Das ganze Deutschland sollte es sein
Warum die frühen Münzen der DDR auf eine eigene Staatsbezeichnung verzichteten



In riesigen Stückzahlen geprägt, sind die Alupfennige und Bronzfünfziger aus Bronze der frühen DDR-Zeit in vielen Sammlungen zu finden. Sie geben DEUTSCHLAND noch als Herkunftsland an.





Der DDR-Fünfziger von 1950 hat einen sehr seltenen Vorgänger mit der „dünnen“ Wertzahl 50. Im Berliner Münzkabinett befindet sich das aus Gusseisen bestehende Modell, nach dem die Stempel geschnitten wurden.



Die Entwürfe mit dem Brandenburger Tor und dem Kölner Dom, der Windrose und der Inschrift DEUTSCHE EINHEIT DEUTSCHER WOHLSTAND wurden nie verwirklicht. Bei der Kombination von Brandenburger Tor und Kölner Dom und weiteren DDR-Münzentwürfen von 1949 ist es geblieben. Gäbe es von ihnen Probeabschläge, würden Sammler sie sehr teuer bezahlen.





Der Volkseigene Betrieb (VEB) Münze der DDR war in einem aus der NS-Zeit stammenden Gebäude am Molkenmarkt untergebracht, hier die Gebäudefront am Rolandufer. Der im Hintergrund sichtbare Fernsehturm wurde 1969 eingeweiht. Links der Rumpf der Nikolaikirche, die erst 1987 ihre beiden Turmspitzen erhielt.



Vom Chefgraveur der Berliner Münze Franz Krischker stammt der Entwurf für die Medaille zum 1949 gestifteten Deutschen Nationalpreis. In der frühen DDR wurden Abzeichen mit dem Kopf von Stalin und dem DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck zum Friedensaufgebot der deutschen Jugend heraus. Bald schon waren solche Formulierungen obsolet.





Die DDR-Briefmarke ehrt den Diktator, den die SED zum größten Freund des deutschen Volks stilisierte. Auch in der Schule hieß es „Deutsche an einen Tisch“. Als Stalin 1953 starb lautete die Parole „Köpfchen senken, an Stalin denken.“



Im Zeichen des Kalten Kriegs schenkten sich beide deutsche Staaten nichts. Hetze hier, Verleumdung dort. (Fotos/Repros: Caspar)

Der Jubel über die überraschende Öffnung der Mauer war am 9. November 1989 groß. Bald schon wurde aus „Wir sind das Volk“ der Ruf „Wir sind ein Volk“ und „Deutschland einig Vaterland“. Mit dem Ende der DDR ein Jahr später war auch deren Münzgeschichte abgeschlossen. Die bis 1953 in riesigen Stückzahlen geprägten Aluminiumpfennige und der Bronze-Fünfziger von 1950 mit Fabrik und Pflug tragen die Staatsbezeichnung DEUTSCHLAND. Die Angabe drückte die Hoffnung der alles beherrschenden SED und der und Staatsführung in Ostberlin und ihrer sowjetischen Befehlsgeber, eines Tages die Macht in ganz Deutschland übernehmen zu können, natürlich unter kommunistischen Vorzeichen.

Diesem Ziel diente zeitweilig eine massiv von Ostberlin aus betriebene „gesamtdeutsche“ Propaganda. Sie malte unter dem Motto „Deutsche an einen Tisch“ und „Deutschland einig Vaterland“ die Vision aus, eines Tages könne die Sonne des Sozialismus und Kommunismus „schön wie nie“ über ganz Deutschland aufgehen, um eine Zeile aus der DDR-Hymne von Johannes R. Becher zu zitieren. Zum anderen wurde unterstrichen, dass die DDR neben der Bundesrepublik Deutschland ein souveräner Staat ist, der als einziger das „wahre Deutschland“ repräsentiert. Eine solche Politik war mit der Bundesrepublik nicht zu machen, die den zweiten deutschen Staat konsequent „Sowjetzone“ nannte und ihn erst in den 1980er Jahren zu so etwas wie diplomatisch anerkannte.

