Adlerschild statt Ordenskreuz
Womit die Weimarer Republik bedeutender Künstler und Wissenschaftler ausgezeichnet hat



In der Weimarer Republik wurden ganz berühmte und bedeutende Gelehrte, Künstler und andere Persönlichkeiten mit dem Adlerschild des Deutschen Reiches ausgezeichnet.







Außer dem Adlerschild verliehen der Reichspräsident und Minister medaillenförmige Ehrenpreise stets mit dem Bild des Reichsadlers, die ab und zu im Münzhandel vorkommen. Wer damit ausgezeichnet wurde, konnte von sich sagen, dass er „angekommen“ ist.



Österreichs Kaiser Franz Joseph und der deutsche Kaiser Wilhelm II. waren Oberhäupter und Ritter hoher und höchster Orden und ließen sich mit ihnen oft und gern porträtieren.



„Sie haben einen Orden bekommen, Herr Bankdirektor?“, fragt der eine Herr, und der andere antwortet auf der Karikatur aus der Zeit um 1900: „Ja, deshalb brauchen Sie nicht gleich schlecht von mir zu denken!“ Die Karikatur aus dieser Zeit verulkt den am deutschen Kaiserhof hoch angesehenen Maler Anton von Werner, der Ordenskreuze und Sterne sammelt wie andere Briefmarken oder Münzen.



Geradezu inflationär wurde 1897 die von Kaiser Wilhelm II. gestiftete und aus Kanonenmetall bestehende Zentenarmedaille zur Erinnerung an seinen einhundert Jahre zuvor geborenen Großvater „Wilhelm (I.) den Großen“ unter das Volk geworfen. Wegen des gelben Bandes, an dem die Medaille hing, nannte man die Auszeichnung auch Apfelsinenorden.



Prägetechnisch nicht ganz einfach herzustellen waren die preußischen und anderen Kreuze, die sich vor und nach der Reichseinigung von einfache Soldaten an die Brust heften konnten. (Fotos/Repros: Caspar)

In der Weimarer Republik waren staatliche Orden und Ehrenzeichen abgeschafft waren, wenn solche noch in der Kaiserzeit verliehen worden waren, durften sie aber gezeigt und getragen werden. Die Verfassung der Weimarer Republik bestimmte im Artikel 109: „Alle Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben. Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden. Titel dürfen nur verliehen werden, wenn sie ein Amt oder einen Beruf bezeichnen; akademische Grade sind hierdurch nicht betroffen. Orden und Ehrenzeichen dürfen vom Staat nicht verliehen werden. Kein Deutscher darf von einer ausländischen Regierung Titel oder Orden annehmen“. Bei feierlichen Gelegenheiten durfte man durch Orden wie den preußischen Pour le Mérite oder das Eiserne Kreuz sowie tragbare Ehrenzeichen zeigen, dass man sich um das Land und seinen Herrscher verdient gemacht hat, und auch mit der Verwendung und Vererbung von Adelstiteln war man nicht pingelig.

Im heutigen Deutschland stehen manche Leute vor Personen stramm, die sich mit einem „von“ oder als Graf oder Prinz und überhaupt als „bessere Menschen“ vorstellen. Nicht immer weiß man dann ob das Adelsprädikat echt oder nur gekauft ist, denn auch das ist durchaus möglich. Die Klatschpresse und TV-Privatsender berichten aus Hof- und Adelskreisen, als ob es nichts anderes auf der Welt gibt als das Leben von Königen, Prinzen und Fürsten, und finden nach wie vor begeisterte Leser und Zuschauer.

Nur selten gelang es Leuten bürgerlichen Standes, die sich herausragende Verdienste um Thron und Armee gemacht hatten, ein „von“ vor dem Namen zu erlangen. Wer sehr viel Geld berappen konnte und bei Hofe angesehen war, bekam einen solchen Titel. Die Krupp, Siemens und wie sie alle heißen, wurden damit geehrt, doch auch der Maler Adolph Menzel und der Architekt Ernst Ihne wurden mit dem Adelstitel bedacht. Der von Kaiser Wilhelm II. Menzel verliehene Schwarze Adlerorden, Preußens höchste Auszeichnung, war mit dem Prädikat „Exzellenz“ verbunden, weshalb man den etwas zwergenhaften Maler und Grafiker liebevoll auch „kleine Exzellenz“ nannte.

