Hitlerreden und Durchhalteparolen
Die vor 90 Jahren auf den Markt geworfene „Goebbelsschnauze“ übertrug NS-Parolen und Musik in entfernteste Winkel



Das neue Radio, hier ausgestellt im Deutschen Technikmuswuem Berlin, wurde hinter vorgehaltener Hand im Volksmund nach dem dort sehr häufig zu hörenden Propagandaminister „Goebbelsschnauze“ genannt. Durch die starke Verbreitung des sogenannten Volksempfängers war es fast überall möglich, Rundfunk zu empfangen. Hitlerreden zu hören, wurde den Deutschen zur Pflicht gemacht, manche wurden dafür von der Arbeit frei gestellt.



Kaum war Goebbels als Reichspropagandaminister im Amt, ließ er mit Hilfe von SA-Leuten das zu seinem Sitz bestimmte Palais des Prinzen Karl am Wilhelmplatz brutal entkernen sowie Stuck und Plüsch beseitigen, wie er schrieb. „Ich muss Klarheit, Sauberkeit und reine, übersichtliche Linien um mich haben. Zwielicht ist mir zuwider.“ Als ein Beamter ihm sagte, er könne wegen Demolierung des Hauses ins Gefängnis kommen, wies er ihn mit brüsken Worten ab.



Im Hinblick auf die Olympiade von 1936 wurden das Angebot und die Kapazitäten des Reichsrundfunks stark erweitert, so dass man nicht nur Nazipropaganda hören musste, sondern Spaß auch an Unterhaltungssendungen hatte.



Propagandafotos von einträchtig den Reden von Hitler und Goebbels sowie Verlautbarungen der Reichsregierung, aber bunter Unterhaltung am Volksempfänger lauschenden Familien sollten den Eindruck verstärken, dass sich die Menschen nach dem Motto „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ um Hitler scharen und keine Fragen stellen. Das traf zum großen Teil zu, aber nicht alle „Volksgenossen“ ließen sich einlullen.



Regelmäßig gingen Bilder durch die Presse, auf denen Familien, Fabrikarbeiter oder Soldaten andächtig am Volksempfänger sitzen und den Reden des „Führers“ zuhören.





Erst als sich im Zweiten Weltkrieg das Blatt wendete, begegnete man den vor allem durch den Rundfunk verbreiteten Siegesmeldungen und Verheißungen von Hitler und Goebbels mit zunehmendem Misstrauen. Wer beim Abhören von so genannten Feindsendern ertappt und wegen Feindbegünstigung angeklagt wurde, war des Todes. (Fotos/Repros: Caspar)

Einer der skrupellosesten Einpeitscher nationalsozialistischen Gedankengutes war schon vor der Errichtung der Nazidiktatur Joseph Goebbels. Als Berliner Gauleiter und Reichspropagandaleiter der NSDAP organisierte der Rheinländer Straßenschlachten mit den Kommunisten, hetzte gegen Juden und das „System“, wie die Nazis und rechtskonservative Kräfte die Weimarer Republik verächtlich nannten. Bald nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzlers am 30. Januar 1933 zum Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda ernannt, machte sich Goebbels sofort daran, das Kultur- und Kunstleben im Deutschen Reich sowie die Zeitungs- und Rundfunklandschaft im Sinne der Naziideologie umzubauen. Jüdische und regimekritische Journalisten, Museumsleute und Bibliothekare, Schauspieler und Regisseure wurden entlassen und mit Arbeitsverbot belegt. Manche kamen ins Konzentrationslager und wurden ermordet, und wer konnte, floh ins Ausland. Aus Verzweiflung begingen ihrer Lebensgrundlagen entzogene und vor dem Nichts stehende Menschen Selbstmord. „Wir sind am Ziel. Die deutsche Revolution beginnt“. Es gehe es nicht nur um den Bruch mit traditionellen Machtstrukturen, sondern um die Umwertung aller Werte, um den Sturz einer Gedankenwelt erklärte er. „Das, was wir wollen, ist mehr als eine Revolte. Unsere historische Aufgabe ist es, den Geist an sich umzustellen.“

Brennende Bücherberge und entartete Kunst

Am 21. März 1933 inszenierte Goebbels den auch im Rundfunk landesweit übertragenen „Tag von Potsdam“, an dem Reichspräsident Paul von Hindenburg Hitler in einer feierlichen Zeremonie in der Potsdamer Garnisonkirche offiziell die Regierungsmacht in die Hand legte. Die gleichgeschaltete Presse beschwor die neu gewonnene Einheit von altem Reich und neuer Kraft, womit die Nationalsozialisten und ihr Führer gemeint waren. Am 10. Mai 1933 loderten auf dem Berliner Opernplatz, dem heutigen Bebelplatz, und in anderen deutschen Universitätsstädten die Scheiterhaufen. Grölende Studenten in braunen Hemden warfen Bücher und Schriften von jüdischen und anderen missliebigen Autoren hinein, die nicht ins nationalsozialistische Weltbild passten.

