Bismarck und der Kulturkampf
Medaillen erinnern an den vor 150 Jahren zwischen Staat und Kirche geführten Streit um Einfluss und Ansehen



Das Verhältnis des deutschen Kaisers (links Wilhelm I. als Menschenfresser) und preußischen Königs Wilhelm I. zu seinem Kanzler Otto von Bismarck war nicht immer ungetrübt. Als der greise Monarch 1888 starb schlug auch die Stunde seines treuesten Dieners. Zwei Jahre später entledigte sich der profilierungssüchtige Kaiser Wilhelm II. unter wenig ehrenvollen Umständen des Politikers und etablierte sein „persönliches Regiment“. Die undatierte Ausgabe aus der Zeit um 1872 bezieht sich auf den Kulturkampf, der damals im Deutschen Reich tobte. Hier weist Germania mit den Papst in seine Schranken.







Für Karikaturisten war der Kulturkampf ein gefundenes Fressen. Papst Pius IX. und Otto von Bismarck streiten darüber, wer wem die Füße küsst. Durch den Vorhang schaut der katholische Zentrums-Politiker und Reichstagsabgeordnete Ludwig Windthorst zu, den Bismarck als Reichsfeind einstufte.



Der Attentäter Eduard Kullmann hat nicht beachtet, dass er mit dem in Kissingen am 14. Juli 1874 verübten Mordanschlag auf Bismarck der eigenen Kirche schadet und zu dessen Popularität beiträgt.





Nach Kaiser Wilhelm I. und seinem Enkel Wilhelm II. war Otto von Bismarck im Deutschen Reich die am meisten auf Medaillen dargestellte Persönlichkeit. Staatsjubiläen, seine Geburtstage und sein Tod 1898 waren Anlässe zur Herausgabe solcher Gedenkprägungen, die ein eigenes Sammelgebiet darstellen und gut dokumentiert sind.





Die Eröffnung des Berliner Reichstagsgebäudes im Jahr 1894 nach zehnjähriger Bauzeit wurde durch Medaillen gefeiert. Auf einer erscheinen die drei ersten Reichskanzler Bismarck, Caprivi und Hohenlohe, während auf der Rückseite das nach Plänen von Paul Wallot errichtete Parlament dargestellt ist. Aussprüche des Eisernen Kanzlers wie „Wir Deutsche fürchten Gott aber sonst nichts in der Welt“ in einer Rede am 6. Februar 1888 wurden auf Medaillen propagiert.





Das Nationaldekmal stand ursprünglich vor dem Berliner Reichstagsgelände. Hitler ließ es zusammen mit der Siegessäule an den Großen Stern versetzen, um Platz für seine Baupläne für die "Welthauptstadt Germania" zu schaffen.



Das Hamburger Bismarckdenkmal ist auf der Medaille von 1906 abgebildet, versehen mit einer auf sein Wirken in die Zukunft gerichteten Inschrift. Auf der Medaille von Karl Goetz aus dem Jahr 1918 kündigt Bismarck an, er wolle 20 Jahre nach seinem Tod nachschauen, was die Deutschen aus seinem Erbe gemacht haben. Da war Krieg und Revolution, und die vom alten Kanzler so vehement verteidigte Hohenzollernmonarchie war im Orkus der Geschichte verschwunden. (Fotos/Repros: Caspar)