Krankhafter Sammeltrieb

Im Übrigen hielt Reichskanzler Otto von Bismarck wenig von Orden an der Brust, besaß aber eine stattliche Anzahl von ihnen. Er wusste auch, dass sich so genannte Kohle- und Eisenbarone erfolgreich um Sterne und Kreuze bemühten, und gegen erhebliche Zahlungen an die Reichskasse sogar ein „von“ verliehen bekamen. Bismarck ließ sich in seinem Buch „Gedanken und Erinnerungen“ ziemlich abfällig über die Sucht mancher Zeitgenossen aus, sich mit bunten Kreuzen, Sternen, Bändern und Schärpen zu behängen und sich mit diesen Auszeichnungen vor anderen hervor zu tun. „Ich gestehe, dass ich mich, als ich (1842) meine erste Auszeichnung, die Rettungsmedaille, erhielt, erfreut und gehoben fühlte, weil ich damals ein in dieser Beziehung nicht blasierter [gemeint ist hier nicht eitel, selbstgefällig oder aufgeblasen, sondern auszeichnet, H. C.] Landjunker war.“ Später nahm der Politiker gern Orden als Zeugnis für das Wohlwollen seines königlichen Herrn und von auswärtigen Fürstlichkeiten an, ließ sich aber mit ihnen nicht porträtieren. Das Eiserne Kreuz war ihm die wohl wichtigste Auszeichnung. Seine Meinung über diesen Punkt fasste der mit Orden und Medaillen überhäufte Bismarck mit dem Hinweis zusammen, er habe die Dekorationen immer nur dann angelegt, wenn es das Amt gebot. „Es ist mir immer als eine Chinoiserie erschienen, wenn ich wahrnahm, wie krankhaft der Sammeltrieb in Bezug auf Orden bei meinen Kollegen und Mitarbeitern entwickelt war“, fasste der „Schmied des Reiches“ seine Beobachtungen an meist adligen Personen zusammen, die ihren gehobenen Status mit blitzendem und emailliertem Metall und manchmal auch gestickten Sternen zu unterstreichen beliebten.

Bronzene Gussmedaille auf einem Sockel

In der Zeit der Monarchie gab es Kreuze, die man am Hals beziehungsweise an einer Schärpe oder als Sterne auf der Brust trug. Manche Ordensträger hätten damit noch ihren Rücken schmücken können, so viele Auszeichnungen hat man ihnen verliehen. Da die Dekorationen meist aus Silber, manchmal aber auch aus Gold bestanden, mussten sie nach dem Tod des Beliehenen der Ordenskanzlei zurückgegeben werden. Wer wollte, konnte sich eine Kopie anfertigen lassen. Bei Trauerfeiern hat man die wichtigsten Orden auf Kissen ausgelegt und dem Sarg des teuren Toten voran getragen. Bei der Trauerfeier für die der 2022 verstorbenen Queen Elizabeth II. war zu sehen, wie ein solches Zeremoniell zu sehen.

Der vom Reichspräsidenten nur wenigen Persönlichkeiten des geistigen und künstlerischen Lebens der Weimarer Republik verliehene Adlerschild ist eine große bronzenen Gussmedaille, die auf einem Bronzepodest steht und mit einer Widmung versehen ist. Erstmals am 15. November 1922 vom Reichspräsidenten Friedrich Ebert dem Schriftsteller Gerhart Hauptmann verliehen, stellt sie ein kleines Tischdenkmal dar und unterscheidet sich in ihrer Form von allem, was man auf diesem Gebiet bisher kannte.

Mit dem Adlerschild wurden nach Gerhart Hauptmann folgende Männer ausgezeichnet, Frauen hielt man nicht für würdig: Paul Wagner (Erfinder und Förderer der deutschen Bodenkultur, 1923), Emil Warburg (Begründer der deutschen Experimentalphysik, 1926), Adolf von Harnack (Theologe, Kirchenhistoriker und Verfasser einer Geschichte der Berliner Akademie der Wissenschaften, 1926), Max Liebermann (Maler, 1928), Hans Delbrück (Historiker, 1928), Ulrich von Willamowitz-Möllendorff (Klassischer Philologe, Präsident der Berliner Akademie der Wissenschaften, 1928), Hans Kahl (Jurist, 1929), Lujo Brentano (Nationalökonom, Sozialreformer, 1929), Oskar von Miller (Gründer des Deutschen Museums in München, 1930), Friedrich Schmitt-Ott (Jurist, Politiker, Wissenschaftsorganisator 1930), Theodor Lewald (Sportfunktionär, 1930), Georg Dehio (Kunsthistoriker, 1931), Robert Bosch (Unternehmer, Mäzen, 1931), Walter Simons (Jurist, 1931), Carl Duisberg (Chemiker, Industrieller, 1931), Max Sering (National- und Agrarökonom, 1932) und Ernst Brandes (Jurist, Agrarpolitiker, 1932).

