Aufbruch zur Demokratie
Buch zur Ausstellung in München macht mit Münzen und Medaillen aus der Revolution von 1848/49 bekannt



Die einfach gestaltete Blei-Zinn-Medaille aus Paris bezieht sich auf den 24. Februar 1848, als Demonstranten den königlichen Thron auf dem Platz verbrannten, auf dem bis zur Revolution von 1789 das Staatsgefängnis, die Bastille, stand und wo heute die Julisäule mit dem Geist der Freiheit genannten Engel auf der Spitze an die Revolution von 1830 erinnert. Sie brachte den „Bürgerkönig“ Louis Philippe an die Macht, der dann in der Februarrevolution von 1848 abdanken musste.



Der Versuch der Deutschen Nationalversammlung, dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die deutsche Kaiserkrone anzutragen, scheiterte kläglich. Der „Schafskopp“, wie die Berliner spotteten, wehrte sich mit aller Kraft und unterstützt durch seinen Bruder Wilhelm (I.) gegen das Eindringen der Demokraten, gegen die er seine Soldaten in Marsch setzte.





Um den mecklenburgischen Angsttaler von 1848 haben Geschäftemacher ein preissteigerndes Märchen gewoben. Der hessische Pressegulden stellt mit seinem Rückseitentext eine Ausnahme unter den Münzen und Medaillen vonn1848/49 dar.





„Vereint, vereint ein deutsches Land, ein Volk, eine Sprache, ein deutsches Land“ lautet das Motto auf der Frankfurter Medaille. Sie ist Teil einer Serie von Münzen und Medaillen, die die deutsche Einheit fordert, die Arbeit der in der Frankfurter Paulskirche tagenden Nationalversammlung fördert und das Bild des 1848 zum Reichsverweser berufenen Erzherzogs Johann von Österreich in die Welt trägt.



Die Gedenkmünzen mit der Innenansicht der Frankfurter Paulskirche, in der 1848/49 die Deutsche Nationalversammlung tagte, und dem Berliner Reichstagsgebäude sowie die Zwei-Euromünze von 2016 mit der Paulskirche könnten den Anfang einer Sammlung zur deutschen Demokratie- und Parlamentsgeschichte bilden.





Italienische Städte und Regionen wie hier Mailand und Venedig befreiten sich 1848 von österreichischer Vorherrschaft und prägten Münzen mit patriotischen Bildern und Parolen.



In den Jahren 1848/49 feierte die Konterrevolution überall in Europa Triumphe. „Ohne Religion keine Wahrheit“ verkündet die Medaille von 1849 auf die von Kaiser Franz Joseph seinen Staaten „oktroyierte“ Verfassung geprägt wurde. Indem sie „alles Konstitutionelle“ über Bord warf, konnte sich Kaiser Franz Joseph zum Alleinherrscher aufschwingen. (Fotos/Repros: Caspar)

Die Revolution von 1848/49, vor nunmehr 175 Jahren, hatte eine lange Vorgeschichte. Fürstenherrschaft und Polizeigewalt, Hunger und Elend brachten das Fass zum Überlaufen. Von Frankreich ausgehend, breitete sich das Feuer des Widerstands im Frühjahr 1848 über in weiten Teilen Europas aus. Zahllose Flugschriften sind wichtige Quellen für das, was in der kurzen Zeit des Aufbruchs in eine menschenfreundliche Zukunft geschah. Doch auch auf Münzen und Medaillen fanden die dramatischen Ereignisse ihren Niederschlag. Was da zusammen kam, zeigt die Staatliche Münzsammlung München bis Juni 2024 in der Ausstellung „Als Deutschland Demokratie träumte“. Die in Zusammenarbeit mit ihr gestaltete Dokumentation in der Münchner Residenz zeigt Zeugnisse aus der Sammlung des bekannten Numismatikers Dr. Rainer Albert und wird durch Belege aus dem Münchner Kabinett ergänzt.

