Vom Vorderen Orient nach Rügen
Archäologen brachten sensationellen Münzfunde und Bronzeschwerter ans Tageslicht /Falsche Römer aus gutem Silber





Einige in Ralswiek geborgenen Dirhams werden im Museum zu Bergen mit einer Karte gezeigt, die die Verbindungslinien vom Nahen Osten bis zur Insel Rügen zeigt.





Der Silber-Dirham des Kalifen Sulaiman wurde im Jahr 716 im heutigen Irak geprägt. Die Inschriften bedeuten „Es gibt keinen Gott außer Allah. Im Namen von Allah wurde dieser Dirham in Wasit geprägt, Jahr 97“. Auf der Rückseite ist zu lesen: „Allah ist der Einzige, Allah ist der Ewige. Er ist es, der Seinen Gesandten mit der Führung und der wahren Religion geschickt hat, auf dass er sie über alle (anderen) Religionen siegen lasse; mag es den Heiden auch zuwider sein.“ Die arabo-sasanidische Drachme aus dem Jahr 661 zeigt das Porträt des persischen Großkönigs Yazdegerd III., der von 632 bis 651 regierte. Die Münzen wiegen 2,8 beziehungsweise 4,06 Gramm.





Ein 1967 entdeckter Talerfund wird im 2001 eröffneten Museum von Bergen auf Rügen gezeigt. Sondengänger fanden auf einer ehemaligen Ackerfläche des Dorfes Cortnitz (Landkreis Bautzen) einige Münzen und meldeten sie den Archäologen. Bei der sixch anschließenden Ausgrabung wurde ein verstreuter Hacksilberschatz geborgen, der 824 Gramm wiegt und mehr als 1550 Einzelstücke enthält. Die Münzen stammen aus dem südlichen Mittelasien, England, Böhmen, Dänemark und Deutschland. Älteste Prägung ist ein islamischer Dirham aus dem Jahr 802/803, jüngste Prägungen sind zwei Fragmente böhmischer Denare, die um 1050 geprägt wurden.



Für den Nachguss der Denare haben Unbekannte im zweiten nachchristlichen Jahrhundert möglicherweise das Metall eines römischen Silbergefäßes verwendet. Darauf deutet die Legierung, die besser als die Vorlagen ist. (Fotos: Caspar, AiD Heft 6/2023, W. Wohmann)

In uralten Zeiten haben Bauern und Stadtbewohner, Händler, Soldaten und andere Leute Gold- und Silberschätze bei Gefahr dem Boden anvertraut oder auch in Häuser eingemauert. Wie diese aussehen, wird im Stadtmuseum Bergen auf Rügen demonstriert, dem Mittelpunkt der Insel Rügen. Das 2001 eröffnete Museum in einem ehemaligen Klostergebäude zeigt aktuell zwei Schätze, ein weiterer, ganz aktuell ans Tageslicht gehobener Schatz könnte nach seiner wissenschaftlicher Bearbeitung hinzu kommen. In der Ausstellung wird dokumentiert, wie arabische Silbermünzen, die so genannten Dirhams, vor über tausend Jahren auf langen, verschlungenen Wegen nach Ralswiek gelangten, an einen Ort ganz im Norden von Rügen und Schauplatz eines dem legendären Seeräuber Klaus Störtebeker und seinen Spießgesellen gewidmeten Open-Air-Spektakels. Ralswiek war ein bedeutender frühmittelalterlicher Handelsplatz.

Geldstücke in enormen Mengen

Hier wurden vor 50 Jahren von der Berliner Akademie der Wissenschaften unter anderem jene von sehr weit her importierten Silberlinge im Boden gefunden. Die 2221 Münzen beziehungsweise Bruchstücke im Gewicht von 2,750 Kilogramm waren in einem Reisigkörbchen unter einem flachen Stein verborgen. Der historisch und münzgeschichtlich bedeutsame Fund wird im Berliner Münzkabinett aufbewahrt, doch sind einige Beispiele auch in Bergen zu sehen. In einer Vitrine wird demonstriert, aus welchen Regionen des Nahen und Mittleren Ostens die im 5. bis 9. Jahrhundert geprägten Münzen stammen. Dass manche zerschnitten sind, geht auf den Brauch zurück, dass nur das Silber, nicht aber die Münzen selbst geschätzt und dass ihr Wert nach dem Gewicht bestimmt wurde. In der Ausstellung ist auch zu erfahren, dass an der Ostseeküste enorme Mengen an Münzen und Gegenständen aus Silber gefunden wurden.

Der Ralswieker Münzfund wird übertroffen von dem, was Ende 2023 ehrenamtliche Archäologen bei Lancken-Granitz ebenfalls auf Rügen entdeckt und geborgen haben. Der spektakuläre Silberschatz enthält rund 6000 Münzen aus dem 11. Jahrhundert im Gesamtgewicht von 6,7 Kilogramm, wie Landesarchäologe Detlef Jantzen bei der Vorstellung des Fundes in Schwerin erklärte. Es handele sich um den größten in der jüngeren Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns gefundenen Silberschatz. Ersten Erkenntnissen zufolge war er in einem Tongefäß vergraben worden, das wahrscheinlich beim Pflügen zerbrach. Das Silber stellte ein bedeutendes Vermögen dar, mit dem man fast 34 Pferde, Ochsen oder auch Sklaven kaufen können. Ein weiterer, in Schwerin vorgestellter Silberschatz stammt aus dem 11. Jahrhundert. Er wurde unweit von Mölln bei Neubrandenburg gefunden und enthält neben Münzen auch Perlen, die aus der Kaukasus-Region stammen könnten, aber auch Schmuck und silberne christliche Reliquiare. Sie stellen sehr frühe Zeugnisse für die Ausbreitung des Christentums im heutigen Mecklenburg-Vorpommern dar.

