Kammerherrentaler und Vaterlandgulden
Der Katalog „Arnold/Küthmann/Steinhilber“ (AKS) liegt in nunmehr 39. neu bearbeiteter und erweiterter Auflage vor





Die 1812 in kleiner Zahl probeweise geprägten Berliner Ausgleichungsmünzen aus Kupfer, AKS Seite 316 f. Nr. 54-59, werden teuer bezahlt. Leichter zu bekommen ist der 1816 bis 1818 geprägte Kammerherrentaler. Er verdankt seinen Namen einer Bemerkung von König Friedrich Wilhelm III. beim Lesen seines abgekürzten Titels, er sei doch nicht der Kammerherr von Preuss, AKS Seite 307 Nr. 12.



Die im Deutschen Historischen Museum Unter den Linden 6 in Berlin ausgestellte Maschine ist auch auf Medaillen abgebildet, hier eine Werbemedaille der Firma Uhlhorn zur Weltausstellung in London 1851 und eine weitere aus Birmingham, wo man solche Maschinen ebenfalls baute.





Der in Schwerin geprägte Vaterlandgulden von 1813 dokumentiert patriotische Spendenbereitschaft am Beginn der Befreiungskriege von 1813 bis 1815, AKS Seite 258, Nr.7. Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar und Eisenach widmete 1816 DEM VATERLANDE einen Taler, der aus gespendetem Silber besteht (AKS Seite 404, Nr. 2.



Es müssen nicht immer schwergewichtige und teure Gold- und Silbermünzen sein, auch Kleinmünzen wie das hessische Sechs-Kreuzer-Stück von 1854 sind wichtige Zeugnisse der Geld- und Wirtschaftsgeschichte, AKS Seite 224, Nr. 125.



König Maximilian I. Joseph von Bayern verdankt seinen 1806 erworbenen Titel der engen Bindung an Frankreichs Kaiser Napoleon I. Der Gedenktaler von 1818 feiert die Verfassung für Bayern, AKS S. 78, Nr. 59.



Der kleine Stern auf der Vorderseite macht aus dem in der neu eröffneten Prägestätte Muldenhütten bei Freiberg hergestellten Zwanzig-Pfennig-Stück von 1887 eine große numismatische Rarität.





Während die allerersten Gedenkmünzen der Bundesrepublik Deutschland wie die Ausgabe „Türkenlouis“ von 1955 noch wie Blei in den Kassen liegen blieben, AKS Seite 638, Nr. 210, gab es bei den ab 1966 ausgegebenen DDR-Gedenkmünzen wie Gottfried Wilhelm Leibniz und Karl Friedrich Schinkel sofort eine große Nachfrage, die kaum zu befriedigen war, AKS Seite 592 und 599, Nr. 17 und 51. Zu beachten ist, dass viele bis 1990 geprägte Kurs- und Gedenkmünzen wieder eingeschmolzen wurden, weshalb man offiziellen Auflagezahlen nicht in jedem Fall trauen darf. (Fotos: Caspar)

Preußen, nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 die wirtschaftlich stärkste Kraft im Deutschen Bund, hob 1818 die Zollgrenzen innerhalb seiner über ganz Deutschland verstreuten Landesteile auf. Mit dem Münzgesetz vom 30. September 1821 führte König Friedrich Wilhelm III. das Graumannsche Münzsystem von 1750 fort und verfügte eine „gleichförmige feste Währung in Gold und Silber in Unseren sämmtlichen Staaten“. Durch Ausprägung einer „hinlänglichen Menge inländischer Gold- und Silbermünzen“ sollten fremdes Geld entbehrlich gemacht und auch spezielle Prägungen für die preußischen Provinzen abgeschafft werden. Von jetzt an sollten dort die gleichen Sorten aus Gold, Silber und Kupfer umlaufen und gelten. Das preußische Vorbild machte Schule, und so schloss man sich im Deutschen Bund Verträge zur gemeinschaftlichen Münzprägung ab und ebneten so den Weg zu Mark und Pfennig als neue Einheitswährung.