Normale und teure Ausgaben

Nach Annahme des Gesetzes über das Staatswappen der DDR vom 26. September 1955 wurde ein neues Münzdesign eingeführt, das auf der Rückseite Hammer und Zirkel im Ährenkranz mit einem darum gewickelten schwarz-rot-goldenen Band sowie die Bezeichnung DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK zeigt. Im VEB Münze der DDR am Berliner Molkenmarkt wurden ab 1956 neue Stücke zu einer Deutschen Mark, ab 1957 zu zwei Deutschen Mark, ab 1958 zu 50 Pfennig, ab 1960 zu einem, ab 1963 zu zehn Pfennig, ab 1958 zu fünf Pfennig geprägt. 1972 kamen ein Zwanzig-Pfennig-Stück und 1969 ein Fünf-Mark-Stück hinzu, das „XX Jahre DDR“ feiert. Beide Nominale bestehen aus einer Kupfer-Zink-Legierung beziehungsweise aus Kupfer-Nickel. Daneben gibt es die von Sammlern gesuchten und teuer bezahlten Proben aus anderen Legierungen sowie Abschläge mit fehlerhaften oder ganz anderen Randschriften und weiteren Abweichungen.

Wie weit der Drang der DDR-Führung ging, sich ganz Deutschland unter den „Nagel“ zu reißen, illustriert ein Lied, das Johannes R. Becher zum Tod des sowjetischen Diktators Josef Stalin am 5. März 1953 schrieb. Die letzten Strophen dieses ganz dem damalige Stalinkult verpflichteten Elaborats lauten so: „Vor Stalin neigt euch, Fahnen, lasst euch senken! / Es soll ein ewiges Gedenken sein! / Erhebt euch, Fahnen, und weht im Gedenken / An Stalin bis hinüber an den Rhein. / In Stalins Namen wird sich Deutschland einen. / Er ist es, der den Frieden uns erhält. / So bleibt er unser und wir sind die Seinen, / Und Stalin, Stalin heißt das Glück der Welt. / Die Völker werden sich vor dir erheben, / Genosse Stalin, und zu dir erhebt / Mein Deutschland sich: in unserm neuen Leben / Das Leben Stalins ewig weiterlebt.“ Ob sich der Dichter und DDR-Kulturminister später seiner Lobhudelei geschämt hat, als der ganze Umfang der Massenmode und Verbrechen des „großen Stalin“ bekannt wurde, bleibt Spekulation. Wenigstens brachte die DDR es nicht über sich, ihm eine Gedenkmünze zu widmen. Versehen mit der Anfangszeile „Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt“ wurde die DDR-Hymne zum ersten Mal in Berlin am 6. November 1949 anlässlich einer Festveranstaltung zum 32. Jahrestag der Sozialistischen Oktoberrevolution gesungen und soll hervor geht, vom Publikum ergriffen und begeistert aufgenommen worden sein.

Deutschland einig Vaterland

Der vom SED-Politibüro genehmigte Text von Becher kennzeichnete die Aufbruchstimmung nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber schon der nächste Satz „Lasst uns dir zum Guten dienen, Deutschland einig Vaterland“ war über 20 Jahre später wegen der vom SED-Generalsekretär und Staatschef Erich Honecker praktizierten Abgrenzungspolitik nicht mehr opportun, weshalb Lied nur noch vom Orchester gespielt, nicht aber gesungen werden durfte. Von „Deutschland“ wurde nur noch in der Vergangenheitsform gesprochen. Im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung gab es vergeblich den Versuch, die „Becherhymne“ mit der dritten Strophe des Deutschlandlieds von Hoffmann von Fallersleben zu kombinieren. Dabei blieb es aber, und so wird bis heute „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland“ gesungen, ob das Nörglern von links bis rechts gefällt oder nicht.

Während in Ost-Berlin noch überlegt wurde, wer die über 67 Millionen Ronden für den neuen Fünfziger herstellt, machte sich Franz Krischker an den Entwurf. Die Bildseite, die das Zusammengehen von Arbeitern (Fabrik) und Bauern (Pflug) als Symbol der 1949 gegründeten DDR schildert, ging bei den SED- und Regierungsgremien anstandslos durch. Gegenüber den seltenen Proben von 1949 hat man allerdings bei der 1950 realisierten Gesamtauflage nur die Zahl auf der Wertseite verändert. Die zunächst magere „50“ fiel 1950 kräftiger aus, um sie besser erkennen zu können. Originale Probe-Fünfziger von 1949 erzielen horrende Summen, sollten sie im Handel angeboten werden. Sollten normale Fünfziger von 1950 in „Stempelglanz“ angeboten werden, sind ihnen gute Preise sicher.

