Warten auf die Rennpappe
Was sich Witzbolde in der DDR beim Anblick eines Zehn-Mark-Scheins von 1971 dachten





Dass der Zehn-Mark-Schein mit den Problemen rund um die Beschaffung des Trabant und sinngemäß mit anderen Autos in Zusammenhang gebracht wurde, hat in der DDR die lange Wartezeit kaum erträglich gemacht, aber Witze helfen bekanntlich, mit schwierigen Problemen besser klar zu kommen. (Repro: Deutsches Technikmuseum Heft 1/2023, S. 15)



Im Deutschen Technikmuseum an der Trebbiner Straße in Berlin-Kreuzberg kann man diesen schön geputzten Trabant besteigen, aber nicht fahren. Auf Volksfesten und in Einkaufszentren erfreut sich die „Trabizille“ großer Aufmerksamkeit.





Clara Zetkin wurde in der DDR hoch in Ehren gehalten. Der Arbeiter-und-Bauern-Staat verlieh an verdiente Frauen eine Ehrenmedaille mit ihrem Porträt und blauer Schleife und gab 1982 eine silberne Zwanzig-Mark-Münze heraus, hier zu sehen neben einer Fünf-Mark-Münze von 1985 zur Erinnerung an die Dresdner Schauspielerin und Theaterdirektorin Caroline Neuber, die im 18. Jahrhundert Harlekin, Hanswurst und andere Spaßmacher von ihrer Bühne ausschloss. (Fotos: Caspar)

Witze reißen, das weiß jeder, auch jeder Diktator, lässt Druck aus dem Kessel. Auch in der DDR waren politische Witze sehr beliebt, nur durfte man sich beim Erzählen nicht erwischen lassen, die Folgen wären fatal gewesen. Wenn über sie gewitzelt wurde, waren die Genossen vom SED-Zentralkomitee, Regierungsmitglieder, Bezirksfürsten und andere Funktionäre überhaupt nicht amüsiert. Selbst harmlose Sprüche über politische und persönliche Gebrechen von Pieck, Ulbricht, Honecker, Grotewohl & Co. wurden, sofern sie der Stasi und Polizei zu Ohren kamen, wurden in der DDR als Boykotthetze und Verunglimpfung des sozialistischen Staates hart bestraft. Die Nazis hatten es mit ihren Gesetzen vorgemacht, wie man solchem Spott begegnet. Die NS-Justiz ging blutig gegen Regimekritiker und Witzerzähler vor, Todesstrafen wegen Witze sind aus DDR-Zeiten nicht bekannt.

Witze konnten gefährlich werden

In der Nachkriegszeit wurde bis zum Überdruss die Parole „Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen“ skandiert und in den Medien verbreitet. Das mögen viele Menschen im deutschen Osten ehrlichen Herzens geglaubt haben. Sie wussten, dass die Rote Armee einen überragenden Anteil an der Niederschlagung des NS-Regimes hatte, und das verlangte Dank und Respekt. Jenseits dieser Bewunderung für die „große Subjektunion“ aber, wie man manchmal flüsterte, wurde der Slogan aber mit Blick auf die Gebrechen des Sowjetsystems in des Spottvers „Von der Sowjetunion lernen heißt siechen lernen“ umgemünzt. Ähnlich erging es dem Refrain in einem FDJ-Lied, dessen Motto „Freundschaft siegt“ zu „Freundschaft siecht“ verändert wurde.

Ein beliebtes Ziel von Hohn und Spott war der in Zwickau gebaute Zweitakter Trabant. Die „Rennpappe“ war ein ganz großes Thema, denn die Autoproduktion hinkte den Kundenwünschen um viele Jahre hinterher. Das unverwüstliche Auto lief 1957 erstmals vom Band und brachte es auf 3,05 Millionen Stück. Charakteristisch waren sein knatterndes Motorgeräusch und die blaue Abgasfahne, die das Auto beim Fahren hinter sich ließ. Sehr schnell wurden Werbesendungen im DDR-Fernsehen eingestellt, denn auf den Kleinwagen mit vier Sitzen mussten DDR-Normalbürger zwölf und mehr Jahre warten, bis sie es ihr eigen nennen konnte. Manchmal waren gebrauchte Autos teurer als Neuwagen, die etwa 8500 Mark kosteten. So entwickelte sich eine Schattenwirtschaft, denn wenn man Glück hatte und fast das Doppelte zu zahlen bereit war, konnte man die elende Wartezeit verkürzen. Außerdem gab es einen ausgeprägten Schwarzhandel mit Autoanmeldungen, mit deren Hilfe man, wenn man pfiffig war, schneller an das Ziel seiner Träume gelangte. Selbstverständlich verschafften sich in der DDR unzufriedene Bürger beim Thema Auto etwa mit dieser Anfrage an den Sender Jerewan Luft: „Werte Genossen, wenn ich nicht innerhalb von vier Wochen einen neuen Auspuff für meinen Trabant bekomme, hänge ich mich auf." Die Antwort lautete so: „Lieber Genosse, hänge Dich gleich auf, denn ich kann nicht garantieren, dass es in vier Wochen noch Stricke gibt.“

Clara Zetkin und die Frau am Kontrollpult

Münzen und Geldscheine wurden in der DDR und nicht nur dort stets genau betrachtet. Kleinste Fehler oder Ungereimtheiten haben manche Leute zu kritischen Betrachtungen veranlasst. Das war auch bei einem Zehn-Mark-Schein von 1975 mit dem Bildnis der prominenten Frauenrechtlerin Clara Zetkin und auf der Rückseite einer jungen Frau der Fall, die an einem Kontrollpult, auch Blockwarte genannt, im Atomkraftwerk Rheinsberg sitzt und seinen Betrieb steuert und kontrolliert. Mit dem Geldschein wollte DDR ausdrücken, dass Clara Zetkins Visionen im Arbeiter-und-Bauern-Staat DDR Wirklichkeit geworden sind. Witzbolde interpretierten die Geldscheinbilder anders und sagten hinter vorgehaltener Hand „Beim Bestellen eines Trabant bist du noch jung, doch wenn du ihn bekommst, bist du so alt wie Clara Zetkin“.

Erst verschleudert, dann Kult

Für den seinerzeit so heiß begehrten Kleinwagen gab es Spitznamen wie Trabi, Trabizille, Rennpappe, Gehhilfe, Asphaltwanze oder Duroplastbomber nach der aus pappeartigem Kunststoff bestehenden Verkleidung. Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 waren DDR-Autos kaum etwas wert. Nach langen Wartezeiten teuer gekauft, standen an Straßenrändern und auf Parkplätzen herum und wurden für einen „schmalen Taler“ verschleudert oder gleich verschrottet. Jetzt waren westliche Wagen gefragt, und Autohändler rieben sich die Hände und wurden ihre „Rostlauben“ reißend los. Nach ein paar Jahren aber wurden Wartburg und Trabi Kult. Die Autos schafften hat es in die Museen, sind aber auch heute noch auf Straßen anzutreffen. Es gibt Vereine, die an den alten DDR-Autos schrauben und und aufmotzen, so dass ihre urtümliche Gestalt kaum noch zu erkennen ist. Wie das Ampelmännchen, der grüne Abbiegepfeil, das Sandmännchen und manch anderes haben auch der Trabant, der Wartburg und etliche Motorräder und Mopeds die DDR überlebt.

29. April 2023