Die 1750 vom preußischen König Friedrich II. initiierte, jedoch mit dem Namen des aus Braunschweig stammenden Generalmünzdirektors Johann Philipp Graumann verbundene Münzreform erzielte nicht die erhofften gigantischen Gewinne. Auch konnten preußische Münzen schon wegen der Knappheit an Edelmetall mit denen anderer Ländern nicht konkurrieren. Aus der Münzreform ging der Reichstaler mit dem königlichen Bildnis und dem Preußenadler hervor, eine Silbermünze, die in veränderter Form bis ins 19. Jahrhundert geprägt wurde und im Kaiserreich als Drei-Mark-Stück fortlebte. Wichtigstes Geldstück war nach der Münzreform von 1821 weiterhin in Preußen der goldene Friedrichs d'or zu fünf Talern und der Taler zu 30 Silbergroschen (bisher 24 Groschen) oder 360 Pfennigen. Die Aufschrift auf der Wappenseite EIN THALER XIV EINE F. MARK besagt, dass 14 Taler aus der Kölnischen Mark zu 233,8 Gramm geschlagen werden.

Pfund statt Kölnische Mark

Dass es im frühen 19. Jahrhundert in Preußen und nicht nur dort Bestrebungen gab, den Münzen ein neues, fälschungssicheres Design zu verpassen, zeigen die seltenen Ausgleichungsmünzen aus Kupfer mit der Jahreszahl 1812, die , neu in der damaligen Zeit, das Dezimalsystem verwenden, und andere von Sammlern hoch bezahlte Probestücke. Die Umstellung der Geldfabriken von der Hammerprägung, Klippwerk und Spindelpresse im frühen 19. Jahrhundert auf die 1817 vom rheinischen Textilfabrikanten Diederich Uhlhorn konstruierte Kniehebelpresse erlaubte höhere Prägezahlen in kürzerer Zeit, was am Ende auch den Einnahmen des Staates zugute kam.

Erst 1857 wurde die Kölnische Mark als traditionelle Gewichtseinheit durch das Pfund zu 500 Gramm ersetzt, womit sich Berechnungen besser bewerkstelligen ließen. Wichtig war der Abschnitt 7 des Gesetzes von 1821, in dem der Reichstaler aus Zeiten Friedrichs II. als Preußischer Taler bezeichnet wird, denn das Römisch-deutsche Reich war seit 1806 Vergangenheit und ein neues Deutsches Reich ließ noch fünfzig Jahre auf sich warten. Vorgeschrieben waren stets die gleichen Bilder - königlicher Kopf sowie Adler und/oder Wertangabe. Silber und Goldmünzen, ab 1845 auch Kupfergeld, wurden zum besseren Schutz vor Fälschung und Entwertung durch Befeilen am Rand in der Ringprägung hergestellt und bekamen auf der Vorder- und Rückseite Perlkreise als schützende Einfassungen.

Gut erforschtes Sammelgebiet

Bei Sammlern sind die deutschen Münzen des 19. und 20. Jahrhunderts sehr beliebt. Sie sind gut erforscht und katalogisiert und werden vom Münzhandel regelmäßig angeboten. Im Zusammenhang mit der Einführung von Mark und Pfennig nach 1871 wurden Taler, Gulden, Pfennige und Kreuzer sowie Goldmünzen aller Art in riesige Mengen eingezogen und eingeschmolzen, was manche erhalten gebliebene Stücke zu numismatischen Raritäten werden ließ. Was in welchen deutschen Staaten und Städten vor und nach 1871 geprägt wurde, wie die Geldstücke aussehen und in welchen Mengen sie vorkommen, wo es aber auch numismatische Raritäten und Kuriositäten gibt und was gefälscht wurde und wird, kann man in vielen Publikationen und Katalogen nachlesen. Es gibt zahlreiche Einzeluntersuchungen über bestimmte Nominale sowie die Anlässen ihrer Ausgabe, aber auch über die beteiligten Künstler und die Bildmotive, die sie ihren Entwürfen zugrunde legten. Nachzulesen sind in den Büchern auch Informationen über die beteiligten Münzstätten und ihre Zeichen.

