal als stolzer Reiter auf der Freitreppe der Alten Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel und mal als einfach gekleideter Bürgerkönig vor der Großen Orangerie im Park von Sanssouci. Andere Hohenzollerndenkmäler in der DDR wurden auf Befehl der SED in Berlin und Brandenburg bedenkenlos beseitigt.weil sie sich gegen die gottgewollte Ordnung erhoben hatten. Fotos/Repros: Caspar

Vier Jahre nach den auch als Zeit des Aufbruchs und der Erneuerung wahrgenommenen Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 schränkten deutsche Fürsten, allen voran Kaiser Franz I. von Österreich, Zar Alexander I. von Russland und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen mit den Karlsbader Beschlüssen die Arbeit der Universitäten und der Presse massiv ein. Die im Ergebnis einer Konferenz im böhmischen Karlsbad vom 6. bis 31. August 1819 erlassenen Bestimmungen richteten sich gegen „revolutionäre Umtriebe“ sowie legten die Verfolgung von Demokraten, Anarchisten, Volksschädlinge und so genannten Demagogen fest und versetzten der Gedanken- und Pressefreiheit einen schweren Schlag. Durch strikte Anwendung der Zensur sollte alles verhindert werden, was in Österreich-Ungarn, im preußischen Staat und den übrigen Mitgliedsländern des 1815 gegründeten deutschen Bundes „Missvergnügen“ erregt und gegen die bestehende Ordnung aufreizt. Getrieben von der Angst, in Europa könne es zu revolutionären Unruhen wie nach 1789 in Frankreich kommen, nahmen die Regierungen die Ermordung des Schriftstellers und russischen Generalkonsuls August von Kotzebue am 23. März 1819 durch den Studenten und Burschenschafter Karl Ludwig Sand zum Anlass für die drastische Knebelung des freien Geistes und die Ausschaltung oppositioneller Kräfte. Verboten war jede Kritik an der Feudalherrschaft und am fürstlichen Gottesgnadentum.

Zensur unterdrückt freies Wort

Preußens König Friedrich Wilhelm III. hatte sein Versprechen während der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 gebrochen, für die Ausarbeitung einer Verfassungsurkunde und die Bildung einer „Repräsentation des Volkes“ zu sorgen, die über die Gesetzgebung beraten soll. Um die Monarchie und die feudalen Eliten weiter im Sattel zu halten, jede Einflussnahme der Bürger auf die Staatsgeschäfte zu verhindern und revolutionären, liberalen und sonstigen „anarchistischen Elementen“ das Wasser abzugraben, bestimmte die Preußische Zensur-Verordnung, dass alle im Land der Hohenzollern herauszugebenden Bücher und Schriften einer speziellen Behörde zur Genehmigung vorgelegt und ohne deren schriftliche Erlaubnis weder gedruckt noch verkauft werden dürfen. Das war ein schwerer Schlag gegen Literaten, Professoren, Studenten und andere Freigeister sowie Drucker und Verleger, sofern sie nicht „staatstragend“ waren. Wer in Bild und Schrift gegen die herrschende Ordnung opponierte und deren Gottesgnadentum in Zweifel zog, erhielt Berufsverbot, wurde von der Universität geworfen und auf andere Weise in seinem Schaffen behindert. Die Verordnung behauptete, die Zensur wolle dem „fanatischen Herüberziehen von Religionswahrheiten in die Politik“ ebenso wie der dadurch entstehenden „Verwirrung der Begriffe“ entgegen arbeiten. Auch sollte die Verletzung der Würde und Sicherheit des preußischen Staates sowie der übrigen Bundesstaaten verhindert werden. Alle auf „Erschütterung der monarchischen Verfassungen abzweckende Theorien“ sowie jede Verunglimpfung der mit Preußen befreundeten Regierungen waren bei schwerer Strafe verboten.

