Banausen gegen das Bauhaus
Die Nazis verteufelten die Moderne als entartet, die SED befürchtete Kunst des Verfalls, und jetzt tutet die AfD in das gleiche Horn

Bereits 2004 würdigte die von Heinz Hoyer entworfene Münze zu 10 Euro das zum Weltkulturerbe gehörende Bauhaus in Dessau. Die von Bastian Prillwitz gestaltete Bauhaus-Münze 2019 zu 20 Euro wurde in Hamburg mit dem Buchstaben J geprägt. Die Jury bescheinigte diesem Münzentwurf, er gerate durch seine inhaltliche Vielschichtigkeit „zu einer Erlebniswelt im Miniaturformat, die den Betrachter durch 100 Jahre Bauhaus begleitet.“

Das Treppen-Gemälde von Oskar Schlemmer aus dem Jahr 1925 stand bei der Münze von 2009 Pate.

Klare Linien und Verzicht auf Schnörkel und Gemütlichkeit, wie sie am Dessauer Bauhaus zum Ausdruck kommen, war für Nazis und SED-Bonzen ein Gräuel, weshalb sie alles bekämpften, was irgendwie nach „Bauhaus“ roch, hier die Gebäudeansicht in Dessau.

Am besten ist das von der SED-Führung verlangte Bauen im Sinne der Nationalen Tradition des Bauens (NATRABA) in der an Moskauer Vorbildern orientierten Berliner Stalinallee, seit 1961 Karl-Marx-Allee, zu sehen.

Kernige Werktätige, gemalte Arbeiterbewegung und überhaupt ein Leben schön wie nie – das war ganz nach dem Geschmack von Ulbricht, Honecker und Genossen. In der Karl-Marx-Allee kan man sozialistischen Realismus an Hauswänden betrachten.

