Kaiser Napoleon I. und die fränkischen Bienen
Fleißige Honigsammlerinnen sind beliebte Motive auf Münzen und Medaillen





Bienenförmige Beschläge aus dem mit vielen Juwelen ausgestatteten Grab des Königs Childerich in Tournai wurden 1655 von J. J. Chiflet publiziert. Das Grab enthielt neben Waffen auch sowie Schmuck sowie antike Gold- und Silbermünzen. Nur zwei originale Bienen haben den spektakulären Raub von 1831 überstanden.



Es war von großer Symbolik, dass der französische Kaiser Napoleon I. die hilfreichen Insekten auf den Mantel aus rotem Samt sticken ließ, den er bei seiner Krönung und der seiner Gemahlin Josephine am 2. Dezember 1804 in der Kathedrale Notre Dame in Paris trug.



Der aus der Antike übernommene Adler als Begleiter des Zeus schmückt auf der von Bertrand Andrieu und Louis Jalet geschaffenen Medaille von 1804 das Kreuz der 1802 von Napoleon Bonaparte gestifteten Ehrenlegion.



Die antike Stadt Ephesos wählte die Biene zu ihrem Zeichen, auf der um 350 bis 330 vor Christus geprägten Tetradrachme erscheint der Hirsch als Symbol der Göttin Artemis, die Beschützerin der Jagd, des Waldes sowie der Frauen und Kinder .



„Meine Pflicht ist mein Vergnügen“ lautet der um Bienenstöcke gelegte Wahlspruch auf der Rückseite einer von Arvid Karlsten geschaffenen Medaille von 1691 mit dem Bildnis der Kurfürstin Sophie Charlotte von Brandenburg, die 1701 preußische Königin wurde.



Aus einem brennenden Bienenstock steigt auf der Medaille von 1718 auf, Bienen schwirren umher. Auf der Rückseite schwebt ein Adler mit Blitzbündel über eine Schwurhand. Die Randschrift der Medaille auf die Landesunruhen im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin zitiert den wegen seiner autokratischen Regierungsweise mit den Ständen im Streit befindlichen und von kaiserlichen Sanktionen bedrängten Herzog Karl Leopold mit den Worten LIBER HAAB UND GUTH UERLOHREN ALS EIN FALSCHEN EYD GESCHWOHREN.





Die Silbermedaille aus dem Jahr VIII (1804) kombiniert die napoleonischen Bienen mit dem kaiserlichen Adler. Die achteckige Silbermedaille erinnert an die Gründung der Sparkasse in Strasbourg durch einen Erlass des französischen Königs Louis Philippe im Jahr 1835.



Die anlässlich einer Internationalen Ausstellung 1875 in Strasbourg, das damals zum Deutschen Reich gehörte, geprägte tragbare Medaille verbindet das Bild einer Biene mit der gotischen Kathedrale, die damals und auch heute nur einen spitzen Turm besitzt. (Fotos/Repros: Caspar)

In einem 1653 in Tournai (Belgien) entdeckten Grab des 481 oder 482 verstorbenen fränkischen Königs Childerich fand man bienenförmige Beschläge aus Goldblech, die mit anderen Grabbeigaben zwei Jahre später in Antwerpen von dem in habsburgischen Diensten stehenden Jean Jacques Chiflet publiziert wurden. Indem eineinhalb Jahrhunderte später Frankreichs neuer Kaiser Napoleon I. den römischen Adler und die bienenfleißigen Insekten zu seinem Symbol erhob, unterstrich er nicht nur seinen Anspruch auf die Nachfolge der fränkischen Könige, sondern auch die in der französischen Revolution von 1789 vollzogene Abkehr vom bourbonischen Königtum, das die goldenen Lilien auf weißem Grund in seinem Wappen führte und sie auch auf unzähligen Münzen und Medaillen zeigte. Die drei goldenen Lilien auf blauem Grund waren die französische königliche Flagge. Nach dem Ende der napoleonischen Ära 1814/15 haben die wieder auf den Thron gelangten Bourbonen die „Fleur-de-Lys“ genannten Linien wieder in ihre Flagge aufgenommen.

Schatz als Politikum

Childerich starb 481/2 und wurde in Tournai, dem Hauptort seines Königreichs im heutigen Belgien, in einem Prunkmantel der hohen römischen Offiziere und mit reichen Beigaben bestattet. Der dabei entfaltete Prunk unterstrich das besondere Prestige des Toten und das seines Nachfolgers Chlodwig und weiterer Merowinger, die großen Wert auf Traditionspflege legten. Die Dynastie spielte eine wichtige Rolle im damaligen Gallien, das eine Zeitlang noch zum Imperium Romanum&xnbsp;angehörten. Der sagenhafte Schatz des Childerich wurde zum Politikum, denn der Arzt und Altertumsforscher Chiflet, der in den Bienen das merowingische Königszeichen erblickte, behauptete, die bourbonischen Könige und damit auch sein Zeitgenosse, der noch sehr junge König Ludwig XIV., könnten keine Nachkommen der fränkischen Dynastie sein, weil sie die Lilie im Schilde führten. Chiflet konnte sich solche Behauptung leisten, weil er in Brüssel als habsburgischer Leibarzt vor Repressalien durch Frankreichs Sonnenkönig sicher war.

