Opas Radio aus provisorischem Studio
Vor 100 Jahren schlug im Berliner Vox-Haus die Geburtsstunde des Rundfunks, der aber aus Königs Wusterhausen kommt



Die Funk-Stunde arbeitete mit einfacher Technik und erreichte anfangs nur wenige zahlende Zuörer. Größer war die Gemeinde derer, die mit selbst gebastelten Apparaten zu "Radioten" wurden.





Sitz der Gesellschaft war das Vox-Haus, hier ein Blick in das Studio.oicschema. An dem Sender waren neben der Reichspost auch die Vox Schallplatten- und Sprechmaschinen-AG beteiligt war. Dort wurde zum hundertjährigen Jubiläum eine Gedenktafel angebracht.







Das Funkerberg-Museum in Königs Wusterhausen berichtet in Bild, Schrift und Ton über die hundertjährige Geschichte des Rundfunks in Deutschland und speziell des Senders in der Nähe von Berlin mit all ihren Licht- und Schattenseiten. Die deutsche Einheit 1990 brachte auch für Königs Wusterhausen einschneidende Veränderungen. Der Sendebetrieb auf dem Funkerberg wurde nach und nach verringert und im Sommer 1995 ganz eingestellt. Ein Jahr später öffnete an der gleichen Stelle das Rundfunkmuseum.



Der Volksempfänger ermöglichte es, Hitlerreden und NS-Parolen, aber auch unterhaltsame Beiträge und Sportveranstaltungen sowie Konzerte von leicht bis Klassik in die entferntesten Winkel des Deutschen Reichs zu übertragen. Goebbels überwachte mit seinen Helfern rund um die Uhr, was gesendet wird, gab dazu Anweisungen und hielt die Rundfunkleute an der Kandare.



Wer heimlich so genannte Feindsender abhörte und bei der Gestapo denunziert wurde, kam vors Volksgericht und wurde in der Regel hingerichtet. 1941 sollen 65 Prozent aller Haushalte einen Volksempfänger Apparat besessen haben (Bild rechts Exponat im Deutschen Technikmuseum Berlin)



Zur Internationalen Funkausstellung (IFA) 1971 wurde eine Medaille geprägt, die das 45jährige Bestehen dieser Leistungsschau auf dem Berliner Messegelände würdigt (Fotos/Repros: Caspar)

„Achtung. Achtung. Hier ist die Sendestelle Berlin im Vox-Haus auf der Welle 400 Meter. Meine Damen und Herren, wir machen davon Mitteilung, dass am heutigen Tag der Unterhaltungsrundfunk mit Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlosem Wege beginnt. Die Benutzung ist genehmigungspflichtig.“ Mit dieser Ansage begann am 29. Oktober 1923, vor genau einhundert Jahren, der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland sein Programm, produziert im Voxhaus in der Potsdamer Straße in Berlin und ausgestrahlt von der Deutschen Reichspost durch den Sender Königs Wusterhausen bei Berlin. Dort auf dem Funkerberg lädt das Sender- und Funktechnikmuseum zum Besuch ein, und dort steht ein 1000 PS-Dieselmotor der Firma Deutz aus dem Jahre 1937, der die Sendeanlagen mit Strom versorgt hatte. Lange Jahre außer Gebrauch, wurde er von Mitgliedern des Fördervereins des Senders Königs Wusterhausen wieder flott gemacht. Das Geld für die Restaurierung, Wiederingangsetzung und technische Prüfung wurde in einer Spendenaktion beim „Tag des offenen Denkmals“ gesammelt

Das 1996 gegründete Museum erzählt am Originalschauplatz die spannende Geschichte des Senders am Rande von Berlin. 1919 hatte die Deutsche Reichspost auf Betreiben des Staatssekretärs Dr. Hans von Bredow die bisherige Militärfunkstation auf dem Funkerberg für zivile Zwecke übernommen. Auf Anregung ortsansässiger Postbeamter begann man mit der probeweisen Übertragung von Sprache und Musik. Bereits am 22. Dezember 1920 konnte das erste Konzert mit Weihnachtsmusik in den Äther geschickt werden. Das war die eigentliche Geburtsstunde des Rundfunks in Deutschland, wurde aber 2023 bei der Würdigung der ersten offiziellen Übertragung aus dem Vox-Haus übersehen. Der Verein in KaWe betreibt seit vielen Jahren einen eigenen Sender, der auf der Mittelwelle 370 810 kHZ im Umkreis von etwa 15 Kilometer rund um den Sendestandort sowie weltweit im Internet unter&xnbsp;810kHz.funkerberg.de zu hören ist und auch über die Geschichte des Radios in Deutschland berichtet.

