„Der Feind steht rechts“
Bilder und Dokumente über den schwierigen Start der Weimarer Republik in der Topographie des Terrors ausgestellt





Die Ausstellung in der Topographie des Terrors schildert auf beklemmende Weise, welche Chancen sich durch die Beseitigung der Monarchie boten und wie sie vertan wurden. Sie zeigt, mit welch drastischen Mitteln die ungefestigte Republik gegen Hetzer und Zerstörer vorging. Sie fragt am Ende nach den Kontinuitäten politischer Gewalt und antisemitischer Hetze in Deutschland von der Weimarer Republik über die Zeit des Nationalsozialismus bis heute. Das Thema ist angesichts destruktiver Tendenzen von bedrückender Aktualität. Denn rechte Gruppen, Rassisten, Neonazis und andere Extremisten versuchen, unsere freiheitlich-demokratische Ordnung in Frage zu stellen und zu zerstören. Anders als frühere Ausstellungen verbindet die neue Dokumentation des Terrors Fotos, Plakate, Bücher und Dokumente mit Sachzeugen und wirkt daher besonders eindringlich.



Medaillen wie diese von Heinrich Wanderé zur Eröffnung der Nationalversammlung am 31. Juli 1919 in Weimar lassen nicht erkennen, dass es der jungen Weimarer Republik von unterschiedlichen Kräften schwer gemacht wurde, sich zu etablieren. Die Umschrift auf der Rückseite DIE STAATSGEWALT GEHT VOM VOLKE AUS zitiert den Artikel 1 der Weimarer Verfassung.



Eine der Errungenschaften der Weimarer Republik war das Wahlrecht auch für Frauen. Die neue Freiheit verhinderte nicht, dass sich Linke und Rechte bis aufs Messer bekämpften.



Der Holzschnitt von Käthe Kollwitz zeigt Trauernde an der Bahre des Anfang 1919 von Marine-Angehörigen ermordeten KPD-Führers Karl Liebknecht.



Mit allen Mitteln wurde nach 1918 versucht, Stimmung gegen die junge Republik und seine Repräsentanten zu machen. Die Plakate zeigen, wie Deutschnationale die „Kommune“ bekämpfen und rote Vaterlandsverräter die angeblich siegreich im Felde kämpfenden Soldaten von hinten erdolchen.



Mit vereinten Kräften konnte die junge Republik 1920 den Kapp-Putsch und andere Aufstandsversuche niederschlagen, den Tätern ist kaum etwas geschehen, den die meisten Juristen standen der neuen Ordnung ablehnend bis feindlich gegenüber.





Die Spottmedaille auf den misslungenen Hitlerputsch am 9. November 1923 in München war Karl Goetz später so peinlich, dass er alle bei Sammlern befindliche Exemplare wieder an sich zu bringen versuchte. Das hatte er bei der Schlageter-Medaille aus dem gleichen Jahr nicht nötig, sie und ähnliche Arbeiten kamen in deutsch-nationalen Kreisen gut an.





Die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen wurde als schreiendes Unrecht empfunden und brachte Millionen Menschen auf den Plan, hier der Einzug der Besatzer in Essen. Dass sie den „deutschen Michel“ bis aufs Blut auspressen, schildert die Goetz-Medaille.



Die politische Propaganda ging alles andere als fein mit der Gegenseite um. Wer in ihr Visier kam, war Schmähungen und Diffamierungen ausgesetzt. Vor allem tummelten sich auf Wahlplakaten Mörder, Vergewaltiger und andere Ungeheuer, die man stets der Gegenseite zurechnete. Bei vielen Menschen fielen solche Bilder und Parolen auf fruchtbaren Boden. (Fotos/Repros: Caspar und aus dem Versteigerungskatalog „Der Medailleur Karl Goetz“ des Auktionshauses Ulrich Felzmann GmbH & Co. KG, Düsseldorf 2020)

Die Topographie des Terrors zeigt bis zum 1. September 2024 die Sonderausstellung „Gewalt gegen Weimar - Zerreißproben der frühen Republik 1918 bis 1923“. Sie schildert den schwierigen, von Bürgerkrieg, Gewalt und Elend geprägten Start der Weimarer Republik nach dem Ende der Monarchie im Verlauf der Novemberrevolution 1918. Kaiser Wilhelm II: sowie Könige und Fürsten räumten ihre Throne widerstandslos, und so verlief die erste Phase der Novemberrevolution nahezu gewaltfrei. Im Deutschen Reich und den einzelnen Ländern entstanden revolutionäre Regierungen, die den relativ friedlich Übergang zur Republik organisierten.