Um ihre Ziele zu erreichen, war Hitler, Goebbels und ihresgleichen jedes Mittel recht. Nach und nach wurden auf ihre Weisung aus rassistischen, politischen und anderen Gründen unerwünschte Gemälde, Grafiken und Skulpturen aus den Museen entfernt. In ihrer Ausstellung „Entartete Kunst“ in München zeigten die Nazis 1937 in absichtlich abstoßender Weise eine Auswahl dieser als widerlich und undeutsch verteufelten Werke und machten gleichzeitig Stimmung für das, was Hitler, der verhinderte Maler und Architekt, und seine Genossen für deutsch, national und schön hielten.

Mit Propaganda Menschen bearbeitenbr

Joseph Goebbels war von der Kraft und den Möglichkeiten der damals noch neuen Medien Film und Rundfunk überzeugt und baute sie zügig als Propagandamittel aus. Hitler hatte in seinem Buch „Mein Kampf“ festgestellt: „Der Sieg einer Idee wird um so eher möglich sein, je umfassender die Propaganda die Menschen in ihrer Gesamtheit bearbeitet hat.“ Damit war auch das gerade erst zehn Jahre alte Radio gemeint. Ein Empfänger war anfangs sehr teuer, so dass sich ihn nur wenige Leute leisten konnten. Deshalb gab es Bauanleitungen, um sich ein solches Gerät selbe basteln zu können. Das Radio für jedermann, wie der neue Volksempfänger für zwei Programme in der Werbung hieß, wurde vor 90 Jahren auf der 10. Berliner Funkausstellung am 18. August 1933 als einfach zu bedienendes und preiswertes Gerät vorgestellt. Es erhielt die Bezeichnung VE 301 als Anspielung auf das Datum 30. 1. 1933, den Tag der so genannten Machtergreifung Hitlers, mit der auch der rasante Aufstieg von Goebbels als oberster Propagandachef begann. Die Industrie wurde angewiesen, ein einfach konstruiertes und preiswertes Gerät herzustellen. Mit ihm konnte man auf der Mittelwelle Regionalprogramme und auf der Langwelle den Deutschlandsender empfangen.-

Wenige Wochen nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler hatte der Propagandachef im März 1933 den ins Funkhaus an der Berliner Masurenallee, dem Messegelände gegenüber, einbestellten Intendanten und Direktoren der Rundfunkgesellschaften kategorisch und keinen Widerspruch duldend erklärt, was er von ihnen erwartet: „Den Rundfunk werden wir in den Dienst unserer Idee stellen. Und keine andere Idee soll hier zu Worte kommen. Es darf in kürzester Frist in Deutschland keinen Haushalt geben, der nicht dem Rundfunk angeschlossen wäre.“ Das bedeutete Gleichschaltung des Rundfunks, der nur senden durfte, was dem Regime genehm war und in seine Welteroberungspläne passte, vergleichbar mit dem, was der unter Goebbels' Befehlsgewalt stehenden Presse und dem Film und dann auch dem noch in den Kinderschuhen steckenden Fernsehen zugestanden wurde.

VE 301 in billiger Massenproduktion

In seinem Hitler gewidmeten Tagebuch „Vom Kaiserhof zum Reich zur Reichskanzlei“, das der Parteiverlag der NSDAP in hohen Auflagen verbreitete, stimmte Goebbels ein regelrechtes Triumphgeheul darüber an, wie er sich den Umbau des Rundfunks und der Presse sowie sowie die Arbeit seines Propagandaministeriums vorstellt und welche Handlanger er an seiner Seite haben will. „In der Durchführung der Revolution dürfen wir jetzt keinen Rücksicht mehr kennen, denn wir haben ja die Macht, um sie zu gebrauchen. Widerstand haben wir nicht zu befürchten. Unser Feind ist so zu Boden geworfen, dass er keine Hand mehr zu rühren wagt.“ Ein paar Tage später schreibt er: „Im Rundfunk haben wir nun die für alle Kulturgebiete so notwendige Vereinheitlichung bereits durchgeführt. Er befindet sich ausschließlich in den Händen des Reichs. (...) Ich nehme gleich eine Reihe von Kündigungen vor, um das Personal wenigstens in den Spitzen zu säubern. An alle wichtigen Stellen werden einwandfreie Nationalsozialisten gesetzt.“

Da die Nazi-Propaganda nur dann deutschlandweit wirksam werden konnte, musste der in Massenproduktion hergestellte VE 301 einfach konstruiert und vor allem billig sein. Ein Apparat kostete etwa 76 Reichsmark, was heutigen 300 Euro entsprechen würde und für damalige Arbeiterhaushalte nicht wenig war. Gab es Anfang 1932 gibt es vier Millionen Rundfunkteilnehmer, so hatte sich die Zahl bis Mitte 1939 mehr als verdreifacht. Bis zum Höchststand 1943 zahlten rund 16 Millionen von ihnen monatlich zwei Reichsmark Gebühren. Der Großteil dieser Summe ging an das Goebbels-Ministerium, dessen Etat damit fast finanziert war. Alle wichtigen Hitlerreden, Reportagen von den Reichsparteitagen der NSDAP in Nürnberg und von der Olympiade 1936 in Berlin, im Zweiten Weltkrieg dann die Sondermeldungen des Oberkommandos der Wehrmacht und weitere offizielle Verlautbarungen wurden erst per Rundfunk verbreitet, bevor man sie in der Presse nachlesen konnte.