In Berlin wurde ein Ober-Zensur-Kollegium beim Kammergericht eingerichtet, das als letzte Instanz über Beschwerden von Autoren und Verlegern befand, aber auch die Ausführung der Zensurgesetze überwachte. Vorsichtshalber schrieben Autoren heikle Texte um, und manche bedienten sich einer Art Sklavensprache, die von den Zensoren nicht, wohl aber von den Lesern verstanden wurde. Auch kam es vor, dass von der Zensur bedrohte Bücher und Schriften, mit einem falschen Druckort versehen, in Umlauf gebracht wurden. Die Karlsbader Beschlüsse wurden als so diskriminierend empfunden, dass ihre Abschaffung bei immer wiederkehrenden Protesten und dann massiv der Revolution von 1848/49 gefordert wurden.

"Verfassung können nur Rindviecher fordern"

In Preußen erhoffte man sich von dem neuen König Friedrich Wilhelm IV. die Lösung der feudalen Fesseln, die Abschaffung der Zensur, demokratische Mitbestimmung und vor allem Verbesserung der prekären Lebensverhältnisse, unter denen unzählige Menschen litten. Bei seiner Huldigung rief der Monarch am 15. Oktober 1840, seinem 45. Geburtstag, im Weißen Saal des Berliner Schlosses versammelten Ritterschaft zu: „Wem von Ihnen nun der Sinn nicht nach einer so genannten glorreichen Regierung steht, die mit Geschützes-Donner und Posaunenton die Nachwelt ruhmvoll erfüllt, sondern wer sich begnügen lassen will mit einer einfachen, väterlichen, ächt teutschen und christlichen Regierung, der fasse Vertrauen zu Mir.“ Sein Regierungsprogramm fasste der Herrscher, der bestimmt ein guter Architekt geworden wäre, hätte ihn das Schicksal nicht zum König gemacht, so zusammen: „Ehre, Treue, Streben nach Licht, Recht und Wahrheit, Vorwärts-Schreiten in Alters-Weisheit zugleich und heldenmütiger Jugendkraft.“ Von verfassungsmäßigen Zuständen war nicht die Rede. Seinen Vertrauten und Ratgeber Christian Carl von Bunsen ließ der Monarch später wissen, man wäre ein siebenfaches Rindvieh, eine Verfassung zu fordern und ein noch viel größeres, eine Verfassung zu geben.

Der in seiner Blase lebende, zwischen Berlin und Potsdam pendelnde König konnte und wollte die Zeichen der Zeit nicht erkennen. Dabei standen ihm Informationen über die elende Lebenslage vieler seiner Untertanen zur Verfügung, er hätte sich dafür nur interessieren müssen. So hatte die bekannte Schriftstellerin Bettina von Arnim ihm schon 1844 ein Buch mit exakten Angaben gewidmet, wie schlecht es dem Berliner Proletariat sowie den Handwerkern und anderen Leuten geht und in welcher schlimmen Lebenslage sich befinden. Sich mit dieser ihm so unangenehmen, ja wegen seiner abgehobenen auch ganz unbekannten Materie zu beschäftigen, war unter der Würde des preußischen Königs. Statt sich ernsthaft um die Verbesserung der Lebenslage der Masse seiner Untertanen zu kümmern, umgab er sich viel lieber mit Gelehrten, Malern und Architekten und verbrachte viel Zeit, um Bauwerke zu entwerfen und deren Ausführung zu überwachen. Mit anderen Worten gab es in Preußen zwar ein bemerkenswertes kulturelles Niveau und auf der anderen Seite viel Elend und angestaute Wut.