Bewährt hat sich seit über einem halben Jahrhundert der von Paul Arnold, Harald Küthmann und Dirk Steinhilber verfasste und danach immer wieder verbesserte und ergänzte „Große Deutsche Münzkatalog von 1800 bis heute“, abgekürzt AKS. Herausgegeben vom Battenberg Gietl Verlag Regenstauf ist das Nachschlagewerk mit seinen 713 Seiten und unzähligen schwarz-weißen Abbildungen ein hervorragendes Quellen- und Zitierwerk, dessen neu bearbeitete und erweiterte Auflage von Hermann Junghans besorgt wurde (ISBN 978-86646-238-0, 49,90 Euro). Im umfangreichen Einführungsteil äußern sich die Autoren über Sinn und Zweck des Sammelns der in den vergangenen 200 Jahren geprägten deutschen Münzen sowie solchen aus den deutschen Kolonien und jenen Gebieten, die in beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts von deutschen Truppen besetzt wurden und über eigenes Papier- und Metallgeld verfügten. Eingeschlossen ist auch die nach 1918 gebildete Freie Stadt Danzig.

Grundzüge der deutschen Münzgeschichte

Die Verfasser vermitteln gleich zu Beginn Grundzüge der deutschen Münzgeschichte in diesem Zeitraum, die vom Willen geprägt war, die elende Kleinstaaterei zumindest im Bereich der Münzen, Maße und Gewichte zu überwinden und Münzverträge abzuschließen, die Handel und Wandel fördern, ohne die Souveränität der eifersüchtig auf ihre Rechte pochenden Vertragspartner zu verletzen. Ergänzt werden diese Ausführungen durch ein kleines Wörterbuch münzgeschichtlich relevanter Begriffe von Abschlag bis Zwittermünze. Leser erfahren überdies, dass es für den „AKS“ einen Vorläufer in 13 von Kurt Jaeger verfassten Einzelbänden über die Münzprägung der deutschen Staaten vor 1871 gab, die in einem Band zusammengefasst und später um die Münzen aus der Zeit nach 1871 erweitert wurden. Inzwischen gibt es die Reichsmünzen-Kataloge und weitere Nachschlagewerke anderer Autoren, die das gesamte Gebiet erfassen.

Zeitlich beginnt der „AKS“ in der Endphase des Römisch-deutschen Reichs, das 1806 sein Leben aushauchte, und Schlussmünze ist, ganz aktuell, das zwei-Euro-Stück von 2024, das den Kreidefelsen Königsstuhl auf der Insel Rügen zeigt. Wichtig sind Angaben über die Herstellungsorte, deren Zahl im Laufe des 19. Jahrhunderts nach und nach schrumpfte, sowie über Jahrgänge und Prägezahlen, so weit sie in den Akten zu ermitteln waren. Dass von machen Geldstücke Abschläge aus Gold und anderen Metallen hergestellt wurden wird ebenfalls samt Auktionsergebnissen vermerkt.

Länder in alphabetischer Reihenfolge

In alphabetischer Reihenfolge wird gezeigt, was in den Staaten und Städten, die im Deutschen Bund zusammengeschlossen waren, geprägt wurde, gefolgt von Münzen des 1871 gegründeten Deutschen Kaiserreichs, der Weimarer Republik, der Zeit des Nationalsozialismus und der beiden deutschen Staaten. Im Katalog sind alle wichtigen Angaben wie Metall, Künstler, Auflagezahlen, Münzstätten usw. zu finden. Aufschlussreich für Händler und Sammler sind die Angaben über aktuelle Preise und wo herausragende Stücke zu welchen Ergebnissen versteigert wurden. Ab und zu ist das Kürzel LP für Liebhaberpreis zu finden, wenn es sich um eine ganz ungewöhnliche und sehr teure Münze handelt.