So konfliktfrei wie es Erzählungen und Gemälde schildern, verlief die deutsche Reichseinigung von 1871 nicht. Die wenigsten souveränen Fürstentümer und freien Städte begaben sich mit wehenden Fahnen unter die Fittiche des schwarzen Preußenadlers. Mit Kaiser Wilhelm I. und Reichskanzler Otto von Bismarck feilschten sie um Privilegien und Einkünfte. Auf der anderen Seite garantierte die Reichsverfassung den Fortbestand dieser Bundesstaaten. Erhebliche Schwierigkeiten gab es auf religiösem Gebiet. Zwischen der preußisch-protestantisch geprägten kaiserlichen Staatsgewalt und der auf ihre Rechte pochenden katholischen Kirche entwickelte sich ein scharfer, über viele Jahre andauernder Konflikt. Für ihn prägte der Arzt und Mitbegründer der Deutschen Fortschrittspartei Rudolf Virchow den Begriff Kulturkampf. Er war der Meinung, es handele es sich dabei nicht um Auseinandersetzungen um religiöse Fragen, sondern um einen höheren Kampf, der die ganze Kultur betrifft. Damit war die Frage gemeint, ob die Bürger des unterm Preußenadler vereinten Deutschen Reiches mehr dem Kaiser und dem Staat verpflichtet sind oder der Kirche und dem Wort ihrer Vertreter.

Otto von Bismarck versuchte, mit dem Ziel der „Abwehr von staatsfeindlichen Übergriffen einzelner Personen und Parteien innerhalb der katholischen Kirche“ deren Kompetenzen im Sozialbereich, bei der Krankenpflege und im Schulwesen einzuschränken. Durch ein neues Gesetz wurde unter anderem festgelegt, dass Geistliche nur nach Ablegen eines staatlichen Kulturexamens ein Amt übernehmen dürfen, doch sollte auch der Austritt aus der Kirche erleichtert werden. Ziel war die Trennung von Staat und Kirche und damit auch die Einschränkung der Einflussmöglichkeiten von Bischöfen und Priestern auf die öffentlichen Angelegenheiten. Während Zivilehe eingeführt wurde, hat man die Tätigkeit von geistlichen Ordensgemeinschaften verboten, wobei krankenpflegerische Dienste unter staatliche Aufsicht gestellt wurden. Durch Einführung des so genannten Kanzelparagraphen wurde Geistlichen eine Art Maulkorb verpasst. Wer die „die Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstande einer Verkündigung oder Erörterung macht, wird mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft“, drohte ein Zusatz zum Strafgesetzbuch an. Viele Geistliche nahmen lieber Strafen in Kauf, als sich den Mund verbieten zu lassen. Mit ihrem rigorosen Vorgehen legte sich die Reichsregierung mit dem Vatikan an, der weiter auf seine Rechte pochte. Bismarck brachte die Geistlichkeit sowie die katholische Zentrumspartei gegen sich auf, und es kam zu schwerwiegenden Konflikten mit großen Teilen der katholischen Bevölkerung, die sich gegen die preußisch-protestantische Bevormundung zur Wehr setzte.

Der Kaiser ist Herr im Reich

Der Kulturkampf wurde heftig und unerbittlich in Gotteshäusern, Parlamenten, auf den Straßen und in den Medien geführt. Eine 1872 von Johannes Lorenz geschaffene Medaille bringt den mit starken Worten und drastischen Bildern ausgetragenen Konflikt auf den Punkt. Sie zeigt auf der Vorderseite den Kopf des Kanzlers sowie die keinen Widerspruch duldende Umschrift DER KAISER IST HERR IM REICH UND MUSS ES BLEIBEN, während sich auf der Rückseite die mit einem Schwert bewaffnete Germania mit dem Papst um die Vorherrschaft streitet. Die gekrönte Symbolfigur des Deutschen Reiches beruft sich auf die Bibel, der Reichsadler zu ihren Füßen greift die Schlange an, die bedrohlich aus dem Gewand des Pontifex maximus kriecht. Der Hass ging so weit, dass Bismarck bei seinem ersten Kuraufenthalt in Bad Kissingen am 13. Juli 1874 bei einer Fahrt durch die Stadt von dem katholischen Fanatiker Eduard Kullmann angeschossen wurde. Der Reichskanzler wurde nicht lebensgefährlich verletzt und setzte seine Kur unverdrossen fort. Am Abend des gleichen Tags sagte nur, das habe nichts zu bedeuten. „Die Sache ist zwar nicht kurgemäß, aber das Geschäft bringt es eben so mit sich“, zitiert ihn die Kissinger Saale-Zeitung vom 15. Juli 1874.