Das dieser einzigartigen Ausstellung gewidmete Buch „Aufbruch zur Demokratie – Märzrevolution 1848 und deutsche Nationalversammlung auf Münzen und Medaillen“ wurde von Rainer Albert und Martin Hirsch herausgegeben, erschien 2023 im Battenberg Gietl Verlag Regenstauf hat 288 Seiten, zahlreiche Abbildungen und kostet 29,90 Euro (ISBN 978-3-86646-241-0). Es enthält zehn Essays über die Ursachen, den Verlauf und die Folgen der Revolution und zeigt, welchen Widerhall die Dramen von damals auf geprägtem Metall in Deutschland und anderen Ländern fanden. Der sich an den Essayteil anschließende Katalog von 219 Münzen und Medaillen aus Deutschland und benachbarten Ländern reicht bis in die Gegenwart.

Ausstellung und Buch machen mit einem von Historikern und Publizisten vernachlässigten Thema bekannt und regen an, sich auf die Suche nach weiteren Objekten zu machen und vielleicht auch eine eigene Sammlung aufzubauen. In aktuellen Veröffentlichungen zur Revolution vor 175 Jahren findet man zwar Hinweise auf die nach der Aufhebung der Zensur herausgegebenen Flugblätter, die sehr schnell unter die Leute gebracht wurden, doch kommen Münzen und Medaillen zum gleichen Thema dort selten oder garnicht vor, als wenn es diese nicht gegeben hätte.

Bildnisse, Allegorien, politische Parolen

Die in den Essays und im Katalog erläuterten Gepräge benennen mitwer mit wem um die Abschaffung der Fürstenherrschaft, um Freiheit, Mitbestimmung und Menschenrechte stritt. Vorgestellt werden Hungermedaillen von 1847, auf denen die fortschreitende Teuerung und das elende Leben der Menschen ganz unter auf der Gesellschaftsleiter geschildert wird. Ein anderer Beitrag befasst sich mit den wenig ehrenvollen Umständen, die 1848 zur Abdankung König Ludwigs I. von Bayern und Übernahme der Krone durch seinen Sohn Maximilian II. führten. Der aus diesem Anlass geprägte Geschichtstaler verschweigt, dass der Monarch zu diesem ungewöhnlichen Schritt wegen seiner Verwicklung in die vom Volk und den Ministern missbilligte Lola-Montez-Affäre genötigt wurde.

In Hessen hat man derweil den Pressegulden geprägt, auf dem Pressefreiheit, Volksbewaffnung, Schwurgericht, Religionsfreiheit und deutsches Parlament aufgezählt sind, alles Errungenschaften, von denen die Mächtigen der damaligen Zeit schon bald nichts mehr wissen wollten. Sie nahmen die zur Beruhigung der Volksmassen hastig erlassene Zugeständnisse zurück, als die Volkserhebung blutig niedergeschlagen war. Breiten Raum nehmen in der Ausstellung und im Buch Medaillen ein, mit denen die von Preußen und Österreich angeführte Konterrevolution ihre Siege und Helden gefeiert hat.

Das Märchen vom Angsttaler

Mit der Frage, was es mit dem so genannten Angsttaler von 1848 mit dem Kopf des Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin ohne den üblichen Zusatz „Von Gottes Gnaden“ und einem mecklenburgischen Glückstaler von 1613 auf sich hat, befasst sich Torsten Fried. Er stellt Überlegungen an, wie mit solchen Münzen unterschiedliche Gefühle entfacht und beflügelt wurden und was die noch junge Emotionsforschung bei Münzen und Medaillen finden könnte. An anderer Stelle geht Rainer Albert auf den hessischen Pressegulden von 1848 ein, dessen Rückseiteninschrift die wichtigsten Punkte eines Edikts zusammenfasst, in dem Erbgroßherzog und Mitregent Ludwig Unerhörtes verkündet hatte: „Was zur Gewähr politischer und bürgerlicher Freiheit gehört, soll unserm Volk nicht vorenthalten bleiben. [...] Die Presse ist frei, die Censur ist hiermit aufgehoben. Wir werden den Ständen eine allgemeine Volksbewaffnung in Vorschlag bringen lassen. Das Militär wird auf die Verfassung sofort beeidigt werden. [...] Der Wunsch des Volkes, dass für ganz Deutschland ein Civil- und Strafgesetz und dieselben Formen des Verfahrens gelten möchten, theilen Wir ganz und werden in diesem Sinne wirken.“