Als dritten, nicht minder wichtigen Fund stellte Detlef Jantzen sieben zum Teil kostbar verzierte Bronzeschwerter aus der Zeit um 1000 vor Christus vor. Sie wurden in der Nähe von Mirow (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) entdeckt und waren möglicherweise als Gabe an die Götter im Moor versenkt worden. Die Waffen waren schon vor längerer Zeit bei Baggerarbeiten aus der Erde gerissen und auf der umliegenden Fläche verteilt worden. Ehrenamtliche Bodendenkmalpflegern haben sie in akribischer Sucharbeit aufgespürt. Einige wurden im nordischen Raum gefertigt und mit eingravierten Schiffs- und Sonnendarstellungen geschmückt. Das Schweriner Landesamt besitzt mehr als 200 solcher Schwerter aus der Zeit zwischen 2000 und 600 vor Christus.

Beim Pflügen freigelegt

Dirhams hat man nicht nur auf der Insel Rügen gefunden, sondern auch in Drewelow nahe Anklam (Landkreis Greifswald). Dort kamen zehn vollständige und 530 Fragmente dieser Silberstücke aus der Zeit zwischen 900 und 920 zum Vorschein. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte ein Bauer beim Pflügen einen solchen Schatz entdeckt und etwa einhundert Exemplare dem Anklamer Museum geschenkt. Der Fundort erstreckt auf einer Fläche von rund 600 Quadratmetern. Nach Worten des Bearbeiters Lutz Ilisch (Tübingen) ist der Fund von Drewelow wichtig, weil nur sehr wenige Schatzfunde aus dieser Zeit in Nord- und Ostdeutschland gemacht wurden. Er wirft ein Schlaglicht auf den Fernhandel vor über 1000 Jahren zwischen dem Ostseeraum und der islamischen Welt. Solche seinerzeit von Wikingern verborgene Silberschätze sind seit dem 18. Jahrhundert in den Anrainerstaaten der Ostsee dokumentiert. Forscher schätzen, dass im neunten und zehnten Jahrhundert mehrere Millionen Silber-Dirhams gegen Bernstein, Pelze und Sklaven in den Ostseeraum gelangt sind.

Die altehrwürdige Hansestadt Anklam machte schon 1995 durch einen sensationellen Münzschatz von sich reden. Bei Grabungen kamen 2579 Münzen sowie Schmuck und Gebrauchsgegenstände aus Edelmetall ans Tageslicht. Der Schatzfund besteht aus Münzen unterschiedlicher Herkunft und repräsentiert einen Gesamtwert von etwa 270 Talern. Die Zusammensetzung zeigt, dass er in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) vor marodierenden Soldaten versteckt wurde. Kaiserliche und schwedische Truppen wechselten sich bei der Besetzung der Stadt ab, die eine große Zahl ihrer Einwohner durch Waffengewalt, Hunger und Krankheiten verlor. Im Westfälischen Frieden von 1648 wurde Anklam schwedische Grenz- und Garnisonsstadt. Nach Aussage der aus dem Jahr 1629 stammenden Schlussmünze wurde der Schatz mitten im Dreißigjährigen Krieg versteckt. Umfang und Inhalt des Fundes, dessen älteste Münze aus dem 13. Jahrhundert stammt, lässt auf wohlhabende Besitzer schließen.

Bessere Legierung als die Vorlagen

Dass Münzen auch schon in der Antike gefälscht wurden, natürlich nicht um Sammler zu täuschen, die es damals noch nicht gab, sondern aus der Verwendung von minderwertigem Metall und auf anderem Weg Profit zu schlagen, zeigen hin und wieder bei Ausgrabungen entdeckte Gussformen und Metallreste. Die Zeitschrift „Archäologie in Deutschland“ (AiD) Heft 6/2023 berichtet von einem solchen Fund aus Mecklenburg-Vorpommern. Der ehrenamtliche Denkmalpfleger Stefan Fuge entdeckte auf einem ehemaligen Siedlungsplatz bei Raguth (Landkreis Ludwigslust-Parchim) einige römische Münzen und Fragmente eines silbernen Gefäßes. Die Untersuchung von zwei Denaren der Kaiserin Faustina II., die von 147-175/6 nach Christus regierte, ergab, dass sie nicht geprägt, sondern gegossen wurden, was am unregelmäßigen Rand zu erkennen ist. Gefunden wurden ein Denar des Kaisers Antoninus Pius (138-161 nach Christus) sowie das Bruchstücks eines Denars von Kaiser Hadrian (117-138 n. Chr.), bei dem man einen Gusszapfen erkennen kann.

Metalluntersuchungen ergaben, dass die nachgegossenen Münzen bis auf eine Ausnahme einen höheren Silbergehalt aufweisen als die normalen Denare aus dieser Zeit, schreibt David Wigg-Wolf. Es sei durchaus möglich, dass das Metall für die nachgegossenen Münzen von einem römischen Gefäß stammt, das man zerschnitten hat. Der Verfasser vermutet, dass die nachgegossenen Münzen in Raguth hergestellt wurden, und kommt zu dem Schluss: „Auch wenn sie nach römischem Recht vielleicht als Fälschungen galten, sind sie eher als Nachweis für eine eigene , germanische' Münzprägung einzustufen. Imitationen römischer Münzen wurden im nördlichen Barbaricum in beträchtlicher Zahl hergestellt und deckten einen Bedarf an Silbermünzen in der germanischen Gesellschaft ab. In Raguth haben wir nun den ersten Nachweis für das Nachgießen römischer Münzen in Norddeutschland!“

23. November 2023