Albert Einstein mahnt

Wie die Bolschewiki in der Sowjetunion erkannten auch die Nazis im Deutschen Reich die Macht des Rundfunk als neues, die Massen ergreifendes Medium. Mit ihrer Machtübernahme am 30. Januar 1933 veränderte sich auch der bis dahin mit voller Absicht politisch neutral gestaltete Rundfunk. Anfangs gab es bis dahin nur unverfängliche Informationen über das Wetter, aus Zeitungen vorgelesene Artikel sowie manchmal auch wichtige Reden im Reichstag oder von Prominenten, dazu jede Menge Musik. Physiknobelpreisträger Albert Einstein beschrieb 1930 etwas pathetisch die Aufgaben des neuen Mediums bei der Eröffnung der Internationalen Funkausstellung. An die verehrten An- und Abwesenden gewandt, sagte er: „Wenn Ihr den Rundfunk höret, so denkt auch daran, wie die Menschen in den Besitz dieses wunderbaren Werkzeuges der Mitteilung gekommen sind. Der Urquell aller technischen Errungenschaften ist die göttliche Neugier und der Spieltrieb des bastelnden und grübelnden Forschers und nicht minder die konstruktiv Phantasie des technischen Erfinders.[...] Denket auch daran, dass die Techniker es sind,&xnbsp; die erst wahre Demokratie möglich machen. Denn sie erleichtern nicht nur des Menschen Tagewerk, sondern machen auch die Werke der feinsten Denker und Künstler, deren Genuss noch vor kurzem ein Privileg bevorzugter Klassen war, der Gesamtheit zugänglich und erwecken so die Völker aus schläfriger Stumpfheit. Was speziell den Rundfunk anlangt, so hat er eine einzigartige Funktion zu erfüllen im Sinne der Völkerversöhnung. Bis auf unsere Tage lernten die Völker einander fast ausschließlich durch den verzerrenden Spiegel der eigenen Tagespresse kennen. Der Rundfunk zeigt sie einander in lebendigster Form und in der Hauptsache von der liebenswürdigen Seite. Er wird so dazu beitragen, das Gefühl gegenseitiger Fremdheit auszutilgen, das so leicht in Misstrauen und Feindseligkeit umschlägt. Betrachtet in dieser Gesinnung die Ergebnisse des Schaffens, welche diese Ausstellung den staunenden Sinnen des Besuchers darbietet.“

Drei Jahre nach dieser auch von Illusionen geprägten Ansprache waren die Nationalsozialisten an der Macht. Sie wiesen dem Rundfunk im Deutschen Reich entgegen gesetzte, unfriedliche Aufgaben zu. Die Nazis erkannten sehr schnell die propagandistischen Möglichkeiten des gerade erst einmal zehnjährigen Mediums und forcierten seine Entwicklung und völkische und rassistische Ausrichtung mit aller Kraft.

Volksempfänger für jedermann

Der neue Propagandaminister Joseph Goebbels begann als Herr über Presse, Film, Rundfunk, Bücher und bildende Kunst, die bis dahin breit gefächerte Zeitungs- und Medienlandschaft im Deutschen Reich zu zerschlagen und gleichzuschalten. Er unterdrückte durch seine „Bestellungen“ genannten Anweisungen an die Presse jedwede Kritik an den herrschenden Zuständen und Hitlers Entscheidungen. Der Minister bestimmte diktatorisch, worüber etwas in welcher Aufmachung berichtet werden soll und erließ ins Detail gehende Sprachregelungen und Argumentationshilfen. Wo er Abweichungen von seinen Presseanweisungen bemerkte, hagelte es Rügen, Verbote, Entlassungen und Haftstrafen und Schlimmeres. In der DDR wurde von Partei- und staatlichen Gremien in ähnlicher Weise verfügt, wie in den Medien über ein Ereignis oder das Auftreten wichtiger Politiker berichtet wird. Wer eine Zeitung las, wusste ungefähr, was auch in den anderen stand.