Der ehemalige Sommersitz der Fürstbischöfe von Würzburg war Wohnort von Bismarck, der in Kissingen zwischen 1874 und 1892 in dem mondänen Badeort zur Kur weilte, und ist heute ein interessantes Bismarck-Museum mit original erhaltenen Wohnräumen des Kanzlers und einer Ausstellung über das Kur- und Salinewesen in dem mondänen Badeort. „Ich bade innerlich und äußerlich jeden Tag, einstweilen mit dem erfolge geistigen Stumpfwerdens, ein Kursymptom, welches meinen Arzt mit freudiger Zuversicht erfüllt.“ Gemeint war Dr. Ernst Schwenninger, der ihm strenge Diät verordnete und auch sonst dafür sorgte, dass der viel beschäftigte Politiker zur Ruhe kam. „Nächst Gott verdanke ich mein gutes Befinden und meine Gesundheit meinem Schwenninger und Kissingen“ lobte Bismarck 1880 seinen Arzt und das gute Klima in dem Badeort. Der schwergewichtige Politiker liebte reichliches Essen und Trinken, rauchte viel und wurde uralt. Er war ein Workaholic, der bis unmittelbar vor seinem Tod am 30. Juli 1898 politisch aktiv war. 80 Jahre alt geworden, sagte er 1895 zu Studenten, die ihm huldigten: „Ich bin nie herrschsüchtig gewesen und ehrgeizig, es ist immer Verleumdung gewesen, wenn man dies erzählte, ich war immer nur diensteifrig. Es ist mir immer wertvoller gewesen, Niemandem zu gehorchen als Anderen zu befehlen. Ich habe aber doch meinem alten Könige mit Liebe gehorcht.“

Freunde waren nur willenlose Werkzeuge

Diejenigen, die unter Bismarcks autoritärer Politik litten, allen voran die Arbeiterbewegung, haben das ganz anders gesehen haben. Sogar der alte Kaiser hatte durchaus mit seiner „Kanzlerdiktatur“ Probleme. „Es ist nicht leicht, unter einem solchen Kanzler Kaiser zu sein“, gestand Wilhelm I. Heinrich Abeken bemerkte über seinen Chef: „Er will der Alleinherrscher sein, nur Befehle erteilen, aber keine Meinung hören; es ist ihm schon unbequem genug, dass er im Conseil mit den Ministern oder den Generalen andere Meinungen hören und gelten lassen muss; aber im eigenen Hause darf das nicht sein.“ Ein anderer Mitarbeiter, Christoph von Tiedemann, erinnert sich: „Sein Selbstgefühl war, ähnlich wie bei Friedrich dem Großen und Napoleon, mit einer starken Dosis Menschenverachtung gepaart, und diese verleitete ihn nicht selten, Freunde und Feinde zu unterschätzen. Er sah in den Freunden dann nur willenlose Werkzeuge seiner Pläne, Schachfiguren, die er beliebig auf dem Brette seiner Politik hin und her schieben und auch opfern konnte, wenn dies ins Spiel passte, in seinen Feinden nur Schurken und Dummköpfe. Freunde konnte er nur gebrauchen, wenn sie sich vollständig mit ihm identifizierten“.

Otto von Bismarck erklärte 1872 mit Blick auf die Unterwerfung des römisch-deutschen Kaisers Heinrich IV. unter den Willen von Papst Gregor VII. im Jahr 1077: „Nach Canossa gehen wir nicht, weder körperlich nicht geistig“. Er betonte damit, von Kaiser Wilhelm I. unterstützt, seinen eisernen Willen, den Kulturkampf zu gewinnen. In seinem Buch „Gedanken und Erinnerungen“ blickte der Kanzler wenig optimistisch in die Zukunft, denn der Papst und seine Anhänger seien auf Zusammenarbeit nicht aus. „Ein ewiger Friede mit der römischen Kurie liegt nach den gegebenen Lebensbedingungen ebenso außerhalb der Möglichkeit wie ein solcher zwischen Frankreich und dessen Nachbarn.“ Entgegen Bismarcks düsterer Prognose gelang nach dem Tod seines erbitterten Gegenspielers, Papst Pius IX. und dem Amtsantritt von Leo XIII. ein gewisser Ausgleich der Interessen, wobei die staatliche Schauaufsicht und die Zivilehe weiterhin bestehen blieben.