Der klassisch-schöne Schwingsessel, die Tischleuchte und andere Möbel und Gebrauchsgegenstände aus der Bauhaus-Zeit werden heute für viel Geld als Repliken angeboten. Die Originale sind kaum zu bezahlen.
(Fotos/Repros: Caspar)
Man könnte lachen, wenn es nicht so traurig und gefährlich wäre. Denn dieser Tage hat die Alternative für Deutschland (AfD) im Magdeburger Landtag einen Versuch gestartet, das Bauhaus als Inbegriff für alles, was mit dieser Kunst- und Kulturbewegung in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zu tun hat, quasi auf den Index zu setzen. Mit Blick auf das hundertjährige Jubiläum 2025 des Bauhauses in Dessau rufen Banausen zum Kampf gegen das Bauhaus auf, sprechen von einem Irrweg der Kunst und Architektur und warnen vor der Glorifizierung der Kunst- und Architekturschule. Die internationale Verbreitung des Bauhaus-Stils habe zu einer Art globalem Einheitsbrei geführt, zu historischen Bausünden und einer Standardisierung von Architektur und Design, die der kulturellen Vielfalt abträglich sei. Der AfD-Abgeordnete Till Schneider verstieg sich zu der Behauptung, das Bauhaus habe „das menschliche Bedürfnis nach Geborgenheit und Behaglichkeit nach allen Regeln der Kunst vergewaltigt.“
Gegen die Zumutungen der AfD, die auf Mittelkürzungen und Einflussnahme von „oben“ hinauslaufen, wendet sich ein Sturm der Entrüstung. Der Direktor des Kunstmuseums Moritzburg in Halle (Saale), Thomas Bauer-Friedrich, befürchtet eine neue, höchst bedrohlichen Entwicklung. Die AfD wolle, dass in ihrem Sinne die Landesregierung auf die Arbeit der Stiftung Bauhaus Dessau einwirke und damit die Freiheit von Kunst und Wissenschaft gefährde.
Nordische Ästhetik gegen entartete Kunst
Bereits in den 1920er Jahren wetterte der später bei den Nazis angesehene Vorkämpfer des so genannten Heimatstils, der Architekt und Publizist Paul Schultze-Naumburg, gegen das Bauhaus und die Bauweise mit viel Licht und Grün und forderte die Rückkehr der Architektur in die „Goethezeit um 1800“ gefordert. Er hielt Flachdächer für undeutsch und propagierte das geneigte Dach und ganz allgemein „nordische Ästhetik und germanische Architektur“. Noch vor der Errichtung der Nazidiktatur 1933 bezichtigte das NSDAP-Mitglied seit 1930, die Künstler der Moderne litten an „Kretinismus und Entartung“. Diese Abwertung wurde 1937 im Führer zur Ausstellung „Entartete Kunst“ in München und an anderer Stelle wiederholt und ausgebaut. Die Folge waren Berufsverbot und Ausgrenzung der „Entarteten“ sowie Verbannung ihrer Gemälde, Grafiken und Skulpturen aus den Museen und hatte auch fatale Auswirkungen auf die Architektur. Jüdische Künstler, die den Nürnberger Gesetzen von 1935 unterlagen, mussten um ihr Leben fürchten, und vielen wurde es in den folgenden Jahren genommen.
Mit ihrer Forderung befindet sich die AfD, die das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und am liebsten auch die Arbeit von Mahn- und Gedenkstätten in ehemaligen Konzentrationslagern und an Orten des Naziterrors einschränken, wenn nicht gar unterbinden möchte, in allerschlechtester Gesellschaft. Dass es heimattümelnde, ja völkische Malerei, Skulptur und Architektur gegeben hat und diese aber im Orkus der Geschichte versunken ist, scheint die neuen Rechten und Rechtsextremen nicht zu stören. Auch nicht, dass alles,was mit „Bauhaus“ zu tun hat, nicht nur den Nationalsozialisten , sondern auch SED-Funktionären in der ehemaligen DDR ein Dorn im Auge war. Was diesen Stalinisten auf politischem, ideologischem und kulturellem Gebiet nicht in den Kram passte, was unangepasste Autoren schrieben und Maler schufen, wurde als unsozialistisch, amerikanisch und gegen die Interessen des werktätigen Volkes gerichtet verdammt und unterdrückt. Das galt auch für Literatur, Filme und Theaterstücke, die nicht der vorgegebenen Parteilinie folgten und deshalb der Zensur zum Opfer fielen. Dass wenige Jahre zuvor die Nationalsozialisten ebenfalls alles verboten und verfolgten, was nicht in ihr rassistisches und militaristisches Weltbild passte, dürfte man in der DDR nicht laut aussprechen, war aber immer präsent.
Stalins Sozialistischer Realismus
Ende 1949 warf der sowjetische Kulturoffizier Alexander Dymschitz den Malern Pablo Picasso, Marc Chagall, Karl Schmidt-Rottluff und Karl Hofer „Mummenschanz und Wirklichkeitsfälschung“ vor. Ins gleiche Horn stieß ein gewisser N. Orlow, der Anfang 1951 auf das Bauhaus feuerte. Hinter dem Pseudonym verbarg sich Wladimir S. Semjonow, seines Zeichens politischer Berater der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland und später Hochkommissar und sowjetischer Botschafter in der DDR. Sein Angriff war von ganz oben, von Stalin gedeckt, dem Erfinder und Förderer des „sozialistischen Realismus“. „Das Schöne ist das Leben, das freie Leben eines Volkes, das eine neue Gesellschaft aufbaut – das ist die echte Devise der Ästhetik einer echt demokratischen Kunst“, wies Orlow die Ostdeutschen zurecht und brach der nach dem Zweiten Weltkrieg vorsichtig in Gang gesetzte Entwicklung in Richtung Moderne und ihrer Rehabilitierung das Genick.