Von der Kraft und den Möglichkeiten des Films und Rundfunks überzeugt, baute Goebbels diese Medien zügig als Propagandawaffen aus. In Millionen Haushalten wurde der Volksempfänger aufgestellt, ein Mittelwellensender mit der auf den 30. Januar 1933 bezogenen Bezeichnung VE 301. Im Volksmund auch Goebbelsschnauze genannt, kostete der Apparat anfangs die stolze Summe von 78 Reichsmark, doch da die Stückzahl enorm war, konnte der Preis alsbald auf 65 Reichsmark gesenkt werden. 1938 waren bereits 2,7 Millionen Radioapparate produziert. Im gleichen Jahr lief die Produktion eines weiteren Empfängers, des Deutschen Kleinempfänger DKE an. Er kostete nur noch 35 Reichsmark und war so für fast jeden erschwinglich. 1941, im dritten Jahr des Zweiten Weltkriegs, sollen 65 Prozent aller Haushalte einen Radioapparat besessen haben.

Rundfunk und Film, ab Mitte der 1930-er Jahre zaghaft auch das Fernsehen, wurden in den Dienst des NS-Regimes gestellt. Unaufhörlich prasselten auf die „Volksgenossen“ Visionen vom Tausendjährigen Reich herab. Jüdische und regimekritische Journalisten, Wissenschaftler, Museumsleute und Bibliothekare, Schauspieler und Regisseure wurden entlassen und mit Arbeitsverbot belegt. Durch die starke Verbreitung der sogenannten Volksempfänger war es fast überall möglich, Rundfunk zu hören. Im Hinblick auf die bevorstehende Olympiade von 1936 wurde vor allem der Sendestandort Zeesen bei Königs Wusterhausen stark erweitert. Es kamen die Sendehäuser 5 und 6 hinzu, in denen jeweils vier Kurzwellensender mit einer Sendeleistung von 40-Kilowatt-Träger-Leistung aufgebaut wurden, welche bis zum Jahr 1945 in Betrieb blieben. In den letzten Kriegsjahren wurde das Haus 7 gebaut. Es verfügte über eine Netzersatzanlage mit zwei 2100 Ps starken Dieselmotoren, die Generatoren mit einer Leistung von 1100 Kilowatt bei 6 Kilovolt antrieben.

Geräusche hinter dem Sprecher

Die Sendeanlagen auf dem Funkerberg in Königs Wusterhausen und in Zeesen überstanden den Zweiten Weltkrieg fast völlig unversehrt und wurden unmittelbar nach seinem Ende von sowjetischen Truppen besetzt. Nachdem sie sich von der Funktionstüchtigkeit der Anlagen überzeugt hatten, wurden große Teile der Anlagen auf dem Funkerberg sowie weitere Anlagen in Zeesen im Rahmen von Reparationsleistungen abgebaut. Die Sendehäuser in Zeesen wurden gesprengt. Im Haus 1 auf dem Funkerberg wurden im Juni 1945 20-Kilowatt-Kurzwellen-Sender für militärische Zwecke in Betrieb genommen.

Davon geht die Welt nicht unter

Im Deutschen Technikmuseum und im Museum für Kommunikation, beide in Berlin, kann man erfahren, wie Radion „gemacht“ und welcher Mikrofone und Sendegeräte man sich vor hundert Jahren und später bediente. Ein Sprecher stand vor dem Mikrofon, hinter ihm feuerte jemand eine Pistole ab, und überall waren Apparate aufgebaut, mit denen man Geräusche erzeugte. Mit einem drehbaren Gerät hat man Wind und Regen nachgeahmt, und es war auch möglich, mit Hilfe eines Schuhlöffels das Getrappel von Pferdehufen zu imitieren. Tonbänder wurden erstmals 1942 in Deutschland eingesetzt, eine höchst effektive Technik, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den Siegermächten gleichsam einkassiert und im eigenen Rundfunkwesen eingesetzt wurde.