Während der Reichsadler die Vorderseite der nach einem Modell des Münchner Bildhauers und Medailleurs Josef Wackerle geschaffenen, 108 mm großen Scheibe schmückt, ist die Widmung auf der Rückseite individuell auf die jeweilige Person abgestimmt. Gestalter der Schriftseite war zumeist der Berliner Grafiker Karl-Tobias Schwab. Insgesamt haben Friedrich Ebert und sein Nachfolger Paul von Hindenburg die Auszeichnung neunzehnmal vergeben. Während des Nationalsozialismus wurde der Adler der Weimarer Republik durch den NS-Hoheitsadler mit dem Hakenkreuz in den Krallen ersetzt. Hitler hat von 1933 bis 1944 den „neuen“ Adlerschild an insgesamt 38 Wissenschaftler, Künstler, Wirtschaftsführer, Erfinder und andere Persönlichkeiten verliehen, die dem Regime lieb und teuer waren. Die Auszeichnung wurde sparsam vergeben, dürfte aber noch in Familien oder Museen vorhanden sein. Ob der Adlerschild aus der Zeit vor 1933 und danach je im Münz- und Kunsthandel angeboten wurde, kann vor hier aus nicht gesagt werden. Während der Zeit des Nationalsozialismus tat man gut daran, sich als Empfänger des Adlerschildes oder von Ehrenmedaillen und sonstigen Auszeichnungen der verhassten Weimarer Republik nicht erkennen zu geben.

Dass man in der Weimarer Republik mit staatlichen Orden und Ehrenmedaillen sparsam umging, hat Krieger- und Freikorps-, Heimat-, Sport- und andere Vereine und weitere Institutionen nicht davon abgehalten, ihre Mitglieder und Förderer mit Auszeichnungen aller Art zu ehren. Was auf diesem Gebiet vergeben wurde, haben Jörg und Anke Nimmergut und Michael Autengruber in ihrem Katalog „Deutsche Orden und Ehrenzeichen 1800 bis 1945“ (OEK) erfasst, dessen 24. komplett überarbeitete und aktualisierte Auflage 2023 im Battenberg-Gietl Verlag Regenstauf erschien (1216 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen, ISBN 978-3-86646-230-4).

Österreich schaffte Adel ab

In Österreich, das seit dem Abgang von Kaiser Karl I. Ende 1918 eine Republik war, wurde am 3. April 1919 der Adel abgeschafft. Die Führung von Adelsbezeichnungen, Titeln und Würden standen von nun an unter Strafe, und das gilt bis heute im Land, wo der Titel „Hofrat“ gang und gäbe ist. Die österreichische Verfassung stellt fest: „Alle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen.“ Besonders der so genannte Beamtenadel, der sich häufig von ganz unten bis zu einem „von“ vor dem Nachnamen hochgearbeitet hatte, empfand die Vorschrift als ausgesprochen degradierend, weil solche Standeserhöhungen die vielfach ersehnte soziale Krönung für sie und ihre Familien bedeutete. Eine der österreichischen Regelung ähnliche Rechtsvorschrift wurde bereits im Dezember 1918 in der aus der k. und k. Monarchie herausgelösten Tschechoslowakischen Republik erlassen. So kommt es, dass Nachfahren der österreichischen Kaiser den Nachnamen Habsburg oder Habsburg-Lothringen tragen und der unlängst verstorbene tschechische Außenminister schlicht und einfach Karel Schwarzenberg heißt, obwohl seine Familie zu den angesehensten Fürstenfamilien der Habsburger Monarchie gehörte. Aber auch ohne „von und zu“ ist auch heute im allgemeinen bekannt, wer welchen adligen Stammbaum besitzt und zu den führenden Familien des Landes gehört.

27. Dezember 2023