Beim Durchblättern fallen ein Hamburger Zwanzig-Mark-Stück von 1908 auf, von dem nur 14 Exemplare für das Reichsbankpräsidium hergestellt wurden, ferner ein preußischer Taler von 1821 zum Besuch Friedrich Wilhelms III. in der Düsseldorfer Münze oder der sächsische Doppeltaler von 1866 auf die Hundertjahrfeier der Bergakademie in Freiberg. Als man ihn prägen wollte, zersprang der Stempel, so dass man wohl nur drei Exemplare zustande brachte. Statt des Talers wurden mit neuen Stempeln Medaillen hergestellt, die ab und zu im Münzhandel vorkommen. Hervorzuheben sind an verschiedenen Stellen eingestreute Hinweise auf die einschlägige Fachliteratur. Im Unterschied zu anderen Münzkatalogen, die das Material bis 1871 und dann erst wieder nach 1871 auflisten, zeigt der „AKS“, wie die Münzprägung der einzelnen Staaten und Städte bis zum Ende der Monarchie 1918 verlief. Erst dann geht es mit den nachfolgenden Perioden weiter. Wenn man sich mit dem Katalog intensiver beschäftigt, wird man auch das System der Katalognummern durchschauen. Hinter allen Daten und Zahlen steht eine immense Recherchearbeit, zu deren Gelingen ich den Autoren sehr gern gratulieren möchte.

Vieles muss noch erkundet werden

Im Winter 1812/13 verlor Frankreichs Kaiser Napoleon I. seine Armee auf dem Rückzug aus Russland, und in deutschen Fürstentümern formierte sich Widerstand gegen den Herrscher über große Teile von Europa. In die Bewegung reihte sich auch Herzog Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin ein. Er hatte am 25. März 1813 den „Aufruf zum freiwilligen Dienst in der Infanterie“ erlassen und damit das Signal für die Schaffung eines Jägerkorps gegeben, das sich am Kampf gegen Frankreich beteiligen sollte. Die Ausrüstung konnte der Staat nicht allein tragen, deshalb ergänzte der Herzog seinen Aufruf durch einen Spendenappell an die Untertanen. Gefragt waren Bargeld, Tafelsilber, Schmuck, Medaillen und andere Wertgegenstände, für die Sammelstellen eingerichtet wurden.Der Herzog opferte das von seiner Mutter ererbte Tafelsilber im Gewicht von rund 47 Kilogramm. Bei der Aktion kamen rund 130 Kilogramm Silber zusammen, aus denen in Schwerin 9918 Exemplare des so genannten Vaterlandguldens geprägt wurden. Der Name kommt von der Aufschrift DEM VATERLANDE unter der Zahl 2/3, mit der gesagt wird, dass es sich bei dieser auch bei Sammlern wegen ihrer besonderen Geschichte und Seltenheit gesuchten Münze um einen Zweidritteltaler beziehungsweise Gulden handelt. Solche Münzen verdienen als Zeugnisse für Opferbereitschaft und Zusammenrücken in schwieriger Zeit Respekt und Aufmerksamkeit.

Vieles aus der alten und neuen deutschen Münzgeschichte ist bekannt und publiziert, manches aber wartet noch auf die Klärung. Etwa die Frage, wie es 1872 nach der Reichseinigung den mecklenburgischen Großherzogtümern Schwerin und Strelitz möglich war, eigene Münzen herzustellen und auszugeben. Das aber gefiel der von Reichskanzler Otto von Bismarck geleiteten Regierung in Berlin und dem ihm unterstellten Reichsschatzamt überhaupt nicht, weshalb die Einziehung der in Dresden geprägten Kupferstücke verfügt wurde. Unklar ist auch, wie bis 1873 noch preußische und weitere Kleinmünzen mit altem, durch die Einigung überholtem Design hergestellt werden konnten. Zwar werden dankenswerterweise auch im „AKS“ zum Teil enorme Auflagezahlen registriert. Warum es aber dazwischen manche Jahrgänge gibt, in denen der „Hammer ruhte“, wie es im Fachjargon hieß, weil es keinen Bedarf an neuen Geldstücken gab, wäre auch von der numismatischen noch zu klären. Das betrifft auch die Auswahl von Münzbildern, die um 1900 im Wunsch entwickelt wurden, von althergebrachten Motiven wegzukommen und, einem künstlerischen Trend folgend, etwas Neues zu kreieren. Vielleicht gibt es zu diesen und weiteren Fragen im Bundesarchiv und an anderen Orten noch Dokumente, die Antworten geben könnten.



29. November 2023