Trennung von Staat und Kirche

Eines der wichtigsten Ziele des Reichskanzlers war es, Staat und Kirche zu trennen, was er mit der „Abwehr von staatsfeindlichen Übergriffen einzelner Personen und Parteien innerhalb der katholischen Kirche“ begründete. Die Kompetenzen der römisch-katholischen Kirche wurden im Sozialbereich, bei der Krankenpflege und im Schulwesen eingeschränkt, und auch die Tätigkeit von geistlichen Ordensgemeinschaften wurde unterbunden. Damit legte sich Bismarck mit dem Vatikan in Rom und dem deutschen Episkopat an, die auf ihre angestammten, manche sagten auch angemaßten Rechte nicht verzichten wollten. Im Rahmen der heftig geführten Auseinandersetzungen, bei denen jedes Mittel, auch das der Verleumdung und Verteufelung recht war, wurden einige Neuerungen wie die Zivilehe eingeführt.

Mit seinem kompromisslosen Vorgehen brachte der Reichskanzler und zugleich preußische Ministerpräsident die katholische Geistlichkeit und die Zentrumspartei sowie ganz allgemein viele im Hohenzollernstaat und weiteren Bundesländern lebenden Katholiken und den Klerus gegen sich auf. Sie fühlten sich von der preußisch-protestantischen Dominanz gegängelt und sahen in „Berlin“ den Inbegriff alles Bösen. Es versteht sich, dass der Streit um staatliche Ansprüche und die Abgabe von Kompetenzen in der Publizistik eine große Rolle spielte und auch Niederschlag auf Medaillen fand.

Deutsche Gedenkmünze erst 2015

Kaum zu zählen sind die bunt bemalten Tabakspfeifen, Trinkbecher und Wandteller, die Klappmesser, Küchenhandtücher und Kissenplatten, die Reservistenkrüge und Ruhmesblätter mit dem Bildnis und Wappen des Reichskanzlers. Zahlreiche Denkmäler wurden ihm zu Ehren errichtet, aber noch noch mehr Medaillen mit seinem Bildnis geprägt. Während viele Denkmäler und Büsten gestürzt und vernichtet wurden, bilden die Medaillen bis heute ein beliebtes Sammelgebiet. Zahlreiche Bismarck-Medaillen wurden bereits 1905 von Julius Eduard Bennert publiziert. Zu den 357 Medaillen wurden später in einem zweiten Teil des Katalogs weitere Stücke gelegt. Seither kamen weitere Prägungen dieser Art und 2015 sogar eine Gedenkmünze, mit der die Bundesrepublik Deutschland an den 200. Geburtstag des Reichsgründers erinnerte.

Fürst Bismarck erscheint auf den Medaillen mit Helm, Militärmütze oder Schlapphut oder ganz barhäuptig, in Uniform oder Zivilrock. Er kommt als antiker Held mit nackter Brust daher, als Siegfried der Schmied und Feldherr zu Pferde, aber auch als wortgewaltiger Redner vor dem Parlament. Der Reichskanzler wird als „des Vaterlands Liebling und der Feinde Schrecken“ gefeiert, als Unsterblicher und Titan, als Paladin Wilhelms I. und Alldeutschlands Schutzgeist. Beliebt waren Darstellungen, die ihn und Wilhelm I. sowie hohe Militärs wie Albrecht von Roon und Helmuth von Moltke gemeinsam zeigen. Manche Medaillen bekamen Henkel und Ösen und konnten so als Schmuck getragen werden. Vielen „Erinnerungstalern“ sieht man an, dass sie zum Zwecke des schnellen Gelderwerbs von geschäftstüchtigen Medaillenverlegern hergestellt und vertrieben wurden.

