„Schild und Schwert der Partei“
Dass der VEB Münze Berlin auch für die Stasi gearbeitet hat, kam erst nach der Wende 1989/90 ans Tageslicht



Was sich im VEB Münze der DDR am (Ost) Berliner Molkenmarkt außerhalb des offiziellen Programms abspielte, bedarf weiterer Recherchen.



Die Gedenkstätte im ehemaligen Stasi-Ministerium an der Ruschestraße im Berliner Bezirk Lichtenberg und das Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen erinnern an die Verbrechen und die Opfer der „Stasi-Krake“, die großes Leid über die Menschen brachte. Nicht weniger als 111 Kilometer Akten des Geheimdienstes wurden 1990 vor der Zerstörung gerettet und werden seither ausgewertet und publiziert. Das unter der Parole „Wir sind überall, wir müssen alles wissen“ arbeitende Ministerium verstand sich als „Schild und Schwert der Partei“: Seine Angehörigen hatten auch privat den Befehlen und Direktiven von Mielke & Co. zu folgen.



Mit einem Honecker-Zitat ehrt die im VEB Münze der DDR geprägte Medaille der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) Mitglieder der Schulze-Boysen-Harnack-Organisation, die 1942 von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Die Gestapo gaben der Widerstandsgruppe den Namen „Rote Kapelle“.



Mit dem Berliner Kennbuchstaben A versehen ist die Ausstellungsmedaille vom Kreis 10 mit dem Porträt des Journalisten und Widerstandskämpfers John Sieg, der zum inneren Kreis der „Roten Kapelle“ gehörte und wie seine Genossen 1942 hingerichtet wurde.





Der Kreis 10 ließ die dem linken Sozialdemokraten und Organisator der „Roten Feldpost“ in der Zeit des Sozialistengesetzes (1878 bis 1890) Julius Motteler gewidmete Medaille prägen. Der 1972 verstorbene Stasi-General Robert Korb schmückt eine Ausstellungsmedaille, die der Kreis 10 1986 zu Ehren des XI. (und letzten) Parteitags der SED prägen ließ.



Freunde von Erich Honecker haben dem 1994 in Chile verstorbenen ehemaligen SED-Chef und Staatsratsvorsitzenden der DDR eine Medaille gewidmet, die ihn mit erhobener Faust als Kämpfer für den Sozialismus feiert. Honecker saß als Jungkommunist und Widerstandskämpfer während der Nazizeit zehn Jahre im Zuchthaus Brandenburg und wurde 1945 befreit.



In einer Auflage von nur 277 Exemplaren wurde im VEB Münze der DDR der so genannte Honeckergulden von 1985 mit dem Denkmal des Sowjetsoldaten mit dem geretteten Kind auf dem Arm von der Gedenkstätte in Berlin-Treptow geprägt. In einer Schatulle und einem Zertifikat wurde die Rarität an hohe in- und ausländische Funktionäre vergeben.



Die den DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck ehrende Goldmedaille zum 20. Jahrestag der DDR von 1969 wurde als Auszeichnung vergeben. In nur einem Exemplar kommt der Abschlag des Zwanzig-Mark-Stücks von 1968 aus Gold vor. Empfänger war der damalige Partei- und Staatschef Walter Ulbricht, der privat Münzen sammelte. Die numismatische Rarität gelangte in die Sammlung des Museums für Deutsche Geschichte im Zeughaus Unter den Linden in Berlin, aus dem das heutige Deutsche Historische Museum hervor ging. (Fotos: Caspar)

Die Münzen und Medaillen der DDR bilden ein abgeschlossenes Sammelgebiet, nichts kommt mehr hinzu,viele Details wurde erst nach dem Ende des zweiten deutschen Staates bekannt, und manches harrt noch der Aufklärung. Wenn der Kulturbund der DDR, in dem viele Münzfreunde und –sammler organisiert waren, Ausstellungen veranstaltet hat, war oft auch der „Kreis 10“ dabei. Wie erst nach dem Ende der SED-Herrschaft und damit auch dem Ende des allmächtigen, das ganze Land und seine Bewohner beherrschenden Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) Ende 1989 deutlich wurde, verbarg sich hinter diesem Decknamen die Kulturabteilung des von Erich Mielke geleiteten Geheimdienstes. Was der eine oder andere Stasi-Mitarbeiter für Ausstellungen und Publikationen beigetragen hat, kann in den Heften der Numismatischen Kulturbund-Fachgruppen nachgelesen werden.