Den Gedenkmünzen der Freien Stadt Frankfurt am Main in den Revolutionsjahren 1848/49 widmet Konrad Schneider einen lesenswerten Beitrag, in dem er auch auf die Geschichte der Frankfurter Münze und die Bestrebungen zur Reformierung des deutschen Münz- und Geldwesens im 19. Jahrhundert eingeht. Leben und die zu Ehren des damals umjubelten Reichsverwesers Johann von Österreich geprägten Medaillen werden von Karl Peitler geschildert. Mit dem in vorauseilendem Gehorsam geprägten Frankfurter „Kaisergulden“ von 1849 macht Lili Reyels bekannt. Er wurde wegen der Ablehnung der Reichskrone durch Friedrich Wilhelm IV. obsolet und stieg zu einer gesuchten Rarität auf. Der König von Preußen sah in der Krone einen „Reif von Dreck und Letten“ und meinte, nur die deutschen Fürsten könnten ihn zum Oberhaupt des Deutschen Reichs machen. Es verwundert, dass die Frankfurter Nationalversammlung dem preußischen König die Kaiserwürde angetragen hat. Die Abgeordneten hätten wissen müssen, dass von ihm alles andere als Freiheit und Demokratie zu erwarten ist, und dass der „Romantiker auf dem Thron“ von seiner Macht keinen Zipfel abzugeben geneigt ist. Nach dem Grundsatz „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“ setzte er, der sich im März 1848 noch vor den Toten der Barrikadenkämpfe in Berlin verneigt hatte, seine Truppen in Marsch, um die Revolution auch außerhalb von Preußen im Keim zu ersticken. In Berlin ließ er eine Triumphsäule über den Gräbern königstreuer Soldaten errichten, während ihre Opfer am Rand der Stadt unter bescheidenen Steinen beigesetzt wurden.

Blick ins Aisland

Nach Italien blickt Martin Hirsch, der einige mit ungewöhnlichen Bildern und Inschriften geschmückte Geldstücke und Medaillen vorstellt. Sie entstanden in Mailand, Venedig und Rom während des Risorgimento, als im Umfeld der 1848er Revolution die Vertreibung fremder Besatzer und Überwindung der Kleinstaaterei auf der Tagesordnung stand. Armin Müller schließlich geht in seinem Essay auf die Revolution in Ungarn und Kroatien und das Ende damaliger Freiheitsträume ein und zeigt, wie diese durch Blut, Schweiß und Tränen geprägte Periode auf zeitgenössischen und modernen Münzen dokumentiert ist.

So fortschrittlich und zukunftsorientiert die so genannte Paulskirchen-Verfassung, gemessen an den damaligen Verhältnissen, war, so wenig ließ sie sich verwirklichen. Die Kräfte der Reaktion und Konterrevolution waren zu stark, um dem neuen Geist im damaligen Deutschen Bund Geltung zu verschaffen. Unter den gegebenen Umständen hatte das hauptsächlich aus Professoren, Juristen, höheren Beamten und ganz wenig aus Handwerkern bestehende Parlament nicht lange Bestand. Nach einjähriger Arbeit tagte es zum letzten Mal am 30. Mai 1849 in der Paulskirche und löste sich später ganz auf.

Siehe auch Eintrag auf dieser Internetseite vom 5. Mai 2023

29. Juni 2023