Offiziell hauchte der gute alte Taler im Jahre 1871 mit der Schaffung von Mark und Pfennig sein Leben aus. Nach und nach wurden die Silbermünzen mit Bildnissen und Wappen deutscher Fürsten und Symbolen Freier Städte eingezogen. Da der Name Taler nicht geschützt war, ergriffen Medaillenproduzenten die Gelegenheit beim Schopf und stellten so genannte Gedenk- und Segenstaler her. Bei genauer Betrachtung dieses Unfugs entpuppen sich diese Gepräge als Silbermedaillen mit dem für die alten Vereinstaler vorgeschriebenen Durchmesser von 33 Millimetern. Mit der Bezeichnung THALER oder TALER, manchmal auch GEDENKMÜNZE oder GEDÄCHTNISMÜNZE versehen, ließen sich diese Stücke besser vermarkten als wenn man sie korrekt als Medaillen bezeichnet hätte. Wer sich mit Medaillen zur Erinnerung an Reichskanzler Otto von Bismarck befasst, kennt sicher Stücke mit verkaufsfördernden Bezeichnungen wie GEDÄCHTNIS- oder JUBILÄUMSTHALER beziehungsweise GEDENK- oder TRAUERMÜNZE.

Ein Hoch der Wacht am Rhein

Als früheste Prägung nennt J. E. Bennert in seinem Buch von 1905 eine Medaille zur Eröffnung des Landtages am 26. Januar 1850, in dem Otto von Bismarck den Kreis Westhavelland vertrat. Er wird hier neben zahlreichen anderen Abgeordneten als „v. Bismark S“ erwähnt. Der Politiker und Gutsherr nannte sich zeitweilig unter Bezug auf seinen Geburtsort und Wohnsitz Bismarck-Schönhausen. Mitunter wurde sein Name, wie hier, falsch mit einfachem „k“ geschrieben. Eine ebenfalls sehr frühe Prägung stellt den (seit 1865) Grafen Otto von Bismarck dar. Eine Die Zinnmedaille von 1870 auf den Krieg gegen Frankreich bildet König Wilhelm I. von Preußen, den Kronprinzen Friedrich (III.) und den Prinzen Friedrich Karl sowie Bismarck und General von Moltke ab. Auf der Rückseite greifen deutsche Truppen an. „Das ganze Deutschland stimmt mit Jubel ein - ein donnernd Hoch der braven Wacht am Rhein“ lautet beiderseits die Inschrift.

Der deutsch-französische Krieg und seine Ergebnisse brachten weitere Bismarck-Medaillen hervor, die während der deutschen Besetzung von Paris hergestellt und verkauft wurden. Unter diesen Jetons mit Bildnissen des Fürsten Bismarck auf der Vorderseite sowie Porträts führender Politiker der französischen Republik sind Spottmedaillen. Eine zeigt Wilhelm I., Napoleon III. und Bismarck „an Schandpfählen in Bußgewändern“, wie Bennert bemerkt. Manche Medailleure waren hinsichtlich des neuen Titels Wilhelms I. unsicher und nannten ihn Kaiser der Deutschen statt Deutscher Kaiser. Es versteht sich, dass die Medaillen und anderen Erinnerungsstücke etwa zu den diversen Sedanfeiern, Jubiläen der Reichsgründung, Denkmalweihen, Grundsteinlegungen usw. nur Glanz und Gloria wiedergeben, keineswegs die Irrungen und Wirrungen, die Zickzackwege und Gewalt in der von Bismarck repräsentierten Politik und schon gar nicht die herrischen Züge im Charakter des Politikers, der nur eine Autorität anerkannte, die seines Königs und Kaisers Wilhelm I.