Für Ostdeutschland wurde eine sich an sowjetischen Vorbildern und dem Klassizismus der Schinkelzeit orientierende Architektur verbindlich. Gut zu sehen ist das an der Berliner Karl-Marx-Allee, die bis 1961 Stalinallee hieß. Vom Westen als Zuckerbäckerstil verulkt, stehen die komfortabel ausgestatteten Wohnpaläste aus den 50er Jahren heute unter Denkmalschutz und sind von der Kunst- und Architekturkritik als Zeugnisse der Nachkriegszeit anerkannt. In dem Beschluss „Gegen Formalismus und Kosmopolitismus“ des Zentralkomitees der SED vom 17. März 1951 wird behauptet, in der Architektur behindere am meisten der so genannte Bauhausstil und die konstruktivistische Grundeinstellung vieler Architekten die Entwicklung einer Architektur, „die die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik zum Ausdruck bringt“. Gefordert wurde die „Anknüpfung an Vorbilder der Vergangenheit“, obwohl auf der anderen Seite die SED immer wieder betonte, mit genau dieser gebrochen zu haben und Neues aufbauen zu wollen.
Kultus des Widerwärtigen
Unter Formalismus wurde in der DDR die Schändung der großen Kunsttraditionen und der Vernichtung von Kunst überhaupt verstanden. Dem „Kleinen Kulturpolitischen Wörterbuch“ (Berlin 1970) zufolge betraf dies sowohl den humanistischen Grundinhalt der Kunst als auch „ihre historisch entwickelten formalen Errungenschaften“. In dieser Sichtweise treten an ihre Stelle „Formenzertrümmerung und der Kultus des Hässlichen und Widerwärtigen“. Bei diesem Urteil über die Leistungen der Moderne vermieden die kommunistischen Kunstrichter das von den Nationalsozialisten verwendete Verdikt „entartete Kunst“, meinten aber das gleiche. Mit „Dekadenz und Formalismus“ konnte man alles totschlagen, was nicht in das Geschichts- und Menschenbild und das kleinbürgerliche, geradezu piefige Kunstverständnis der SED-Führung und ihrer Nachbeter passte.
Deshalb wurden vor allem in der Ulbricht-Ära bis 1971 Werke des Impressionismus und Expressionismus, abstrakte Kunst und der Bauhausstil wie schon bei den Nationalsozialisten verteufelt und mit Hilfe der gleichgeschalteten Medien als „Affen- und Karnickelkunst“ der Lächerlichkeit preisgegeben. Im Laufe ihrer vierzigjährigen Geschichte gab es in der DDR eine vorsichtige Abkehr von diesem Verdikt, und auch Picasso und seine Kollegen erfreuten sich wachsender Duldung und Beliebtheit. Überdies ließ sich das Festhalten an der Nationalen Bautradition, die man intern NATRABA abkürzte, auf Dauer nicht durchhalten. Wie im Westen so hat man auch im Osten mit Industrieller Bauweise viel Wohnraum geschaffen.
Die Welt neu denken
Das alles ist zum Glück Geschichte, kommt aber jetzt nach dem Vorstoß der AfD wieder hoch. Gleich zweimal wurde das Bauhaus durch eine Gedenkmünze geehrt. Die unter dem Logo „Bauhaus“ firmierende Bewegung wurde 2004 nach einem an Motiven aus der Bauhauszeit orientierten Entwurf von Heinz Hoyer für eine Zehn-Euro-Münze gewürdigt. Hinzu kam 2009 eine Ausgabe zu 20 Euro nach einem Modell von Bastian Prillwitz. Sie schildert analog zu einem Gemälde von Oskar Schlemmer aus dem Jahr 1925, wie Menschen eine Treppe besteigen und Wohn- und Fabrikgebäude sowie Industrieerzeugnisse betrachten. Dass es sich bei den Bauwerken sowie der links oben angedeuteten Lampe und dem Schwingsessel um Schöpfungen der Moderne handelt, wird durch die vertiefte Inschrift 100 JAHRE BAUHAUS unterstrichen.
Die Jury bescheinigte dem Münzentwurf, er gerate durch seine inhaltliche Vielschichtigkeit „zu einer Erlebniswelt im Miniaturformat, die den Betrachter durch 100 Jahre Bauhaus begleitet.“ Die anderen Münzentwürfe zeigen, wie nicht anders zu erwarten, Gebäudeansichten, Symbole wie Quadrat, Dreieck und Kreis sowie Bildnisse von Walter Gropius und sogar einen Mann, der es sich in einem von Ludwig Mies van der Rohe entworfenen Schwingsessel gemütlich macht, in einem damals ungewöhnlichen Möbelstück, das wegen seiner Eleganz und Zeitlosigkeit bis heute nachgebaut und benutzt wird. Alle diese Münzmodelle fanden bei der Jury keine Gnade, und so wurde der Entwurf von Bastian Prillwitz und mit der Randschrift DIE WELT NEU DENKEN geprägt.
Ohne dass Bauhaus-Gründer Martin Gropius und seine Mitstreiter wie Gerhard Marcks, Lyonel Feininger, Paul Klee, Ludwig Mies van der Rohe und Wassili Kandinsky genannt werden, ist die n Hamburg mit dem Buchstaben J geprägte Münze eine Hommage an das Staatliche Bauhaus Weimar und seine Vertreter. Bei ihrem Anblick wird man sich hinzu denken müssen, dass die allen Plüsch und Plunder vergangener Kunstepochen über Bord werfende Bauhaus-Avantgarde nur bis 1925 in Weimar geduldet wurde und schon damals – und wie heute leider wieder - vielfältigen Anfeindungen von völkischer und antidemokratischer Seiten ausgesetzt war.
Die Schule war bis 1931 in Dessau tätig und musste, vom Stadtrat angeblicher kommunistischer Machenschaften verdächtigt, nach Berlin umziehen, wo ihr nach der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur 1933 der Garaus gemacht wurde. Verschiedenen Lehrern und Studenten gelang die Flucht ins Ausland, wo sie weiter erfolgreich für die Ideen des Bauhauses warben und in seinem Geiste tätig waren. Indem die AfD das, was sie geleistet haben, zwar Vergewaltigung der Kunst und Einheitsbrei nennt, stellt sie sich ins Abseits. Aber man muss aufpassen, das die geschichtsvergessene und kunstfeindliche Haltung an Boden gewinnt. Damit das nicht geschieht, kommt es aktuell zu politischen Koalitionen, die vor Jahren undenkbar waren.
29. Oktober 2024