Altes Geld durch Alupfennige ersetzt

Nach und nach wurden in der Sowjetischen Besatzungszone die alten Reichspfennige und Fünfziger eingezogen und durch neues Kleingeld aus Aluminium ersetzt, das in Berlin mit dem Münzzeichen A und in Muldenhütten mit einem E gezeichnet wurde. „Die Prägung der neuen Geldstücke stellte für die Münze Berlin eine echte Bewährungsprobe dar. Galt es doch innerhalb kurzer Zeit zig Millionen Münzen für die notwendige Ausstattung unserer Bürger mit neuem Hartgeld gemeinsam mit der Münze Dresden-Muldenhütten zu prägen“, erinnerte sich der inzwischen verstorbene Geschäftsführer der DDR-Münze, Hartmut Mielke, und wies darauf hin, dass in Berlin die Zahl der Münzarbeiter verstärkt wurde und man in drei Schichten gearbeitet hat. Pro Schicht seien rund eine Million Münzen erzeugt worden. „Das Münzmaterial wurde aufgrund fehlender Kapazitäten nicht wie früher selbst in der Münze hergestellt. Es wurde in Streifen aus Aluminium bezogen, die auf Egalisierungswalzwerken in mehreren Arbeitsgängen auf die erforderliche Rondenstärke mit einer Toleranz von +/- 0,02 mm gewalzt wurden. Diese Ronden waren nicht immer völlig eben, was sich negativ auf die Qualität der Münzen auswirkte. Nach dem Walzen der Alu-Streifen wurden Ronden in den erforderlichen Abmessungen gestanzt. Nachfolgend wurden die gestanzten Ronden in schwenkbaren Scheuerglocken mit soda- und seifenhaltigen Waschmitteln gescheuert und entgratet.“ Die nassen Ronden seien dann in großen Zentrifugen mit Warmluft getrocknet worden. Auf speziellen Rändelmaschinen hätten die Arbeiter die Ronden vorgestaucht, danach sei die Prägung der Münze erfolgt, die dann, in Beutel verpackt und verblombt, an die Banken und andere Ausgabestellen weitergeleitet wurden.

Insgesamt standen nach dem Krieg in der Geldfabrik am Berliner Molkenmarkt für den Mammutauftrag 31 Münzprägepressen der Baujahre 1920/30 mit einer Leistung von 80 bis 120 Stück pro Minute und einem Druck von 80 bis 250 Tonnen, fünf Reibspindelpressen und andere Maschinen zur Verfügung. Die betriebsinterne Bezeichnung für diese Pressen lautete M 100 nach der Leistung von durchschnittlich einhundert Münzen in der Minute. Um 1970 wurden neue Prägemaschinen der bundesdeutschen Firmen Schuler und Gräbener angeschafft. Diese M 250 genannten Geräte brachten es bis auf 250 Münzen in der Minute, während es heutige Maschinen leise klirrend auf 700 und mehr schaffen. Ältere Betriebsangehörige aus DDR-Zeiten klagen noch heute über den fürchterlichen Krach, den die alten M 100 und vergleichbare Modelle machten. Ohne Gehörschutz hätte man in den Prägesälen nicht arbeiten können. Solche urtümlich anmutende Kniehebelpressen sind im Betriebsmuseum der Staatlichen Münzen an der Ollenhauerstraße 97 im Bezirk Reinickendorf ausgestellt und auch auf verschiedenen Medaillen des VEB beziehungsweise der Staatlichen Münze Berlin abgebildet.