Leute vom „Kreis 10“ verhielten sich unauffällig und gaben nicht zu erkennen, dass sie dem MfS als hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter dienen. Viele waren studierte Leute und trugen sogar einen Doktortitel. Manch ein Münzfreund hat ihre Zugehörigkeit zu Mielkes Ministerium geahnt, wie man vieles in dieser Richtung mehr gespürt als wirklich gewusst hat. Die numismatischen Hinterlassenschaften vom Kreis 10 sind nicht klein. Man findet sie in privaten Sammlungen sowie in Museen und Münzkabinetten, so wie dort auch die vielen Auszeichnungsmedaillen der DDR und speziell des MfS aufbewahrt werden.

Ideologische Aufrüstung

Der Münz- und Militariahandel hält ein reichhaltiges Angebot bereit, das von früheren Angehörigen der „bewaffneten Organe“, also MfS, Nationale Volksarmee, Polizei, Zoll, Kampfgruppen usw., gespeist wird und ein eigenes Sammelgebiet darstellt. An Anlässen für die Auszeichnungs- und Erinnerungsmedaillen hat es nicht gemangelt. Da gab es die immer wiederkehrenden Staatsjubiläen in der DDR und die SED-Parteitage, die ideologische Aufrüstung und Überwachung der Bevölkerung sowie die Stärkung der Kampfkraft der Arbeiterklasse, wie es in der Propaganda hieß. Es gibt ferner Medaillen mit Bildnissen von Karl Marx und Friedrich Engels, die als Klassiker der in der DDR herrschenden Ideologie verehrt wurden.

Die Staatssicherheit, deren Angehörige sich stolz „Kundschafter des Friedens“ nannten, betrieb intensive Traditionspflege, wenn sie mit Medaillen an Feliks Dzierzynski, den Begründer der sowjetischen Geheim- und Terrororganisation Tscheka als ihr Vorbild erinnerte. Sie widmete antifaschistischen Widerstandskämpfern recht aufwändig gestaltete Medaillen, und auch Bezirksverwaltungen des Ministeriums traten mit eigenen Arbeiten dieser Art hervor. Sie alle stellen historische Dokumente für die Selbstdarstellung des MfS und sollten nicht im Orkus der Geschichte verschwinden.

Münzzeichen A gibt Prägestätte an

Da einige Medaillen als Herkunft das Münzzeichen A zeigen, könnte man im Archiv des früheren VEB Münze der DDR beziehungsweise der heutigen Staatlichen Münze Berlin Näheres über Künstler und Auflagen erfahren. Auch dürften in den Unterlagen des ehemaligen Stasi-Ministeriums Angaben zu finden sein, wer an welche Künstler welche Aufträge erteilt hat und was man von den Medaillen erwartete. Indem dieser Beitrag auf einen weißen Fleck in der Geschichte der Münz- und Medaillen der DDR aufmerksam macht, möchte er dazu aufrufen, sich mit diesem und weiteren Themen näher zu befassen und Ergebnisse zu publizieren.

Mit Medaillen hat das MfS Widerstandskämpfer in der Schulze-Boysen-Harnack-Organisation geehrt, die 1942 von den Nationalsozialisten ermordet wurden. In der Berliner Gruppe „Neu Beginnen“ standen Kommunisten und Sozialdemokraten gegen den gemeinsamen Feind, das Hitlerregime, zusammen. Die bis 500 Mitglieder umfassende Gruppe baute im Untergrund ein Netz von Verbindungen zu anderen Widerstandskreisen auf, so zum Bund der religiösen Sozialisten in Deutschland und zu antifaschistischen Exilkreisen. Erst 1941 gelang es der Gestapo, die Gruppe „Neu Beginnen“, die im Nazijargon „Rote Kapelle“ hieß und unter diesem Namen auch heute bekannt ist, zu zerschlagen. Prominente Mitglieder der Gruppe mit guten Kontakten zur Sowjetunion waren Hans Coppi, Adam Kuckhoff, Rudolf von Scheliha, Kurt Schumacher und andere wurden wegen angeblichen Landes- und Hochverrats mit weiteren Mitstreitern zum Tode verurteilt und Ende 1942 im Berliner Zuchthaus Plötzensee an Drahtseilen erhängt.

