Goldschmuck und Silbermünzen
Erfurter Schatz aus dem Mittelalter wird in der Alten Synagoge präsentiert



Eine archäologische und kulturhistorische Sensation ist der Erfurter Schatz, der 1998 entdeckt wurde und dauerhaft in der Alten Synagoge mit weiteren Zeugnissen jüdischen Lebens in Erfurt gezeigt wird. Fotos: TLDA Erfurt



Der filigran gearbeitete Hochzeitsring aus Gold wirbt für die Ausstellung in der Erfurter Synagoge.



Von den französischen Turnosen war ein namentlich nicht bekannter Erfurter Geldhändler so beeindruckt, dass er sie systematisch sammelte. Auf welchem Weg er sie bekam und warum er einheimische Silbergroschen verschmähte, ist nicht bekannt. Der Schatz wurde 1998 entdeckt und in zweieinhalbjähriger Arbeit restauriert.



Die mittelalterliche Synagoge sieht bescheiden aus, und wohl deshalb hat sie alle Stürme der Zeiten überstanden. Das Gebäude in der Erfurter Altstadt soll an den im Jahre 70 nach Christus zerstörten jüdischen Tempel in Jerusalem erinnern.Alten Synagoge und weltweit auch im Internet.

(Fotos: Caspar)

Die thüringische Landeshauptstadt Erfurt zeigt in der Alten Synagoge an der Waagegasse neben vielen anderen Hinterlassenschaften der jüdischen Gemeinde den 1998 in unmittelbarer Nähe entdeckten Erfurter Schatz. Die Sammlung besteht aus Zeugnissen mittelalterlicher Gold- und Silberschmiedekunst sowie 3141 Silbermünzen und 14 gestempelten Silberbarren in Form von runden Gusskuchen.

Es wird vermutet, dass der ehemalige Besitzer dieses bedeutenden Vermögens ein Geldhändler war. Rätselhaft ist, warum er fast ausschließlich so genannte Turnosen der französischen Könige Philipp III. (reg. 1270-1285) bis Philipp VI. (reg. 1328-1350) beiseite legte und nicht auch ähnlich qualitätvolle Groschen deutscher Prägeherren berücksichtigt hat. Die von ihm gesammelten Münzen weisen fast alle dieselbe Gestalt auf. Auf der Vorderseite erkennt man ein Gebäude mit einem Kreuz darüber, während die Kehrseite ein großes Kreuz besitzt. Die Legenden auf beiden Seiten enthalten den Namen des jeweiligen Königs und den Hinweis, dass diese Münze aus der Stadt Tours stammt.

Dort hatte König Ludwig IX. (reg. 1226-1270) eine neuartige Münze, den Grossus turonus aufgelegt. Von dem hochwertigen Geldstück hat man die Bezeichnung „Groschen“ abgeleitet. Er fand große Verbreitung und vielfältige Nachahmungen außerhalb seines Ursprungslandes. Man kann darüber spekulieren, welche Mühe der unbekannte Erfurter hatte und welcher internationaler Verbindungen er sich bediente, um in den Besitz dieses ungewöhnlichen Silberschatz zu kommen.

Zu den herausragenden Schaustücken im Kellergewölbe der Alten Synagoge zählen silberne Gefäße sowie goldenes Geschmeide. In einer gesonderten Vitrine wird ein goldener Hochzeitsring gezeigt, der zum Logo des neuen Museums avancierte. Die filigrane Goldschmiedearbeit besteht aus einem winziges Gebäude, während zwei verschlungene Hände den Reif bilden. Außerdem sind in dem neuen Museum aus der jüdischen Gemeinde der Stadt Erfurt stammende mittelalterliche Handschriften und Thorarollen zu sehen, darunter zwei 50 Kilo schwere Bibeln.

9. November 2024
Der Erfurter Schatz wurde offenbar im Zusammenhang mit einem Pogrom im Jahr 1349 vergraben, bei dem etwa 900 Mitglieder der örtlichen jüdischen Gemeinde ums Leben kamen. In zweijähriger Arbeit restauriert, hat der Schatz ein Gesamtgewicht von etwa 28 Kilogramm. Das Silbergeschirr besteht aus mehreren Bechern, einer Kanne und einer Trinkschale. Hinzu kommen Broschen und Ringe sowie Teile von Gürteln und weiterer edler Besatz von Gewändern. Wie diese Juwelen meist aus Gold am Hals und den Händen getragen beziehungsweise auf kostbaren Stoffen genäht wurden.

Der von einem reichen Mitglied der jüdischen Gemeinde angehäufte Schatz wird zu den umfangreichsten und besterhaltenen Hortfunden des europäischen Mittelalters gezählt. Obwohl nach dem Pogrom von 1349 die Trümmer der eingeäscherten Häuser nach Schätzen und anderen Hinterlassenschaften abgesucht wurden, blieb der Besitz jenes Handelsmannes unentdeckt und überstand, tief in der Erde liegend, alle Kriege und Katastrophen, von denen Erfurt in seiner langen Geschichte reichlich betroffen war.

Sehenswert ist die in ein Museum verwandelte Synagoge, deren ältesten Bauteile noch aus dem 11. Jahrhundert stammen. Das Gotteshaus war bis zum Pogrom von 1349 das religiöse und kulturelle Zentrum der Erfurter Juden, die eine der größten Gemeinden im damaligen Römisch-deutschen Reich bildeten. Als in jenem Jahr das Gerücht gestreut wurde, Juden seien Brunnenvergifter und würden die Pest nach Erfurt holen, kam es zu Gewaltakten, in deren Folge das jüdische Gemeindeleben ausgelöscht wurde. Die Synagoge wurde in ein Lagerhaus umgewandelt. Im 19. Jahrhundert war das Gebäude Kaffeehaus beziehungsweise Restaurant mit Kegelbahn und Tanzsaal. Da die ursprüngliche Bestimmung des Hauses in Vergessenheit geraten war, blieb es beim nationalsozialistischen Pogrom am 9. November 1938 stehen.

8. November 2024