Dann aber schlug das Pendel nach der anderen Seite aus, denn um den Jahreswechsel 1918/19 gab es linksgerichtete Umsturzversuche gegen die von den Mehrheits-Sozialdemokraten geforderte Ruhe und Ordnung. Bürgerliche Parteien und die alten monarchistischen Eliten stellten die Republik als Ganzes in Frage und riefen zum Widerstand auf. Derweil hoffte Ex-Kaiser Wilhelm II. im niederländischen Exil, irgendwann „mit klingendem Spiel“ durchs Brandenburger Tor reiten und seinen Thron wieder besetzen zu können. Auf der anderen Seite gab es die Wahl zur Nationalversammlung, zu der nach langen Kämpfen nun auch Frauen zugelassen waren. Die neue Volksvertretung stimmte am 31. Juli 1919 der Reichsverfassung zu. Diese hatte Forderungen aus der Revolution von 1848/49 übernommen und versprach den Deutschen ein demokratisches Leben in Frieden und Freiheit. Dass sie dem Reichspräsidenten außerordentliche Vollmachten zubilligte, sollte sich in den späten Jahren der Weimarer Republik als schwere Belastung für das fragile politische System erweisen und war einer der Gründe, dass Hitler 1933 an die Macht gelangte.

Putschisten, Separatisten und Hitler-Anhänger

Die Ausstellung zeigt, wie traumatisierte Soldaten, Putschisten, Separatisten und Hitler-Anhänger die junge Republik an den Rand des Bürgerkriegs und Zusammenbruchs brachten und wer den durch Inflation und Massenelend befeuerten Umsturzversuchen zum Opfer fiel. Dass auf der anderen Seite Kommunisten träumten, aus dem Deutschen Reich ein „Sowjetdeutschland“ machen wollten, wird ebenso wenig verschwiegen wie Versuche von Intellektuellen und Künstlern, die Wogen des Hasses zu glätten und Zuversicht zu verbreiten. Über allem stand die Frage, wer an dem verloren gegangenen Krieg Schuld hat. Rechte Kräfte denunzierten die ihnen so sehr verhasste Republik als das Werk von Bolschewisten, Juden und anderen Vaterlandsverrätern. Demokratische Politiker wurden als „Erfüllungspolitiker“ diffamiert, weil sie den Versailler Vertrag unterschrieben hatten.

Einer der rechten Brandstifter war der Wirtschaftswissenschaftler und Bankmanager Karl Helfferich, der in der Kaiserzeit zu einem der einflussreichsten Politiker aufstieg und nach 1918 Wortführer der republikfeindlichen und antisemitischen Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) wurde. Als Reichstagsabgeordneter war er maßgeblich an der Verbreitung der sogenannten Dolchstoßlegende beteiligt, die behauptete, dass das im Felde unbesiegte Heer von Vaterlandsverrätern in der Heimat von hinten erdolcht wurden. Helfferichs Hetze gegen die Politiker Walther Rathenau, Matthias Erzberger und Joseph Wirt förderten ein Klima, das zu politischen Morden führte. Die auch Schwarze Reichswehr genannte Terrortruppe Organisation Consul (OC) mit rund 5000 Mitgliedern war ein paramilitärischer sowie rechtsradikal und nationalistisch ausgerichteter Geheimbund, der die gewaltsame Zerstörung der Weimarer Republik anstrebte. Auf ihr Konto gingen zahlreiche politische Gewalttaten, so 1921 und 1922 die Morde am Reichsfinanzminister Matthias Erzberger und am AEG-Industriellen und Reichsaußenminister Walther Rathenau. Unmittelbar nach dem Attentat auf Rathenau erließ die Reichsregierung zwei Verordnungen zum Schutz der Republik, die wenig später in das „Gesetz zum Schutz der Republik” eingingen. Allerdings wurde es vor allem gegen Kommunisten und die Linke angewendet, obwohl es extremistische Organisationen jeder Couleur meinte. Elf Jahre später war die Weimarer Republik am Ende, die Herrschaft des Nationalsozialismus begann. Für sie war Walther Rathenau eine Unperson. Erst nach dem Ende der Nazidiktatur war ein ehrendes Gedenken an den aufrechten Demokraten möglich.