Erinnerung an Rote Kapelle

Der Luftwaffen-Oberleutnant Harro Schulze-Boysen hatte im Sommer 1941 den sowjetischen Geheimdienst vor dem bevorstehenden Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion gewarnt, was aber von Josef Stalin, der sich mit Hitler durch einen Nichtangriffspakt von 1939 verbunden fühlte, sträflich ignoriert wurde. Das Zitat aus einer Honecker-Rede auf der Rückseite einer Medaille mit den Köpfen von elf Widerstandskämpfern unterstreicht die Ergebenheit des MfS gegenüber dem ersten Mann in der SED und im Staat. Dieser Medaille kann man weitere hinzufügen, die führende Geheimdienstler und damit das Mielke-Ministerium feiern. Ob es auch eine Prägung mit dem Bildnis von Erich Mielke gibt, ist nicht bekannt.

Andere Medaille vom Kreis 10 erinnern an den deutschen Kommunisten Gustav Szinda, der als Generalmajor im MfS Dienst tat und erster Leiter der Abteilung Gegenspionage im Außenpolitischen Nachrichtendienst der DDR (APN) war, des Vorgängers des MfS, sowie an Generalmajor Robert Korb. Unter seiner Leitung sammelte die Stasi alle erreichbaren Informationen für die Parteiführung über die Stimmungslage und besondere Gefahrensituationen in der DDR.

Wie nach deren Ende bekannt wurde, konnten die Stasispitzel so viel Papier beschreiben wie sie wollten - ihre Warnungen vor Unruhen durch Mangelwirtschaft, politische Bevormundung und Verweigerung demokratischer Rechte und Reisefreiheit wurden schlicht ignoriert, weshalb es 1989 zum Kollaps in der DDR kam. Das MfS widmete Robert Kolb das Erinnerungsbuch mit dem vom Dichter und antifaschistischen Widerstandskämpfer Julius Fucík übernommenen Titel „Menschen, ich hatte euch lieb, seid wachsam!“, für das der Chef der Auslandsspionage Markus Wolf das Geleitwort schrieb.

Goldmangel und Goldreichtum

Vor längerer Zeit bekam ich Dokumente aus der „Wendezeit“ 1989/90 über das Zustandekommen der Goldabschläge von 1985 mit dem Treptower Ehrenmal und weiterer Goldmedaillen. Dazu muss man wissen, dass Gold in der DDR ein ausgesprochen rares Edelmetall war. Wer es etwa davon für seine Zähne benötigte, hatte allergrößte Probleme, ein paar Gramm irgendwo zu ergattern. Wer sich zu diesem Zweck von Altgold oder auch Münzen trennte, war gut dran. In einem Brief des VEB Münze der DDR an die Ministerin der Finanzen Uta Nickel vom 6. Dezember 1989 wird festgestellt, dass dort zwischen 1983 und 1988 im Auftrag der zur Stasi gehörenden Kommerziellen Koordinierung (KoKo) Goldmedaillen und die erwähnten, für einen ganz exklusiven Kreis von hohen Funktionären und Staatsgästen bestimmten Goldmünzen hergestellt wurden. Die Auslieferung sei direkt an den Chef der KoKo, Stasi-Oberst Alexander Schalck-Golodkowski, oder sein Sekretariat erfolgt.

Es ging zunächst um ca. 150 Gold- und 300 Silbermedaillen von 1983 zur Luther-Ehrung. Das Material wurde aus dem NSW, dem Nichtsozialistischen Wirtschaftssystem/kapitalistischen Ausland, bezogen. 1985 hat der VEB Münze der DDR Medaillen zum Thema „Dr. Sorge“ und vier Motive zur „Gruppe Ramsay“ aus Gold geprägt. Wer diese Medaillen über den deutschen Kommunisten, Schriftsteller und in Japan für den sowjetischen Geheimdienst tätigen Richard Sorge bekam, geht aus dem Dokument nicht hervor. Das gilt auch für Medaillen zu Ehren seiner unter dem Decknamen „Ramsay“ tätigen Gruppe. Man kann davon ausgehen, dass das MfS der Empfänger war. Es war fleißiger Auftraggeber für Medaillen, mit denen es seinen Leuten und Vorbildern ein numismatisches Denkmal gesetzt wurde. Ab und zu tauchen diese Stücke im Münzhandel auf.