Erhebungen in Paris und Wien

Die am 18. März 1848 in Berlin ausgebrochene Revolution kam nicht von ungefähr. Zuvor war in Frankreich das Königtum hinweg gefegt und eine Republik ausgerufen worden. Das im Februar 1848, kurz vor der Revolution in Frankreich, in in sechs Sprachen in London veröffentlichte „Manifest der Kommunistischen Partei“ von Karl Marx und Friedrich Engels beginnt und endet mit Sätzen, die zu geflügelten Wörtern wurden, nämlich „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus“ und „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ Alle Mächte des alten Europa hätten sich zur heiligen Hetzjagd gegen das Gespenst des Kommunismus verbündet, es sei hohe Zeit, dass die Kommunisten ihre Anschauungsweise, ihre Zwecke, ihre Tendenzen vor der ganzen Welt offen darlegen und dem Märchen vom Gespenst des Kommunismus ein Manifest der Partei selbst entgegenstellen. Marx und Engels zufolge ist die Befreiung der Menschheit von Ausbeutung und Unterdrückung Sache des modernen Proletariats und kann nur durch Zusammenschluss der unter den gleichen Bedingungen leidenden Arbeiter über Ländergrenzen hinweg erreicht werden.

In Wien musste der erzreaktionäre und allgemein verhasste Staatskanzler Fürst Metternich angesichts einer bewaffneten Volkserhebung seinen Hut nehmen und ins Ausland fliehen, die Regierung versprach die Aufhebung der Zensur, Versammlungsfreiheit und eine neue Verfassung. Der neue, erst 18 Jahre alte Kaiser Franz Joseph versprach später seinen Völkern Gleichberechtigung sowie die Unverletzlichkeit ihrer Nationalität und Sprache. In München wurde König Ludwig I. im Zusammenhang mit der Lola-Montez-Affäre zur Abdankung gezwungen. In Hannover musste König Ernst August die von ihm 1837 außer Kraft gesetzte Verfassung wiederherstellen, und in Dresden sah sich König Friedrich August II. zur Einrichtung eines liberalen Ministeriums sowie Aufhebung der Zensur, Befreiung der Bauern von Feudallasten und anderen auf Beruhigung der Lage abzielenden Zugeständnissen genötigt. Allerdings währte die auch durch unzählige Flugschriften und Karikaturen wohlwollend begleitete Zeit der Freiheit nicht lange, denn schon bald setzte sich, ausgehend von Preußen und Österreich, in blutigen Kämpfen die Konterrevolution durch.

„Nun fehlt bloß noch die Guillotine“

Während in Berlin am 18. März 1848 aufgebrachte Menge vor dem Schloss demonstrierte und den König zu sehen verlangte, speiste dieser mit seinen Höflingen im Schloss und ließ sich nicht blicken. Derweil marschierte Kavallerie mit dem Ziel auf, die Menge zu vertreiben. Irgendwie lösten sich zwei Schüsse, die aber niemand verletzten, aber die allgemeine Wut über den König anfachte. In seiner Verzweiflung dachte er an Rücktritt und die Übergabe der Herrschaft an seinen Bruder Wilhelm, den späteren König und Kaiser I. Um Dampf aus dem „Kessel“ zu nehmen und die Gemüter zu beruhigen, ordnete Friedrich Wilhelm IV. die Abschaffung der Zensur, die Einrichtung eines konstitutionellen Systems in Preußen und die Einberufung des Vereinigten Landtags an. Außerdem entließ er einige beim Volk besonders verhasste Minister. Beobachter sahen bereits die Monarchie am Rande des Zusammenbruchs und bemerkten, wie der König weinend und nahe am Nervenzusammenbruch in seinen Gemächern auf und ab schritt.

Panische Angst erfasste die königliche Familie und ihren Anhang, als Friedrich Wilhelm IV. am 19. März 1848 gezwungen wurde, vom Balkon seines Schlosses in Berlin den Toten der Märzrevolution die letzte Ehre zu erweisen. Die vor Entsetzen schlotternde Königin Elisabeth, seine Gemahlin, soll dabei gesagt haben: „Nun fehlt bloß noch die Guillotine.“ Bei dieser Szene mag sich der eisern von seinem Gottesgnadentum überzeugte König geschworen haben, alles zu tun, um diese Schmach auch mit Blutvergießen zu überwinden. Um Kopf und Krone besorgt, ließ er nach seinem in einem Brief an Bunsen formulierten und schon bald zum geflügelten Wort gewordenen Grundsatz „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“ seine Truppen gegen die Aufrührer marschieren und schießen. Sie hatten an jenem Tag Barrikaden in Berlin aufgerichtet und lieferten sich mit dem Militär blutige Kämpfe. Hunderte Todesopfer wurden auf beiden Seiten der Barrikaden gezählt und begraben. Die Königstreuen wurden großartige Monumente geehrt, die toten Barrikadenkämpfer hat man bescheiden am Rande Berlins bestattet.