Die Preziosen aus dem Grab des Childerich, der den Grundstein für den Aufstieg des späteren Frankenreichs unter seinem Sohn und Nachfolger Chlodwig I.gelegt hatte, gelangte zunächst in den Besitz des Statthalters der Spanischen Niederlande, Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich, der ihn nach Wien mitnahm und 1662 seinem Neffen, Kaiser Leopold I. vererbte. Bereits 1665 schenkte der Kaiser auf Drängen des Mainzer Erzbischofs Johann Philipp von Schönborn die Grabbeigaben Ludwig XIV. 1831 wurden die Funde von zwei Verbrechern aus der Königlichen Bibliothek in Paris gestohlen und von dem Bruder des einen Diebes, einem Goldschmied, in 60 Barren eingeschmolzen. Der Fall erinnert fatal an den Diebstahl der riesigen kanadischen Goldmünze „Big Maple Leaf“ am frühen Morgen des 27. April 2017 aus dem Münzkabinett im Bode-Museum auf der Berliner Museumsinsel, die nie wieder auftauchte und wahrscheinlich den Tod im Schmelztiegel erlitt.

Lilien durch neue Symbole ersetzt

Die Bienen des sagenhaften Frankenkönigs aus dem Geschlecht der Merowinger avancierten zum Symbol der Dynastie Bonaparte, deren Oberhaupt Napoleon I. mit ihnen seinen Anspruch auf die Nachfolge der im nachrömischen Gallien herrschenden Könige unterstrich. Zugleich bedeutete die Verwendung der bienenfleißigen Insekten eine Abkehr vom bourbonischen Königtum und dessen im Wappen erscheinenden Lilien. Deren letzter König Ludwig XVI. und seine Gemahlin Marie Antoinette waren 1793 von Revolutionären geköpft worden, weshalb neue Symbole wie der Kopf der Marianne sowie der sagenhafte Herkules auch Münzen und Medaillen erschienen. Indem der aus Korsika stammende Feldherr und Kaiser Napoleon I., der 1821 auf der entlegenen Insel Sankt Helena starb, sowohl Bienen als auch stolze Adler zu Symbolen seiner Monarchie erhob, unterstrich er seine Legitimität als Nachfolger jener in grauer Vorzeit regierenden Frankenherrscher. Nicht zuletzt fühlte er sich auch als Nachfolger des Frankenkönigs Karl, der anno 800 in Rom zum Kaiser gekrönt wurde und als Karl der Große in die Geschichte einging.

Wohlstand, Fleiß, Betriebsamkeit

Bienen sind für ihren sprichwörtlichen Fleiß, ihre Unentbehrlichkeit für die Bestäubung von Pflanzen und die Herstellung von Honig und Wachs bekannt. Seit Jahren werden sie massiv von Insektiziden bedroht. Wenn sie verschwunden sind, dann ist es auch um unser komfortables Leben geschehen, sagen Landwirte, Zoologen und Umweltexperten. Angeblich soll der Physiknobelpreisträger Albert Einstein vorausgesagt haben, nach dem Absterben der Bienen habe die Menschheit noch vier Jahre zu leben. Bienen sind immer wieder auf Münzen und Medaillen als Symbole von Wohlstand, Fleiß und Betriebsamkeit dargestellt worden.

Geprägtes Metall mit Bildern von Bienen und Bienenstöcken ist gar nicht so selten, wie ein Blick in die numismatische Literatur ergibt. Immer wieder werden Belegstücke dieser Art vom Münzhandel angeboten, und das in vielen Fällen zu moderaten Preisen. Eine von Vinzenz Weber in jahrzehntelanger Arbeit angelegte Bienen-Sammlung kam 2015 im Auktionshaus Christoph Gärtner in Bietigheim-Bissingen unter den Hammer. Das Angebot umfasste Münzen und Medaillen von der Antike bis in die heutige Zeit. Der Katalog zu dieser einzigartigen Kollektion ist ein wichtiges Nachschlagewerk für alle, die sich dem Thema Bienen und Imkerei auf Münzen und Medaillen widmen oder es für sich entdecken. Denn oft kommt es vor, dass Kataloge und Studien zu ausgefallenen Themen Sammler anregt, sich einem nicht üblichen Thema zu widmen und vorhandene Bestände systematisch auszubauen.

8. Mai 2024