Patrioten der Befreiungskriege

1987 stellte der VEB Münze anlässlich der Siebenhundertfünfzigjahrfeier Goldmedaillen mit drei Berlin-Motiven her, und zwar Nikolaikirche, Zeughaus und Staatsratsgebäude. 1988 kamen 20 Sätze zu acht Motiven zum Thema „Patrioten der Befreiungskriege“ hinzu. Eine solche Serie war schon 1979 in dem Traditionsbetrieb, kenntlich am Buchstaben A, hergestellt worden Bei ihnen und anderen Stücken hat man nicht alle aus dem „NSW“ einschließlich der Schweiz angelieferten Ronden verarbeitet. Größere Mengen waren Ausschuss und wurden ungeprägt wieder zurückgegeben. Hinsichtlich der mit einem P für Probe versehenen Goldabschläge der Zehn-Mark-Münze von 1985, die als „Honeckergulden“ berühmt wurden, heißt es in dem Schreiben, dass insgesamt nur 266 Stücke hergestellt wurden, die übrigen 114 Ronden seien „als Ausschuss bzw. ungeprägt“ zurück gegeben worden. Beachtung verdienen Hinweise auf den „Aufkauf von Edelmetallen von ,dritten Personen’ durch Vermittlung von Angehörigen des MfS durch den VEB Münze der DDR zu Bevölkerungspreisen“. In der Geldfabrik am Ostberliner Molkenmarkt gab es eine spezielle, von Mitarbeitern des MfS überwachte Abteilung, in der zwischen 1985 und 1988 Gold- und Silberankäufe im Wert von 18 bis 20 Millionen (Ost-)Mark getätigt wurden. Bei den Quittungen hat man falsche Namen und Personenkennziffern verwendet; Auszahlungen erfolgten grundsätzlich in bar. Schecks und Überweisungen wurden nicht verwendet. Es gab Fälle, wo selbst am Nachmittag noch mal zur Bank gefahren werden musste, um die Barauszahlung zu gewährleisten. Ankaufsbelege existierten Ende 1989 nicht mehr, weil sie den Verkäufern übergeben wurden. „Da auch das ehem. MfS ein Hauhaltträger war, ergibt sich im Betrieb die Frage, in welche schwarzen Kanäle diese Mittel geflossen sind“, heißt es in dem erwähnten Brief vom Dezember 1989, also aus einer Zeit, da langsam auch Stasi-Geheimnisse gelüftet werden konnten. Mit anderen Worten gibt es noch einiges rund um die Goldmedaillen aus DDR-Zeiten und den „Honeckergulden“ von 1985 zu klären.

Spezialausgabe für Ulbricht

Das gilt auch für die Frage, warum so viele Ronden als Ausschuss ausgesondert werden mussten und wer die wenigen „Goldfüchse“ bekam, von denen manche nach dem Ende der DDR für viel Geld aus dem Nachlass von Parteifunktionären und anderen Prominenten versteigert wurden. Erwähnt sei, dass sich die damalige Staatsbank der DDR vergeblich um ein Exemplar der Goldprägung von 1985 für ihre heute in der Bank für Wiederaufbau am Berliner Gendarmenmarkt befindlichen Münzsammlung bemüht hat. Die dazu angefragte Firma Art-Union Berlin nannte 1990 den enormen Preis von etwa 20 000 DM. Da dieser Preis als zu hoch angesehen und es außerdem nicht für notwendig gehalten, dieses Stück der Sammlung zuzuführen, kam der Kauf nicht zustande.

Eine andere Rarität aus Gold gelangte 1968 in das damalige Museum für Deutsche Geschichte, das in das Deutsche Historische Museum im Zeughaus Unter den Linden in Berlin aufging. In einer Ausstellung wurden Geschenke gezeigt, die der damalige Staatsratsvorsitzende und SED-Generalsekretär Walter Ulbricht zu seinem prunkvoll gefeierten 75. Geburtstag erhalten hatte. Unter ihnen befand sich, in blauen Samt eingelassen, auch ein Goldabschlag des im gleichen Jahr geprägten Zwanzig-Mark-Stücks zum 150. Geburtstag von Karl Marx. Obwohl Ulbricht Münzsammler war, hat er die Rarität nicht behalten, sondern überließ sie wie andere Geschenke dem Museum, wo sie noch heute aufbewahrt wird. Nur drei Jahre später war er entmachtet, seine Funktionen übernahm sein „Ziehsohn“ Erich Honecker, der seine Partei, die SED, und die DDR durch eine Politik nicht für, sondern gegen das Volk in den Abgrund führte und, selbstverständlich ungewollt, den Weg zur deutschen Wiedervereinigung 1990 ebnete.

2. November 2023