Kartätschenprinz wurde König und Kaiser

Rücksichtslos setzte Friedrich Wilhelm IV. die Interessen seiner Dynastie und Klientel durch. Dabei half ihm sein Bruder Wilhelm, der als Kartätschenprinz und Unterdrücker des badischen Aufstandes von 1849 unrühmlich in die Geschichte einging und 1861 als Wilhelm I. den Thron bestieg. Er führte 1864, 1866 und 1870/71 drei Kriege, an deren Ende Preußen erheblich vergrößert war. Die Ausrufung des Königs von Preußen zum deutschen Kaiser am 18. Januar 1871 verlief im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles ohne besonderes Zeremoniell. Anwesend waren nur Fürsten und hohe Militärs, das Volk wurde lediglich von dem Akt informiert. Es hatte ohnehin in dem neuen Deutschen Reich nicht viel zu melden, Frauen waren bis zum Ende der Monarchie von Wahlen ausgeschlossen.

Die Alte Nationalgalerie auf der Museumsinsel hatte als Sammelstätte zeitgenössischer Gemälde und Plastiken mehrere Väter. 1844 ließ Friedrich Wilhelm IV. den größten Teil der in „Allerhöchstem Besitz“ befindlichen Gemälde als „abgesonderte Galerie“ zusammenstellen und überwies ihr viele Neuerwerbungen. Sein 1886 enthülltes Reiterstandbild schmückt die Freitreppe zu diesem Kunsttempel. Bedeutenden Zuwachs erhielt die Sammlung durch ein Geschenk des Berliner Kaufmanns und Kunstfreundes Joachim Heinrich Wagener an König Wilhelm I. Diese Sammlung bestand aus zahlreichen Gemälden und Skulpturen deutscher und ausländischer Künstler des 19. Jahrhunderts. Damit war der Grundstein für die „nationale Galerie, welche die neuere Malerei auch in ihrer weiteren Entwicklung darstellt“ gelegt.

DDR respektierte Reiterdenkmal

Die Alte Nationalgalerie wurde zwischen 1864 und 1876 von Johann Heinrich Strack nach Skizzen Friedrich Wilhelms IV. und Entwürfen von Friedrich August Stüler als Heimstatt der zeitgenössischen Gemäldesammlung errichtet. Das repräsentative Reiterdenkmal Friedrich Wilhelms IV. auf der Freitreppe wurde 1886 aufgestellt. Von dem Bildhauer Alexander Calandrelli nach einem Entwurf von Gustav Bläser geschaffen, würdigt das 5,4 Tonnen schwere Monument den in einen Hermelinmantel gehüllte Herrscher barhäuptig in zeitgenössischer Generalsuniform. Der Blick ist in eine imaginäre Ferne gerichtet. Als das Schloss noch stand, blickte der König auf das Schloss, das als Humboldt Forum seine Wiedergeburt erlebte. Die Reliefs auf dem Postament zeigen unter anderem den Kölner Dom, dessen denkmalgerechte Fertigstellung Friedrich Wilhelm IV. gefördert hatte, sowie Christian Daniel Rauchs Reiterdenkmal Friedrichs des Großen Unter den Linden. Am Sockel haben die Symbolfiguren der Religion, Kunst, Geschichte und Philosophie Platz genommen, die damit auch die vom Monarchen hoch gehaltenen Glaubens- und Lebensprinzipien symbolisieren. Im Zweiten Weltkrieg beschädigt, wurden Ross und Reiterin DDR-Zeiten respektiert, weil es mit der Nationalgalerie eine künstlerische Einheit bildet.

30. Januar 2023, dem 90. Jahrestag der Errichtung der NS-Diktatur

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