Zweite Revolution forderte viele Opfer

Rathenau hatte sich einen Namen durch die Aushandlung des Vertrags von Rapallo mit Sowjetrussland gemacht und war dafür eingetreten, dass Deutschland seinen Verpflichtungen aus dem Vertrag von Versailles gegenüber den Siegermächten nachkommt, weshalb konservative, nationalistische, deutschnationale, antisemitische und faschistische Kreise gegen ihn hetzten und ihn als Landesverräter und Erfüllungspolitiker verunglimpften. Reichskanzler Josef Wirth sagte bei der Trauerfeier für Rathenau: „Arbeiter aller Parteien und insbesondere Sie, Vertreter einer wirklich freiheitlichen bürgerlichen Auffassung, schützt die Republik und unser teures, geliebtes, deutsches Vaterland! An das ganze deutsche Volk, an alle Parteien richte ich erneut den dringenden Appell, dahin zu wirken, dass unser Land vor weiteren Erschütterungen bewahrt bleibt.“ Wirths berühmter Ausruf „Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. Da steht der Feind - und darüber ist kein Zweifel: dieser Feind steht rechts!“, mit dem Helfferich und seine DNVP meinte, wurde am 22. Juni 1922 ebenfalls im Reichstag gehalten.

Im Frühjahr 1919 und danach kam zu einer zweiten Revolution, und so schildert die Ausstellung, wie Reichswehr, Freikorps und andere Verbände mit aller Härte gegen die sich etablierende Republik mit dem Ziel vorgingen, die Verhältnisse vor dem Ersten Weltkrieg wiederherzustellen. Die Spaltung der Arbeiterbewegung setzte sich fort, das Deutsche Reich drohte in einem Bürgerkrieg zu versinken. Die bis aufs Messer geführten Kämpfe forderten überall tausende Tote, ihre Beerdigung gestaltete sich zu massenhaften Protestaktionen für oder gegen die Republik. Die Revolution wurde von links als unvollendet und von rechts als Hochverrat bewertet, ist weiter zu erfahren. In den Augen der Kommunisten steckten die Sozialdemokraten mit der bürgerlichen Konterrevolution unter einer Decke. Die Parole „Wer hat uns verraten – Sozialdemokraten“ war später ein ernstes Hindernis für das Zusammengehen gegen die Nazigefahr. Erst als sie 1933 tödliche Realität angenommen hatte, schlossen sich Kommunisten und Sozialdemokraten und weitere Oppositionelle im Untergrund zusammen, doch da konnten sie nur noch wenig gegen die Hitlerdiktatur ausrichten.

Stimme der Vernunft verhallte ungehört

Der am 28. Juni 1919 mit den Siegermächten geschlossene Versailler Friedensvertrag zwang das Deutsche Reich zu hohen Reparationszahlungen, welche seine Wirtschaftskraft bei weitem überstiegen und zur starken Verelendung der Bevölkerung führten. Die junge Republik musste ein Siebentel ihres Territoriums mit einem Zehntel der Bevölkerung an Nachbarstaaten abtreten, durfte nur noch eine Armee mit 100 000 Berufssoldaten unterhalten, musste ihre Waffen abgeben und verlor den Kolonialbesitz aus Kaisers Zeiten. Dieser „Diktat- und Schandfrieden“, wie man damals zum Vertrag von Versailles sagte, wurde aus unterschiedlichen Gründen von der äußersten Rechten bis zur äußersten Linken bekämpft, und diejenigen, die ihn unterzeichnet hatten, waren schlimmsten Schmähungen ausgesetzt. Die Stimme der Vernunft verhallte ungehört, einsichtige Politiker im Reichstag und den Länderparlamenten, aber auch in der schreibenden Zunft und in Künstlerkreisen waren zu schwach und erreichten mit ihren Warnungen vor den Feinden der Republik und Mahnungen zur Verteidigung der Demokratie die große Masse nicht. Eine ehrliche Aufarbeitung der Frage, wie es zum Ersten Weltkrieg kommen konnte und wer an den Millionen Toten und Verletzten auf beiden Seiten Schuld war und welchen Anteil die beiden Militärblöcke an der Eskalation der Gewalt hatten, fand nur unzureichend statt.