Wer nicht ganz gegen die nationalsozialistische Volksverdummung immun war, erlag den auch im Reichsrundfunk verbreiteten Parolen. In der gleichgeschalteten Presse wurden Fotos von andächtig am Volksempfänger sitzende „Volksgenossen“ jeden Alters gedruckt, die Führerreden und Reportagen von Reichsparteitagen, aber auch von Fußballspielen und anderen Sportveranstaltungen lauschen oder Spaß mit Konzerten und Schlagern wie „Ich weiß Es wird einmal ein Wunder gescheh'n / Und dann werden tausend Märchen wahr. / Ich weiß So schnell kann keine Liebe vergeh'n / Die so groß ist und so wunderbar!“ Populär war auch das aus dem Ufa-Film „Die große Liebe“ stammende Lied mit dem Refrain „Davon geht die Welt nicht unter, / sieht man sie manchmal auch grau. / Einmal wird sie wieder bunter, / einmal wird sie wieder himmelblau. / Geht’ s mal drüber und mal drunter, / wenn uns der Schädel auch raucht, / Davon geht die Welt nicht unter, / die wird ja noch gebraucht.“ Genutzt haben diese auch im Radio verbreiteten Muntermacher wenig, den Untergang des Nazireichs konnten alle Mühen der Propaganda nicht aufhalten. Erst als sich im Zweiten Weltkrieg das Blatt wendete, begegnete man den Siegesmeldungen des Oberkommandos der Wehrmacht und den Durchhalteparolen von Hitler und Goebbels mit zunehmendem Misstrauen.

Todesstrafe für Rundfunkverbrechen

Da Rundfunkwellen keine Grenzen kennen, ließ es sich nicht vermeiden, dass im Nazireich und den von ihm besetzten Ländern auch so genannte Feindsender wie BBC London oder Radio Moskau gehört wurden. Das war per „Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“ vom 1. September1939 strengstens verboten und wurde im Zweiten Weltkrieg wegen Wehrkraftzersetzung und Kollaboration mit dem Feind als „Rundfunkverbrechen“ mit dem Tode oder hohen Zuchthausstrafen geahndet. Zur Abschreckung hat man Todesstrafen und Hinrichtungen wegen dieses Delikts mit roten Plakaten bekannt gemacht. Unter schwere Strafe gestellt war das Abhören und Verbreiten von Nachrichten, die von so genannten Feindsendern, aber auch von Radiostationen neutraler Staaten und sogar von Ländern stammen, die mit dem Deutschen Reich verbündet sind. Mit dieser Verordnung erhielt die Verfolgung von Menschen, die sich inoffiziell mit Nachrichten über den NS-Staat versorgten, eine neue Qualität. Ungeachtet der Drohungen, Gerichtsverfahren und Hinrichtungen ließen sich viele Menschen nicht davon abhalten, die Siegesmeldungen des Oberkommandos der Wehrmacht infrage zu stellen und die als „Frontbegradigung“ kaschierten Rückzüge aus den besetzten Gebieten kritisch zu verfolgen und die Nachrichten an Freunde weiter zu geben.

Es war pure Angst vor der Wahrheit über den wirklichen Kriegsverlauf und die Verbrechen an den Juden und anderen zu Volksfeinden erklärten Menschen, die die Naziführung zu solch brachialen Mitteln greifen ließ. Bis zum Schluss hielt der Propagandaminister unbeirrt zu seinem Führer und verbreitete im Radio und der Presse seine Lügen über den unmittelbar bevor stehenden Endsieg. Hitler ernannte ihn zu seinem Nachfolger, bevor er sich selber und seine gerade angetraute Frau Eva Braun am 30. April 1945 in der Berliner Reichskanzlei umbrachten. Ihm folgten einen Tag später Goebbels und seine Familie in den Tod. Viele, die dem Naziregime zu Diensten waren, machten im deutschen Westen weiter Karriere, als wenn nichts geschehen wäre, verdienten viel Geld mit Memoiren und Rechtfertigungsbüchern und waren auf Bühnen sowie in Film und Fernsehen gern gesehen.

1. November 2023