Rundfunk und Film, ab Mitte der 1930er Jahre zaghaft auch das Fernsehen, wurden in den Dienst des NS-Regimes gestellt. Unaufhörlich prasselten auf die „Volksgenossen“ die Visionen vom Tausendjährigen Reich herab. Jüdische und regimekritische Journalisten, Wissenschaftler, Museumsleute und Bibliothekare, Schauspieler und Regisseure wurden entlassen und mit Arbeitsverbot belegt. Am 21. März 1933 inszenierte Goebbels den auch im Rundfunk landesweit übertragenen „Tag von Potsdam“, an dem Reichspräsident Paul von Hindenburg dem neuen Reichskanzler Hitler in der Potsdamer Garnisonkirche die Regierungsgewalt in die Hand legte. Die vom Propagandaminister beherrschten Medien beschworen die neue Einheit von altem Reich und neuer Kraft und meinten damit den Nationalsozialismus, von dem man sich Errettung von allen Übeln und eine Spitzenstellung des neuen deutschen Reichs unter den Völkern versprach.

Sendungen von ernst bis heiter

Um den „Volksgenossen“ das Leben zu versüßen und sie für das Regime einzunehmen, strahlte der Rundfunk darüber hinaus einen bunten Strauß von Unterhaltungssendungen aus. Unzählige Menschen erlagen den auch im Radio verbreiteten Nazi-Parolen, erfreuten sich aber auch an Sendungen von ernst bis heiter, wie es in der Werbung hieß, und im Zweiten Weltkrieg an den Wunschkonzerten für die Wehrmacht, die sonntags aus dem Großen Sendesaal an der Berliner Masurenallee übertragen wurden. Der gleichnamige Spielfilm von 1940 wurde als „Staatspolitisch wertvoll“, „Künstlerisch wertvoll“, „Volkstümlich wertvoll“ und „Jugendwert“ eingestuft.

Da Rundfunkwellen keine Grenzen kennen, ließ es sich nicht vermeiden, dass im Reich auch so genannte Feindsender, BBC London oder Radio Moskau, gehört wurden. Am 1. September 1939, dem Tag, als Hitler den Zweiten Weltkrieg begann, wurde die „Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“ erlassen, die für das Großdeutsche Reich für das Abhören aller ausländischen Radiosender Freiheitsstrafen und für die Verbreitung von dort gesendeten Nachrichten unter bestimmten Voraussetzungen die Todesstrafe für so genannte Rundfunkverbrechen androhte. Betroffen waren Sender wie Radio Moskau und die BBC London, in denen über den wirklichen Verlauf des Krieges abweichend von den stets positiv gehaltenen Meldungen des Oberkommandos der Wehrmacht, den Durchhalteparolen der Naziführung und aufmunternden Reportagen von den Fronten und aus der Heimat berichtet wurde.

Todesstrafen für Rundfunkverbrechen

Bereits 1933 hatte die Gestapo kommunistische und andere Personen, die Radio Moskau empfingen und denunziert wurden, wegen angeblicher Volksverhetzung in Konzentrationslager verschleppt. Oberlandesgerichte, Sondergerichte und ab 1934 der Volksgerichtshof verurteilte Oppositionelle aus diesem Grund wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ und Rundfunkverbrechen zu Zuchthausstrafen und Schlimmerem. Im Herbst 1940 fragte der britische Sender BBC den im Exil in den USA lebenden Literaturnobelpreisträger Thomas Mann, ob er zu seinen deutschen Landsleuten sprechen und die Kriegsereignisse sowie die Nazi-Verbrechen kommentieren würde. Diesen Auftrag nahm Mann gern an, und so konnte, wer wollte und Mut hatte, aus seinem Mund erfahren, was im Großdeutschen Reich und den von ihm besetzten Ländern geschieht und was von den Naziparolen zu halten ist. Man konnte BBC London und Radio Moskau nur ganz geheim hören und musste sich stets davon überzeugen, dass kein Gestapospitzel in der Nähe ist. Dennoch haben sich viele mutige Menschen über das Verbot hinweg gesetzt und heimlich den Sendungen stets mit der Anrede „Deutsche Hörer!“ gelauscht und erfuhren, wie sich die Schlinge langsam um das so genannte Dritte Reich zusammen zieht. Als der Krieg schon längst verloren war, hielt Goebbels zu seinem Führer und verbreitete im Rundfunk seine Lügenmeldungen über den unmittelbar bevor stehenden Endsieg. Hitler ernannte ihn zu seinem Nachfolger, bevor er sich selber und seine gerade angetraute Frau Eva Braun in der Berliner Reichskanzlei umbrachten. Goebbels beging kurz darauf am 1. Mai 1945 mit seiner Familie Selbstmord.

25. August 2023