Politik mit Eisen und Blut

Bismarck hatte von Parlamentariern und demokratischer Meinungsbildung keine gute Meinung. Sein Ausspruch von 18862 im Preußischen Abgeordnetenhauses „Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden - das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen -, sondern durch Eisen und Blut“ wurde zum geflügelten Wort. 1863 stellte er seiner Tätigkeit dieses Zeugnis aus: „Ich habe niemals geglaubt, dass ich in meinen reifen Jahren genötigt werden würde, ein so unwürdiges Gewerbe wie das eines parlamentarischen Ministers zu betreiben. Als Gesandter hatte ich, obschon Beamter, doch das Gefühl, ein Gentleman zu sein. Als Minister ist man Helot. Ich bin heruntergekommen und weiß doch selber nicht wie“. Den Medaillen des Jahres 1890 und der folgenden Zeit sieht man nicht an, dass der Reichskanzler einen politischen Sturz hatte hinnehmen müssen. Wie ein Hausdieb musste der 75jährige mit seiner Familie das Reichskanzlerpalais an der Berliner Wilhelmstraße verlassen. Den Rauswurf versuchte Kaiser Wilhelm II. mit scheinheiligen Lobesworten für den zum Herzog von Lauenburg erhobenen Politiker zu versüßen. Doch der Bruch war da und wurde trotz späterer Versuche nie wieder gekittet.

Das „persönliche Regiment“ des jungen Kaisers mit all seinen Weltherrschaftsallüren, seinem unentwegten Säbelrasseln und imperialen Gehabe konnte eine gerade in dieser Hinsicht weitaus vorsichtiger taktierende Persönlichkeit wie Bismarck nicht dulden. Dieser übte im dritten, erst nach dem Ende der Monarchie veröffentlichten Band seiner „Gedanken und Erinnerungen“ heftige Kritik an Wilhelm II., etwa als er schrieb, dieser habe sich mit fragwürdigen Jasagern umgeben und abweichende Meinungen nicht geduldet. „Der Kaiser Wilhelm II. hat nicht das Bedürfniß, Mitarbeiter mit eignen Ansichten zu haben, welche ihm in dem betreffenden Fache mit der Autorität der Sachkunde und Erfahrung entgegentreten könnten. Das Wort ,Erfahrung' ist in meinem Munde verstimmte ihn und rief gelegentlich die Äußerung hervor: ,Erfahrung? Ja, die allerdings habe ich nicht.“

Der junge Kaiser galt bei seinem Regierungsantritt 1888 als Hoffnungsträger, doch sein „Neuer Kurs“ löste keine Probleme, sondern schuf neue. Auch davon erzählen die Jubelmedaillen zum Regierungsantritt kein Wort. Wilhelms II. sprunghafte, unberechenbare Politik, sein ständiges Säbelrasseln sollte schon bald das Deutsche Reich in große innen- und außenpolitische Schwierigkeiten bringen. „Zwanzig Jahre nach dem Tod Friedrichs des Großen war Jena; zwanzig Jahre nach meinem Abgang wird wieder der Niederbruch kommen, wenn so weiter regiert wird“, prophezeite Bismarck und hatte aufs Jahr genau mit seiner Prognose vom Ende der Monarchie 1918 Recht. Dass das Sozialistengesetz 1890 nicht verlängert wurde, hat Fürst Bismarck als persönliche Niederlage empfunden. Er war der Meinung, Wilhelm II. wolle sich damit und weiteren Maßnahmen bei den Arbeitern einschmeicheln, was aber nicht gelangt, wenn man die folgenden Jahrzehnte, den Ersten Weltkrieg und die Novemberrevolution von 1918 betrachtet, aus der die Weimarer Republik hervor ging. Die Aussöhnung zwischen ihm und Bismarck bei dessen auch durch zahllose Medaillen gefeierten 80. Geburtstag war nur formaler Natur. Die letzte Begegnung der beiden 1897 in Friedrichsruh sei eisig gewesen, berichten Zeitgenossen. Als der Fürst ein Jahr später starb, blieb der Bismarck-Clan dem Gedenkgottesdienst in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche fern. Für seinen Sarg bestimmte Bismarck die Inschrift, die den Toten als „Ein treuer deutscher Diener Kaiser Wilhelms I.“ bezeichnet und jeden Hinweis auf andere Herren, zum Beispiel das deutsche Volk, vermeidet.