Rassistische und antisemitische Tendenzen

Die Besetzung des Ruhrgebiets 1923 und damit auf dem Höhepunkt der Hyperinflation durch französische und belgische Truppen mit dem Ziel, die Reichsregierung zur Erfüllung ihrer aus dem Versailler Friedensvertrag resultierenden Zahlungen nicht in wertloser Reichsmark, sondern in Dollar, Pfund Sterling oder Schweizer Franken zu zwingen, löste in allen politischen Lagern gewaltsame Gegenaktionen aus und gab dem durch die Niederlage von 1918 angeschlagenen Nationalismus neue Nahrung. Die Ausstellung zeigt anhand von Fotos, Plakaten und Dokumenten, wie die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen bürgerkriegsartige Zustände, separatistische Bestrebungen und den Hitlerputsch in München am 9. November 1923 bewirkte. Als Hitlers Marsch auf die Feldherrnhalle in München scheiterte, hat man den Umsturzversuch nicht als Weckruf aufgefasst, alle Kräfte zur Verteidigung der Republik und ihrer demokratischen Werte zu vereinen, sonst wäre es nicht zehn Jahre später zur Errichtung der Nazidiktatur gekommen.

Der überaus talentierte Münchner Medailleur Karl Goetz (1875-1950) machte sich mit seinen bei Sammlern beliebten Arbeiten über über linke und rechte Politiker lustig und schreckte davor nicht zurück, die Weimarer Republik als das Werk von Vaterlandsverrätern und Bolschewisten zu verunglimpfen. Ausgelegt sind in der Topographie des Terrors mehrere Medaillen dieses Künstlers, darunter eine von 1923, die rebellierende Nazis mit Adolf Hitler an der Spitze verhöhnt. Nach dessen „Machtergreifung“ am 30. Januar 1933 unternahm Goetz große Anstrengungen, um diese Medaille wieder an sich zu bringen. Dass er sich der Gunst Nazis erfreuen konnte, zeigen die Hitler und seinen Helfershelfern gewidmeten Medaillen. Eine solche von 1923 ehrt den von den Nazis als Held, Patriot und Freikorpsführer gefeierten Albert Leo Schlageter, der von französischen Soldaten standrechtlich erschossen wurde. Eine andere Medaille in der Ausstellung mit der Umschrift DIE SCHWARZE SCHANDE zeigt, wie Germania an einen französischen Penis gefesselt ist. Auf der Rückseite sieht man die Karikatur eines in der französischen Armee dienenden Afrikaners.

Weitere Goetz-Medaillen bedienen rassistische Vorurteile gegen gegen Juden, die am Krieg und am Elend von Millionen Menschen profitieren. Seine nationalistische Haltung hat Karl Goetz auf einer Medaille zum Jahr 1918 so zum Ausdruck gebracht: GANZ EUROPA DIE GANZE WELT DIE GANZE WELT WIRD DEUTSCH WERDEN / DEUTSCHLANDS TRÄUME ICH OFT WENN ICH UNTER EICHEN WANDEL. Andere Arbeiten zeigen, wie sich Kriegsgewinnler an der Not ihrer Landsleute bereichern und welche Auswirkungen die Inflation und der massenhafte Ausstoß von wertlosem Papiergeld haben. Dass die Ausstellung einige Goetz-Medaillen zeigt, ist zu begrüßen, denn üblicherweise wird bei solchen Gelegenheiten dieses doch auch für Geschichtspropaganda und Personenkult nicht unwichtige Genre außer Acht gelassen.

Was von den „Goldenen Zwanzigern“ zu halten ist

Die wenigen Jahren zwischen Revolution und Diktatur werden gern als „Goldene Zwanziger“ bezeichnet, aber sie sind nur ein Mythos. In ihnen griff ein neues, freieres Lebensgefühl um sich, und es machten großartige Werke der Literatur und bildenden Kunst von sich reden. Spitzenleistungen der Wissenschaft und Technik wurden vollbracht, es gab bedeutende Erfindungen von deutschen Ingenieuren, die bis heute nachwirken. Das ursprünglich negativ gemeinte Prädikat „Made in Germany“ erlangte international großes Ansehen. Film und Rundfunk drangen in ferne Winkel des Reiches. Der alte Muff und Mief der Kaiserzeit, die Hohlheit der Etikette und monarchischer Schwulst landeten auf dem Müllhaufen der Geschichte. Die Eliten gaben sich bürgernah, und auf dem Lande wurden feudale Strukturen aufgebrochen, wenn auch nicht beseitigt. Männer und Frauen gingen miteinander ungezwungener um, wenigstens in den Metropolen. Eisenbahn und Automobil, Zeppelin und Flugzeug, aber auch moderne Nachrichtenmittel wie das Radio und eine blühende Presselandschaft waren Errungenschaften, die diese Zeit in ein verklärendes, aber falsches Licht tauchen, denn im Inneren des Landes brodelte es gefährlich.

23. März 2024