Bis in die 1950-er Jahre hinein war „Deutsche an einen Tisch“ eine aktuelle Parole, die auf die Wiedervereinigung unter kommunistischen Vorzeichen hinaus lief. Vordergründig ging es darum, dass die West- und die Ostdeutschen wieder miteinander sprechen und politische und wirtschaftliche Hürden mit Blick überwinden. Beide Landesteile sollten nach dem Willen der SED unter Umgehung der Siegermächte direkt über das Ende der Teilung verhandeln. Auf den erstmals am 30. November 1950 von der DDR erhobenen Vorschlag reagierte die Bundesregierung mit der Forderung nach freien gesamtdeutschen Wahlen unter Aufsicht der UNO. Ohne diese Grundvoraussetzung sei sie zu Gesprächen mit der DDR nicht bereit.

Stalin fordert Neutralität

Die Kampagne der SED „Deutsche an einen Tisch“ ging auf Überlegungen der Prager Außenministerkonferenz vom Oktober 1950 zurück. Dabei protestierten die Vertreter der Ostblockstaaten gegen die geplante Wiederbewaffnung und die Westintegration der Bundesrepublik und forderten einen aus ost- und westdeutschen Delegierten paritätisch zusammengesetzten „Konstituierenden Rat“, der die Bildung einer gesamtdeutschen Regierung vorbereiten sollte. Viele Menschen übersahen, dass die SED und der hinter ihr stehende sowjetische Diktator Josef Stalin mit schönen Worten versuchten, die „Westbindung“ der Bundesrepublik Deutschland zu untergraben und auch deren im Grundgesetz verankertes Gebot, der Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit zu unterlaufen. Dem diente die in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone initiierte Bewegung „Deutscher Volkskongress für Einheit und gerechten Frieden“.

Die Westmächte unterstützen ihrerseits die Forderung der Bundesregierung nach freien Wahlen. Auf ihren Antrag setzte die UNO am 20. Dezember 1951 eine Kommission ein, die die Voraussetzungen für freie Wahlen in beiden Teilen Deutschlands prüfen sollte. Die Arbeit dieser Kommission blieb ergebnislos, weil ihr die DDR mit Rücksprache in Moskau Einreise und Unterstützung verweigerte. Freie Wahlen waren das Letzte, was die Partei- und Staatsführung damals gebrauchen konnte. Eine 1952 von Stalin 1952 gestartete Initiative, beide deutsche Staaten zu vereinigen und dadurch die Bundesrepublik ihren westlichen Verbündeten zu entfremden, verlief im Sande. In der so genannten Stalin-Note vom 10. März 1952 und damit mitten im Kalten Krieg bot der sowjetische Staats- und Parteichef Josef Stalin den Westmächten Friedensverhandlungen mit dem Ziel der Wiedervereinigung des geteilten Deutschland an. Der Plan hatte nur einen Haken, denn der künftige deutsche Gesamtstaat sollte militärisch neutral sein und nur eine kleine Armee besitzen. Seine Grenzen sollten denen entsprechen, die im Potsdamer Abkommen festgelegt wurden. Auf die immer vom Westen und von Oppositionellen in der DDR erhobenen Forderung nach freien Wahlen ging der Diktator nicht ein.

Adenauer setzt auf Westbindung

In der Sowjetunion, der DDR und anderen unter sowjetischer Vormundschaft stehenden Staaten wurde die Moskauer Initiative als großartige Friedensinitiative des Führers des Weltproletariats gefeiert. Im Westen dagegen rührte sich kaum eine Hand. Bundeskanzler Konrad Adenauer lehnte das Angebot rundweg als Täuschungsmanöver und durchsichtigen Versuch ab, die Bundesrepublik aus der atlantischen Bindung zu brechen. Eine Prüfung des Vorschlags kam für den CDU-Politiker und seine Freunde nicht in Frage, denn ein neutralisiertes und damit vermutlich unter sowjetischem Einfluss stehendes Deutschland war für sie eine absolute Horrorvorstellung. In seinen Erinnerungen begründete Adenauer seine Haltung damit, „dass nur eine feste entschlossene Politik des Anschlusses an den Westen eines Tages die Wiedervereinigung bringen wird“. Im linken Lager und in der Bewegung gegen die Wiederbewaffnung Westdeutschlands wurde Adenauers Ablehnung als „verpasste Chance“ kritisiert. Nach Stalins Tod am 3. März 1953 und den Enthüllungen seiner Verbrechen war von den sowjetischen Friedensschalmeien nicht mehr die Rede.

24. Juli 2024

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