Populärer Pensionär im Unruhestand

Der populäre Pensionär im Unruhestand war stets umlagert von zahlreichen Neugierigen, die sich glücklich schätzten, wenn sie ihr Idol gelegentlich erblicken konnten. Er dürfe auch mit vergnügen die Bücher betrachtet haben, die sein Leben und Werk über den Klee lobten. Was der Altkanzler von Medaillen mit seinem Bildnis hielt, ist nicht überliefert. Bismarcks Landsitz Friedrichsruh nahe Hamburg, ein Geschenk Wilhelms I., war auch nach dem Sturz des Eisernen Kanzlers so etwas wie die heimliche Hauptstadt des Deutschen Reiches. Hier empfing er Journalisten, denen er bissige Kommentare in die Feder diktierte, gerichtet gegen Wilhelm II. und seine Hofschranzen.

Als 1915 Bismarcks einhundertster Geburtstag gefeiert wurde, hat man mit ihm gewidmeten Medaillen schamlose Kriegspropaganda gemacht. Ihm war es nicht vergönnt, dass man ihn auch auf regulären Reichsmünzen dargestellt hat. Zwar erscheint er auf zahllosen Silberstücken, die fast so aussehen, als seien sie kurantes Geld. Die Gesetze gaben zu seinen Lebzeiten und bis ins frühe 20. Jahrhunderts erlaubten nur, dass man regierenden Fürsten diese höchste numismatische Weihe gab. Als 1915 sein einhundertster Geburtstag gefeiert wurde, erwies sich die Idee, ihm eine Münze zu widmen, als nicht durchführbar. Prinzipiell wäre es möglich gewesen, analog zum Völkerschlachtdenkmal auf dem Dreimarkstück von 1913 Hugo Lederers Hamburger Bismarck-Denkmal auf eine solche Münze zu setzen. Doch scheiterte der Plan paradoxerweise an Bismarcks übergroßer Popularität. Nach Meinung des Reichsschatzamtes hätten im In- und Ausland mühelos Münzen im Nennwert von einhundert Millionen Mark abgesetzt werden können. Demgegenüber sei der Verkauf der 1913 geprägten Münzen auf die Befreiungskriege und zum silbernen Regierungsjubiläum Wilhelms II. mit je neun Millionen Mark zu gering gewesen. Offenbar war die größere Wertschätzung Bismarcks gegenüber dem Kaiser für die damalige Zeit ein Grund, den Plan aufzugeben. Erst 2015 gelang die Ausgabe einer Gedenkmünze mit Bismarcks Kopf.

Viele Politiker damals und heute sind davon überzeugt, nur das „Beste“ für das Land zu tun und auf Volkes Stimme zu hören. Da man zu Kaisers Zeiten das Staatsoberhaupt nicht kritisieren durfte, wollte man keine Anklage wegen Majestätsverbrechen riskieren, ging man Otto von Bismarck frontal an und warf ihm Selbstherrlichkeit und Regieren am Parlament vor bei vor. Die Karikatur zählt drastisch auf, was vor allem die Sozialdemokratie ihm ankreidete. Die Ausgabe von 1880 feiert den 75. Geburtstag des Reichskanzlers. Kaiser Wilhelm II. kam mit ihm nicht gut aus, weshalb er ihn 1890 seines Amtes enthob. Michael Otto schuf die bisher einzige Bismarck-Münze zu 10 Euro. Sie erschien 2015 zum zweihundertsten Geburtstag des Politikers mit der Randschrift DIE POLITIK IST DIE LEHRE VOM MÖGLICHEN.

9. Oktober 2023